Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 763/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
9C_763/2015        
{T 0/2}

Urteil vom 9. Mai 2016

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Michèle Dürrenberger,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau,
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin,

Columna Sammelstiftung Group Invest, c/o AXA Leben AG, Legal & Compliance,
Paulstrasse 9, 8003 Zürich.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 8. September 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die 1967 geborene A.________, kaufmännische Angestellte, selbstständige
Fotografin und Gartenpflegerin, meldete sich am 22. März 2010 unter Hinweis auf
wiederkehrende schwere depressive Zustände und Migräne bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Aargau
traf Abklärungen in medizinischer, erwerblicher und hauswirtschaftlicher
Hinsicht. Sie gelangte zum Schluss, dass die Versicherte ohne
Gesundheitsschaden in einem Pensum von 80 % erwerbstätig wäre, während auf die
Besorgung des Haushalts 20 % der gesamten Arbeitszeit entfallen würden.
Gestützt auf einen Einkommensvergleich im erwerblichen Bereich und einen
Betätigungsvergleich im Aufgabenbereich Haushalt ermittelte die IV-Stelle einen
Invaliditätsgrad von 32 %. Dementsprechend lehnte sie das Rentengesuch mit
Verfügung vom 20. Oktober 2014 ab.

B. 
Die hiegegen eingereichte Beschwerde, mit welcher A.________ beantragt hatte,
unter Aufhebung der angefochtenen Verfügung sei ihr eine halbe, eventuell eine
Viertelsrente der Invalidenversicherung zuzusprechen, subeventuell die Sache zu
neuer Beurteilung an die IV-Stelle zurückzuweisen, wies das
Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 8. September 2015 ab.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ die
vorinstanzlich gestellten Rechtsbegehren erneuern.
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichten die
als Mitinteressierte beigeladene Columna Sammelstiftung Group Invest und das
Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung
des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Die Vorinstanz gelangte in Würdigung der erwerblichen Unterlagen und der
Angaben der Versicherten selbst, insbesondere bei der Abklärung an Ort und
Stelle (vom 1. Juli 2013), zur Auffassung, dass diese ohne Gesundheitsschaden
als unselbstständig erwerbende kaufmännische Angestellte in einem Pensum von 80
% tätig wäre. Der Invaliditätsgrad sei demzufolge nach der gemischten Methode
mit Anteilen von 80 % Erwerbsarbeit und 20 % Hausarbeit zu bemessen. Sie hat
sodann dem Gutachten des AEH Zentrum für Arbeitsmedizin, Ergonomie und Hygiene
AG, Zürich, vom 23. April 2014, wo die Beschwerdeführerin am 20./21. März 2014
mittels Funktionsorientierter Medizinischer Abklärung (FOMA) untersucht worden
war, sowie dem Gutachten des Psychiaters Dr. med. B.________ vom 10. April 2014
vollen Beweiswert zuerkannt und gestützt auf die fachärztlichen Einschätzungen
eine hälftige Arbeitsfähigkeit in der angestammten Tätigkeit als kaufmännische
Angestellte wie auch in einer anderen leidensangepassten Arbeit angenommen.
Aufgrund eines Prozentvergleichs resultierte im erwerblichen Bereich (der 80 %
umfasst) eine Einschränkung von 37,5 %, während sich im Haushalt (20 % des
gesamten Pensums) gemäss der Abklärung an Ort und Stelle vom 1. Juli 2013 eine
Beeinträchtigung von 9 % ergab. Auf diese Weise ermittelte das kantonale
Gericht einen Invaliditätsgrad von gesamthaft 32 % (0,8 x 37,5 + 0,2 x 9).

3. 
Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie wäre ohne gesundheitliche
Beeinträchtigung voll erwerbstätig. Sie sei nebst der Arbeit als kaufmännische
Angestellte im Nebenerwerb als Gartenpflegerin und Fotografin tätig gewesen.
Dem Abklärungsbericht vom 1. Juli 2013 sei zu entnehmen, dass sie ohne
Gesundheitsschaden zu 100 % arbeiten würde. Bei jener Abklärung sei ihr
Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden; ihre von der Auffassung der
Abklärungsperson abweichenden Aussagen seien nicht im Bericht enthalten. Im
Übrigen sei die Einsatzfähigkeit im Haushalt viel zu hoch eingeschätzt worden;
richtigerweise sei die Einschränkung im nicht erwerblichen Bereich auf 16,5 %
zu veranschlagen. Bei der Festsetzung des hypothetischen Einkommens ohne
Invalidität (Valideneinkommen) seien ferner die Einnahmen, die sie als
Gartenpflegerin und Fotografin erzielte, einzubeziehen; diese hätten sich
durchschnittlich auf Fr. 7'656.- im Jahr belaufen. In Bezug auf die
Arbeitsfähigkeit wendet die Versicherte ein, das Gutachten des AEH vom 23.
April 2014, das ihr eine Leistungsfähigkeit von 50 % attestiert, berücksichtige
einzig psychische Beeinträchtigungen, obwohl sie auch an einer Fusserkrankung
leide. Eine Arbeitsfähigkeit von 50 % sei nicht realistisch, weil zusätzlich
eine Verminderung der Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden müsse.

4. 
Die Einwendungen der Beschwerdeführerin sind nicht geeignet, den angefochtenen
Entscheid als auf einer willkürlichen Feststellung des Sachverhalts beruhend
oder anderweitig bundesrechtswidrig (E. 1 hievor) erscheinen zu lassen.

4.1. Soweit sich die Versicherte gegen die Sachverhaltsermittlung des
kantonalen Gerichts wendet, beschränkt sie sich weitgehend auf appellatorische
Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung, auf die im Rahmen der dem
Bundesgericht zustehenden Überprüfungsbefugnis nicht einzugehen ist (E. 1
hievor). Eine willkürliche oder sonst wie bundesrechtswidrige Feststellung des
rechtserheblichen Sachverhalts wirft sie der Vorinstanz nicht vor. Wenn diese
beim Valideneinkommen lediglich die Entlöhnung für das Arbeitspensum im
kaufmännischen Bereich, nicht aber die Einkünfte aus den
Nebenerwerbstätigkeiten, herangezogen hat, liegt darin keine Rechtsverletzung
und ebenso wenig eine unvollständige Feststellung des Sachverhalts. Denn
massgebend ist nicht, in welchem Ausmass und in welchen Bereichen eine
versicherte Person vor Eintritt der Invalidität gelegentlich und in
unterschiedlichem Umfang tätig war. Vielmehr steht die Frage im Zentrum, welche
Arbeiten die versicherte Person verrichten würde, wenn sie nicht invalid
geworden wäre. Es geht hier mit anderen Worten um die hypothetische Tätigkeit
der Beschwerdeführerin. Und diesbezüglich kann der Vorinstanz keine
offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung im Sinne von Willkür
vorgeworfen werden, wenn sie die Aussage der Beschwerdeführerin bei der
Abklärung an Ort und Stelle als entscheidend erachtet hat. Wie dem
angefochtenen Entscheid im Übrigen zu entnehmen ist, hat die Versicherte die
teilzeitliche selbstständige Erwerbstätigkeit aufgenommen, weil sie keine
Anstellung im kaufmännischen Bereich gefunden hatte. Auch aus diesem Grund ist
nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Beschwerdeführerin nebst einer
kaufmännischen Tätigkeit von 80 % teilzeitlich noch selbstständig arbeiten
würde. Betreffend die für die Invaliditätsbemessung nach der gemischten Methode
massgebenden Anteile Erwerbstätigkeit und Haushalt hat sich die Vorinstanz auf
die Angaben der Versicherten bei der Abklärung an Ort und Stelle vom 1. Juli
2013 berufen. Inwiefern die darauf basierende Feststellung der Anteile (80 %
Erwerbstätigkeit; 20 % Haushalt) offensichtlich unrichtig sein soll, vermag die
Beschwerdeführerin nicht darzutun. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die
Aussagen der Versicherten von der Abklärungsperson ungenau festgehalten wurden,
liegen nicht vor. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs seitens der Verwaltung
ist nicht erkennbar.

4.2. Was die medizinische Seite betrifft, hat das kantonale Gericht
festgehalten, die Versicherte sei gemäss Folgerungen der Gutachter in ihrer
angestammten Tätigkeit als kaufmännische Angestellte hälftig arbeitsfähig.
Hievon sei kein Abzug in Folge verminderter Leistungsfähigkeit vorzunehmen; das
Gutachten des AEH attestiere eine Arbeitsfähigkeit von 50 % ohne
Leistungsverminderung. Die entsprechende Aussage ist insofern ungenau
wiedergegeben, als die Gutachter dargelegt haben, die Beschwerdeführerin könne
die bisherige Tätigkeit in vollem zeitlichen Umfang, aber nur mit einer
Leistungsreduktion von 50 %, ausführen. Ein behinderungsbedingter Abzug fällt
indessen ausser Betracht (statt vieler: Urteile 9C_359/2014 vom 5. September
2014 E. 5.4 und 8C_765/2007 vom 11. Juli 2008 E. 4.3.3). Die Fussbeschwerden
wiederum, auf welche die Versicherte zur Begründung einer reduzierten
Einsatzfähigkeit hinweist, haben ausdrücklich Eingang in die Beurteilung der
Gutachter gefunden, weshalb deswegen entgegen den Vorbringen in der Beschwerde
keine zusätzliche Einschränkung der Arbeitsfähigkeit gegeben ist.

4.3. Die Beschwerdeführerin zieht schliesslich auch die Invaliditätsbemessung
des kantonalen Gerichts in Zweifel. Ihre Einwendungen belegen jedoch keine
Rechtswidrigkeit der Vorinstanz. Insbesondere besteht kein Anlass, vom
Invalideneinkommen einen leidensbedingten Abzug von 20 % vorzunehmen. Ein
solcher ist gestützt auf die Expertise des AEH, welcher die Vorinstanz volle
Beweiskraft zuerkannt hat, nicht gerechtfertigt. Eine Änderung der für den
Einkommensvergleich verwendeten Zahlen ist nicht erforderlich. Insbesondere ist
der von der Vorinstanz vorgenommene Prozentvergleich (BGE 114 V 310 E. 3a S.
313), der für den erwerblichen Bereich eine Einbusse von 37,5 % ergab, nicht zu
beanstanden. Zu den Einwendungen betreffend die einzelnen Positionen des
Betätigungsvergleichs ist nicht Stellung zu nehmen, handelt es sich doch
insoweit um Feststellungen tatsächlicher Natur der Vorinstanz oder Wertungen,
die im Ermessen der Abklärungsperson der IV-Stelle liegen. Dass und inwieweit
die Invaliditätsbemessung durch die Vorinstanz bundesrechtswidrig sei, macht
die Beschwerdeführerin nicht geltend.

4.4. Nachdem die Anwendbarkeit der gemischten Methode als solche nicht gerügt
wird, erübrigen sich deshalb zusätzliche Weiterungen. Im Übrigen wird auf
Urteil 8C_912/2015 vom 15. April 2016 E. 4.3 verwiesen.

5. 
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Columna Sammelstiftung Group Invest, dem
Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 9. Mai 2016

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Widmer

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