Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 746/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_746/2015

Urteil vom 21. Dezember 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
Gerichtsschreiberin Dormann.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Reto Zanotelli,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 24. August 2015.

Sachverhalt:

A. 
Nachdem ein erstes Rentengesuch der 1961 geborenen A.________ abgewiesen worden
war (Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 22. April 2005 und
Einspracheentscheid vom 29. Juli 2005, bestätigt durch Urteil 9C_6/2007 vom 22.
Juni 2007), meldete sie sich im Juli 2007 erneut bei der Invalidenversicherung
zum Leistungsbezug an. Mit Verfügungen vom 12. Dezember 2008 sprach ihr die
IV-Stelle des Kantons Zürich eine halbe Rente ab dem 1. März 2007 resp. eine
Viertelsrente ab dem 1. Juni 2008 zu (Invaliditätsgrad von 50 % resp. 40 %). Im
Mai 2013 leitete die Verwaltung von Amtes wegen ein Revisionsverfahren ein.
Nach Abklärungen und Durchführung des Vorbescheidverfahrens hob die IV-Stelle
die Rente mit Verfügung vom 16. Oktober 2014 auf Ende November 2014 auf.

B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich mit Entscheid vom 24. August 2015 ab.

C. 
A.________ lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
beantragen, unter Aufhebung des Entscheids vom 24. August 2015 und der
Verfügung vom 16. Oktober 2014 sei ihr auch nach dem 30. November 2014 eine
Invalidenrente auszurichten.

Erwägungen:

1.

1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

1.2. Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich
unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und
augenfällig unzutreffend ist (BGE 132 I 42 E. 3.1 S. 44). Eine offensichtlich
unrichtige Sachverhaltsfeststellung weist damit die Tragweite von Willkür auf (
BGE 135 II 145 E. 8.1 S. 153; Botschaft des Bundesrates vom 28. Februar 2001
zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 S. 4338; MARKUS SCHOTT,
Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 9 f. zu Art. 97 BGG).
Es liegt noch keine offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere
Lösung ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere
erschiene (Urteil 9C_570/2007 vom 5. März 2008 E. 4.2). Eine
Sachverhaltsfeststellung ist etwa dann offensichtlich unrichtig, wenn das
kantonale Gericht den Sinn und die Tragweite eines Beweismittels offensichtlich
falsch eingeschätzt, ohne sachlichen Grund ein wichtiges und für den Ausgang
des Verfahrens entscheidendes Beweismittel nicht beachtet oder aus den
abgenommenen Beweisen unhaltbare Schlüsse gezogen hat (BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9;
Urteile 9C_851/2012 vom 5. März 2013 E. 2.3.2; 8C_5/2010 vom 24. März 2010 E.
1.2).

2. 
Ändert sich der Invaliditätsgrad eines Rentenbezügers erheblich, so wird die
Rente von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft entsprechend erhöht,
herabgesetzt oder aufgehoben (Art. 17 Abs. 1 ATSG). Anlass zur Rentenrevision
gibt jede wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen seit
Zusprechung der Rente, die geeignet ist, den Invaliditätsgrad und damit den
Anspruch zu beeinflussen. Insbesondere ist die Rente bei einer wesentlichen
Änderung des Gesundheitszustandes revidierbar. Hingegen ist die lediglich
unterschiedliche Beurteilung eines im Wesentlichen gleich gebliebenen
Sachverhalts im revisionsrechtlichen Kontext unbeachtlich (SVR 2011 IV Nr. 1 S.
1, 8C_972/2009 E. 3.2; Urteil 9C_379/2014 vom 26. August 2014 E. 3.2). Liegt in
diesem Sinne ein Revisionsgrund vor, ist der Rentenanspruch in rechtlicher und
tatsächlicher Hinsicht allseitig zu prüfen (BGE 117 V 198 E. 4b S. 200; Urteil
9C_226/2013 vom 4. September 2013 mit weiteren Hinweisen).

3.

3.1. Die Vorinstanz hat dem polydisziplinären Gutachten der medizinischen
Abklärungsstelle B.________ vom 8. Juli 2014 Beweiskraft beigemessen und
gestützt darauf sowohl für die bisherige Arbeit (Reinigungskraft, Mitarbeiterin
in Cafeteria) als auch für angepasste Tätigkeiten eine uneingeschränkte
Arbeitsfähigkeit festgestellt. Weiter hat sie im Vergleich zum Zeitpunkt der
ursprünglichen Rentenzusprache eine wesentliche Verbesserung des
Gesundheitszustandes festgestellt und damit die Voraussetzungen für eine
Rentenrevision nach Art. 17 Abs. 1 ATSG bejaht. Folglich hat sie die
Rentenaufhebung bestätigt.

3.2. Die Beschwerdeführerin stellt einzig in Abrede, dass bis zum Erlass der
rentenaufhebenden Verfügung vom 16. Oktober 2014 eine Verbesserung des
Gesundheitszustandes eingetreten und damit ein Revisionsgrund gegeben sein
soll. Dabei beruft sie sich insbesondere auf eine vom 2. Juni bis zum 15.
August 2014 im Sanatorium C.________ erfolgte stationäre Behandlung und den
entsprechenden Austrittsbericht vom 12. September 2014.

4.

4.1. Bei den vorinstanzlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit der versicherten Person handelt es sich grundsätzlich um
Entscheidungen über eine Tatfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.), welche das
Bundesgericht seiner Urteilsfindung zugrunde zu legen hat (E. 1). Die konkrete
Beweiswürdigung stellt ebenfalls eine Tatfrage dar. Dagegen ist die Beachtung
des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c
ATSG Rechtsfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.; Urteil I 865/06 vom
12. Oktober 2007 E. 4 mit Hinweisen), die das Bundesgericht im Rahmen der den
Parteien obliegenden Begründungs- bzw. Rügepflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG und Art.
106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.1 und 1.4.2 S. 254) frei überprüfen kann
(Art. 106 Abs. 1 BGG).

4.2. Das kantonale Gericht hat festgestellt, dass sich die ursprüngliche
Rentenzusprache auf das Gutachten der medizinischen Fachstelle D.________ vom
19. August 2008 gestützt habe. Darin sei aufgrund einer leichten bis
mittelgradigen depressiven Episode und einer anhaltenden somatoformen
Schmerzstörung eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit von 50 % (ab Dezember
2006) resp. 30 % (ab Juni 2008) attestiert worden. Die Ärzte der medizinischen
Abklärungsstelle B.________ seien der Auffassung, dass sich "allenfalls" noch
eine leichtgradige depressive Episode diagnostizieren lasse. Insofern könne von
einer Verbesserung ausgegangen werden. Das bestätige eine Gegenüberstellung der
jeweiligen Befunde: Im Zeitpunkt der Begutachtung der medizinischen Fachstelle
D.________ hätten Ängste vor dem Alleinsein, eine Antriebsstörung,
Schlafschwierigkeiten und teilweise paranoid gefärbte Gedanken vorgelegen.
Solche Befunde seien im Gutachten der medizinischen Abklärungsstelle B.________
und im Austrittsbericht des Sanatoriums C.________ nicht mehr erwähnt worden.

4.3.

4.3.1. Dass in Bezug auf ein allfälliges somatisches Leiden und eine anhaltende
somatoforme Schmerzstörung lediglich eine unterschiedliche Beurteilung eines
unveränderten Gesundheitszustandes vorliegt, ändert nichts daran, dass die
Gutachter der medizinischen Abklärungsstelle B.________ ein "namhaftes
depressives Syndrom" aufgrund der erhobenen Befunde "nicht mehr" feststellen
konnten. Eine solche Diagnose war indessen für die Rentenzusprache resp. für
die damalige Annahme einer eingeschränkten Arbeitsfähigkeit - auch angesichts
der damals geltenden Rechtsprechung von BGE 130 V 352 - kausal (vgl. Gutachten
der medizinischen Fachstelle D.________ S. 20 Ziff. 7.4). Demnach ist eine
Verbesserung in diesem Bereich anspruchsrelevant.
Eine Verbesserung des Gesundheitszustandes resp. der Erwerbsfähigkeit ist in
der Regel zu berücksichtigen, wenn sie drei Monate anhält (vgl. Art. 88a Abs. 1
IVV [SR 831.201]). Das gilt auch dann, wenn bei einer chronifizierten
depressiven Störung eine Schwankung im Schweregrad krankheitstypisch ist (vgl.
Urteil 8C_308/2013 vom 8. November 2013 E. 3.2.2), wie die Versicherte geltend
macht.

4.3.2. Selbst wenn sich die Experten der medizinischen Abklärungsstelle
B.________ nicht explizit mit der im Gutachten der medizinischen Fachstelle
D.________ diagnostizierten leichten bis mittelgradigen depressiven Episode
auseinandersetzten (vgl. Gutachten der medizinischen Abklärungsstelle
B.________ S. 35 Ziff. 2.4.4), ist ihre Annahme einer diesbezüglichen
Verbesserung des Gesundheitszustandes begründet: Bereits die Ärzte der
medizinischen Fachstelle D.________ stellten im Vergleich zum Vorzustand im
Oktober 2007 (vgl. Bericht der psychiatrischen Klinik E.________ vom 7.
November 2007) eine gewisse Gesundung fest, und die Befunde, die anlässlich der
Untersuchung durch die Ärzte der medizinischen Abklärungsstelle B.________ im
März 2014 erhoben werden konnten, sprechen klar für eine weitere Besserung. Die
Vorinstanz hielt diese Entwicklung - insbesondere vor dem Hintergrund, dass die
Begutachtung der medizinischen Fachstelle D.________ nur wenige Monate nach dem
Tod des Ehemannes der Versicherten erfolgte - denn auch zu Recht für
nachvollziehbar.

4.3.3. Sodann trug die Vorinstanz auch der Zeit zwischen der Untersuchung durch
die Ärzte der medizinischen Abklärungsstelle B.________ und dem Erlass der
angefochtenen Verfügung Rechnung: Zwar wurde die Beschwerdeführerin in diesem
Zeitraum während rund zehn Wochen im Sanatorium C.________ stationär behandelt
und stellten die behandelnden Ärzte im entsprechenden Austrittsbericht u.a.
eine "rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode"
fest. Diese werteten sie indessen lediglich als Nebendiagnose neben der -
grundsätzlich nicht invalidisierenden (vgl. SVR 2012 BVG Nr. 14 S. 61, 9C_213/
2011 E. 4.4.2) - Hauptdiagnose "psychische und Verhaltensstörungen durch
Sedativa oder Hypnotika: Abhängigkeitssyndrom". Eine nähere Begründung der
Depressionsdiagnose fehlt. Die Beschwerdeführerin macht denn auch zu Recht
nicht geltend, dass im Austrittsbericht psychiatrische Befunde aufgeführt
werden, die mit den im Gutachten der medizinischen Fachstelle D.________
erwähnten vergleichbar sind. Zudem sind ohnehin nicht die Befunde beim
Eintritt, sondern beim Austritt aus dem Sanatorium entscheidend. Die
behandelnden Ärzte stellten diesbezüglich u.a. fest, dass sich das psychische
Zustandsbild der Patientin im Laufe der Hospitalisation verbessert habe und sie
"in die alten Verhältnisse" habe entlassen werden können. Zudem verwiesen sie
insbesondere auf die Diskrepanz zwischen subjektiven Beschwerden und
objektivierbaren Befunden sowie ein ausgeprägtes "Vermeidungsverlangen" (recte
wohl: Vermeidungsverhalten) und eine grobe Passivität. Eine Arbeitsunfähigkeit
attestierten sie nicht. Über den weiteren Verlauf sind keine medizinischen
Unterlagen aktenkundig. Unter diesen Umständen gab resp. gibt die stationäre
Behandlung keinen Anlass zur Annahme, dass sich die gesundheitliche Situation
bei Erlass der angefochtenen Verfügung wesentlich von jener bei der
Begutachtung der medizinischen Abklärungsstelle B.________ unterschieden haben
soll.

4.4. Nach dem Gesagten sind die vorinstanzlichen Feststellungen betreffend die
gesundheitliche Entwicklung (E. 3.1 und 4.2) nicht offensichtlich unrichtig (E.
1.2), auch wenn der Regionale Ärztliche Dienst - ohne Begründung - eine
uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit bereits ab 2008 für "wahrscheinlich" hielt.
Die Feststellungen beruhen auch nicht auf einer Rechtsverletzung, weshalb sie
für das Bundesgericht verbindlich bleiben (E. 1.1). Somit ist ein
Revisionsgrund im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG ausgewiesen. Die Beschwerde ist
unbegründet.

5. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 21. Dezember 2015
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Dormann

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