Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 744/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]          
9C_744/2015 {T 0/2}     

Urteil vom 26. April 2016

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterin Pfiffner,
Bundesrichter Parrino,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

Verfahrensbeteiligte
Pensionskasse der Credit Suisse Group (Schweiz), Paradeplatz 8, 8001 Zürich,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. René Schwarzmann,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Korinna Fröhlich,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 14. August 2015.

Sachverhalt:

A. 
Der 1976 geborene A.________ arbeitete zuletzt vom 21. Juni bis 24. August 2010
bei der B.________ AG und war aufgrund dieser Anstellung für die berufliche
Vorsorge bei der Pensionskasse der Credit Suisse Group (Schweiz) versichert.
Nachdem er sich am 30. Juli 2010 bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug angemeldet hatte, sprach im die IV-Stelle des Kantons Zürich mit
Verfügung vom 15. Juli 2011 ab 1. Juli 2011 unter Annahme eines
Invaliditätsgrades von 100 % eine ganze Invalidenrente zu. Die hiegegen
eingereichte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
mit Entscheid vom 9. Juli 2013 ab. Dieser Entscheid blieb unangefochten.
Am 11. August 2011 erklärte die Pensionskasse ihren Rücktritt vom
überobligatorischen Vorsorgevertrag, weil der Versicherte am 28. Juni 2010 im
Rahmen der Gesundheitsprüfung unwahre Angaben über seinen Gesundheitszustand
gemacht habe. Mit Schreiben vom 1. November 2013 teilte die Pensionskasse
A.________ mit, dass sie ihm keine Invalidenleistungen aus der beruflichen
Vorsorge erbringe.

B. 
Am 6. November 2013 reichte A.________ beim Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich Klage gegen die Pensionskasse ein mit dem Rechtsbegehren, es
seien ihm ab Juli 2011 Invalidenleistungen in der Höhe von Fr. 35'286.- im Jahr
auszurichten. Mit Entscheid vom 14. August 2015 verpflichtete das Gericht die
Pensionskasse in teilweiser Gutheissung der Klage, dem Versicherten ab 1. Juli
2011 eine auf einem Invaliditätsgrad von 100 % basierende Invalidenrente aus
der obligatorischen beruflichen Vorsorge zu bezahlen, zuzüglich Verzugszins von
5 % ab 6. November 2013 auf den bis zu diesem Zeitpunkt fällig gewordenen
Renten sowie auf den seither fällig gewordenen ab dem jeweiligen
Fälligkeitsdatum. Im Übrigen wies es die Klage ab.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt die
Pensionskasse beantragen, der vorinstanzliche Entscheid sei hinsichtlich der
Ausrichtung einer Invalidenrente aus der obligatorischen beruflichen Vorsorge,
des Verzugszinses und der Parteientschädigung aufzuheben. Eventuell sei die
Sache in den genannten Punkten an das kantonale Gericht zurückzuweisen.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung
des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.

2.1. Die Vorinstanz hat zutreffend festgehalten, dass Anspruch auf
Invalidenleistungen nach Art. 23 Abs. 1 BVG Personen haben, die im Sinne der
Invalidenversicherung zu mindestens 40 % invalid sind und bei Eintritt der
Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat, versichert
waren. Richtig ist auch, dass Invalidenleistungen der obligatorischen
beruflichen Vorsorge von derjenigen Vorsorgeeinrichtung geschuldet werden,
welcher der Ansprecher bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur
Invalidität geführt hat, angeschlossen war (Art. 23 lit. a BVG). Ferner hat das
kantonale Gericht die Rechtsprechung zur grundsätzlichen Verbindlichkeit der
Feststellungen der Invalidenversicherung hinsichtlich des Eintritts der
invalidisierenden Arbeitsunfähigkeit, der Eröffnung der Wartezeit und der
Festsetzung des Invaliditätsgrades für die obligatorische berufliche Vorsorge
korrekt wiedergegeben (BGE 126 V 308 E. 1 S. 310 f.,    132 V 1 E. 3.2 S. 4).
Darauf wird verwiesen.

2.2. Das kantonale Gericht ging davon aus, der Beginn des Anspruchs auf eine
Rente der Invalidenversicherung sei rechtskräftig auf den 1. Juli 2011
festgelegt worden. Gleiches gelte für das Datum der Eröffnung der einjährigen
Wartezeit am 20. Juli 2010. Bezüglich berufsvorsorgerechtlicher
Invalidenleistungen sei demnach eine am 20. Juli 2010 eingetretene vollständige
Arbeitsunfähigkeit ausgewiesen. Damit sei die grundsätzliche Leistungspflicht
der Vorsorgeeinrichtung in der obligatorischen Vorsorge zu bejahen. Im Weiteren
prüfte die Vorinstanz die Leistungspflicht der Vorsorgeeinrichtung im
überobligatorischen Bereich, verneinte aber einen Anspruch aus der
weitergehenden Vorsorge wegen der vom Versicherten begangenen
Anzeigepflichtverletzungen.

3. 
Die Pensionskasse wendet zunächst unter Hinweis auf verschiedene Arztberichte
ein, der Versicherte sei seit 2005 wiederholt psychisch erkrankt und während
längerer Zeit arbeitsunfähig gewesen. Sodann kritisiert sie die Rechtsprechung
zur Verbindlichkeit der Feststellungen der Invalidenversicherung für die
Vorsorgeeinrichtung. Die Verweisungen in den Art. 23 lit. a, 24 Abs. 1 und 26
Abs. 1 BVG auf die Invalidenversicherung ermächtigten die IV-Stellen nicht zur
berufsvorsorgerelevanten Festlegung der Invalidenleistungen nach BVG. Es sei
nicht einzusehen, weshalb die Prüfung durch die Vorsorgeeinrichtung von
vornherein auf die qualifizierte Fehlerhaftigkeit eingeschränkt werden soll. Im
Weiteren fehle es an einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang
zwischen der während des Vorsorgeverhältnisses bestandenen Arbeitsunfähigkeit
und der allenfalls später eintretenden Invalidität. Der Beschwerdegegner sei
schon während einer früheren Anstellung im Jahr 2008 längere Zeit
arbeitsunfähig gewesen, ebenso während eines Arbeitsverhältnisses, das von
Oktober 2008 bis August 2009 dauerte. Die Aussage des Dr. med. C.________,
Regionaler Ärztlicher Dienst, welcher ab 20. Juli 2010 eine volle
Arbeitsunfähigkeit annahm, sei offensichtlich unrichtig.

4.

4.1. Es trifft zu, dass der Beschwerdegegner schon vor der Anstellung bei der
B.________ AG wegen eines psychischen Leidens wiederholt während längerer Zeit
arbeitsunfähig war. Den Beginn der einjährigen Wartezeit (vgl. Art. 28 Abs. 1
lit. b IVG) setzte die IV-Stelle indessen auf den 20. Juli 2010 und damit auf
einen Zeitpunkt fest, in welchem der Versicherte bei der B.________ AG tätig
war. Inwiefern die Vorinstanz den Zeitpunkt der Eröffnung der Wartezeit als
Tatfrage gestützt auf die diesbezüglich verbindlichen Feststellungen der
Invalidenversicherung (E. 2.1 hievor) offensichtlich unrichtig, d.h.
willkürlich (vgl. E. 1 hievor), auf den 20. Juli 2010 und damit auf einen
Zeitpunkt festgesetzt habe, in welchem der Beschwerdegegner bei der
Beschwerdeführerin versichert war, vermag diese nicht schlüssig zu begründen.
Die Beschwerdeführerin hat daher entsprechend dem angefochtenen Entscheid die
Invalidenleistungen aus dem Obligatorium zu erbringen. Es wird im Übrigen auf
die diesbezüglichen Darlegungen des kantonalen Gerichts verwiesen.

4.2. Soweit die Pensionskasse die geltende Rechtsprechung zur Verbindlichkeit
der Angaben der Invalidenversicherung für die berufliche Vorsorge in Zweifel
zieht, hat sie sich entgegenhalten zu lassen, dass eine Änderung der
Rechtsprechung nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen in Frage kommt:
Sprechen keine entscheidenden Gründe zugunsten einer Praxisänderung, ist die
bisherige Praxis beizubehalten. Gegenüber dem Postulat der Rechtssicherheit
lässt sich eine Praxisänderung grundsätzlich nur begründen, wenn die neue
Lösung besserer Erkenntnis der ratio legis, veränderten äusseren Verhältnissen
oder gewandelten Rechtsanschauungen entspricht. Nach der Rechtsprechung ist
eine bisherige Praxis zu ändern, wenn sie als unrichtig erkannt oder wenn deren
Verschärfung wegen veränderter Verhältnisse oder zufolge zunehmender
Missbräuche für zweckmässig gehalten wird (BGE 133 V 37 E. 5.3.3 S. 39 mit
Hinweisen; zur Publikation in BGE 142 bestimmte E. 5.1 des Urteils 9C_268/2015
vom 3. Dezember 2015). Dass diese Voraussetzungen für eine Änderung der
Rechtsprechung zur Verbindlichkeit der Feststellungen der Invalidenversicherung
für die obligatorische berufliche Vorsorge gegeben seien, macht die
Pensionskasse nicht geltend. Ob ihre Kritik in einzelnen Punkten stichhaltig
erscheinen mag, ist mit Blick auf die Kriterien, die rechtsprechungsgemäss
erfüllt sein müssen, damit der Grundsatz der Vorrang geniessenden
Rechtssicherheit durchbrochen werden könnte, ohne Belang, sodass sich eine
Auseinandersetzung mit den beschwerdeweise vorgebrachten Argumenten erübrigt.
Weder liegen eine bessere Erkenntnis der ratio legis, veränderte äussere
Verhältnisse noch gewandelte Rechtsanschauungen vor.
4.3 Mit der Behauptung, es fehle an einem engen sachlichen und zeitlichen
Zusammenhang zwischen der während des Vorsorgeverhältnisses eingetretenen
Arbeitsunfähigkeit und der später einsetzenden Invalidität, stellt der
Beschwerdeführer wiederum die Verbindlichkeit der Festsetzung des Beginns der
Wartezeit durch die IV-Stelle in Frage, ohne allerdings deren offensichtliche
Unhaltbarkeit (BGE 126 V 310 E. 1) hinreichend darzutun.

5. 
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden
Pensionskasse aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 26. April 2016

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Widmer

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