Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 730/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_730/2015

Urteil vom 16. September 2016

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
Bundesrichterin Moser-Szeless,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

Verfahrensbeteiligte
KPT Krankenkasse AG,
Tellstrasse 18, 3014 Bern,
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Staffelbach
und/oder Rechtsanwältin Andrea Haefeli,
Beschwerdeführerin,

gegen

Kantonsspital St. Gallen,
Rorschacher Strasse 95, 9007 St. Gallen,
vertreten durch Rechtsanwalt Felix Ludwig
und/oder Rechtsanwalt Dominik Sennhauser,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Krankenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 25. August 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. Die 1940 geborene A.________ ist bei der Publisana Krankenkasse AG
(Publisana) bzw. infolge Fusion per 1. Januar 2015 bei deren Rechtsnachfolgerin
KPT Krankenkasse AG, Bern, obligatorisch krankenpflegeversichert. Mitte 2007
wurde bei A.________ ein Morbus Pompe (eine seltene Stoffwechselkrankheit)
diagnostiziert und in der Folge bis Mai 2008 mit dem Medikament Myozyme©
behandelt. Nachdem die Publisana im Oktober 2008 die weitere Kostenübernahme
abgelehnt und das auf Beschwerde von A.________ hin mit der Angelegenheit
befasst gewesene Versicherungsgericht des Kantons Aargau am 23. Februar 2010
die Publisana zur Kostenübernahme für vorerst zwei Jahre verpflichtet hatte,
entschied das Bundesgericht mit als BGE 136 V 395 publiziertem Urteil 9C_334/
2010 vom 23. November 2010, die Publisana habe die Kosten für das sich damals
noch ausserhalb der Spezialitätenliste (nachfolgend: SL) befindliche Präparat
Myozyme© nicht zu übernehmen.

A.b. Per 1. November 2011 wurde Myozyme© mit umfangreichen Limitationen in die
Spezialitätenliste aufgenommen.

A.c. Das A.________ behandelnde Kantonsspital St. Gallen unterbreitete der
Publisana Ende März 2012 ein Gesuch um weitere Kostengutsprache für die
Therapie mit Myozyme©. Die Publisana führte daraufhin am 12. März 2013
insbesondere Folgendes aus:

"Nach nochmaliger Prüfung des Dossiers und der in der Spezialitätenliste
aufgeführten Limitationen kommen wir zum Ergebnis, dass unsere Versicherte im
Grundsatz Anspruch auf Bezug des besagten Medikamentes hat. Wir erteilen mit
Gültigkeit ab 1. März 2013 und für die Dauer von 12 Monaten (gemäss SL)
Kostengutsprache für die Therapie von Frau A.________ mit dem Arzneimittel
Myozyme. Dies gemäss den in der SL aufgeführten Bedingungen und Limitationen.
Diese Kostengutsprache gilt nicht für die Höhe des Preises des Medikamentes und
unter dem Vorbehalt des Nachweises der Wirksamkeit des Medikamentes bei Frau
A.________."
....
"Der in der Spezialitätenliste vom BAG festgelegte Preis von CHF 556.40
(Fabrikabgabepreis) bzw. CHF 587.75 (Publikumspreis) für 50 mg Trockensubstanz
des Wirkstoffes Alglucosidasum alfa (Medikamentenmarke Myozyme) ist im
Verhältnis zum Nutzen des Medikamentes offensichtlich in genereller Weise und
auch für den hier vorliegenden individuellen Einzelfall Ihrer Patientin zu
hoch. Diese Einschätzung steht im Einklang mit der höchstrichterlichen
Rechtsprechung (BGE 136 V 395). Publisana wird deshalb die durch das Bundesamt
für Gesundheit anlässlich der Aufnahme auf die SL vorgenommene Preisfestsetzung
und Beurteilung des therapeutischen Nutzens von Myozyme© überprüfen und den
angemessenen Preis unter Berücksichtigung der gesetzlichen Grundlagen wie
Wirtschaftlichkeit und Zweckmässigkeit festlegen.

Die Kostengutsprache erfolgt daher explizit ohne Garantie der Preisübernahme
bzw. erfolgt hinsichtlich des Preises unter Vorbehalt der noch erfolgenden
Abklärungen. Wir empfehlen Ihnen dementsprechend allfällige Faktura Ihrer
Medikamentenlieferanten nur unter Vorbehalt von Rückforderungen zu bezahlen."
Das Kantonsspital stellte der Publisana zwischen Juni 2013 und März 2014 sieben
Rechnungen für die Behandlung von A.________ mit dem Präparat Myozyme© in der
Zeit zwischen 10. April 2013 und 11. März 2014 im Gesamtbetrag von Fr.
368'992.80.
Mit Schreiben vom 27. Mai 2014 erteilte die Publisana ab 1. März 2014 eine
Kostengutsprache mit identischem Wortlaut wie diejenige vom 12. März 2013. In
der Folge lehnte sie es ab, die in Rechnung gestellten Behandlungskosten zu
übernehmen.

B. 
Die hierauf vom Kantonsspital St. Gallen gegen die Publisana erhobene Klage
hiess das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen als Schiedsgericht mit
Entscheid vom 25. August 2015 gut und verpflichtete die KPT Krankenkasse als
Rechtsnachfolgerin der Publisana, die Kosten für die vom 10. April 2013 bis 11.
März 2014 durchgeführte Behandlung mit dem Arzneimittel Myozyme© im Betrag von
Fr. 368'992.80, nebst Zins, aus der obligatorischen Krankenversicherung zu
erstatten.

C. 
Die KPT Krankenkasse AG führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und
die Klage des Kantonsspitals sei abzuweisen. Eventualiter sei der angefochtene
Entscheid aufzuheben und sie sei zu verpflichten, "einen angemessenen Preis von
Fr. 1.00 pro Durchstechflasche mit einem Inhalt von 50 mg Trockensubstanz für
längstens 24 Monate zu bezahlen". Subeventualiter sei die Sache in Aufhebung
des vorinstanzlichen Entscheids an das kantonale Gericht zurückzuweisen.
Mit Eingabe vom 8. Oktober 2015 reicht die KPT Krankenkasse AG Belege über
bereits erfolgte Teilzahlungen (insgesamt Fr. 6'741.40) nach und macht geltend,
insoweit sei die vorinstanzliche Klage gegenstandslos geworden.
Das Kantonsspital St. Gallen beantragt, auf die Beschwerde sei nicht
einzutreten, eventualiter sei die Beschwerde abzuweisen. Das Bundesamt für
Gesundheit (BAG) schliesst auf Abweisung der Beschwerde und Bestätigung des
angefochtenen Entscheids.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem
die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Streitig ist die Übernahme der Kosten für die Behandlung von A.________ mit dem
Medikament Myozyme© für die Zeit zwischen 10. April 2013 und 11. März 2014 (in
Höhe von Fr. 368'922.80 - abzüglich der erfolgten Teilzahlung von Fr. 6'741.40
- nebst Zins) durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung.
Nach den zutreffenden Erwägungen des Schiedsgerichts übernimmt die
obligatorische Krankenpflegeversicherung Kosten für Leistungen, die der
Diagnose und Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen. Diese
Leistungen umfassen unter anderem die ärztlich verordneten Arzneimittel der
Spezialitätenliste (Art. 52 Abs. 1 lit. b KVG; Art. 25 Abs. 1 und Abs. 2lit. b
KVG; Art. 34 und 64a ff. KVV; Art. 30 ff. KLV). Voraussetzung für eine
Kostenübernahme im Einzelfall ist neben der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und
Wirtschaftlichkeit der Behandlung (Art. 32 Abs. 1 KVG), dass der Einsatz des
Medikaments im Rahmen der von der Heilmittelbehörde (Swissmedic) genehmigten
medizinischen Indikationen und Dosierungen (BGE 131 V 349) sowie gemäss den
Limitierungen nach Art. 73 KVV (zu deren Bedeutung BGE 130 V 532 E. 3.1 S. 536)
erfolgt (Urteil 9C_785/2011 vom 25. April 2012 E. 2.1.1, in: SVR 2012 KV Nr. 20
S. 71, mit Hinweis auf BGE 136 V 395 E. 5.1 S. 398).

3.

3.1. Das Schiedsgericht erwog, auch wenn hinsichtlich des therapeutischen
Nutzens und der Wirtschaftlichkeit von Myozyme© für die späte Verlaufsform von
Morbus Pompe die Meinungen geteilt sein könnten, bewege sich der
gesetzeskonform zustande gekommene Aufnahmeentscheid des BAG innerhalb des ihm
zustehenden sehr weiten Ermessensspielraums. Der Wirtschaftlichkeit sei durch
die ausführlichen Limitierungen und die erhebliche Reduktion des Maximalpreises
besonders Rechnung getragen worden. Sodann seien die Krankenversicherer weder
beschwerdelegitimiert gegen Entscheide betreffend Aufnahme eines Medikaments in
die SL, noch befugt, bei den in der Liste enthaltenen Arzneimitteln über die
Frage der Wirtschaftlichkeit individuell-konkret zu entscheiden. Die in den
Kostengutsprachen vom 12. März 2013 und 27. Mai 2014 enthaltenen Vorbehalte
seien unzulässig. Unbestritten erfülle die zu behandelnde A.________ sämtliche
Anforderungen gemäss den in der Spezialitätenliste aufgeführten Limitationen,
namentlich auch den erforderlichen "Therapieerfolg", der "im Sinne der
Limitierungen eingetreten" sei. Mithin sei die Behandlung mit Myozyme©
indiziert.

3.2. Die Beschwerde führende Kasse rügt unrichtige Sachverhaltsfeststellungen,
willkürliche Beweiswürdigungen und Gehörsverletzungen sowie eine Verletzung des
Untersuchungsgrundsatzes. Über weite Strecken der zahlreiche Wiederholungen
enthaltenden Beschwerdeschrift beanstandet sie einerseits - wie bereits im
vorinstanzlichen Verfahren - verschiedene Punkte in Zusammenhang mit der
Aufnahme von Myozyme© in die SL und der Festsetzung des Listenpreises.
Anderseits macht sie geltend, das kantonale Gericht habe bundesrechtswidrig den
individuellen therapeutischen Nutzen des Medikaments nicht geprüft, obwohl sich
im konkreten Fall keine messbaren Verbesserungen hätten feststellen lassen und
das Lungenvolumen von A.________ sogar abgenommen habe. Die vorinstanzliche
Feststellung, wonach sowohl die Wirksamkeit als auch die Wirtschaftlichkeit
erstellt sei, sei unhaltbar.

3.3. Der Beschwerdegegner macht zunächst geltend, die Beschwerde sei
rechtsmissbräuchlich. Zum einen habe die Beschwerdeführerin ihre grundsätzliche
Leistungspflicht anerkannt und sich lediglich gegen die Höhe des
Medikamentenpreises gewehrt, der indes nicht Gegenstand des Schiedsverfahrens
gewesen sei. Zum andern sei sie nicht legitimiert, einen vom BAG festgesetzten
Medikamentenpreis anzufechten. Ein solcher könne nicht Gegenstand eines
Verfahrens nach Art. 89 KVG sein. Die in der SL festgesetzten
Medikamentenpreise seien vielmehr für die Kassen verbindlich. Auf die
Beschwerde sei somit gleich aus zwei Gründen (Klageanerkennung und fehlende
Legitimation) nicht einzutreten.
Im Übrigen ergebe sich die Leistungspflicht der Beschwerdeführerin qualitativ
und quantitativ aus der SL. Mit der Aufnahme in die Liste (und der vorgängigen
Zulassung durch Swissmedic) sei die Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und
Wirtschaftlichkeit geprüft worden, weshalb für die Prüfung der
Wirtschaftlichkeit im Einzelfall kein Raum mehr bestehe. Was die konkrete
Wirtschaftlichkeit der Behandlung betreffe, gehe bereits aus den in der SL
aufgeführten Limitierungen klar hervor, dass ein - gerichtlich bestätigter -
Therapieerfolg für ein Weiterführen der Therapie bzw. eine neue
Kostengutsprache vorausgesetzt werde. Es sei "schleierhaft", wie die
Beschwerdeführerin einerseits einen individuellen therapeutischen Nutzen in
Abrede stellen könne und anderseits Kostengutsprachen erteile, wo doch die
Limitatio weitere Kostengutsprachen von einem Therapieerfolg abhängig mache.

3.4. Das BAG weist daraufhin, dass es den Krankenversicherern in Zusammenhang
mit der Vergütung von in die SL aufgenommenen Medikamenten nur sehr
eingeschränkt möglich ist die Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und
Wirtschaftlichkeit in Frage zu stellen. Die beschwerdeführerische Ablehnung der
Vergütung von Myozyme© verstosse im Grundsatz gegen die gesetzliche
Leistungspflicht der Kasse. Die Beschwerdeführerin versuche, das vom
Gesetzgeber vorgesehene System bezüglich Aufnahme von Arzneimitteln in die
Liste, namentlich die fehlende Beschwerdelegitimation betreffend
Aufnahmeentscheide, zu umgehen. Dieses Vorgehen sei nicht mit dem in Art. 43
Abs. 6 KVG verankerten Ziel einer qualitativ hochstehenden und zweckmässigen
Versorgung zu möglichst günstigen Preisen zu rechtfertigen.

4.

4.1. Vorab einzugehen ist auf den Nichteintretensantrag des Beschwerdegegners.
In ihrer vorinstanzlichen Klageantwort hielt die Beschwerdeführerin fest, sie
anerkenne, "dass die versicherte Person initial zum Zeitpunkt des
Kostengutsprachegesuchs gemäss Spezialitätenliste Anspruch auf die
Kostenübernahme des Medikaments Myozyme© hätte, falls die Spezialitätenliste
durch die zuständige Behörde gesetzeskonform erstellt worden wäre".

4.2. Das Schiedsgericht traf über diese "Anerkennung", die teilweise identisch
ist mit diversen, von der Beschwerdeführerin als "Kostengutsprachen"
bezeichneten Schreiben (namentlich vom 12. März und 3. April 2013 sowie vom 27.
Mai 2014), weder eine Feststellung noch nahm es (explizit) eine rechtliche
Würdigung vor. Indem es auf die Klage eintrat und diese materiell behandelte
ging es indes offensichtlich nicht von einer Klageanerkennung aus. Dies
verletzt Bundesrecht nicht (E. 1). Die Kostengutsprache des Krankenversicherers
ist zunächst kein verbindliches Leistungsversprechen gegenüber der versicherten
Person (Urteil 9C_61/2009 vom 16. Juli 2009, in: SVR 2009 KV Nr. 13 S. 47, E.
5.2.1 mit Hinweisen). Grundsätzlich kann der Versicherer eine Kostenübernahme
trotz vorgängig erteilter Kostengutsprache später verweigern, wenn er die
Behandlung als medizinisch nicht indiziert oder nicht wirksam, zweckmässig oder
wirtschaftlich erachtet (Art. 32 KVG). Sodann ist die Formulierung der
"Kostengutsprache" höchst unklar und widersprüchlich. Einerseits wird der
Anspruch "auf den Bezug des besagten Medikaments" im Grundsatz bejaht und im
Rahmen der Limitationen der SL "Kostengutsprache erteilt für die besagte
Therapie für A.________". Anderseits wird die Gutsprache mit Vorbehalten
bezüglich der Höhe des Preises und der (konkreten) Wirksamkeit bei der
Versicherten A.________ versehen. Angesichts des rechtlichen Gehalts einer
üblichen Kostengutsprache eines Krankenversicherers der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung (hiezu auch das bereits zitierte Urteil 9C_61/2009
vom 16. Juli 2009 E. 5.2.1) und unter Berücksichtigung der inhaltlichen
Unklarheit und Widersprüchlichkeit der als Kostengutsprache bezeichneten
Schreiben vom 12. März und 3. April 2013 sowie vom 27. Mai 2014 können diese
ohnehin weder als verbindliche Schuldanerkennung noch als verlässliche Zusage
für die Kostenübernahme der beantragten Behandlung zum verrechneten Tarif
qualifiziert werden. Das Gleiche gilt für die vom Beschwerdegegner erwähnte
Passage in der vorinstanzlichen Klageantwort, welche - gleichermassen
widersprüchlich und unklar - offensichtlich nicht als eine (sich auf ein
bestimmtes Rechtsbegehren des vorinstanzlichen Klägers beziehende; vgl. Urteil
4A_187/2015 vom 29. September 2015 E. 9.3) Klageanerkennung qualifiziert werden
kann. Beizufügen ist, dass für die geltend gemachte Forderung des
Beschwerdegegners mangels gültigem provisorischem Rechtsöffnungstitel auch
keine Rechtsöffnung erteilt wurde.

5. 
Was die schon vorinstanzlich vorgebrachten, weitschweifigen und vom
Schiedsgericht rechtskonform behandelten Beanstandungen bezüglich des
Listenpreises von Myozyme© sowie die - als Verfügung ergangene (GEBHARD
EUGSTER, Krankenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR, Band XIV, 3. Aufl.
2016, Rz. 730 S. 633) - Aufnahme dieses Medikaments in die SL betrifft, kann
auf die entsprechenden Vorbringen mangels Legitimation der Beschwerdeführerin
in der Sache nicht eingetreten werden. Eine Änderung des Aufnahmeverfahrens in
die Liste wie auch eine Ermächtigung der Krankenversicherer bzw. deren Verbände
zur Beschwerde gegen Aufnahmeentscheide in die SL wäre allenfalls Sache des
Gesetzgebers. Von der Möglichkeit, den Versicherern eine Rechtsmittelbefugnis
gegen Aufnahmeentscheide in die Spezialitätenliste einzuräumen, hat sich dieser
indes mit guten Gründen, insbesondere in Nachachtung des Sachziels der
Sicherstellung einer qualitativ hoch stehenden und zweckmässigen
Gesundheitsversorgung zu möglichst günstigen Kosten, bislang nicht veranlasst
gesehen (BGE 127 V 80 E. 3c/bb S. 86 f.).

6.

6.1. Nachdem der Beschwerdeführerin die Legitimation zur Anfechtung des
Aufnahmeentscheides von Myozyme© in die SL fehlt und es ihr somit insbesondere
auch verwehrt ist, den gleichzeitig mit der Aufnahme in die Liste festgesetzten
Höchstpreis in Frage zu stellen, ist zu prüfen, ob und allenfalls unter welchen
Prämissen die Kasse ihre grundsätzliche Vergütungspflicht für das per 1.
November 2011 in die SL aufgenommene Medikament Myozyme© im Einzelfall
anfechten kann.

6.2. Was die hauptsächlich gerügte fehlende Wirtschaftlichkeit im konkreten
Verschreibungsfall betrifft, ist zunächst festzuhalten, dass die
Wirtschaftlichkeitsprüfung für gelistete und für nicht gelistete Medikamente
grundlegend unterschiedlich erfolgt. Die gesetzliche Ordnung (Art. 52 Abs. 1
lit. b KVG; Art. 34 und 64 ff. KVV; Art. 30 ff. KLV) schliesst für nicht in der
Spezialitätenliste aufgeführte Arzneimittel eine Kostenübernahme durch die
obligatorische Krankenpflegeversicherung grundsätzlich aus. Ein sogenannter
"Off-Label-Use" ist von der OKP nur ausnahmsweise und unter engen Voraussetzung
zu finanzieren (hiezu BGE 136 V 395 E. 5.1 S. 398 f.); namentlich muss ein
hoher therapeutischer Nutzen ausgewiesen sein (BGE, a.a.O., E. 5.2 S. 399).
Demgegenüber wird einem Medikament mit der Aufnahme in die Spezialitätenliste
nebst der Wirksamkeit und der Zweckmässigkeit insbesondere Wirtschaftlichkeit
attestiert (Art. 65 Abs. 3 und 65b KVV, Art. 30 Abs. 1 lit. a KLV; THOMAS
GÄCHTER/ARLETTE MEIENBERGER, Verfassungsmässigkeit von
Wirtschaftlichkeitsüberlegungen, in: Riemer-Kafka,
Wirtschaftlichkeitsüberlegungen in der Sozialversicherung, 2012, S. 32 f.). Ein
Medikament kann mit anderen Worten zwingend nur dann in die Liste aufgenommen
werden, wenn die Wirtschaftlichkeitsprüfung (Art. 32 KVG) ein positives
Resultat ergeben hat (vgl. auch E. 2 hievor).
Wird ein Arzneimittel unter einer die Zulassung weiter einschränkenden
Limitierung (die sich insbesondere auf die Menge oder die medizinischen
Indikationen beziehen kann, wobei sie den Rahmen der heilmittelrechtlichen
Begrenzung nicht erweitern darf; vgl. BGE 130 V 532 E. 5.2 S. 541 f.) in die
Spezialitätenliste aufgenommen, ist die Einhaltung dieser Limitatio weitere
Voraussetzung für eine Kostenvergütung durch die obligatorische
Krankenpflegeversicherung. Dabei handelt es sich um ein zusätzliches Instrument
zur Wirtschaftlichkeitskontrolle (vgl. EUGSTER, a.a.O., Rz. 702 S. 622).

6.3. Myozyme© wurde - im Nachgang zum dasselbe Arzneimittel betreffenden BGE
136 V 395 - mit umfangreicher Limitation bezüglich Indikation und Kontrolle für
Patienten mit der späten Verlaufsform von Morbus Pompe per 1. November 2011
(zunächst befristet) in die abschliessende und verbindliche Spezialitätenliste
aufgenommen. Die Limitierung von Myozyme© gilt als die längste und komplexeste,
die jemals in die Spezialitätenliste Eingang fand (vgl. Valérie Junod/
Jean-Blaise Wasserfallen, Le Myozyme: quoi de neuf depuis 2010?, in: HAVE 2012,
S. 177). So muss vor der Einleitung der Therapie eine schriftliche
Kostengutsprache des Krankenversicherers über den Vertrauensarzt eingeholt
werden, die nur erteilt wird, wenn die im Einzelnen aufgelisteten
Einschlussbedingungen erfüllt sind und (gesundheitliche) Ausschlusskriterien
fehlen. Die Evaluation für den Therapiebeginn darf nur von besonders
qualifizierten Ärzten durchgeführt werden. Die Weitertherapie (Verlängerung der
Kostengutsprache um weitere zwölf Monate, um die es hier nicht geht;
nachfolgende E. 6.5.1) bedingt einen anhand zahlreicher ebenfalls in der
Limitatio enthaltenen Beurteilungsparameter zu messenden Therapieerfolg. Diese
Ausführungen zeigen, dass die Behandlungskosten mit Myozyme© für die späte
Verlaufsform von Morbus Pompe nur unter strengen Voraussetzungen von der OKP zu
übernehmen sind. Ob die Aufnahme von Myozyme© in die SL angesichts der E. 7.4
von BGE 136 V 395 (S. 406) zu Recht erfolgte, hat das Bundesgericht nicht zu
prüfen. Bemerkenswert ist immerhin die Zurückhaltung selbst des
Medikamentenherstellers für die späte Verlaufsform der Krankheit ("chez les
patients atteints par la forme tardive de la maladie, les données concernant
l'efficacité sont limitées"). Darüber hinaus erfolgte die Aufnahme von Myozyme©
in die Spezialitätenliste nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz
mit einem gegenüber der Ausgangslage stark reduzierten, nahezu halbierten Preis
pro Durchstechflasche (von Fr. 587.75; im Jahr 2008 betrugen die Kosten pro
Durchstechflasche noch Fr. 1'138.70).

6.4. Mit diesen eng einschränkenden Limitierungen und den gegenüber dem
ursprünglichen Preis massiv gesenkten Kosten pro Durchstechflasche wurde dem
Aspekt der Wirtschaftlichkeit im Aufnahmeverfahren offenkundig in besonderem
Mass Rechnung getragen. Für eine Wirtschaftlichkeitsprüfung des
Listenmedikaments Myozyme© im Einzelfall bleibt vor diesem Hintergrund kein
Raum. Ob den Krankenversicherern grundsätzlich die Möglichkeit offen steht, den
Einsatz eines gelisteten Medikaments im konkreten Behandlungsfall wegen
fehlender Wirtschaftlichkeit rechtsmittelweise in Frage zu stellen (vgl. dazu
EUGSTER, SBVR, S. 530 Rz. 409 mit Hinweisen) braucht nicht weiter geprüft zu
werden.

6.5. Die Beschwerdeführerin macht, wenn auch untergeordnet, geltend, es fehle
am individuellen Therapieerfolg.

6.5.1. Im Rahmen des hier streitigen Leistungsgesuchs vom 20. März 2012 (für
die Therapie zwischen 10. April 2013 und 11. März 2014; vgl. Sachverhalt lit.
B) stellte sich die Frage nach der Kostenübernahme von Myozyme© als nunmehr
gelistetes Medikament erstmals. Unter diesen Voraussetzungen sind, entgegen der
Auffassung der Beschwerdeführerin, nicht die Evaluationskriterien für die
Weitertherapie mit Myozyme© nach einem Jahr und somit insbesondere auch nicht
ein an den einschlägigen Beurteilungsparametern zu messender Therapieerfolg für
eine Kostenvergütung massgebend. Entscheidend ist vielmehr, ob die (Anfangs-)
Indikation zur Therapie gegeben ist, was dann zutrifft, wenn die initial zu
erfüllenden Einschlusskriterien zu bejahen sind und Ausschlusskriterien fehlen.
Anders zu entscheiden hiesse, Patienten mit einer späten Verlaufsform von
Morbus Pompe, welche unter dem Regime des "Off-Label-Use" zwar keinen Anspruch
auf Vergütung von Myozyme© durch die OKP hatten, die entsprechenden Kosten aber
selbst trugen, von vornherein die Möglichkeit zu verwehren, ihren
Vergütungsanspruch jemals gestützt auf die weniger restriktiv limitierten
Voraussetzungen für die initiale Therapie mit dem nunmehr gelisteten
Arzneimittel Myozyme© geltend zu machen.

6.5.2. Dass die in der Limitation aufgelisteten Einschlusskriterien erfüllt und
keine Ausschlusskriterien vorhanden sind, wird weder von der Beschwerdeführerin
rechtsgenüglich in Frage gestellt, noch ergeben sich Anhaltspunkte aus den
Akten, die eine andere Einschätzung nahelegen würden. Nachdem in der
Limitierung ausdrücklich - und für den Beschwerdegegner nicht anfechtbar -
festgehalten wurde, bei rechtskonform diagnostizierter später Verlaufsform von
Morbus Pompe und erfüllter Limitatio bestehe Anspruch auf eine initiale
Vergütung der Therapie durch die OKP während eines Jahres (vgl. auch Valérie
Junod/Jean-Blaise Wasserfallen, a.a.O., S. 117 f.), sind sämtliche Rügen, die
sich auf den fehlenden Therapieerfolg im konkreten Fall beziehen, in diesem
Verfahren von vornherein nicht stichhaltig. Sollte die Kostenübernahme für die
strikt reglementierte Weitertherapie nach einem Jahr wegen fehlendem
Therapieerfolg ebenfalls streitig werden, wären entsprechende Einwände
allenfalls in jenem Verfahren vorzubringen und zu prüfen.

6.6. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Beschwerdegegner die
Wirtschaftlichkeit der initialen Therapie von Myozyme© unter keinem Titel
rechtsmittelweise in Frage stellen kann und ein Therapieerfolg erst für die
Weitertherapie mit Myozyme© nach einem Jahr nachweisbar sein muss. Dies führt
zur Abweisung der Beschwerde.

7. 
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdeführerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und den Beschwerdegegner für das
bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 68 Abs. 2 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 9'000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 11'000.- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 16. September 2016
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Bollinger Hammerle

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