Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 724/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_724/2015

Urteil vom 20. Juni 2016

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Silvan Meier Rhein,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 11. August 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________, geboren 1980, verfügt über eine abgeschlossene Ausbildung als
Metzger. Am 13. November 2002 erlitt er anlässlich eines operativen Eingriffs
eine Nervenverletzung an der adominanten linken Hand, die mehrere
Folgeoperationen erforderte. Unter Hinweis auf Ellbogen-, Arm- und
Handbeschwerden meldete er sich am 28. März 2003 bei der Invalidenversicherung
zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich führte medizinische und
erwerbliche Abklärungen durch. Berufliche Massnahmen (zugesprochen mit
Mitteilungen vom 29. Juni 2004 und 12. Mai 2006) wurden vorzeitig abgebrochen.
Mit Verfügungen vom 31. März und 11. April 2008 sprach die IV-Stelle A.________
eine Dreiviertelsrente (ab Januar 2004 bis Dezember 2005 sowie ab April 2008)
zu. Am 11. Dezember 2009 verfügte sie die Zusprechung einer ganzen Rente ab
Januar 2009, am 11. Februar 2010 überdies eine Hilflosenentschädigung bei
Hilflosigkeit leichten Grades ab Januar 2008.

Zwischen November 2010 und April 2012 wurde A.________ im Auftrag der für den
Operationsschaden leistungspflichtigen Haftpflichtversicherung observiert.
Gestützt auf die der IV-Stelle übermittelten Ergebnisse und nach Eingang des
Revisionsfragebogens vom 24. November 2011 verfügte diese am 10. und 11.
Dezember 2012 die sofortige Sistierung von Hilflosenentschädigung und Rente.
Eine dagegen erhobene Beschwerde von A.________ wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 15. März 2013
ab.

Nach Eingang eines polydisziplinären Gutachtens des ABI Ärztliches
Begutachtungsinstitut GmbH, Basel, vom 20. August 2013 und Beantwortung von
Zusatzfragen durch die Gutachter sowie nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren
hob die IV-Stelle sowohl die Rente wie auch die Hilflosenentschädigung
wiedererwägungsweise auf (Verfügungen vom 19. Juni 2014).

B. 
Sowohl gegen die Aufhebung der Rente wie auch der Hilflosenentschädigung liess
A.________ je eine Beschwerde erheben. Das kantonale Gericht vereinigte die
Verfahren und wies die Beschwerden mit einem Entscheid vom 11. August 2015 ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids wie auch der
Verfügungen vom 19. Juni 2014 (Ziff. 1) sei ihm weiterhin eine
Hilflosenentschädigung bei Hilflosigkeit leichten Grades auszurichten (Ziff.
2). Es sei festzustellen, dass die wiedererwägungsweise Aufhebung der
Verfügungen vom 31. März und 11. April 2008 wie auch vom 11. Dezember 2009 zu
Unrecht erfolgt seien (Ziff. 3).

Mit nachträglicher Eingabe vom 17. März 2016 lässt er seine Rechtsbegehren
insoweit präzisieren, als Ziff. 1 seines Rechtsbegehrens sowohl die
wiedererwägungsweise Aufhebung der Rente wie auch der Hilflosenentschädigung
betreffe, während Ziff. 3 die wiedererwägungsweise Rentenaufhebung beschlage.

Erwägungen:

1. 

1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter
anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

1.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden
Begründung abweisen (BGE 134 V 250 E. 1.2 S. 252 mit Hinweisen; 133 III 545 E.
2.2 S. 550; 130 III 136 E. 1.4 S. 140).

2. 
Die Beschwerde ist innert der Beschwerdefrist vollständig begründet
einzureichen (Art. 42 Abs. 1 BGG). Nachdem der Beschwerdeführer in seiner
Rechtsschrift vom 2. Oktober 2015 unter anderem beantragt hatte, die beiden
Verfügungen vom 19. Juni 2014 seien aufzuheben und es sei festzustellen, dass
"die wiedererwägungsweise Aufhebung der Verfügungen vom 31.3.2008, 11.04.2008
und 11.12.2009 zu Unrecht erfolgte", kann nicht ernsthaft in Zweifel gezogen
werden, dass er bereits mit seiner Beschwerde vom 2. Oktober 2015 sowohl die
weitere Ausrichtung einer Hilflosenentschädigung als auch die ununterbrochene
Zusprechung einer Rente anstrebte. Es kann daher offenbleiben, ob die am 17.
März 2016 nachgereichte "Klarstellung" der Rechtsbegehren als unzulässige
nachträgliche Ergänzung gilt. Im Übrigen sind unklare Rechtsbegehren unter
Heranziehung der Beschwerdebegründung auszulegen (Urteil 9C_121/2016 vom 27.
April 2016 E. 2.1).

3. 

3.1. Unabhängig von einem materiellen Revisionsgrund kann der
Versicherungsträger nach Art. 53 Abs. 2 ATSG wiedererwägungsweise auf formell
rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese
zweifellos unrichtig sind und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist.
Wird die zweifellose Unrichtigkeit der ursprünglichen Rentenverfügung erst vom
Gericht festgestellt, kann dieses ein (zu Unrecht) auf Art. 17 ATSG gestütztes
Rückkommen mit dieser substituierten Begründung schützen (BGE 125 V 368 E. 2 S.
369; SVR 2011 IV Nr. 20 S. 53, 9C_303/2010 E. 4.3). Vorausgesetzt ist, dass
kein vernünftiger Zweifel an der Unrichtigkeit der Verfügung möglich, also nur
dieser einzige Schluss denkbar ist. Dies trifft in der Regel zu, wenn eine
Leistungszusprechung aufgrund falscher Rechtsregeln erfolgte oder wenn
massgebliche Bestimmungen nicht oder unrichtig angewandt wurden. Soweit
ermessensgeprägte Teile der Anspruchsprüfung vor dem Hintergrund der Sach- und
Rechtslage einschliesslich der Rechtspraxis im Zeitpunkt der rechtskräftigen
Leistungszusprechung (BGE 125 V 383 E. 3 S. 389) in vertretbarer Weise
beurteilt worden sind, scheidet die Annahme zweifelloser Unrichtigkeit aus
(vgl. Urteil 9C_121/2014 vom 3. September 2014 E. 3.2.1).

3.2. Die Feststellungen, welche der Beurteilung der zweifellosen Unrichtigkeit
zugrunde liegen, sind tatsächlicher Natur und folglich nur eingeschränkt
überprüfbar (vgl. E. 1 hievor). Dagegen ist die Auslegung (Konkretisierung)
dieses unbestimmten Rechtsbegriffs als Wiedererwägungsvoraussetzung eine
grundsätzlich frei prüfbare Rechtsfrage (Art. 95 lit. a BGG; Urteile 9C_11/2016
vom 22. Februar 2016 E. 3.3 und 9C_994/2010 vom 12. April 2011 E. 2, in: SVR
2011 IV Nr. 71 S. 213).

4. 

4.1. Das kantonale Gericht setzte sich eingehend mit den medizinischen
Unterlagen auseinander und stellte fest, dem Vorbescheid vom 19. Oktober 2007
hätten übereinstimmende Beurteilungen zugrunde gelegen, die auf eine volle
Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit hätten schliessen
lassen. Obwohl einzig ein unbegründeter, keine nennenswerte Befundaufnahme
enthaltender Formularbericht des Dr. med. B.________, Neurologe FMH, vom 11.
Dezember 2007 eine abweichende Beurteilung (Arbeitsfähigkeit von 50 %)
enthalten habe, seien die Mängel dieser Einschätzung vom RAD nicht beachtet,
sondern es sei ohne nachvollziehbare Begründung die Schlussfolgerung des
Neurologen übernommen worden. Die damalige Annahme einer 50 %igen
Arbeitsfähigkeit sei daher zweifellos unrichtig gewesen, korrekterweise hätte
ein Rentenanspruch verneint werden müssen. Die der Rentenerhöhung vom 11.
Dezember 2009 zugrunde liegende RAD-Einschätzung sei "eine derartige Gemenglage
von möglicherweise anspruchsrelvanten und klarerweise invaliditätsfremden
Elementen", dass eine nachvollziehbare Begründung für die Leistungszusprache
fehle. Vor diesem Hintergrund könne nicht einfach von einer etwas fragwürdigen
Ermessensbetätigung gesprochen werden, weshalb die Voraussetzungen für eine
wiedererwägungsweise Neubeurteilung erfüllt seien.

Für die aktuelle Anspruchsprüfung habe die Beschwerdegegnerin zulässigerweise
auf das ABI-Gutachten vom 20. August 2013 abgestellt. Gestützt auf dieses
beweiskräftige, mit dem Observationsmaterial übereinstimmende Gutachten stehe
fest, dass die 2009 angenommene Funktionsunfähigkeit der linken Hand nicht mehr
bestehe, weshalb auch die entsprechende Hilfsbedürftigkeit entfalle. Die
revisionsrelevante Änderung des massgebenden Sachverhalts erlaube und gebiete
eine erneute Anspruchsprüfung. Richtigerweise hätte die Beschwerdegegnerin die
im Ergebnis zutreffende Aufhebungsverfügung mit dem Vorliegen eines
Revisionsgrundes begründen müssen.

4.2. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe bundesrechtswidrig eine
zweifellose Unrichtigkeit der ursprünglichen Verfügung unterstellt. Das Gericht
habe ausgeblendet, dass eine lediglich 50 %ige Restarbeitsfähigkeit nicht
allein auf dem Bericht des Dr. med. B.________ vom Dezember 2007 beruht habe,
sondern das Ergebnis gescheiterter Eingliederungsmassnahmen gewesen sei und die
Ärzte die schmerzbedingten Limitierungen ab 2007 mehr und mehr bestätigt
hätten. Die gesamte medizinische Aktenlage (Berichte des Dr. med. B.________
vom 11. Dezember 2007, der RAD-Ärzte C.________ [Facharzt Chirurgie FMH] vom 7.
Januar 2008 und D.________ [Facharzt Psychiatrie und Psychotherapie] vom 2.
Oktober 2009, des Dr. med. E.________ vom 11. Februar 2009, der Klinik
F.________ vom 25. Februar 2009 sowie des Medizinischen Zentrums G.________ vom
27. Februar 2009) wie auch die beruflichen Abklärungsmassnahmen (in der
H.________ Ende 2004/anfangs 2005 und im beruflichen Trainingszentrum
I.________ im Frühling/Sommer 2006) liessen die Beurteilung des RAD als
nachvollziehbar und aufgrund des damaligen Sachverhaltes als richtig
erscheinen. Die ABI-Beurteilung vom 20. August 2013, welche eine strengere
Beurteilung des im Wesentlichen unveränderten Gesundheitszustandes enthalte,
sei unter Wiedererwägungsgesichtspunkten ebenso irrelevant wie der
Observationsbericht. Ein Wiedererwägungsgrund fehle. Ebenfalls fehle ein Grund
für die Revision der Hilflosenentschädigung, weil sich gemäss den
ABI-Gutachtern der Gesundheitszustand nicht verbessert habe und ihre
Einschätzung somit eine revisionsrechtlich nicht relevante abweichende
Beurteilung des gleich gebliebenen Gesundheitsschadens sei. Die Annahme
wiedererlangter Selbständigkeit sei eine Mutmassung und insoweit eine
offensichtlich unrichtige, willkürliche Sachverhaltsfeststellung.

5. 

5.1. Die Renten zusprechenden Verfügungen vom 31. März und 11. April 2008 sowie
vom 11. Dezember 2009 beruhten nach den letztinstanzlich verbindlichen
Feststellungen im angefochtenen Entscheid im Wesentlichen auf der Beurteilung
des Dr. med. B.________ vom 11. Dezember 2007 sowie auf den RAD-Beurteilungen
der Dres. med. D.________ und C.________ vom 13. August 2009 und des Dr. med.
D.________ vom 2. Oktober 2009. Was die Einschätzung des Dr. med. B.________
betrifft, fällt auf, dass dieser zunächst am 14. April 2003 "immerhin eine
diskrete Besserung der Elektroneurographie feststellen" konnte, was eine
langsame Erholung des Nervs erhoffen lasse. Am 26. Juni 2003 hielt er als
Diagnose mit Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit eine Ulnarisparese links
fest und attestierte eine ganztägige Arbeitsfähigkeit in einer angepassten
Tätigkeit. Demgegenüber führte er am 11. Dezember 2007 aus, bei stationär
gebliebenem Gesundheitszustand sei der Versicherte in einer
behinderungsangepassten Tätigkeit halbtags arbeitsfähig. RAD-Arzt Dr. med.
C.________, Facharzt für Chirurgie, hielt in seiner Stellungnahme vom 7. Januar
2008 fest, man könne sich der Beurteilung des Dr. med. B.________ anschliessen,
da die linke Hand praktisch nicht benutzbar sei, für den Versicherten nur
einhändige Arbeiten in Frage kämen und diese wegen der vorhandenen
Dauerschmerzen nur halbtags möglich seien. In seiner für die Verfügung vom 11.
Dezember 2009 entscheidend gewesenen Einschätzung vom 2. Oktober 2009 führte
Dr. med. D.________ aus, die Restarbeitsfähigkeit von 50 % habe aus
psychiatrischer Sicht nur medizintheoretisch postuliert werden können. Es habe
sich "im Hinblick auf das sich seit 2002 entwickelnde Schmerzsyndrom mit
rascher Chronifizierung und deutlicher Therapieresistenz" gezeigt, dass die
Realisierung der Arbeitsfähigkeit an (Integrations-) Bedingungen geknüpft
werden müsse, die nicht erfolgreich durchgeführt worden seien. Daher bestehe
aus versicherungsmedizinischer Sicht eine vollständige krankheitsbedingte
funktionelle Leistungseinbusse für beruflich zu verwertende Tätigkeiten seit
2002 durchgehend bis zu seiner Stellungnahme.

5.2. Die medizinischen Akten zeigen, dass die Ärzte zunächst gestützt auf die
somatischen Befunde in einer angepassten Tätigkeit eine vollständige
Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit attestiert hatten. Nebst Dr.
med. B.________ (vgl. E. 5.1 hievor) ging auch Dr. med. E.________, Chirurgie
FMH, speziell Handchirurgie, am 4. Dezember 2003 davon aus, der Versicherte sei
in einer angepassten Tätigkeit sofort arbeitsfähig (sofern der linke Arm nicht
manuell belastet werde). In der Folge wurde zunehmend ein dysfunktionaler
Umgang mit den Schmerzen bei ausgeprägtem Vermeidungsverhalten festgestellt
(vgl. Gutachten des Dr. med. J.________, Facharzt für Psychiatrie und
Psychotherapie FMH, vom 4. Mai 2007) und bereits anlässlich der zweiten
beruflichen Abklärung (vom 15. Mai bis 7. Juli 2006) äusserten die Fachpersonen
den Verdacht auf eine psychische Überlagerung des somatischen Leidens. Obwohl
die mit dem Versicherten befasst gewesenen Ärzte schon vor Erlass der Verfügung
vom Frühling 2008 und erst recht in den nachfolgenden Berichten vorrangig ein
durch die erhobenen Befunde nur teilweise erklärbares (chronisches
neuropathisches) Schmerzsyndrom festgehalten (Austrittsbericht der Klinik
K.________ vom 5. Januar 2007; Bericht des Dr. med. E.________ vom 11. Februar
2009) und die Ärzte am Medizinischen Zentrum G.________ mit Bericht vom 27.
Februar 2009 an erster Stelle eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung
(ICD-10 F45.4) diagnostiziert hatten, unterblieb - nach dem zutreffenden
Hinweis der Beschwerdegegnerin in ihrer Verfügung vom 19. Juni 2014 - eine
Auseinandersetzung mit der bis Juni 2015 gültig gewesenen Rechtsprechung
völlig, wonach anhaltende somatoforme Schmerzstörungen und vergleichbare Leiden
nur ausnahmsweise eine invalidisierende Arbeitsunfähigkeit zu bewirken
vermochten.

Die Vorinstanz hat nicht nur vollkommen zu Recht den gänzlich unbegründet
gebliebenen Kurzbericht des Dr. med. B.________ vom 11. Dezember 2007 für nicht
nachvollziehbar und die darauf basierenden Rentenverfügungen für qualifiziert
unrichtig erachtet (vgl. z.B. Urteil 8C_473/2014 vom 7. Oktober 2014 E. 3.2).
Die ursprünglichen Leistungszusprachen von 2008 und 2009 halten auch deswegen
vor den bundesrechtlichen Vorgaben klar nicht Stand, weil insbesondere in der
Einschätzung des Dr. med. B.________ vom Dezember 2007 und in der Beurteilung
des RAD-Arztes Dr. med. D.________ vom Oktober 2009 jegliche Auseinandersetzung
mit der Schmerzrechtsprechung unterblieb. Dies ist umso weniger
nachvollziehbar, als nach der von keiner Seite in Frage gestellten, die
Anforderungen an eine beweistaugliche Expertise zweifellos erfüllenden
psychiatrischen Begutachtung des Dr. med. J.________ keine relevante
psychiatrische Einschränkung festgestellt werden konnte und bereits in den
damaligen medizinischen Akten sowohl erhebliche Diskrepanzen zwischen den
geltend gemachten Limitierungen und den erhobenen Befunden, als auch bedeutende
psychosoziale Belastungsfaktoren dokumentiert sind (z.B. ungeplante
Schwangerschaft der Ehefrau, Eheprobleme, Krebserkrankung der Mutter,
Suizidversuche des Vaters). Dass die Ärzte zunehmend die Schmerzproblematik in
den Vordergrund stellten und berufliche Massnahmen zwei Mal wegen der vom
Versicherten geklagten erheblichen Schmerzen abgebrochen werden mussten, ändert
vor diesem Hintergrund nichts daran, dass bei einer Gesamtbetrachtung
zweifellos weder im Frühjahr 2008 noch im Dezember 2009 eine Rente hätte
zugesprochen werden dürfen.

6. 
Nach dem Gesagten verletzte die Vorinstanz kein Bundesrecht, wenn sie die
Rentenzusprachen in den Jahren 2008 und 2009 als zweifellos unrichtig erachtete
und die wiedererwägungsweise Rentenaufhebung der Beschwerdegegnerin bestätigte.

7. 
Was die Hilflosenentschädigung betrifft, fällt im Ergebnis nicht ins Gewicht,
ob die im Abklärungsbericht vom 9. November 2009 festgehaltenen Einschränkungen
nicht nachvollziehbar waren oder ob die einstige Hilfsbedürftigkeit später
weggefallen ist. So oder anders besteht kein Zweifel daran, dass mit Blick auf
den gemäss vorinstanzlichen Feststellungen überaus aktiven Einsatz der linken
Hand im Alltag ein fortgesetzter Anspruch auf Hilflosenentschädigung (Art.
88bis Abs. 2 IVV) jedenfalls nicht mehr besteht, weshalb sich entsprechende
Weiterungen erübrigen.

8. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 20. Juni 2016

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Bollinger Hammerle

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