Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 658/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]            
9C_658/2015   {T 0/2}     

Urteil vom 9. Mai 2016

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Parrino,
Bundesrichterin Moser-Szeless,
Gerichtsschreiber Fessler.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
handelnd durch den Sozialdienst B.________,
und dieser vertreten durch Rechtsanwalt David Husmann,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung
(Invalidenrente; Revision),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 29. Juni 2015.

Sachverhalt:

A. 
Mit Verfügung vom 18. Juni 2004 sprach die IV-Stelle des Kantons Zürich u.a.
gestützt auf das Gutachten der Klinik C.________ vom 17. Oktober 2003
A.________ rückwirkend ab 1. November 2002 eine ganze Rente der
Invalidenversicherung zu. Im Rahmen der erstmaligen Überprüfung wurde der
Rentenanspruch bestätigt (Mitteilung vom 21. Juli 2009).
Nachdem A.________ im Zeitraum vom 30. September bis 7. Dezember 2010 an
insgesamt vierzehn Tagen observiert worden war, leitete die IV-Stelle im
Oktober 2011 ein weiteres Revisionsverfahren ein. Nach Abklärungen (u.a.
Besprechung vom 12. September 2012 mit Konfrontation mit den Ergebnissen der
Observation sowie Einholung eines interdisziplinären Gutachtens der Medas Bern
vom 30. Juli 2013) und durchgeführtem Vorbescheidverfahren hob die IV-Stelle
mit Verfügung vom 14. Januar 2014 die ganze Rente rückwirkend zum 1. Oktober
2010 mit der Feststellung auf, die seither zu Unrecht ausgerichteten Leistungen
seien zurückzuerstatten, worüber eine separate Verfügung erlassen werde.

B. 
Die Beschwerde des A.________ wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich mit Entscheid vom 29. Juni 2015 ab.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________
zur Hauptsache, der Entscheid vom 29. Juni 2015 sei aufzuheben und es seien ihm
die gesetzlichen Leistungen auszurichten, unter Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege.
Die IV-Stelle ersucht um Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.

1.1. Mit der vorinstanzlich angefochtenen Verfügung vom 14. Januar 2014 hob die
Beschwerdegegnerin die ganze Rente des Beschwerdeführers auf, wegen Verletzung
der Meldepflicht nach Art. 88bis Abs. 2 lit. b IVV rückwirkend auf den 1.
Oktober 2010. Weiter stellte sie fest, die seither zu Unrecht ausgerichteten
Leistungen seien zurückzuerstatten, worüber eine separate Verfügung erlassen
werde.

1.2. Das kantonale Sozialversicherungsgericht hat einen Revisionsgrund nach
Art. 17 Abs. 1 ATSG im Sinne einer verbesserten Leidensanpassung (BGE 141 V 9
E. 6.3.2 S. 14) bzw. der Verringerung des Schweregrades des Gesundheitsschadens
(Urteil 9C_330/2014 vom 23. Juli 2014 E. 5.2) bejaht. Im Rahmen der demzufolge
neu vorzunehmenden Invaliditätsbemessung (vgl. E. 3 und 5 hiernach) hat es
sodann einen Invaliditätsgrad von maximal 33 % ermittelt, was keinen
Rentenanspruch (mehr) ergibt (Art. 28 Abs. 2 IVG), wobei es von einer
genügenden Selbsteingliederungskapazität des Beschwerdeführers, der im
Zeitpunkt der Rentenaufhebung das 55. Altersjahr vollendet hatte (BGE 141 V 5
E. 4.2.2-3 S. 7 f.), ausging. Schliesslich bestätigte die Vorinstanz die
rückwirkende Rentenaufhebung zufolge einer Meldepflichtverletzung.

1.3. Der Beschwerdeführer bestreitet vorab das Vorliegen eines
Revisionsgrundes, wobei er eine aktenwidrige Feststellung einer angeblichen
Verbesserung der Restarbeitsfähigkeit rügt (Art. 97 Abs. 1 BGG). Eventualiter
beanstandet er die Invaliditätsbemessung in Bezug auf die beiden
Vergleichseinkommen ohne und mit Behinderung (Art. 16 ATSG i.V.m. Art. 28a Abs.
1 IVG) sowie die angenommene Kapazität zur Selbsteingliederung. Ebenso wehrt er
sich gegen den Vorwurf der Meldepflichtverletzung.

2. 
Unstreitig ist die Verfügung vom 18. Juni 2004 Vergleichsbasis für die
Beurteilung der Frage, ob sich der Invaliditätsgrad im Sinne von      Art. 17
Abs. 1 ATSG erheblich geändert hat (BGE 133 V 108). Davon ausgehend ist die
Vorinstanz in Würdigung der Akten (u.a. Gutachten Klinik C.________ vom 17.
Oktober 2003 und Medas Bern vom 30. Juli 2013, Filmaufnahmen der Observation
sowie Protokoll der Besprechung vom 12. September 2012) zum Ergebnis gelangt,
eine Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne einer verbesserten
Leidensanpassung bzw. der Verringerung des Schweregrades des
Gesundheitsschadens sei spätestens im Zeitpunkt der Observierung hinreichend
belegt. Diese Beweiswürdigung ist entgegen den Vorbringen in der Beschwerde
nicht unhaltbar (willkürlich; BGE 135 II 145 E. 8.1 S. 153) : Unbestritten hat
sich der Gesundheitszustand des Versicherten seit der Rentenzusprechung mit
Verfügung vom 18. Juni 2004 im Sinne der Vorinstanz gebessert. Damit steht die
Beurteilung der Gutachter der Medas nicht in Widerspruch, welche von einem im
Wesentlichen unveränderten Gesundheitszustand ausgingen, dessen Auswirkungen
auf die Arbeitsfähigkeit nur anders eingeschätzt würden; danach bestehe in
einer dem Belastungsprofil entsprechenden Tätigkeit eine volle Arbeitsfähigkeit
bezüglich Leistung und Zeitpräsenz, und zwar spätestens drei Monate nach der
Bandscheibenoperation 2001 bis heute und auf Dauer, abgesehen von kurzen Zeiten
vorübergehender Arbeitsunfähigkeit. Umgekehrt kann daraus nicht gefolgert
werden, die gesundheitliche Verbesserung könne sich nicht auf die
Arbeitsfähigkeit auswirken und damit nicht im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG für
den Rentenanspruch relevant sein. Die Ärzte der Klinik C.________, auf deren
Beurteilung sich die Beschwerdegegnerin seinerzeit abgestützt hatte,
bezifferten die Arbeitsfähigkeit mit (lediglich) 50 % in leidensadaptierten
Tätigkeiten (Gutachten vom 17. Oktober 2003), wobei sie stark auf die
subjektiven Schmerzangaben des Versicherten abstellten, wie sich auch aus E.
4.6.1 des angefochtenen Entscheids ergibt, ohne dass Hinweise für ein
aggravierendes oder sogar irreführendes Verhalten bestünden.

3. 
Ist ein Revisionsgrund im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG gegeben, d.h. liegt
eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen im
Vergleichszeitraum vor, die geeignet ist, den Invaliditätsgrad und damit den
Rentenanspruch zu beeinflussen (BGE 134 V 131 E. 3 S. 132), ist der
Invaliditätsgrad neu und ohne Bindung an frühere Invaliditätsschätzungen zu
ermitteln (BGE 141 V 9 E. 2.3 S. 10 mit Hinweisen), und zwar bei einer
Meldepflichtverletzung nach Art. 77 IVV ab dem Eintritt der für den Anspruch
erheblichen Änderung (Art. 88bis Abs. 2 lit. b IVV).

4.

4.1. Gemäss Art. 77 IVV hat der oder die Berechtigte jede für den
Leistungsanspruch wesentliche Änderung, namentlich eine solche des
Gesundheitszustandes, der Arbeits- oder Erwerbsfähigkeit sowie der persönlichen
und gegebenenfalls der wirtschaftlichen Verhältnisse unverzüglich der IV-Stelle
anzuzeigen. Die Meldepflicht stellt eine Konkretisierung des Grundsatzes von
Treu und Glauben dar. Die versicherte Person, die Leistungen beziehen will oder
solche bezieht, hat zur Ermittlung des anspruchsrelevanten Sachverhalts
beizutragen. Sie weiss am besten, wie es um sie steht. Durch die Erfüllung der
Meldepflicht wird dem Versicherungsträger die Abklärung des massgeblichen
Sachverhalts erleichtert (Art. 43 Abs. 1 ATSG; Urteil 9C_516/2013 vom 16.
Dezember 2013 E. 2.1). Nach ständiger Rechtsprechung setzt eine
Meldepflichtverletzung ein schuldhaftes Fehlverhalten voraus, wobei bereits
eine leichte Fahrlässigkeit genügt (BGE 118 V 214 E. 2a S. 218; Urteil 9C_338/
2015 vom 12. November 2015 E. 2 mit Hinweisen).

4.2. Die Vorinstanz hat eine Meldepflichtverletzung im Wesentlichen damit
begründet, der Beschwerdeführer habe in dem im Oktober 2011 zugestellten
Fragebogen betreffend die Revision der Rente wahrheitswidrig angegeben, der
Gesundheitszustand sei gleich geblieben. Sodann habe er anlässlich der
Besprechung vom 12. September 2012 in Bezug auf den Umfang der selber
ausgeführten Renovationsarbeiten am Wohnhaus gelogen. "In der Summe der
Widersprüche zwischen den Angaben des Beschwerdeführers und seinen zu Tage
getretenen Aktivitäten konkretisiert sich ein erheblicher Verdacht, dass er
bewusst anspruchsrelevante Tatsachen zu verbergen versuchte" (E. 8.2 S. 26 des
angefochtenen Entscheids).

4.3. Diese Argumentation trägt dem Umstand nicht Rechnung, dass im Zeitpunkt
der Zustellung des Revisionsfragebogens im Oktober 2011 sowie bei der
Besprechung vom 12. September 2012 der Beschwerdegegnerin die Unterlagen über
die Observation im Zeitraum vom       30. September bis 7. Dezember 2010 längst
vorgelegen hatten. Nach den unbestrittenen Feststellungen der Vorinstanz
zeigten die Videoaufnahmen den Versicherten bei Arbeiten, die deutlich über das
im Gutachten der Klinik C.________ vom 17. Oktober 2003 umschriebene
Belastungsprofil hinausgingen. Unter diesen Umständen ist nicht einsehbar, dass
erst die widersprüchliche Angabe im Fragebogen betreffend die Revision der
Rente, wonach der Gesundheitszustand gleich geblieben sei, bzw. die Angaben
anlässlich der Besprechung vom 12. September 2012 zum Umfang der selber
ausgeführten Renovationsarbeiten am Wohnhaus genügend Anlass geboten haben
sollen, weitere Abklärungen in Form einer interdisziplinären Begutachtung
anzuordnen und noch weniger, die Rente weiterhin auszurichten, wie der
Beschwerdeführer vorbringt. Insoweit fehlt es schon am Kausalzusammenhang
zwischen Meldepflichtverletzung und unrechtmässigem Leistungsbezug (BGE 118 V
214 E. 3b in fine S. 221; vgl. zur Möglichkeit der vorsorglichen
Leistungseinstellung Urteil 9C_45/2010 vom 12. April 2010 E. 1.2 und E. 2, in:
SVR 2011 IV Nr. 12 S. 32).
Weiter ist zu beachten, dass die Ärzte der Klinik C.________ eine
Arbeitsfähigkeit von 50 % in leidensangepassten Tätigkeiten attestiert hatten.
Die Vorinstanz hat nicht festgestellt, aufgrund der Observationsunterlagen sei
davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nicht nur einmal, sondern mehrmals
ein darüber hinausgehendes Arbeitspensum geleistet hätte. Sodann war der
Versicherte zwar beim Verrichten von Arbeiten beobachtet worden, die das
medizinisch-theoretische Belastungsprofil klar überstiegen. Die Gutachter der
Medas hielten dazu aber auch fest, dass er wiederholt nach kurzer schwerer
körperlicher Arbeit ein linkshinkendes Gangbild hatte, d.h. "dass die
entsprechenden vorausgegangenen Tätigkeiten eine Überforderung waren und
Funktionseinschränkungen darstellen". Dies erklärt neben dem grundsätzlich
spätestens seit März 2002 als im Wesentlichen unverändert erachteten
Gesundheitszustand (E. 2 hiervor), dass sie die Frage nach einer
"Meldepflichtverletzung einer veränderten Arbeitsfähigkeit" mit "Nein"
beantworteten.
Unter diesen Umständen kann dem Beschwerdeführer kein (aktives) Vortäuschen
nicht (mehr) bestehender gesundheitlich bedingter Einschränkungen vorgeworfen
werden, welche den Schluss auf eine Meldepflichtverletzung im Sinne von Art. 77
IVV erlaubten. Somit kann die Rente nicht rückwirkend auf Oktober 2010
herabgesetzt oder aufgehoben werden. Stichdatum ist der 1. März 2014 (Art.
88bis Abs. 2 lit. a IVV).

5. 
Die Vorinstanz hat bei der Invaliditätsbemessung durch Einkommensvergleich
(Art. 16 ATSG i.V.m. Art. 28a Abs. 1 IVG) wie zuvor die Beschwerdegegnerin
beide Vergleichseinkommen auf der Grundlage der Schweizerischen
Lohnstrukturerhebung 2010 des Bundesamtes für Statistik (LSE 10) berechnet
(grundlegend BGE 124 V 321). Es ergaben sich ein Valideneinkommen von Fr.
71'085.- und ein Invalideneinkommen (vor einem allfälligen Abzug vom
Tabellenlohn nach BGE 126 V 75) von Fr. 63'278.-, woraus maximal ein
Invaliditätsgrad von 33 % resultierte. Gemäss den Darlegungen in E. 4 hiervor
ist der Einkommensvergleich bezogen auf den 1. März 2014 vorzunehmen. Bei der
Rentenzusprechung mit Verfügung vom 18. Juni 2004 hatte die Beschwerdegegnerin
das Valideneinkommen dem gemäss Auszug vom 15. Oktober 2002 im Individuellen
Konto für 2000 eingetragenen Einkommen von Fr. 101'500.- als selbständig
erwerbender Dachdecker und Zimmermann gleichgesetzt.

5.1. Zum Valideneinkommen hat das kantonale Sozialversicherungsgericht
festgestellt, gemäss dem IK-Auszug vom 15. Oktober 2002 sei in den Jahren 1996
bis 2000 ein jährliches Einkommen in der Grössenordnung von Fr. 100'000.- für
eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgewiesen. Der Beschwerdeführer verfüge
jedoch weder über Bilanzen noch Geschäftsabschlüsse. Auch habe er nie
Steuererklärungen ausgefüllt, sondern sei immer eingeschätzt worden. Es erweise
sich daher als unmöglich, das Valideneinkommen aus selbständiger
Erwerbstätigkeit zu ermitteln. Es sei damit auch nicht feststellbar, ob die
Einkommensschätzungen des Steueramtes in etwa den tatsächlich erwirtschafteten
Einnahmen entsprochen hätten; es bestünden jedenfalls erhebliche Zweifel daran,
zumal der Beschwerdeführer in früheren Jahren nicht einmal annähernd ein
Einkommen von Fr. 100'000.- erzielt habe. So seien gemäss IK-Auszug für 1994
ein Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit von Fr. 53'645.-, für 1995
von       Fr. 77'981.-, wovon Fr. 58'506.- aus unselbständiger (recte:
selbständiger) Erwerbstätigkeit für die Beitragsmonate 06-12. Aufgrund dieser
Zahlen sei zumindest nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der
Beschwerdeführer je ein Einkommen in der Grössenordnung von      Fr. 100'000.-
erwirtschaftet habe.

5.1.1. Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des Valideneinkommens ist
grundsätzlich der letzte vor Eintritt der Gesundheitsschädigung erzielte, der
Nominallohnentwicklung angepasste Verdienst (BGE 139 V 28 E. 3.3.2 S. 30). Von
dieser Regel ist bei versicherten Personen, die vor Eintritt der
gesundheitlichen Beeinträchtigung selbständig erwerbstätig waren, abzuweichen,
wenn aufgrund der Umstände mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist,
dass sie im Gesundheitsfall ihre nicht einträgliche Tätigkeit aufgegeben und
eine andere, besser entlöhnte angenommen hätte, oder wenn die selbständige
Tätigkeit wegen ihrer kurzen Dauer keine genügende Grundlage für die Bestimmung
des ohne Behinderung erzielten Einkommens bildet (BGE 135 V 58 E. 3.4.6 S. 64).
Sodann kann das Valideneinkommen von Selbständigerwerbenden auch auf Grund der
Eintragungen im Individuellen Konto (IK) bestimmt werden, wobei starken und
verhältnismässig kurzfristig in Erscheinung getretenen Schwankungen dadurch
Rechnung zu tragen ist, dass auf den Durchschnitt mehrerer Jahre abgestellt
wird (Urteile 8C_211/2013 vom 3. Oktober 2013       E. 4.2, in: SVR 2014 UV Nr.
1 S. 1, 8C_576/2008 vom 10. Februar 2009 E. 6.2, in: SVR 2009 IV Nr. 28 S. 79).
Der versicherten Person als auch der IV-Stelle steht jedoch der Gegenbeweis
offen, dass das tatsächlich erzielte (beitragspflichtige) Einkommen höher resp.
tiefer ist als die verabgabten IK-Einkünfte (Art. 25 Abs. 1 IVV; Urteile   
8C_9/2009 vom 10. November 2009 E. 3.4, in: SVR 2010 IV Nr. 26   S. 79, und
9C_111/2009 vom 21. Juli 2009 E. 2.1.2 mit Hinweisen).

5.1.2. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung lässt sich niemand jahrelang von
der Steuerbehörde (viel) zu hoch einschätzen  und verabgabt entsprechend hohe
Einkommen (vgl. auch Urteil 8C_9/2009 vom 10. November 2009 E. 3.5, in: SVR
2010 IV Nr. 26 S. 79), es sei denn aus versicherungsrechtlichen Überlegungen,
wofür vorliegend indessen keine Anhaltspunkte bestehen. Die sich daraus
ergebende Vermutung, dass die im IK eingetragenen Einkommen dem tatsächlich
erzielten Verdienst entsprechen, wird nicht durch das Fehlen von Bilanzen und
Geschäftsabschlüssen sowie automatisch durch den Umstand umgestossen, dass
keine Steuererklärungen eingereicht wurden und daher eine Ermessenstaxation
erfolgte. Die gegenteilige Auffassung der Vorinstanz verkennt, dass - bei
Zweifeln - die Höhe der Einkünfte auch auf andere Art plausibel gemacht werden
konnte. Insbesondere hätten unter Mitwirkung des Beschwerdeführers (Art. 43
Abs. 1 ATSG und Art. 61 lit. c ATSG; Urteil 9C_238/2015 vom 6. Juli 2015 E.
3.2.1) die Namen und Adressen der Kunden sowie deren Zahlungen erhoben werden
können. Soweit Verwaltung und Vorinstanz - auch wenn es in Antizipieren der
Wahrscheinlichkeit, dass sich entsprechende Unterlagen nach so langer Zeit
nicht mehr auffinden lassen - auf weitere Abklärungen verzichten, so geht dies
nicht zu Lasten des Versicherten (vgl. E. 5.1.1). Das Valideneinkommen ist
somit ausgehend vom IK-Eintrag für das Beitragsjahr 2000 von Fr. 101'500.- zu
bestimmen. Erhebliche Schwankungen sind zwischen 1996 und 2000 keine gegeben.
Daraus ergeben sich für 2014 unter Berücksichtigung der Nominallohnentwicklung
Fr. 121'406.-.

5.2. In Bezug auf das Invalideneinkommen hat die Vorinstanz offen gelassen, da
nach seiner Berechnung nicht relevant, ob ein Abzug vom Tabellenlohn nach BGE
126 V 75 gerechtfertigt wäre. Nach Auffassung des Beschwerdeführers ist
aufgrund des eingeschränkten ergonomischen Tätigkeitsprofils in
Verweisungstätigkeiten, des Alters (56 Jahre) und der Dauer des
Arbeitsunterbruchs ein Abzug von 15 % vorzunehmen.

5.2.1. Das medizinische Anforderungs- und Belastungsprofil stellt eine zum
zeitlich zumutbaren Arbeitspensum tretende qualitative oder quantitative
Einschränkung der Arbeitsfähigkeit dar, wodurch in erster Linie das Spektrum
der erwerblichen Tätigkeiten (weiter) eingegrenzt wird, welche unter
Berücksichtigung der Fähigkeiten, Ausbildung und Berufserfahrung der
versicherten Person realistischerweise noch in Frage kommen. Davon zu
unterscheiden ist die Gegenstand des Abzugs vom Tabellenlohn bildende Frage, ob
mit Bezug auf eine konkret in Betracht fallende Tätigkeit bei ausgeglichener
Arbeitsmarktlage verglichen mit einem gesunden Mitbewerber nur bei Inkaufnahme
einer Lohneinbusse reale Chancen für eine Anstellung bestehen. Ist von einem
genügend breiten Spektrum an zumutbaren Verweisungstätigkeiten auszugehen,
können unter dem Titel leidensbedingter Abzug grundsätzlich nur Umstände
berücksichtigt werden, die auch auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt als
ausserordentlich zu bezeichnen sind (9C_826/2015 vom 13. April 2016 E. 3.2.1
mit Hinweisen). Solche werden nicht geltend gemacht und sind auch nicht
ersichtlich.

5.2.2. Im Weitern ist immer unter Berücksichtigung aller konkreten Umstände des
Einzelfalles zu prüfen, ob das Alter einen Abzug vom Tabellenlohn rechtfertigt.
Dies gilt insbesondere im Bereich der Hilfsarbeiten (Anforderungsniveau 4 des
Arbeitsplatzes) auf dem hypothetisch ausgeglichenen Arbeitsmarkt, wo sich ein
fortgeschrittenes Alter nicht zwingend lohnsenkend auswirken muss (Urteil
9C_366/2015 vom 22. September 2015 E. 4.3.2 mit Hinweisen). Die vorliegend als
zumutbar erachteten Verweisungstätigkeiten sind solche vom Anforderungsniveau
4. Andere Umstände, welche einen altersbedingten Einschlag beim
Invalideneinkommen rechtfertigen könnten, werden keine vorgebracht. Die lange
Absenz vom Arbeitsmarkt ist nicht invaliditätsbedingt (vgl. E. 6 hiernach).
Ist nach dem Gesagten kein Abzug vom Tabellenlohn vorzunehmen, ergibt sich für
2014 unter Berücksichtigung der Nominallohnentwicklung (ab 2010) ein
Invalideneinkommen von Fr. 65'307.-.

5.3. Aus der Gegenüberstellung von Valideneinkommen (Fr. 121'406.-) und
Invalideneinkommen (Fr. 65'307.-) resultiert ein Invaliditätsgrad von 46 % (zum
Runden BGE 130 V 121), was ab 1. März 2014 Anspruch auf eine Viertelsrente gibt
(Art. 28 Abs. 2 IVG).

6. 
Schliesslich macht der Beschwerdeführer geltend, er habe Anspruch darauf, dass
vor der Herabsetzung oder Aufhebung der ganzen Rente berufliche
Eingliederungsmassnahmen geprüft werden (vgl. dazu statt vieler Urteil 8C_19/
2016 vom 4. April 2016 E. 5.1). Das kantonale Sozialversicherungsgericht hat
die Gründe dargelegt, weshalb von der Zumutbarkeit der Selbsteingliederung
auszugehen sei. Mit seinen Vorbringen vermag der Beschwerdeführer nicht
aufzuzeigen, inwiefern es sachfremde Umstände berücksichtigt oder diese
offensichtlich unrichtig gewürdigt hat. Den vorinstanzlichen Erwägungen ist
beizufügen, dass der Beschwerdeführer seit der Rentenzusprechung mit Verfügung
vom 18. Juni 2004 mindestens zu 50 % arbeitsfähig war. Er macht nicht geltend
und es bestehen keine Hinweise, dass er Anstrengungen unternommen hätte, wieder
eine Teilzeitarbeit aufzunehmen, oder die IV-Stelle um Gewährung von
Eingliederungsmassnahmen ersuchte. Mit Blick darauf ist die langjährige Absenz
vom Arbeitsmarkt nicht invaliditätsbedingt (Urteil 9C_819/2014 vom 19. Juni
2015 E. 4 mit Hinweisen).

7. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend haben grundsätzlich die Parteien je zur
Hälfte die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführer
hat nach Massgabe seines Obsiegens Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art.
68 Abs. 2 BGG). Im Übrigen kann seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
entsprochen werden (Art. 64 BGG; BGE 125 V 201 E. 4a S. 202). Es wird indessen
ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG hingewiesen, wonach er der
Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten hat, wenn er später dazu in der Lage ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 29. Juni 2015 und die
Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 14. Januar 2014 werden
aufgehoben und es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer über den 30.
September 2010 hinaus bis zum 28. Februar 2014 Anspruch auf eine ganze Rente,
ab 1. März 2014 auf eine Viertelsrente der Invalidenversicherung hat. Im
Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren
wird gutgeheissen und es wird dem Beschwerdeführer Rechtsanwalt David Husmann
als Rechtsbeistand beigegeben.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden den Parteien je zur Hälfte auferlegt;
der Anteil des Beschwerdeführers wird einstweilen auf die Bundesgerichtskasse
genommen.

4. 
Die Beschwerdegegnerin hat den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'400.- zu entschädigen.

5. 
Rechtsanwalt David Husmann wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung
von Fr. 1'400.- ausgerichtet.

6. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Gerichtskosten und der Parteientschädigung
des vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich zurückgewiesen.

7. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 9. Mai 2016

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Fessler

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