Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 650/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_650/2015

Urteil vom 11. August 2016

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
Gerichtsschreiberin Keel Baumann.

Verfahrensbeteiligte
 A.________,
vertreten durch Rechtsdienst Inclusion Handicap,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle Bern, Scheibenstrasse 70, 3014 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
vom 9. Juli 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. A.________ bezog wegen Geistesschwäche Leistungen der
Invalidenversicherung in Form von Beiträgen an eine Sonderschulung und
pädagogisch-therapeutische Massnahmen. Mit Unterstützung der
Invalidenversicherung absolvierte sie ab 16. August 1978 eine zweijährige
hauswirtschaftliche Ausbildung an der Haushaltungsschule für lernbehinderte und
praktisch bildungsfähige Töchter. Nach deren Abschluss nahm A.________ am 12.
August 1980 eine Hilfstätigkeit im Altersheim B.________ auf. Im selben Monat
meldete sie sich bei der Invalidenversicherung zum Rentenbezug an. Die
Verwaltung sprach ihr mit Wirkung ab 1. Juli 1980 bei einem Invaliditätsgrad
von 65 % eine halbe Rente zu (Verfügung vom 8. April 1981).
Im Rahmen einer Rentenrevision erhöhte die Verwaltung die Invalidenrente der
A.________ rückwirkend ab 1. August 1983 bei einem Invaliditätsgrad von 72 %
auf eine ganze Rente (Verfügung vom 9. November 1983). Diesen Anspruch
bestätigte sie revisionsweise in den Jahren 1986 und 1989.

A.b. Als die Versicherte am 1. März 1992 eine Tätigkeit als Küchenhilfe im
Restaurant C.________ aufnahm, leitete die Verwaltung ein Revisionsverfahren
ein. Sie setzte die bisherige Rente rückwirkend ab 1. Juni 1992 auf eine halbe
Rente herab.
Im November 1996 teilte A.________ der Verwaltung mit, dass sie die
Erwerbstätigkeit infolge Schwangerschaft aufgegeben habe. Im Jahr 1997 gebar
A.________ eine Tochter. Die IV-Stelle Bern leitete ein weiteres
Revisionsverfahren ein und prüfte die erwerblichen und die gesundheitlichen
Verhältnisse. Des Weitern liess sie eine Haushaltabklärung durchführen (Bericht
vom 9. Januar 1998). Mit Verfügung vom 18. August 1998 setzte sie die bisherige
Rente, davon ausgehend, die Versicherte wäre zu 100 % im Haushalt beschäftigt,
mit Wirkung ab 1. September 1998 auf eine Viertelsrente (Invaliditätsgrad von
41 %) herab.

A.c. Im Rahmen eines weiteren, im Jahr 2002 eingeleiteten Revisionsverfahrens
gab die Versicherte eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes an mit
Konzentrationsmangel, starker Migräne, Vergesslichkeit und Hilflosigkeit. Die
IV-Stelle holte beim Hausarzt Berichte ein und liess eine Haushaltabklärung
sowie eine Abklärung der Hilflosigkeit durchführen (Berichte vom 4. Juli 2003).
Sie verneinte den Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung (Verfügung vom 12.
September 2003). Die Rente der Versicherten erhöhte sie rückwirkend ab 1.
Februar 2003 bei einem Invaliditätsgrad von 52 % auf eine halbe Rente
(Verfügung vom 7. Oktober 2003). In ihrer Mitteilung vom 17. September 2008
bestätigte die IV-Stelle den Anspruch.

A.d. Im August 2013 leitete die IV-Stelle ein weiteres Rentenrevisionsverfahren
ein. Sie nahm einen Verlaufsbericht des Hausarztes der Versicherten, Dr. med.
D.________, Allgemeine Innere Medizin FMH, vom 5. Oktober 2013 zu den Akten.
Des Weitern holte sie einen Abklärungsbericht betreffend die
Hilflosenentschädigung vom 6. Dezember 2013 sowie einen Haushaltbericht vom 13.
Januar 2014 ein. Mit Vorbescheid vom 16. Januar 2014 stellte die IV-Stelle -
neu davon ausgehend, die Versicherte wäre zu 40 % erwerbstätig und zu 60 % im
Haushalt beschäftigt - die Herabsetzung auf eine Viertelsrente
(Gesamtinvaliditätsgrad von 45 %) in Aussicht, wogegen die Versicherte Einwand
erhob. Nachdem die IV-Stelle bei ihrem Abklärungsdienst eine Stellungnahme zu
der von der Versicherten beanstandeten Statusfestsetzung eingeholt hatte
(erstattet am 3. April 2014), verfügte sie am 7. April 2014 die Herabsetzung
der bisherigen halben Rente auf eine Viertelsrente mit Wirkung auf den ersten
Tag des zweiten der Zustellung der Verfügung folgenden Monats.
In einem weiteren Vorbescheid vom 17. Januar 2014 wurde A.________ die
Zusprache einer Hilflosenentschädigung für Hilflosigkeit leichten Grades ab 1.
August 2008 in Aussicht gestellt. Dagegen opponierte die Versicherte nicht und
die Verwaltung erliess am 28. März 2014 eine entsprechende Verfügung. Des
Weitern verfügte die IV-Stelle a m 14. März 2014 die Nachzahlung einer
Invalidenkinderrente mit Wirkung ab 1. Januar 2009.

B. 
Beschwerdeweise liess A.________ beantragen, die (rentenherabsetzende)
Verfügung vom 7. April 2014 sei aufzuheben und es sei ihr mindestens eine
Dreiviertelsrente der Invalidenversicherung auszurichten. Mit Entscheid vom 9.
Juli 2015 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern die Beschwerde ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Entscheid sei aufzuheben, und es sei ihr
eine ganze Rente zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache zur Abklärung des
medizinischen Sachverhalts an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen (BSV) verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung
des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.

2.1. Im angefochtenen Entscheid werden die Bestimmungen und Grundsätze über den
Umfang des Invalidenrentenanspruchs (Art. 28 Abs. 2 IVG), die Revision der
Invalidenrente (Art. 17 Abs. 1 ATSG) und die dabei in zeitlicher Hinsicht zu
vergleichenden Sachverhalte (BGE 130 V 343 E. 3.5.2 S. 351) zutreffend
wiedergegeben. Richtig sind auch die Hinweise zur ärztlichen Aufgabe bei der
Invaliditätsbemessung (BGE 140 V 193 E. 3.2 S. 195, 132 V 93 E. 4 S. 99) und zu
den Anforderungen an beweiskräftige medizinische Berichte und Gutachten (vgl.
auch BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352). Darauf wird
verwiesen.

2.2. Bei den vorinstanzlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit der versicherten Person handelt es sich grundsätzlich um
Entscheidungen über eine Tatfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.), welche das
Bundesgericht seiner Urteilsfindung zugrunde zu legen hat (E. 1). Die konkrete
Beweiswürdigung stellt ebenfalls eine Tatfrage dar. Dagegen ist die Beachtung
des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln eine frei
überprüfbare Rechtsfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.; SVR 2014 IV
Nr. 1 S. 1, 9C_228/2013 E. 1.2; 2014 IV Nr. 20 S. 72, 9C_460/2013 E. 1.3).

3. 
Es steht fest und ist unbestritten, dass ein Revisionsgrund gemäss Art. 17 Abs.
1 ATSG gegeben ist, weil die Beschwerdeführerin, anders als zum Zeitpunkt der
Verfügung vom 7. Oktober 2003, welche zeitliche Vergleichsbasis bildet, nicht
mehr als ausschliesslich im Haushalt tätige Versicherte, sondern neu als
Teilerwerbstätige (nach der Verfügung vom 7. April 2014 zu 40 % [bei einem
Aufgabenbereich von 60 %] und nach dem angefochtenen Entscheid zu 60 % [bei
einem Aufgabenbereich von 40 %]) zu betrachten ist.

4.

4.1. Die Vorinstanz nahm die Invaliditätsbemessung nach der gemischten Methode
mit einem Erwerbsanteil von 60 % und einem Haushaltanteil von 40 % vor. Im
Rahmen des erwerblichen Bereichs setzte sie das Valideneinkommen gestützt auf
Art. 26 Abs. 1 IVV auf Fr. 77'000.- bzw. entsprechend dem Teilpensum von 60 %
auf Fr. 46'200.- fest. Das Invalideneinkommen ermittelte sie auf der Grundlage
der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) 2012 des Bundesamtes für
Statistik. Dabei ging sie davon aus, der Versicherten seien einfache
Hilfstätigkeiten voll zumutbar. Vom angewendeten Tabellenlohn (Tabelle TA1,
Kompetenzniveau 1, Einfache Tätigkeiten körperlicher oder handwerklicher Art,
Frauen, Ziff. 96 [Sonstige persönliche Dienstleistungen]) nahm sie einen
leidensbedingten Abzug von 25 % vor. Auf diesem Weg gelangte sie zu einem
Invalideneinkommen von Fr. 20'971.- bei einem 60 %-Pensum. Aus der
Gegenüberstellung von Validen- und Invalideneinkommen resultierte ein
Invaliditätsgrad von 54.61 %, was gewichtet mit 0.6 einen Teilinvaliditätsgrad
von 32.76 % ergab. Für den Haushaltbereich ermittelte das kantonale Gericht
einen Invaliditätsgrad von 27 % bzw. mit 0.4 gewichtet einen solchen von 10.8
%. Auf diese Weise resultierte insgesamt ein Invaliditätsgrad von gerundet 44
%, welcher Anspruch auf die zugesprochene Viertelsrente verleiht.

4.2. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Bundesrecht,
einschliesslich rechtsfehlerhafte Beweiswürdigung und offensichtlich unrichtige
Sachverhaltsfeststellung: Die Vorinstanz habe in unzulässiger Weise in den
medizinischen Aufgabenbereich eingegriffen, indem sie die Einschätzung des
Hausarztes Dr. med. D.________, wonach einfache Arbeiten in einem geschützten
Umfeld wahrscheinlich prinzipiell möglich seien, durch eine 100 %-ige
Arbeitsfähigkeit im angelernten Beruf auf dem freien Arbeitsmarkt mit einer
Leistungsminderung um 25 % ersetzt habe. Eventualiter habe die Vorinstanz den
Bericht des Dr. med. D.________ vom 5. Oktober 2013 zu Unrecht als schlüssig
beurteilt und damit die Beweisregeln für Arztberichte und Gutachten verletzt.
Der medizinische Sachverhalt sei nicht hinreichend abgeklärt; es wäre wegen des
ausgeprägt interdisziplinären Charakters der Leiden eine polydisziplinäre
Begutachtung angezeigt gewesen. Im Übrigen habe der Regionale Ärztliche Dienst
(RAD) im kantonalen Verfahren zu keiner Zeit eine Stellungnahme abgegeben,
obwohl die Beurteilung, ob ein geistiger oder psychischer Gesundheitsschaden
vorliege, in jedem Fall eine ärztliche und keine richterliche Aufgabe
darstelle; verletzt sei dementsprechend auch Art. 59 Abs. 2bis IVG. Was die
Statusfestsetzung anbelange, sei von einem Erwerbsanteil von 90 % und einem
Haushaltanteil von 10 % auszugehen. Damit habe die Beschwerdeführerin Anspruch
auf eine ganze Rente.

5.

5.1.  In seinem Arztbericht vom 5. Oktober 2013 bezeichnete  Dr. med.
D.________ den Gesundheitszustand der Versicherten als stationär. Seit der
letzten Diagnosestellung habe sich keine Änderung ergeben. Als Diagnose mit
Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit führte er einen Status nach Schädelhirntrauma
mit 5 Jahren nach Sturz von einer Schaukel sowie Minderintelligenz mit Sprach-,
Lese- und Schulschwäche auf. Als neue medizinische Befunde erwähnte er eine
cervikale Diskushernie mit Neurokompression C5/6 links und Kribbelparästhesien
im linken Arm seit Anfang 2013 (mit langsamer Besserung) und rezidivierende
Lumbalgien seit einem Treppensturz ca. 2001 (welche bisher nicht abgeklärt
worden seien). Es bestehe aber "im Wesentlichen" keine körperliche Behinderung.
Die Versicherte habe Mühe mit Lesen ("ganz schlecht"), Schreiben ("nur knapp
mehr als eigener Name") und Sprechen ("etwas schwer verständlich; sehr einfache
Sprache"). Sie könne die Haushaltung jedoch selbständig erledigen und sich beim
Einkaufen preislich grob orientieren. Einfache Arbeiten in einem geschützten
Rahmen seien ihr "wahrscheinlich prinzipiell möglich". Abschliessend erwähnte
er, dass er die Patientin erst seit Februar 2012 kenne und die Anamnese von
vorher sehr lückenhaft sei.

5.2. Die Vorinstanz erwog, was die Minderintelligenz, ihre Ausprägung und den
Umstand anbelange, dass das funktionelle Leistungsvermögen einzig dadurch
eingeschränkt sei, ergebe sich aus den weiteren Akten nichts Abweichendes,
sodass insoweit auf die hausärztlichen Angaben abzustellen sei. Soweit jedoch
der Hausarzt bezüglich der in zeitlicher Hinsicht uneingeschränkten
Restarbeitsfähigkeit auf ein geschütztes Umfeld verweise, überzeuge dies nicht:
Mit Blick darauf, dass die Beschwerdeführerin bis zur Geburt ihrer Tochter
(1997) während 16 Jahren konstant bei seither bezüglich der Minderintelligenz
gleichgebliebenem Gesundheitszustand eine Erwerbstätigkeit  auf dem ersten
Arbeitsmarkt ausgeübt habe, sei sie für die Verwertung der Restarbeitsfähigkeit
nach wie vor nicht auf einen geschützten Arbeitsplatz angewiesen. Dies gelte
umso mehr als bei der Bestimmung des Invalideneinkommens gemäss Art. 16 ATSG
nicht der reguläre, sondern der hypothetisch ausgeglichene Arbeitsmarkt
massgebend sei. Hinzu komme, dass die Beschwerdeführerin nach den Akten - die
Vorinstanz verwies auf den Schlussbericht der Haushaltungsschule vom 27. Juni
1980 - trotz der erheblichen Minderintelligenz durchaus in der Lage sei,
praktische Arbeiten zuverlässig, gewissenhaft, exakt und schön auszuführen und
insgesamt, wenn auch verlangsamt, eine ordentliche Arbeitsleistung zu
erbringen. Es sei deshalb zu unterstellen, dass auf dem ausgeglichenen
Arbeitsmarkt Arbeitgeber vorhanden seien, welche der Beschwerdeführerin die von
ihr benötigte Anleitung und Unterstützung gewährleisten würden. Entgegen der
Beschwerdegegnerin sei das Invalideneinkommen deshalb nicht nach Massgabe des
Qualifikations- und Lohnsystems der Stiftung für berufliche Integration GEWA
(bei 100 %: Fr. 20'800.-), sondern nach Tabelle TA1 der LSE (bei 100 % [nach
Gewährung eines leidensbedingten Abzuges von 25 %] Fr. 34'952.-) zu bestimmen.

5.3. Dass die Vorinstanz die Einschätzung des  Dr. med. D.________, wonach
einfache Arbeiten   in einem geschützten Umfeld (keine Hervorhebung im
Original) wahrscheinlich prinzipiell möglich wären (Bericht vom 5. Oktober
2013), in eine volle Einsatzfähigkeit   auf dem ersten Arbeitsmarkt umdeutete,
beruht auf einer willkürlichen Beweiswürdigung und ist offensichtlich
unhaltbar: Die Möglichkeit einer versicherten Person, das verbliebene
Leistungsvermögen auf dem allgemeinen (ausgeglichenen) Arbeitsmarkt zu
verwerten, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Massgebend
können rechtsprechungsgemäss die Art und Beschaffenheit des Gesundheitsschadens
und seiner Folgen, der absehbare Umstellungs- und Einarbeitungsaufwand und in
diesem Zusammenhang auch die Persönlichkeitsstruktur, vorhandene Begabungen und
Fertigkeiten, Ausbildung, beruflicher Werdegang oder die Anwendbarkeit von
Berufserfahrung aus dem angestammten Bereich sein (Urteile 9C_446/2012 vom 16.
November 2012 E. 5.2; 9C_153/2011 vom 22. März 2012 E. 3 mit Hinweisen). Die
aus den Vorakten klar hervorgehenden erheblichen gesundheitlichen
Einschränkungen, an welchen die Beschwerdeführerin leidet und deretwegen sie
neben der ihr seit 1. Juli 1980 ausgerichteten Invalidenrente seit 1. August
2008 eine Hilflosenentschädigung für Hilflosigkeit leichten Grades
(lebenspraktische Begleitung) bezieht, ihr beruflicher Werdegang und in diesem
Zusammenhang insbesondere die im Zeitpunkt der Verfügung mehr als 17 Jahre
dauernde und damit sehr lange Abwesenheit vom Arbeitsmarkt, der absehbare
grosse Umstellungs- und Einarbeitungsaufwand, bei welchen sich die
eingeschränkten geistigen Fähigkeiten der Versicherten hinderlich auswirken
dürften, lassen die Möglichkeit einer Verwertung der Restarbeitsfähigkeit  auf
dem ersten Arbeitsmarkt mit  Dr. med. D.________ als unwahrscheinlich
erscheinen. Nichts zu ändern vermag daran das Argument der Vorinstanz, die
Versicherte sei vor der Geburt ihrer Tochter während 16 Jahren konstant  auf
dem ersten Arbeitsmarkt tätig gewesen. Denn angesprochen ist damit die Zeit von
August 1980 bis Februar 1992, während welcher die Versicherte als Hilfskraft
für Hausarbeiten im  Altersheim B.________ arbeitete, und diejenige von März
1992 bis Oktober 1996, während welcher sie als Küchenhilfe im  Restaurant
C.________ angestellt war. Diese Tätigkeiten liegen so lange zurück, dass daran
nicht mehr angeknüpft werden kann. Sodann rücken die (auch unter
Berücksichtigung des damaligen Lohn- und Preisniveaus) bescheidene Entlöhnung
im Rahmen des fast 12 Jahre davon ausmachenden ersten Anstellungsverhältnisses
(Anfangslohn von Fr. 200.- pro Monat [zuzüglich Kost und Logis von Fr. 450.-];
letzte Lohnangabe [ab 1. Januar 1990]: Fr. 850.- pro Monat) und die dabei zu
verrichtenden Tätigkeiten die damals innegehabte Tätigkeit in die Nähe einer
Anstellung im geschützten Rahmen. Dies zeigt sich auch darin, dass die
Versicherte damals trotz vollem Pensum zuerst eine halbe (ab 1. Juli 1980) und
später (ab 1. August 1983) eine ganze Invalidenrente bezog. Nicht zu überzeugen
mag auch das weitere von der Vorinstanz für ihren Standpunkt angeführte
Argument, wonach die Versicherte gemäss Schlussbericht der Haushaltungsschule
vom 27. Juni 1980 praktische Arbeiten zuverlässig, gewissenhaft, exakt und
schön ausführen und insgesamt, wenn auch verlangsamt, eine ordentliche
Arbeitsleistung erbringen könne. Denn abgesehen davon, dass der Bericht mehr
als dreissig Jahre alt und damit längst nicht mehr aktuell ist, wurde darin
gleichzeitig darauf hingewiesen, dass dieses Ergebnis erst nach einer langen
Anlaufzeit sowie viel Geduld und Einfühlungsvermögen ihres Umfeldes erreicht
werde, welche Schwierigkeiten sich angesichts der langen Abwesenheit vom
Arbeitsmarkt und des Alters der Versicherten zwischenzeitlich noch akzentuiert
haben dürften. Bei dieser Sachlage erweist sich die Annahme der Vorinstanz -
volle Arbeitsfähigkeit in der freien Wirtschaft - als offensichtlich unhaltbar.

5.4. Damit stellt sich die Frage, ob das Invalideneinkommen mit der IV-Stelle
auf der Basis einer einfachen Tätigkeit in einem geschützten Rahmen
festzusetzen ist. Selbst dafür bieten indessen die Akten keine genügende
Grundlage: In seinem Bericht vom 5. Oktober 2013 formulierte  Dr. med.
D.________ seine Arbeitsfähigkeitsschätzung äusserst vorsichtig, indem er
einfache Arbeiten  in einem geschützten Umfeld als "wahrscheinlich prinzipiell
möglich" bezeichnete. Genaueres, insbesondere auch hinsichtlich Inhalt und
Umfang der Tätigkeit, gab er dabei nicht an. Des Weitern sah er sich auch nicht
in der Lage zu beurteilen, ob mit beruflichen Massnahmen eine Verbesserung der
Erwerbstätigkeit erreicht werden könnte. Diese Unsicherheiten werden noch
dadurch unterstrichen, dass  Dr. med. D.________ abschliessend erklärte, er
kenne die Versicherte erst seit Februar 2012, und die Anamnese vorher sei sehr
lückenhaft. Obwohl die Äusserungen des  Dr. med. D.________ sehr vage und
unbestimmt sind und keine abschliessende, überzeugende Beurteilung der
gesundheitlichen Verhältnisse darstellen, diente der entsprechende Bericht vom
5. Oktober 2013 der IV-Stelle (ebenso wie der Vorinstanz) als einzige
medizinische Grundlage. Von einem verlässlich feststehenden, lückenlosen
medizinischen Sachverhalt, der es erlaubt hätte, auf weitere medizinische
Abklärungen (insbesondere auch auf einen Beizug des RAD) zu verzichten und
gestützt darauf die Invaliditätsbemessung vorzunehmen, kann indessen nicht die
Rede sein. Mit Blick darauf, dass die ärztlichen Angaben eine wichtige
Grundlage für die juristische Beurteilung der Frage bilden, welche
Arbeitsleistungen der versicherten Person noch zugemutet werden können (vgl.
dazu BGE 140 V 193 E. 3.2 S. 196 mit Hinweisen), hätte es der
Untersuchungsgrundsatz geboten, die Frage nach den noch zumutbaren Tätigkeiten
und Arbeitsleistungen nach Massgabe der objektiv feststellbaren
Gesundheitsschädigung durch die Ärzte weiter abklären zu lassen. Die Sache ist
daher an die IV-Stelle zurückzuweisen, damit sie dies nachhole. Dabei könnte es
sich auch rechtfertigen, in Ergänzung zu den medizinischen Unterlagen für die
Ermittlung des erwerblich nutzbaren Leistungsvermögens die Fachpersonen der
beruflichen Integration und Berufsberatung einzuschalten (vgl. dazu auch BGE
140 V 193 E. 3.2 S. 196 mit Hinweisen). Anschliessend wird die IV-Stelle neu zu
verfügen haben.

5.5. Was die Rechtsprechung zur gemischten Methode der Invaliditätsbemessung
gemäss Art. 28a Abs. 3 IVG betrifft (vgl. Urteil des Europäischen Gerichtshofes
für Menschenrechte in Sachen Di Trizio gegen die Schweiz [7186/09] vom 2.
Februar 2016), erübrigen sich im gegenwärtigen Verfahrensstadium Weiterungen.
Allenfalls wird zu prüfen sein, ob die Versicherte, welche keine (Kinder-)
Betreuungspflichten mehr hat, mithin die Anwendung der gemischten Methode -
anders als im zitierten EGMR-Entscheid - ohnehin keinen familiär bedingten
Grund hat, überhaupt einen Aufgabenbereich gemäss Art. 28a Abs. 2 IVG aufweist
(vgl. zur Publikation in BGE 142 V bestimmtes Urteil 9C_178/2015 vom 4. Mai
2016).

6. 
Eine Rückweisung zu erneutem Entscheid mit offenem Ausgang gilt in Bezug auf
die Verfahrenskosten als Obsiegen (Urteil 9C_644/2015 vom 3. Mai 2016 E. 3 mit
Hinweisen). Die unterliegende Beschwerdegegnerin hat die Gerichtskosten zu
tragen (Art. 65 Abs. 4 lit. a i.V.m. Art. 66 Abs. 1 BGG). Ausserdem hat sie der
Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 BGG).
Bei diesem Verfahrensausgang ist das beschwerdeführerische Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege (Prozessführung, Verbeiständung) gegenstandslos.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 9. Juli 2015 und die Verfügung der
IV-Stelle Bern vom 7. April 2014 werden aufgehoben. Die Sache wird zu neuer
Verfügung an die IV-Stelle Bern zurückgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.

4. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, zurückgewiesen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 11. August 2016

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann

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