Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 645/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_645/2015

Urteil vom 3. Februar 2016

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner,
Gerichtsschreiber Trütsch.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Kaspar Saner,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 30. Juni 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die 1980 geborene A.________ stellte erstmals am 16. Dezember 2008 bei der
IV-Stelle des Kantons Zürich ein Gesuch zum Leistungsbezug, welches mit
Verfügung vom 21. Juli 2009 abgelehnt wurde. Am 30. November 2010 meldete sie
sich erneut bei der Invalidenversicherung an. Nach Einholung eines
bidisziplinären Gutachtens von Dr. med. B.________, Facharzt FMH für
Psychiatrie und Psychotherapie, und Dr. med. C.________, Facharzt FMH für
Rheumatologie und Innere Medizin, vom 13. August 2013 wies die IV-Stelle das
Leistungsbegehren verfügungsweise am 10. Juli 2014 abermals ab.

B. 
Die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 30. Juni 2015
ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, der Entscheid vom 30. Juni 2015 sei aufzuheben und ihr ab 1.
November 2011 eine halbe Rente der Invalidenversicherung zuzusprechen;
eventualiter sei die Sache zur weiteren Abklärung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann es
auf Rüge hin oder von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Artikel 95 beruht, und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des
Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 105 Abs. 2 BGG und Art. 97 Abs. 1 BGG).

2. 
Strittig ist, ob das kantonale Sozialversicherungsgericht einen Rentenanspruch
der Beschwerdeführerin zu Recht verneint hat.

2.1. Die IV-Stelle ist auf die Neuanmeldung vom 30. November 2010 eingetreten,
weshalb der Anspruch von der Vorinstanz umfassend zu prüfen war (Art. 87 Abs. 3
IVV).

2.2. Das kantonale Sozialversicherungsgericht hat die Bestimmungen und
Grundsätze zu den Voraussetzungen des Anspruchs auf eine Invalidenrente (Art.
28 Abs. 1 IVG) und zum Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 2 IVG) korrekt
dargelegt. Darauf kann verwiesen werden.

2.3. Ob eine versicherte Person als ganztägig oder zeitweilig erwerbstätig oder
als nichterwerbstätig einzustufen ist (Statusfrage), was je zur Anwendung einer
anderen Methode der Invaliditätsbemessung (Einkommensvergleich, gemischte
Methode, Betätigungsvergleich) führt, ergibt sich aus der Prüfung, was die
Person bei im Übrigen unveränderten Umständen täte, wenn keine gesundheitliche
Beeinträchtigung bestünde. Entscheidend ist somit nicht, welches Ausmass der
Erwerbstätigkeit der versicherten Person im Gesundheitsfall zugemutet werden
könnte, sondern in welchem Pensum sie hypothetisch erwerbstätig wäre. Bei im
Haushalt tätigen Versicherten im Besonderen sind die persönlichen, familiären,
sozialen und erwerblichen Verhältnisse ebenso wie allfällige Erziehungs- und
Betreuungsaufgaben gegenüber Kindern, das Alter, die beruflichen Fähigkeiten
und die Ausbildung sowie die persönlichen Neigungen und Begabungen zu
berücksichtigen. Massgebend sind die Verhältnisse, wie sie sich bis zum Erlass
der Verwaltungsverfügung entwickelt haben, wobei für die hypothetische Annahme
einer im Gesundheitsfall ausgeübten (Teil-) Erwerbstätigkeit der im
Sozialversicherungsrecht übliche Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit erforderlich ist (BGE 141 V 15 E. 3.1 S. 20; 137 V 334 E.
3.2 S. 338; 125 V 146 E. 2c S. 150; 117 V 194 E. 3b S. 194 f.; je mit
Hinweisen).

2.4. Bei der Beantwortung der Statusfrage handelt es sich zwangsläufig um eine
hypothetische Beurteilung, die auch hypothetische Willensentscheidungen der
versicherten Person zu berücksichtigen hat. Diese sind als innere Tatsachen
einer direkten Beweisführung indessen nicht zugänglich und müssen in aller
Regel aus äusseren Indizien erschlossen werden. Die Beurteilung hypothetischer
Geschehensabläufe stellt eine Tatfrage dar, soweit sie auf Beweiswürdigung
beruht, selbst wenn darin auch Schlussfolgerungen aus der allgemeinen
Lebenserfahrung mitberücksichtigt werden. Ebenso sind Feststellungen über
innere oder psychische Tatsachen Tatfragen, wie beispielsweise was jemand
wollte oder wusste (BGE 130 IV 58 E. 8.5 S. 62; 115 II 440 E. 5b S. 448; Urteil
9C_559/2009 vom 18. Dezember 2009 E. 3, publ. in: SVR 2010 IV Nr. 35 S. 111; je
mit Hinweisen). Die auf einer Würdigung konkreter Umstände basierende
Festsetzung des hypothetischen Umfanges der Erwerbstätigkeit ist für das
Bundesgericht daher verbindlich, ausser wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung beruht (vgl. E. 1 hievor). Eine Beweiswürdigung
ist nicht bereits dann offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich (zum Begriff
der Willkür: BGE 140 III 16 E. 2.1 S. 18 f. mit Hinweisen), wenn eine andere
Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern erst
dann, wenn der Entscheid - im Ergebnis - offensichtlich unhaltbar ist, zur
tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht oder auf einem
offenkundigen Fehler beruht (BGE 127 I 54 E. 2b S. 56, 135 V 2 E. 1.3 S. 4 f.).

3. 

3.1. Die Vorinstanz hat festgestellt, die Beschwerdeführerin habe vor der
ersten Anmeldung bei der Invalidenversicherung in einem 70%-Pensum beim
D.________ gearbeitet. Gegenüber dem rheumatologischen Gutachter habe sie
angegeben, die Pensenreduktion in den Jahren 2002 bis 2004 (von 100 % auf 80 %)
sei gesundheitsbedingt erfolgt, wofür es aber keine entsprechenden (Arzt-)
Berichte gebe. Auch die Reduktion beim Stellenwechsel von der Firma E.________
zum D.________ sei ohne Begründung geblieben. Dr. med. F.________ habe zudem
erst ab August 2007 eine Arbeitsunfähigkeit attestiert, wogegen der
Stellenantritt bereits im Januar desselben Jahres gewesen sei. Es würden
Arztberichte fehlen, die gestützt auf die vorgebrachten Leiden eine andauernde
Arbeitsunfähigkeit attestierten. Die Pensenreduktionen seien nicht mit
überwiegender Wahrscheinlichkeit aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen,
sondern vielmehr freiwillig erfolgt. Ferner habe sich die private Situation im
Wesentlichen nicht verändert, weshalb davon auszugehen sei, dass die
Beschwerdeführerin auch im Gesundheitsfall zu 70 % erwerbstätig wäre.
Das kantonale Sozialversicherungsgericht ermittelte daher in Anwendung der
gemischten Methode (Art. 28a Abs. 3 IVG; BGE 137 V 334 E. 3.1.3 S. 338) und
unter Berücksichtigung der 50%igen Arbeitsunfähigkeit gemäss dem als
beweiswertig eingestuften bidisziplinären Gutachten vom 13. August 2013 im
Erwerbsbereich einen Teilinvaliditätsgrad von (gewichtet) 20 %. In
antizipierter Beweiswürdigung erachtete es eine Haushaltsabklärung als
entbehrlich, weil im Aufgabenbereich nicht eine Einschränkung von mindestens 65
% (gewichtet 19.5 %) zu erwarten sei.

3.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz habe die Statusfrage
falsch beurteilt und zu Unrecht die gemischte Methode angewandt. In diesem
Zusammenhang rügt sie eine willkürliche Beweiswürdigung. Sie wendet im
Wesentlichen ein, diversen aktenkundigen Arztberichten könne entnommen werden,
dass sie seit 1998 an zahlreichen Gesundheitsschäden leide und sich auch
mehreren Operationen habe unterziehen müssen. Daraus erhelle, dass die
Pensumreduktion bei der G.________ AG von 100 % auf 80 % gesundheitsbedingt
erfolgt sei. Gleiches gelte für die Verringerung des Beschäftigungsgrades auf
70 % beim Stellenwechsel von der Firma E.________ zum D.________, welcher ein
Burn-out mit sechsmonatiger Arbeitsunfähigkeit vorausgegangen sei. Schliesslich
würde eine kinderlose 35-jährige Frau, die keine Betreuungsaufgaben habe,
mitten im Berufsleben stehen und ihre Karrierepläne verwirklichen. Es sei
deshalb erstellt, dass sie im Gesundheitsfall zu 100 % erwerbstätig wäre.
Abgesehen davon seien ihre persönlichen und finanziellen Verhältnisse nicht
ausreichend abgeklärt worden.

4.

4.1. Es trifft zu, dass den Berichten von Dr. med. H.________, Chiropraktor SCG
/ECU, vom 8. Dezember 2010, Dr. med. I.________, Facharzt für Allgemeinmedizin
FMH, vom 25. Januar 2012 und dem psychiatrischen Teilgutachten diverse, teils
schon seit 1998 bestehende Gesundheitsschäden entnommen werden können. Aus
diesen Berichten ergibt sich indessen nicht, dass die Beschwerdeführerin derart
in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt und deswegen eine Reduktion des
Arbeitspensums erforderlich gewesen wäre. Wohl hatten Migräneanfälle und
Unterleibsoperationen Arbeitsunfähigkeitsperioden zur Folge, welche aber
zeitlich beschränkt waren. Gegenteiliges ist aus den Akten nicht ersichtlich.
Eine andauernde Einschränkung ist weder im Zeitpunkt der Reduktion während der
Anstellung bei der G.________ AG ab Juli 2003 (Pensum von 80 %) noch beim
Wechsel zum D.________ ab Januar 2007 (Pensum von 70 %) ausgewiesen. Daran
ändert auch nichts, dass die Beschwerdeführerin im Vorfeld zum letztgenannten
Stellenantritt an einem Burn-out litt. Diesbezüglich war sie offenbar von Mai
bis November 2006 vollständig arbeitsunfähig. "Burn-out" stellt indessen als
Z-Diagnose (ICD-10 Z73.0) kein rechtserheblicher Gesundheitsschaden dar (Urteil
8C_810/2013 vom 9. April 2014 E. 5.2.2 mit weiteren Hinweisen). Wie die
Vorinstanz zudem zutreffend erkannte, attestierte der Hausarzt erst ab August
2007 eine 20%ige Arbeitsunfähigkeit. Zu keiner anderen Betrachtungsweise Anlass
gibt auch der Umstand, dass der psychiatrische Gutachter Hinweise für in der
Vorgeschichte aufgetretene depressive Krankheitsepisoden habe finden können,
die aber diagnostisch durch die behandelnden Ärzte nicht nach ICD-10
kodifiziert worden seien. Diese Aussage bezog sich auf die ihm vorliegenden
Arztberichte, welche erst ab Dezember 2008 datierten und lediglich Aufschluss
über die gesundheitliche Situation ab Juni 2007 gaben; folglich erst nach
Stellenantritt beim D.________. Daraus kann die Beschwerdeführerin somit nichts
zu ihren Gunsten ableiten.

4.2. Unbestritten ist die Feststellung der Vorinstanz, dass sich die private
Situation (seit 2005 verheiratet, keine Kinder) im Wesentlichen unverändert
zeige. Die von der Beschwerdeführerin erhobene Rüge des unvollständig
festgestellten Sachverhalts (ungegnügende Abklärung der finanziellen Situation)
ist nicht ausreichend substanziiert. Sie zeigt überdies nicht auf, weshalb die
Annahme der Vorinstanz, die Versicherte würde als Gesunde nur zu 70 %
erwerbstätig sein, bundesrechtswidrig sein soll.

4.3. Nach dem Gesagten verletzt die Feststellung des kantonalen
Sozialversicherungsgerichts, dass die Beschwerdeführerin im Gesundheitsfall zu
70 % erwerbstätig wäre, kein Bundesrecht. Die darauf beruhende vorinstanzliche
Invaliditätsbemessung ist im Übrigen unbestritten geblieben. Es besteht kein
Anlass zur näheren Prüfung. Insbesondere erübrigen sich Weiterungen zur Frage
nach der Anwendbarkeit der gemischten Methode, zumal diese als solche nicht
bemängelt wird.
Die Beschwerde ist unbegründet.

5. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 3. Februar 2016

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Trütsch

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