Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 635/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_635/2015

Urteil vom 16. Oktober 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner,
Gerichtsschreiber Grünenfelder.

Verfahrensbeteiligte
 A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Eric Schuler,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle Uri, Dätwylerstrasse 11, 6460 Altdorf,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Uri vom 4.
September 2015.

Sachverhalt:

A. 
Mit Verfügung vom 6. Mai 2009 sprach die IV-Stelle Uri dem 1954
geborenen  A.________ gestützt auf ein psychiatrisches Gutachten von  Dr. med.
B.________, das vom 7. Juli 2008 datiert, eine Viertelsrente zu
(Invaliditätsgrad: 47 %). Ein Revisionsgesuch vom September 2011 blieb ohne
Erfolg (Verfügung vom 24. Juli 2012). Am 10. Februar 2014
beantragte  A.________ wegen einer Artheriopatie, psychischen Beschwerden,
einer koronaren Herzkrankheit und einer zunehmenden Rückenproblematik erneut
eine Rentenrevision, worauf die IV-Stelle mit Verfügung vom 1. Juli 2014 nicht
eintrat.

B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Uri mit
Entscheid vom 4. September 2015 ab.

C. 
 A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei die
IV-Stelle zu verpflichten, auf das Leistungsbegehren einzutreten, dieses in
tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf der Grundlage eines
versicherungsexternen polydisziplinären Gutachtens umfassend zu prüfen und
anschliessend über den Anspruch auf eine höhere Invalidenrente zu entscheiden.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem
die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 

2.1. Wurde eine Rente wegen eines zu geringen Invaliditätsgrades verweigert, so
wird eine neue Anmeldung nur geprüft, wenn damit glaubhaft gemacht wird, dass
sich der Grad der Invalidität in einer für den Anspruch erheblichen Weise
geändert hat (Art. 87 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 IVV).
Die zeitliche Vergleichsbasis für die Frage, ob eine rentenrelevante
Veränderung des Sachverhalts glaubhaft ist, bildet der Zeitpunkt der letzten
umfassenden materiellen Prüfung. Der Vergleichszeitraum erstreckt sich
grundsätzlich bis zur Prüfung und Beurteilung des Gesuchs, d.h. bis zum Erlass
der Verfügung betreffend die Neuanmeldung. Für die beschwerdeweise Überprüfung
einer Nichteintretensverfügung ist somit der Sachverhalt, wie er sich der
Verwaltung bot, respektive die Aktenlage bei Erlass dieser Verfügung
massgeblich ( BGE 133 V 108 E. 5.4 S. 11; 130 V 64 E. 5.2.5 S. 68 f.; Urteil
9C_683/2013 vom 2. April 2014 E. 3.3.1).

2.2. Mit dem Beweismass des Glaubhaftmachens sind herabgesetzte Anforderungen
an den Beweis verbunden; die Tatsachenänderung muss nicht nach dem im
Sozialversicherungsrecht sonst üblichen Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 353 E. 5b S. 360) erstellt sein. Es genügt, dass
für das Vorhandensein des geltend gemachten rechtserheblichen Sachumstandes
wenigstens gewisse Anhaltspunkte bestehen, auch wenn durchaus noch mit der
Möglichkeit zu rechnen ist, bei eingehender Abklärung werde sich die behauptete
Änderung nicht erstellen lassen (Urteile I 724/99 vom 5. Oktober 2001 E. 1c/aa,
nicht publiziert in BGE 127 V 294, aber in SVR 2002 IV Nr. 10; 8C_746/2013 vom
10. Juni 2014 E. 2).

2.3. Ob eine anspruchserhebliche Änderung nach Art. 87 Abs. 3 IVV glaubhaft
gemacht ist, stellt eine vom Bundesgericht nur unter dem Blickwinkel von Art.
105 Abs. 2 BGG überprüfbare Tatfrage dar. Um eine Frage rechtlicher Natur
handelt es sich hingegen, wenn zu beurteilen ist, wie hohe Anforderungen an das
Glaubhaftmachen im Sinne von Art. 87 Abs. 3 IVV zu stellen sind (Urteil 9C_760/
2014 vom 12. Januar 2015 E. 2.3 mit Hinweisen).

3. 

3.1. Das kantonale Obergericht hat das Nichteintreten der IV-Stelle auf die
Neuanmeldung des Versicherten vom 10. Februar 2014 mangels Glaubhaftmachen
einer Verschlechterung des Gesundheitszustands bestätigt. Zu vergleichen ist
unbestritten der Zeitraum (E. 2.1) zwischen dem 6. Mai 2009 (Zusprache einer
Viertelsrente) und dem 1. Juli 2014 (Nichteintreten auf die Neuanmeldung).

3.2. Die Vorinstanz hat einzig in Bezug auf den hausärztlichen Bericht von  Dr.
med. C.________ vom 18. April 2014 auf die Stellungnahme des Regionalen
Ärztlichen Dienstes (RAD) vom 24. Juni 2014 abgestellt. Sowohl der Hausarzt des
Versicherten als auch der RAD-Arzt Dr. med.  D.________ sind Fachärzte für
Innere Medizin. Dass es dem beurteilenden RAD-Arzt im Vergleich zum
behandelnden Arzt an einem einschlägigen Facharzttitel fehlen soll (zur
Beweiskraft v on RAD-Aktenbeurteilungen vgl. SVR 2009 IV Nr. 50 S. 153, 8C_756/
2008; Urteil 9C_692/2014 vom 22. Januar 2015 E. 3.3), trifft somit nicht zu.
Abgesehen davon genügt das Fehlen einer einschlägigen Facharztqualifikation
allein grundsätzlich nicht, um einer RAD-Stellungnahme den Beweiswert
abzusprechen (vgl. Urteil 9C_196/2014 vom 18. Juni 2014 E. 5.1.2 mit
Hinweisen). Insoweit ist der Einwand auch hinsichtlich des psychiatrischen
Berichts von Dr. med. E.________ vom 11. März 2014 unberechtigt. Dies gilt umso
mehr, als die Vorinstanz diesbezüglich gar nicht auf eine RAD-Einschätzung
abgestellt hat (vgl. nachfolgend E. 3.3.1).

3.3. 

3.3.1. Das kantonale Obergericht hat festgestellt, die Beinschmerzen des
Versicherten seien bereits 2004 bekannt gewesen. Im Bericht betreffend
Wirbelsäulendegenerationen würden eine absolute spinale Stenose sowie eine
Myelopathie verneint; klinisch werde von bekannten degenerativen Veränderungen
gesprochen, welche somit nicht neu seien. Neue Diagnosen nenne auch Dr. med.
E.________ im Bericht vom 7. März 2014 keine. Dieser habe vielmehr bereits im
Jahre 2011 eine volle Arbeitsunfähigkeit attestiert. Ebenfalls keine
Verschlechterung ergebe sich aus den Ausführungen von Dr. med. E.________,
wonach es seit 2012 immer wieder zu einer Zunahme der depressiven Symptomatik
gekommen sei. Dazu halte er nämlich weiter fest, eine weitere Verschlechterung
habe durch adäquate Massnahmen abgewendet und eine erneute Stabilisierung
erreicht werden können. Schliesslich enthalte auch der Bericht von Dr. med.
C.________ vom 18. April 2014 keine objektivierbare Verschlechterung.

3.3.2. Die Vorinstanz hat sowohl die perhiphere arterielle Verschlusskrankheit
(Berichte des  Spitals F.________ vom 1./7. April und 16. Dezember 2011) als
auch die Herzerkrankung (Berichte des Herzzentrums  G.________ vom 29. November
/11. Dezember 2012 und 21. Januar 2013) des Versicherten berücksichtigt. Was
die in diesem Zusammenhang geltend gemachten Bein- und Thoraxschmerzen
anbelangt, so sind diese in der Tat schon vor 2009 dokumentiert (vgl. Berichte
der neurologischen Praxis K.________ vom 11. Mai 2006 [Beinschmerzen] und der
Reha L.________ vom 1. Juli 2005 [Thoraxschmerzen]). Im Übrigen konnte ein
Zusammenhang zwischen der Venenbypass-Operation vom April 2011 und den diffusen
Beinschmerzen bzw. zwischen der Herzoperation vom Januar 2013 und den
Thoraxschmerzen selbst von den behandelnden Ärzten nicht hergestellt werden,
sodass nichts auf eine dadurch bedingte, dauerhafte Verschlechterung hindeutet
(vgl. Berichte des Spitals F.________ vom 16. Dezember 2011und des  Spitals
H.________ vom 29. April 2013). Hinsichtlich der Rückenbeschwerden hat das
kantonale Obergericht die in der Klinik I.________ erfolgte MRI-Bildgebung vom
29. Januar 2014 herangezogen. Die dort erhobenen Befunde stimmen - den
vorinstanzlichen Feststellungen entsprechend (E. 3.3.1) - im Wesentlichen mit
der früheren Bildgebung überein (vgl. Bericht der neurologischen Praxis
K.________ vom 6. Juni 2006), wobei nach wie vor weder eine Fraktur noch eine
Osteolyse oder eine Bandscheibenhernie nachweisbar ist. Dass aufgrund der
Rückenschmerzen des Versicherten trotz des altersbedingten Fortschreitens der
degenerativen Veränderungen unbestritten keine (weitergehende)
Arbeitsunfähigkeit ausgewiesen ist, stimmt mit den Akten überein; eine
vorweggenommene materielle Beurteilung hat das kantonale Obergericht
diesbezüglich nicht vorgenommen.
Mit Blick auf die Beurteilung des behandelnden Psychiaters  Dr. med. E.________
vom 7. März 2014 räumt der Beschwerdeführer selber ein, dass bereits in den
Berichten der  Klinik M.________ vom Februar/März 2007 eine (mittelgradige)
depressive Störung diagnostiziert wurde (vgl. Entscheid des Obergerichts des
Kantons Uri vom 4. April 2008 E. 3.s und 3.t S. 12 f.). Dies stützt die
Auffassung der Vorinstanz, zumal psychiatrisch weder neue Diagnosen noch ein
wesentlich anderes Beschwerdebild erkennbar sind. Dass die Berichte der  Klinik
M.________ sowie die psychiatrische Begutachtung durch  Dr. med. B.________
(Gutachten vom 7. Juli 2008) sieben bis acht Jahre zurückliegen und seither
beim Versicherten verschiedene körperliche Erkrankungen hinzugetreten sind,
ändert nichts, sind vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellungen doch nicht schon
offensichtlich unrichtig, nur weil eine andere Lösung ebenfalls in Betracht
fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erschiene (vgl. Urteil 9C_858/2014
vom 3. September 2015 E. 2.1). In Bezug auf die Einschätzungen von  Dr. med.
E.________ ist zudem dem Unterschied zwischen Behandlungs- und
Begutachtungsauftrag Rechnung zu tragen (BGE 125 V 351 E. 3b/cc S. 353; Urteil
8C/740 vom 29. September 2011 E. 6).

3.3.3. Insgesamt können die vorinstanzlichen Feststellungen nicht als
offensichtlich unrichtig oder sonst wie bundesrechtswidrig bezeichnet werden.
Die vom kantonalen Obergericht gezogene Schlussfolgerung, wonach die
beigebrachten Verlaufsberichte keine neuen medizinischen Aspekte enthalten, die
eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands nachvollziehbar
machen, hält vor Bundesrecht stand (E. 1). Es ist nicht ersichtlich, inwiefern
das kantonale Gericht überhöhte Anforderungen an den Begriff des
Glaubhaftmachens gestellt haben soll.

4. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Uri,
Verwaltungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 16. Oktober 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Grünenfelder

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