Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 618/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_618/2015

Urteil vom 22. Januar 2016

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Moser-Szeless,
Gerichtsschreiber Williner.

Verfahrensbeteiligte
A.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Stefan Wehrenberg,
Beschwerdeführerin,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Bern, Abteilung Beiträge und Zulagen,
Chutzenstrasse 10, 3007 Bern,
Beschwerdegegnerin,

B.________.

Gegenstand
Alters- und Hinterlassenenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, vom 29. Juni 2015.

Sachverhalt:

A. 
Am 24. Juli 2013 meldete sich B.________, welche einen Coiffeursalon betreibt,
bei der Ausgleichskasse des Kantons Bern als Selbständigerwerbende im Bereich
Geldtransfer an. Sie bezifferte das aus dieser Beschäftigung voraussichtlich
resultierende Einkommen auf jährlich Fr. 4'000.-, das investierte Eigenkapital
und die Geschäftsschulden auf je Fr. 3'000.-. Der Anmeldung legte sie den mit
der A.________ AG abgeschlossenen Agenturvertrag vom 28. Juni/17. Juli 2013
bei. Die Ausgleichskasse gelangte zur Auffassung, dass die von B.________ für
diese Firma verrichtete Arbeit als unselbständige Erwerbstätigkeit zu
qualifizieren sei; die von der AG bezogenen Entgelte seien daher massgebender
Lohn (Verfügung vom 24. Oktober 2013). Die von der Firma hiegegen eingereichte
Einsprache lehnte die Ausgleichskasse mit Entscheid vom 7. Juli 2014 ab.

B. 
Die von der A.________ AG hiegegen erhobene Beschwerde wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, nach Beiladung der B.________, mit
Entscheid vom 29. Juni 2015 ab.

C. 
Die Firma führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
beantragt, der kantonale Gerichtsentscheid vom 29. Juni 2015 sei aufzuheben.
Die von B.________ für sie ausgeübte Tätigkeit sei AHV-rechtlich als
selbständige Tätigkeit anzuerkennen. Eventualiter sei die Sache zu
Aktenergänzung und neuer Entscheidung an das kantonale Gericht, subeventualiter
an die Ausgleichskasse zurückzuweisen.
Während die Ausgleichskasse auf Abweisung der Beschwerde schliesst, sehen
kantonales Gericht, die Beigeladene und das Bundesamt für Sozialversicherungen
von einer Vernehmlassung ab.
Am 30. Oktober 2015 nimmt die Firma zusätzlich zur Sache Stellung.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerdeführerin rügt eine unrichtige Sachverhaltsfeststellung
gemäss Art. 97 Abs. 1 BGG sowie eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes
nach Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG, da die Vorinstanz ihren
Gesellschaftszweck und die aufgrund dessen für sie relevanten
aufsichtsrechtlichen Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäscherei nicht
berücksichtigt habe. Indessen sind die von der Beschwerdeführerin geltend
gemachten finanzmarktaufsichtsrechtlichen Vorschriften gemäss GWG (SR 955.0)
und FINMAG (SR 956.1) sowie die jeweils dazugehörigen Ausführungsbestimmungen
wie auch der Gesellschaftszweck und die daraus resultierende Tätigkeit der
Beschwerdeführerin bezüglich der AHV-rechtlichen Einstufung der
Erwerbstätigkeit der Beigeladenen nicht relevant. Massgebend sind allein die
gesetzlichen Bestimmungen des AHVG und die von der Rechtsprechung dazu
entwickelten Kriterien bezüglich der Qualifikation der Erwerbstätigkeit als
Selbständige oder Unselbständige. Insofern die Vorinstanz die
finanzmarktrechtlichen Bestimmungen nicht berücksichtigt hat, stellt sie weder
den Sachverhalt unvollständig fest noch verletzt sie den
Untersuchungsgrundsatz. Willkürliche Sachverhaltsfeststellungen sind nicht zu
erkennen, und die Beschwerdeführerin legt solche auch nicht in qualifiziertem
Masse dar. Die Sachverhaltsrügen der Beschwerdeführerin sind unbegründet.

1.2. Die Beschwerdeführerin macht weiter eine Verletzung des rechtlichen Gehörs
(Art. 29 Abs. 2 BV) und der gerichtlichen Begründungspflicht (Art. 61 Abs. h
ATSG) geltend, da die Vorinstanz auf die von ihr vorgebrachten Rügen nicht
eingegangen sei. Insofern die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang erneut
auf die finanzmarktrechtlichen Vorschriften und Bestimmungen Bezug nimmt, ist
nach dem in E. 1.1 Gesagten von vornherein keine Verletzung des rechtlichen
Gehörs gegeben. Auch darin, dass die Vorinstanz bezüglich der Qualifikation der
Tätigkeit der Beigeladenen zu einem anderen Schluss kam als die
Beschwerdeführerin, liegt keine Gehörsverletzung. Die Vorinstanz hat gemäss der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung die wesentlichen Überlegungen dargelegt, auf
welche sie ihren Entscheid stützt. Auch gebietet das rechtliche Gehör nicht,
dass sich die Begründung mit allen Parteistandpunkten einlässlich
auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt (BGE 136
I 184 E. 2.2.1 S. 188; 133 III 439 E. 3.3 S. 445). Es liegt somit keine
Gehörsverletzung vor.

2. 
Materiell ist einzig streitig, ob die Tätigkeit der Beigeladenen für die
Beschwerdeführerin als selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit zu
qualifizieren ist. Die beitragsrechtliche Qualifikation ist eine frei
überprüfbare Rechtsfrage (Art. 95 lit. a i.V.m. Art. 106 Abs. 1 BGG). Die
Sachverhaltselemente hingegen, welche der entsprechenden Schlussfolgerung zu
Grunde liegen, beschlagen Tatfragen (Urteile 9C_377/2015 vom 22. Oktober 2015
E. 2 und 9C_246/2011 vom 22. November 2011 E. 3 und 9C_799/2011 vom 26. März
2012 E. 2).

2.1. Die sozialversicherungsrechtliche Beitragspflicht Erwerbstätiger richtet
sich unter anderem danach, ob das in einem bestimmten Zeitraum erzielte
Erwerbseinkommen als solches aus selbständiger oder aus unselbständiger
Erwerbstätigkeit zu qualifizieren ist (vgl. Art. 5 und 9 AHVG sowie Art. 6 ff.
AHVV). Nach Art. 5 Abs. 2 AHVG gilt als massgebender Lohn jedes Entgelt für in
unselbständiger Stellung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geleistete Arbeit;
als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit gilt nach Art. 9 Abs. 1 AHVG
jedes Einkommen, das nicht Entgelt für in unselbständiger Stellung geleistete
Arbeit darstellt. Nach der Rechtsprechung beurteilt sich die Frage, ob im
Einzelfall selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit vorliegt, nicht
aufgrund der Rechtsnatur des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien.
Entscheidend sind vielmehr die wirtschaftlichen Gegebenheiten. Die
zivilrechtlichen Verhältnisse vermögen dabei allenfalls gewisse Anhaltspunkte
für die AHV-rechtliche Qualifikation zu bieten, ohne jedoch ausschlaggebend zu
sein. Als unselbständig erwerbstätig ist im Allgemeinen zu betrachten, wer von
einem Arbeitgeber in betriebswirtschaftlicher bzw. arbeitsorganisatorischer
Hinsicht abhängig ist und kein spezifisches Unternehmerrisiko trägt. Aus diesen
Grundsätzen allein lassen sich indessen noch keine einheitlichen, schematisch
anwendbaren Lösungen ableiten. Die Vielfalt der im wirtschaftlichen Leben
anzutreffenden Sachverhalte zwingt dazu, die beitragsrechtliche Stellung einer
erwerbstätigen Person jeweils unter Würdigung der gesamten Umstände des
Einzelfalls zu beurteilen. Weil dabei vielfach Merkmale beider Erwerbsarten zu
Tage treten, muss sich der Entscheid oft danach richten, welche dieser Merkmale
im konkreten Fall überwiegen (BGE 123 V 161 E. 1 S. 162 f.; 122 V 169 E. 3a S.
171; 119 V 161 E. 2 S. 161 f.; Urteile 9C_946/2009 vom 30. September 2010 E.
2.1 und 9C_377/2015 vom 22. Oktober 2015 E. 3.1 und 3.2).

2.2. Als Agenten (Reisevertreter, Handelsreisende usw.) sind natürliche
Personen zu betrachten, die gegen Entgelt im Namen und auf Rechnung eines
andern ausserhalb von dessen Geschäftsräumen mit Dritten Verträge abschliessen
oder den Abschluss vermitteln (vgl. Rz. 4020 der Wegleitung über den
massgebenden Lohn in der AHV, lV und EO [WML], gültig ab 1. Januar 2008).
Agenten (Handels- oder Reisevertreter) gelten praxisgemäss nur dann als
Selbständigerwerbende, wenn sie über eine eigene Verkaufsorganisation verfügen,
d.h. kumulativ eigene Geschäftsräumlichkeiten benutzen, eigenes Personal
beschäftigen und die Geschäftskosten im Wesentlichen selber tragen (BGE 119 V
161 E. 3b S. 163; Urteil 9C_946/2009 vom 30. September 2010 E. 2.2; UELI
KIESER, AIters- und Hinterlassenenversicherung, 3. Aufl. 2012, Art. 5 N 25 f.;
Rz. 4024 f. der Wegleitung über den massgebenden Lohn in der AHV, IV und EO
[WML], gültig ab 1. Januar 2008). Diese Umstände lassen auf ein spezifisches
Unternehmerrisiko schliessen, weil dabei unabhängig vom Arbeitserfolg Kosten
anfallen, welche vom Arbeitgeber oder Selbständigerwerbenden selber zu tragen
sind (BGE 122 V 169 E. 3c S. 172, Urteil 9C_946/2009 vom 30. September 2010 E.
5.1). Demgegenüber ist das unternehmerische Risiko des alleine, ohne eigene
Verkaufsorganisation tätigen Agenten entsprechend geringer; es erschöpft sich
im Wesentlichen darin, dass geleistete Arbeit nicht oder nicht vollständig
entschädigt wird (Urteil 9C_946/2009 vom 30. September 2010 E. 5.1). Für die
Abgrenzung von selbständiger von unselbständiger Tätigkeit kommt es sodann
nicht allein auf das Unternehmerrisiko an. Von Bedeutung ist immer die
Gesamtheit der Umstände des konkreten Falls, insbesondere Art und Umfang der
wirtschaftlichen und arbeitsorganisatorischen Abhängigkeit vom Auftrag- oder
Arbeitgeber (Urteile 9C_946/2009 vom 30. September 2010 E. 5.1 und 9C_796/2014
vom 27. April 2015 E. 3.4, HANSPETER KÄSER, Unterstellung und Beitragswesen in
der obligatorischen AHV, 2. Aufl. 1996, S. 135 f., N 4.71 f.).

2.3. Die Vorinstanz stellte in tatsächlicher Hinsicht für das Bundesgericht
verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG) fest, dass die Beigeladene für die
Beschwerdeführerin als Agentin im Bereich des Geldtransfers tätig ist. Die
Beigeladene habe die von ihr gemieteten Geschäftsräumlichkeiten primär für ihre
Tätigkeit als Coiffeuse angemietet, kein Personal beschäftigt, das
Informatiksystem der Beschwerdeführerin benutzt und trage folglich kaum ein
Unternehmerrisiko. Darüber hinaus verfüge sie auch nicht über eine eigene
Verkaufs- sondern sei in die Arbeitsorganisation der Beschwerdeführerin
eingebunden. Ein spezifisches Unternehmerrisiko sei nicht ersichtlich. Unter
Würdigung der gesamten Umstände kam die Vorinstanz zum Schluss, die Beigeladene
sei in Bezug auf die für die Beschwerdeführerin ausgeübte Tätigkeit als
unselbständig erwerbend einzustufen und die ausgerichteten Provisionen seien
als Bestandteil des massgebenden Lohnes zu qualifizieren.

2.4. Die Beschwerdeführerin betrachtet die Beigeladene als selbständig
erwerbstätig mit eigener Verkaufsorganisation, da sie unbestrittenermassen
Geschäftsräume gemietet, ferner jederzeit die Möglichkeit habe, Personal
einzustellen (und diesfalls auch für die Personalkosten aufkommen müsse) sowie
erhebliche Auslagen oder Geschäftskosten zu tragen habe. Des Weiteren sei die
Beigeladene in der Ausgestaltung ihrer Tätigkeit weitgehend frei und
unabhängig. Sofern dies nicht der Fall sei, wäre dies auf die zwingenden
finanzmarktrechtlichen Vorschriften zurückzuführen, welche für die
Beschwerdeführerin gelten würden. Deshalb könnten diese Aspekte nicht zur
Abgrenzung der selbständigen von der unselbständigen Erwerbstätigkeit
herangezogen werden.

2.5.

2.5.1. Die Beigeladene hat unbestrittenermassen Geschäftsräume gemietet und
nutzt diese sowohl für ihre Coiffeurtätigkeit als auch für das
Geldtransfergeschäft. Die Vorinstanz stellte verbindlich fest (Art. 105 Abs. 1
BGG), sie habe den Geschäftsraum ursprünglich nur für die Coiffeurtätigkeit
gemietet und erst danach (auch) für den Geldtransfer genutzt. Der
Beschwerdeführerin ist zuzugestehen, dass der Geldtransfer tatsächlich einer
gewissen Geschäftsfläche bedarf und ohne solche nicht betrieben werden kann.
Allerdings hat dieser Umstand allein keineswegs die Qualifizierung der
Beigeladenen als Selbständigerwerbende zur Folge. Bei einem Versicherten, der
gleichzeitig mehrere Tätigkeiten ausübt, ist jedes Erwerbseinkommen dahingehend
zu prüfen, ob es aus selbständiger oder unselbständiger Erwerbstätigkeit stammt
(BGE 122 V 169 E. 3b S. 172; 104 V 126 E. 3b S. 127). Die selbständige
Erwerbstätigkeit der Beigeladenen als Inhaberin eines Coiffeursalons ist
gesondert von ihren Aktivitäten als Agentin der Beschwerdeführerin zu
beurteilen. Die Beigeladene benutzte seit je und benutzt weiterhin primär die
Geschäftsräumlichkeiten für ihre Tätigkeit als Coiffeuse. Daher sind die hiefür
getätigten Investitionen (Miete, Unterhalt etc.) nur mit Blick auf ihre
selbständige Tätigkeit als Coiffeuse beachtlich. Dies gilt um so mehr, wenn,
wie hier der Fall, die der Tätigkeit als selbständige Coiffeuse dienenden
Geschäftsräumlichkeiten, der Coiffeursalon, ihren Zusatzerwerb als Agentin für
die Beschwerdeführerin ermöglichen. Denn die Investitionen für eine
selbständige Tätigkeit können nicht mit den Investitionen für eine
unselbständige Tätigkeit vermischt werden, sondern sind klar zu trennen und
spielen für die beitragsrechtliche Qualifikation der letzteren Tätigkeit keine
Rolle (in diesem Sinne Urteil H 198/06 vom 24. Oktober 2007 E. 4.2; vgl. auch
FELIX FREY, Worin sich die Selbständigerwerbenden von den
Unselbständigerwerbenden unterscheiden, S. 51 N 26 in: René Schaffhauser/Ueli
Kieser [Hrsg.], AHV-Beitragsrecht, Praxis - Entwicklungen - Perspektiven, St.
Gallen 2011). Dies rechtfertigt sich gerade unter dem Gesichtspunkt des
Unternehmerrisikos. Dieses besteht im Kontext darin, dass die zu beurteilende
Tätigkeit mit der Finanzierung einer Infrastruktur einhergeht, welche in engem
Bezug zur fraglichen Aktivität stehen muss (vgl. FREY, a.a.O., S. 52 N 30 und
S. 68 N. 70, KÄSER, a.a.O., S. 118 N 4.23). Die Beigeladene trägt dieses
spezifische Unternehmerrisiko mit Blick auf die von ihr als selbständige
Coiffeuse angemieteten Geschäftsräumlichkeiten, nicht jedoch für ihre Tätigkeit
als Agentin der Beschwerdeführerin. Indem die Vorinstanz festgestellt hat, das
Transfergeschäft werde nur sekundär betrieben und dieser Umstand spreche für
eine unselbständige Tätigkeit, hat sie kein Bundesrecht verletzt.

2.5.2. Weiter ist unbestritten, dass die Beigeladene nicht für Lohnkosten
aufzukommen hat. Der Einwand der Beschwerdeführerin, die fehlende Einstellung
von Personal sei vor dem Hintergrund einer wirtschaftlichen und ökonomischen
Betrachtungsweise im Lichte der konkreten Unternehmensstrategie und -umstände
zu beurteilen, verfängt nicht. Ebenso wenig begründet ist ihr Einwand, es sei
für dieses Kriterium irrelevant, ob die Beigeladene  tatsächlich Personal
angestellt habe; es genüge, dass sie die  Möglichkeit habe, diesen
unternehmerischen Grundsatzentscheid selbständig und jederzeit treffen zu
können. Dies trifft gerade nicht zu. Die erfolgte Anstellung von Personal - und
das damit verbundene Risiko der Entlöhnung selbst bei schlechtem Geschäftsgang
- ist eines der kumulativen Kriterien, welche bei Agenten von einer eigenen
Verkaufsorganisation zeugen. Die Anstellung von Personal ist somit nicht
hypothetisch zu beurteilen, wie dies die Beschwerdeführerin geltend macht,
sondern hat tatsächlich zu erfolgen. Es müssen effektiv Kosten anfallen, welche
unabhängig vom Arbeitserfolg entstehen, damit von einem spezifischen
Unternehmerrisiko gesprochen werden kann. Indem die Vorinstanz feststellte, die
Beigeladene habe kein Personal angestellt und dies als ein Merkmal für die
unselbständige Erwerbstätigkeit qualifizierte, handelte sie nicht
bundesrechtswidrig.

2.5.3. Die von der Beigeladenen getragenen Investitionen für ihre Tätigkeit als
Agentin im Auftrag der Beschwerdeführerin sind gemäss den unbestrittenen
Feststellungen der Vorinstanz gering, da die Beschwerdeführerin der
Beigeladenen zur Ausübung der Transfertätigkeit die gesamte Informatikstruktur
(ausgenommen Hardware) zur Verfügung stellt, Software zur Überwachung der
Compliance-Vorschriften überlässt und die Ausbildung und jährliche
Weiterbildung des Personals gewährleistet. Die Beschwerdeführerin macht
geltend, es seien der Beigeladenen Kosten und Auslagen entstanden (z.B. für die
Hardware, die EDV-Wartung des Computers, das Mobiliar, etc.). Sofern die
Beigeladene für bestimmte Auslagen, namentlich die Anschaffung und den
Unterhalt der Hardware sowie Mobiliar, selber aufzukommen hat, begründet dies
kein relevantes unternehmerisches Risiko (vgl. Urteil 9C_946/2009 vom 30.
September 2010 E. 5.2.1). Dies wurde von der Vorinstanz zutreffenderweise
festgestellt.

2.5.4. Indem die Vorinstanz aufgrund der festgestellten und dargelegten
Tatsachen zum Schluss kam, es bestehe kein spezifisches Unternehmerrisiko der
Beigeladenen, hat sie nicht bundesrechtswidrig geurteilt. Die
Beschwerdeführerin vermag keine Argumente vorzubringen, die zu einer anderen
Beurteilung Anlass geben. Dies betrifft insbesondere die Vorbringen, die
Beigeladene trage ihr Einkommensrisiko vollständig, da sie nur dann Geld
verdiene, wenn sie Kunden habe. Das unternehmerische Risiko des
unselbständigerwerbenden Agenten erschöpft sich gerade darin, dass geleistete
Arbeit nicht oder nicht vollständig entschädigt wird (vgl. oben E. 2.2).

2.5.5. Auch eine wirtschaftlich-arbeitsorganisatorische Abhängigkeit der
Beigeladenen von der Beschwerdeführerin hat die Vorinstanz zutreffend bejaht.
Der zwischen der Beigeladenen und der Beschwerdeführerin abgeschlossene
Agenturvertrag bindet die Beigeladene in erhöhtem Mass in die
Arbeitsorganisation der Beschwerdeführerin ein. So schreibt der Agenturvertrag
der Beigeladenen vor, wie sie Personal anzustellen hat, welches von der
Beschwerdeführerin genehmigt werden muss. Die Beschwerdeführerin schult sowohl
das eingestellte Personal wie auch ihre Agenten. Weiter verfügt die
Beschwerdeführerin gemäss Agenturvertrag über eine Weisungsbefugnis. Das
Vorliegen einer Weisungsbefugnis des Arbeitgebers ist ein typisches Zeichen für
unselbständige Erwerbstätigkeit (vgl. KÄSER, a.a.O., S. 118, N 4.25). Hinzu
kommt, dass die Beigeladene gegenüber aussen nicht in eigenem Namen und auf
eigene Rechnung auftritt. Unselbständigerwerbende treten in der Regel nicht in
eigenem Namen und auf eigene Rechnung auf (vgl. KÄSER, a.a.O., S. 117, N 4.21).
Ferner ist die Beigeladene gemäss Agenturvertrag der Beschwerdeführerin in
jeder Hinsicht Rechenschaft schuldig; so muss sie unter anderem die
Beschwerdeführerin über die Entwicklungen des Marktes, über die neu
abgeschlossenen Geschäfte und deren Betreuung, über Veränderungen und Umstände,
die einen negativen Einfluss auf die laufenden Geschäfte der Agentur haben
könnten, informieren. Auch die Provision wurde von der Beschwerdeführerin
festgesetzt und beträgt 50 % der in Rechnung gestellten Gebühren. Die
Beigeladene hat keinen Einfluss auf die Höhe der Provision. Weiter besteht ein
umfassendes Konkurrenzverbot, welches bis ein Jahr nach Vertragsablauf dauert.

Die Beschwerdeführerin vermag gegen die dargelegten, festgestellten Tatsachen
nichts einzuwenden, was eine andere Beurteilung der Sachlage ermöglichen würde.
Insbesondere sind die Einwände, das Konkurrenzverbot wie auch der
Provisionsanspruch seien das Produkt vertraglicher Verhandlungen für die
Gesamtbeurteilung der Erwerbstätigkeit, nicht entscheidend. Auch bei einer
unselbständigen Tätigkeit haben die Vertragspartner einen gewissen Spielraum
bei der vertraglichen Ausgestaltung ihrer Beziehungen. Für eine selbständige
Tätigkeit würde sprechen, wenn sich die Vertragspartner als gleichgeordnete
Geschäftspartner gegenüberstehen (vgl. Urteil 9C_377/2015 vom 22. Oktober 2015
E. 4.3 mit Hinweisen). Aufgrund der zuvor dargelegten vertraglichen
Bestimmungen des Agenturvertrags ist dies klar nicht der Fall. Die Beigeladene
ist in wirtschaftlicher und arbeitsorganisatorischer Hinsicht von der
Beschwerdeführerin in hohem Masse abhängig, was für eine unselbständige
Erwerbstätigkeit spricht.

2.6. Zusammenfassend bestehen bei der Tätigkeit der Beigeladenen für die
Beschwerdeführerin weit überwiegend Merkmale für unselbständige
Erwerbstätigkeit. Die Beigeladene verfügt als Agentin nicht über eine eigene
Verkaufsorganisation, weshalb ein spezifisches Unternehmerrisiko fehlt. Des
Weiteren ist die Beigeladene von der Beschwerdeführerin in wirtschaftlicher und
arbeitsorganisatorischer Hinsicht abhängig. Die appellatorische Kritik der
Beschwerdeführerin ändert an der Qualifizierung der Tätigkeit der Beigeladenen
nichts. Insbesondere führt die Qualifizierung der Tätigkeit der Beigeladenen
als Unselbständigerwerbende nicht zu einer Aushebelung des Agenturvertrages als
zivilrechtlicher Vertrag. Nicht die Rechtsnatur des Vertragsverhältnisses,
sondern die tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten sind für die
Beurteilung der Erwerbstätigkeit relevant. Die Beschwerde ist unbegründet.

3. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, B.________, dem Verwaltungsgericht des Kantons
Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 22. Januar 2016
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Williner

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