Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 577/2015
Zurück zum Index II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2015
Retour à l'indice II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2015


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_577/2015

Urteil vom 16. August 2016

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
Bundesrichterin Moser-Szeless,
Gerichtsschreiber Attinger.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Erwerbsersatz bei Mutterschaft (Anspruchsvoraussetzungen),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 2. Juli 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die 1976 geborene, verheiratete A.________ war von Januar 2009 bis Ende Januar
2011 im Coiffeursalon B.________ angestellt, bevor sie ab Anfang Februar 2011
bis Ende August 2013 als selbständige Coiffeuse im eigenen Salon arbeitete.
Nachdem sie am 9. Oktober 2013 ihren Sohn zur Welt gebracht hatte, beantragte
sie eine Mutterschaftsentschädigung im Rahmen der Erwerbsersatzordnung. Dem
Anmeldeformular legte die Versicherte ein Begleitschreiben vom 6. November 2013
bei, worin sie Folgendes ausführte:

"Ich hatte ein eigenes Coiffeur-Geschäft und beendete meine Tätigkeit Ende
August 2013 [...]. Mein Arzt hat mir [...] abgeraten, die stehende Arbeit [bis
zum Geburtstermin] weiterzuführen. Da ich selbständig war, habe ich mir kein
Arztzeugnis ausstellen lassen. Falls Sie dieses benötigen, werde ich mich darum
bemühen und es Ihnen nachreichen. Meine Selbständigkeit werde ich nicht mehr
aufnehmen, da es mir nun aus familiären Gründen nicht mehr möglich ist, 100 %
zu arbeiten. Allein schon aufgrund des Mietzinses der Räumlichkeit ist ein
Teilzeitpensum nicht rentabel."

Mit Verfügung vom 15. November 2013 und Einspracheentscheid vom 7. April 2014
lehnte die Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen das Gesuch mangels Erfüllung
der Anspruchsvoraussetzungen ab.

B. 
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen wies die gegen den
Einspracheentscheid erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 2. Juli 2015 ab.

C. 
A.________ führt Beschwerde ans Bundesgericht mit dem Antrag auf Zusprechung
der Mutterschaftsentschädigung ab 9. Oktober 2013, eventuell sei die Sache zu
ergänzender Abklärung und neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Während die Ausgleichskasse auf Abweisung der Beschwerde schliesst, hat sich
das Bundesamt für Sozialversicherungen dazu nicht vernehmen lassen.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es legt seinem
Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105
Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf
einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.

2.1. Auf den 1. Juli 2005 wurden das OR um einen Anspruch auf
Mutterschaftsurlaub für Arbeitnehmerinnen von mindestens 14 Wochen (Art. 329f
OR) und das Bundesgesetz vom 25. September 1952 über den Erwerbsersatz für
Dienstleistende (Erwerbsersatzgesetz, EOG; SR 834.1) um eine
Mutterschaftsentschädigung ergänzt. Gemäss Art. 16b Abs. 1 EOG ist
anspruchsberechtigt eine Frau, die
a. während der neun Monate unmittelbar vor der Niederkunft im Sinne des AHVG
obligatorisch versichert war;
b. in dieser Zeit mindestens fünf Monate lang eine Erwerbstätigkeit ausgeübt
hat; und
c. im Zeitpunkt der Niederkunft:

1. Arbeitnehmerin im Sinne von Art. 10 ATSG (SR 830.1) ist,
2. Selbständigerwerbende im Sinne von Art. 12 ATSG ist, oder
3. im Betrieb des Ehemannes mitarbeitet und einen Barlohn bezieht.
Laut Abs. 3 regelt der Bundesrat die Anspruchsvoraussetzungen für Frauen, die
wegen Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit:
a. die Voraussetzungen von Abs. 1 lit. a nicht erfüllen;
b. im Zeitpunkt der Niederkunft nicht Arbeitnehmerinnen oder
Selbständigerwerbende sind.
Die in Art. 16b Abs. 1 lit. a-c EOG genannten Voraussetzungen müssen kumulativ
erfüllt sein. Die Mutterschaftsentschädigung ist grundsätzlich auf Frauen
beschränkt, die im Zeitpunkt der Niederkunft erwerbstätig waren, d.h. die am
Tag der Geburt noch in einem gültigen privat- oder öffentlich-rechtlichen
Arbeitsverhältnis oder Lehrverhältnis stehen oder im Zeitpunkt der Niederkunft
von der AHV als Selbständigerwerbende anerkannt sind (Art. 16b Abs. 1 lit. c
EOG; BBl 2002 7543 f.; BGE 133 V 73 E. 4.1 S. 77 f.; Urteil 9C_171/2008 vom 28.
Mai 2008 E. 4.2). Ausnahmen sollen nur dann gemacht werden, wenn eine Frau (im
Zeitpunkt der Niederkunft) wegen Arbeitslosigkeit oder Arbeitsunfähigkeit nicht
als erwerbstätig gilt (Art. 16b Abs. 3 EOG; BBl 2002 7544; BGE 136 V 239 E. 2
Ingress S. 241).

2.2. Nach Art. 29 EOV (SR 834.11) hat eine Mutter, die im Zeitpunkt der Geburt
arbeitslos ist oder infolge Arbeitslosigkeit die erforderliche
Mindesterwerbsdauer nach Art. 16b Abs. 1 lit. b EOG nicht erfüllt, Anspruch auf
Entschädigung, wenn sie:
a. bis zur Geburt ein Taggeld der Arbeitslosenversicherung bezog; oder
b. am Tag der Geburt die für den Bezug eines Taggeldes nach dem AVIG (SR 837.0)
erforderliche Beitragsdauer erfüllt.

2.3. Gemäss Art. 30 Abs. 1 EOV hat eine Mutter, die im Zeitpunkt der Geburt
arbeitsunfähig ist oder infolge Arbeitsunfähigkeit die erforderliche
Mindesterwerbsdauer nach Art. 16b Abs. 1 lit. b EOG nicht erfüllt, Anspruch auf
die Entschädigung, wenn sie bis zur Geburt bezogen hat:
a. eine Entschädigung für Erwerbsausfall bei Krankheit oder Unfall einer
Sozial- oder Privatversicherung; oder
b. Taggelder der Invalidenversicherung.
Erfüllt eine arbeitsunfähige Mutter die Voraussetzungen von Abs. 1 nicht, so
hat sie Anspruch auf die Entschädigung, wenn sie im Zeitpunkt der Geburt noch
in einem gültigen Arbeitsverhältnis steht, ihr Anspruch auf Lohnfortzahlung
jedoch vor diesem Zeitpunkt schon erschöpft war (Abs. 2 von Art. 30 EOV).
Die Selbständigerwerbende, welche im Zeitpunkt der Niederkunft vorübergehend
arbeitsunfähig war, hat bei gesetzmässiger Auslegung von Art. 30 Abs. 1 lit. a
EOV auch dann Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung, wenn sie nicht über ein
Ersatzeinkommen verfügt (BGE 133 V 73; Urteil E 3/06 vom 16. Januar 2008 E.
3.2.2 in fine).

3. 
Unter sämtlichen Verfahrensbeteiligten ist zu Recht unbestritten, dass die
Beschwerdeführerin - anders als die Versicherten in den Urteilen BGE 133 V 73
E. 4 und 5 S. 77 ff., 9C_44/2012 vom 12. April 2012 E. 2 und 3 sowie E 3/06 vom
16. Januar 2008 E. 3.2-3.4 - am Tag der Niederkunft (9. Oktober 2013) nicht
mehr über den AHV-rechtlichen Status einer Selbständigerwerbenden verfügte. Sie
hatte sich mit Schreiben vom 4. September 2013 bei der Ausgleichskasse
unmissverständlich per Ende August 2013 abgemeldet und um "entsprechende
Einstellung der Beitragspflicht" ersucht. Unbestrittenermassen ging es ihr (aus
Kostengründen) um eine raschestmögliche Auflösung des Coiffeurgeschäfts und
seiner betrieblichen Infrastruktur, nachdem sie die Arbeit
schwangerschaftsbedingt hatte einstellen müssen und für die Zukunft zum Schluss
gelangt war, dass sie die selbständige Erwerbstätigkeit wegen der
Mutterpflichten nicht mehr würde vollumfänglich ausüben können und der Salon
bei bloss teilzeitlicher Geschäftstätigkeit nicht rentabel wäre (vgl. das im
Sachverhalt zitierte Begleitschreiben zur Anmeldung vom 6. November 2013).
Aufgrund dieser objektiven und subjektiven Gegebenheiten erkannte die
Vorinstanz zutreffend auf einen definitiven AHV-rechtlichen Statuswechsel per
Ende August 2013. Daran ändert der Umstand nichts, dass die Beschwerdeführerin
ihre hauptsächlich im Stehen auszuübende Tätigkeit glaubhafterweise wegen der
gegen Ende der Schwangerschaft auftretenden gesundheitlichen Einschränkungen
nicht bis zur Geburt ihres Sohnes hatte weiterführen können. Entscheidend ist,
dass sie bis zum Tag der Niederkunft im wirtschaftlichen Verkehr nicht mehr als
selbständige Coiffeuse in Erscheinung trat und die betriebliche Infrastruktur
offenbar bereits weitestgehend abgebaut hatte. Anders als in den hievor
angeführten Präjudizien ist demnach nicht von einer bloss provisorischen
Arbeitseinstellung aus gesundheitlichen Gründen auszugehen. Es mag hier offen
bleiben, wie die Beschwerdeführerin gehandelt hätte, wenn sie sich der
Konsequenzen der endgültigen Einstellung ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit
noch vor der Niederkunft bewusst gewesen wäre. Da sie der Ausgleichskasse die
Beendigung ihrer Geschäftstätigkeit ohne jeglichen Hinweis auf die
Schwangerschaft angezeigt hatte, fiel jedenfalls eine sachgerechte Beratung
durch die Verwaltung (Art. 27 Abs. 2 ATSG) von vornherein ausser Betracht.

Weil die wegen Schwangerschaftsbeschwerden arbeitsunfähige Beschwerdeführerin
im Zeitpunkt der Niederkunft weder über den Status als Selbständigerwerbende
(Art. 16b Abs. 1 lit. c Ziff. 2 ELG) noch über ein bisher bezogenes
Ersatzeinkommen verfügte, steht ihr unter dem Titel von Art. 30 Abs. 1 lit. a
EOV in Verbindung mit Art. 16b Abs. 3 lit. b EOG keine
Mutterschaftsentschädigung zu (vgl. E. 2.3 hievor in fine).

4. 
Die Beschwerdeführerin macht indessen (wie bereits vor Vorinstanz und im
Einspracheverfahren) geltend, sie sei im Zeitpunkt der Geburt arbeitslos
gewesen und habe gestützt auf Art. 29 lit. b EOV in Verbindung mit Art. 16b
Abs. 3 lit. b EOG Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung. Demgegenüber stellte
sich die Ausgleichskasse auf den Standpunkt, die für einen Taggeldbezug seitens
der Arbeitslosenversicherung erforderliche Beitragsdauer werde nicht erfüllt,
während die Vorinstanz diese Frage offen liess und der Versicherten für den Tag
der Geburt schon die Arbeitslosigkeit absprach.

4.1. Gemäss Ingress von Art. 16b Abs. 3 EOG und Art. 29 EOV ist Voraussetzung
für den ausnahmsweisen Leistungsanspruch trotz Fehlens einer Erwerbstätigkeit,
dass die Mutter im Zeitpunkt der Geburt arbeitslos ist. Nach Art. 10 Abs. 1 und
2 AVIG gilt als ganz bzw. teilweise arbeitslos, wer in keinem oder nur in einem
teilzeitlichen Arbeitsverhältnis steht und eine Vollzeit- bzw. eine (weitere)
Teilzeitbeschäftigung sucht. Laut Art. 10 Abs. 3 AVIG gilt der Arbeitsuchende
erst dann als arbeitslos, wenn er sich beim Arbeitsamt seines Wohnorts zur
Arbeitsvermittlung gemeldet hat. Die Rechtsprechung hat indessen erkannt, dass
der Begriff "arbeitslos" gemäss Art. 16b Abs. 3 EOG und Art. 29 EOV nicht im
Sinne von Art. 10 Abs. 3 AVIG zu verstehen ist. Damit die Mutter im Zeitpunkt
der Geburt als arbeitslos gilt, ist mit andern Worten nicht vorausgesetzt, dass
sie beim Arbeitsamt angemeldet ist. Eine Abweichung gegenüber dem AVIG ist
jedoch nur hinsichtlich des formellen Erfordernisses der Anmeldung beim
Arbeitsamt zulässig. Materiell muss Arbeitslosigkeit vorliegen (BGE 136 V 239
E. 2.1 S. 241). Die Betroffene muss mithin gewillt sein, ihre Arbeitslosigkeit
durch die Suche nach einer Teilzeit- oder Vollzeitbeschäftigung als
Unselbständigerwerbende zu beenden (Thomas Nussbaumer,
Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR],
Soziale Sicherheit, 3. Aufl. 2016, S. 2305 Rz. 131). Für die Mutter, die nicht
bis zur Geburt ein Taggeld der Arbeitslosenversicherung bezogen hat (Art. 29
lit. a EOV), ist des Weitern vorausgesetzt, dass sie am Tag der Geburt die für
den Bezug eines Taggeldes nach dem AVIG erforderliche Beitragsdauer erfüllt
(lit. b der genannten Verordnungsbestimmung).

4.2.

4.2.1. Ob die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Niederkunft im vorgenannten
Sinne  materiell arbeitslos war, lässt sich aufgrund der gegebenen Aktenlage
weder bejahen noch verneinen. Bereits im Einspracheverfahren berief sie sich
auf ihre Arbeitslosigkeit zur Zeit der Geburt, ohne dass die Ausgleichskasse
diesbezügliche Abklärungen vorgenommen hätte. Dasselbe gilt für das kantonale
Gericht, welches einzig auf den Umstand verweist, dass die Versicherte im
Anmeldeformular für die Mutterschaftsentschädigung auf die Frage "Waren Sie im
Zeitpunkt der Niederkunft bzw. in den der Niederkunft vorangegangenen 9 Monaten
arbeitslos?" mit "nein" geantwortet hatte. Die im Formular gestellte Frage ist
indessen im vorliegenden Kontext alles andere als eindeutig. Sie muss nicht
zwingend in weitem Sinne interpretiert werden, etwa ob im Zeitpunkt der Geburt
bzw. in den neun vorangehenden Monaten eine Voll- oder Teilzeitarbeit gesucht
worden sei. Vernünftigerweise kann sie auch dahingehend verstanden werden, dass
sich die Ausgleichskasse danach erkundigt, ob die Versicherte im fraglichen
Zeitraum beim Arbeitsamt als arbeitslos gemeldet war oder ob sie Taggelder der
Arbeitslosenversicherung bezogen hat. So verstanden wäre die Formularfrage
durch die Beschwerdeführerin korrekterweise verneint worden. Dass die Antworten
auf unspezifische Fragen des Anmeldeformulars den Versicherten nach Treu und
Glauben nicht unbesehen und gegebenenfalls nicht ohne nähere Abklärungen
entgegengehalten werden dürfen, zeigt denn auch eine weitere unscharf
formulierte Frage des behördlichen Antragsformulars (dazu Urteil E 3/06 vom 16.
Januar 2008 E. 4.3.4; vgl. auch BGE 133 V 73 E. 5 S. 81) : "Waren Sie im
Zeitpunkt der Niederkunft bzw. in den der Niederkunft vorangegangenen 9 Monaten
unfall- oder krankheitsbedingt ganz oder teilweise an der Arbeit verhindert?".
Weil hier bloss nach einer Arbeitsunfähigkeit wegen Unfall oder Krankheit,
nicht aber wegen Schwangerschaft gefragt wurde, antwortete die
Beschwerdeführerin ebenfalls mit "nein", obwohl sie im eingangs zitierten
Begleitschreiben vom 6. November 2013 gleichzeitig ausdrücklich auf die -
gleichermassen relevante - schwangerschaftsbedingte Arbeitsverhinderung
hingewiesen hatte.

4.2.2. Nach dem Gesagten erfolgte die vorinstanzliche Verneinung der
Arbeitslosigkeit in Verletzung der Untersuchungsmaxime (Art. 61 lit. c ATSG).
Das kantonale Gericht wird deshalb die bisher unterbliebenen Abklärungen zu
dieser Frage nachzuholen haben. Anzumerken bleibt, dass im Zusammenhang mit dem
Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung an den Nachweis der Arbeitssuche
naturgemäss keine allzu grossen Anforderungen gestellt werden können, zumal
keine Anmeldung beim Arbeitsamt zur Arbeitsvermittlung verlangt wird (E. 4.1
hievor) und demzufolge auch die Kontrollvorschriften des Bundesrates (Art. 17
Abs. 2 AVIG) nicht eingehalten werden müssen. Wie die nachfolgenden Erwägungen
zeigen, erfüllte die Beschwerdeführerin - entgegen der Auffassung der
Ausgleichskasse - am Tag der Geburt die für den Bezug eines
Arbeitslosentaggeldes erforderliche Mindestbeitragsdauer. Der vorinstanzlichen
Beantwortung der bisher ungeklärten Frage nach der materiellen Arbeitslosigkeit
im selben Zeitpunkt wird mithin entscheidwesentliche Bedeutung zukommen.

4.3.

4.3.1. Im hier zu beurteilenden Fall ist zu Recht unbestritten, dass die
Beschwerdeführerin während der neun Monate unmittelbar vor der Niederkunft vom
9. Oktober 2013 der obligatorischen AHV unterstand (lit. a) und in dieser Zeit
mit gegen acht Monaten (bis Ende August 2013) deutlich länger als die
erforderlichen fünf Monate eine - selbständige - Erwerbstätigkeit ausgeübt hat
(lit. b von Art. 16b Abs. 1 EOG). Weil sie indessen im Zeitpunkt der
Niederkunft weder Arbeitnehmerin noch Selbständigerwerbende (dazu E. 3 hievor)
war (Art. 16b Abs. 1 lit. c Ziff. 1 und 2 EOG) und bis zur Geburt des Kindes
auch kein Taggeld der Arbeitslosenversicherung bezog (Art. 29 lit. a EOV),
stellt sich für den Fall, dass nach den ergänzenden Abklärungen der Vorinstanz
die Arbeitslosigkeit zu bejahen wäre (vorstehende E. 4.2.2), die Frage, ob sie
am Tag der Geburt die für den Bezug eines solchen Taggeldes erforderliche
Beitragsdauer erfüllte (Art. 29 lit. b EOV in Verbindung mit Art. 16b Abs. 3
EOG).
Fest steht, dass die Beschwerdeführerin innerhalb der ordentlichen Rahmenfrist
für die Beitragszeit von zwei Jahren vor der Geburt (Art. 9 Abs. 3 AVIG) nicht
während mindestens zwölf Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt
hat (Art. 13 Abs. 1 AVIG), da sie bereits ab Februar 2011 keinen Lohn mehr
bezog, sondern einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachging. Es stellt sich
jedoch die Frage, ob die massgebliche Rahmenfrist nach Art. 9a Abs. 2 AVIG
verlängert werden kann. Dieser Bestimmung zufolge wird die Rahmenfrist für die
Beitragszeit von Versicherten, die den Wechsel zu einer selbständigen
Erwerbstätigkeit ohne Bezug von Leistungen der Arbeitslosenversicherung
vollzogen haben, um die Dauer der selbständigen Erwerbstätigkeit, höchstens
jedoch um zwei Jahre verlängert (vgl. hiezu BGE 138 V 50).

4.3.2. Der in Art. 16b Abs. 3 lit. b EOG enthaltenen Gesetzesdelegation an den
Bundesrat lag die Überlegung zugrunde, dass es in bestimmten Fällen
schockierend wäre, eine Frau vom Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung
auszuschliessen, nur weil sie bei der Niederkunft nicht als erwerbstätig gilt.
Deshalb wurde der Bundesrat ermächtigt, die Ausnahmen von diesem Prinzip auf
dem Verordnungswege zu regeln. Ausnahmen sollten nur dann gemacht werden, wenn
eine Frau wegen Arbeitslosigkeit im Zeitpunkt der Niederkunft nicht als
erwerbstätig gilt oder wenn der Arbeitsunterbruch gesundheitsbedingt ist (BBl
2002 7544).
Hinsichtlich der Arbeitslosigkeit hat der Bundesrat von seiner Delegation in
der Weise Gebrauch gemacht, als einerseits eine Mutter, die bis zur Geburt ein
Taggeld der Arbeitslosenversicherung bezog, nach Art. 29 lit. a EOV Anspruch
auf die Mutterschaftsentschädigung hat. Andererseits sollen nach den
Erläuterungen des Bundesrates zu Art. 29 lit. b EOV Mütter die
Anspruchsvoraussetzungen auf eine Mutterschaftsentschädigung auch dann erfüllen
können, wenn sie im Zeitpunkt der Geburt zwar kein Taggeld nach dem AVIG
bezogen haben, aber die Voraussetzungen dafür erfüllen würden. Diese
Verordnungsbestimmung soll verhindern, dass eine arbeitslose Mutter zwingend
eine Arbeitslosenentschädigung beziehen muss, obwohl sie keine solche Leistung
beziehen möchte, nur damit sie den Anspruch auf eine Mutterschaftsentschädigung
erwirbt (www.bsv.admin.ch/themen/eo/00054/index.html?lang=de, zu Art. 29 EOV S.
7). Eine Anmeldung zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung könnte nämlich
angesichts des starren Rahmenfristensystems in der Arbeitslosenversicherung zu
einer massiven Beeinträchtigung der Ansprüche im Falle einer späteren
Arbeitslosigkeit führen (BGE 136 V 239 E. 2.1 S. 242).

4.3.3. Nach dem Wortlaut (sämtlicher drei Sprachfassungen) von Art. 29 lit. b
EOV ist nicht ohne weiteres klar, worauf sich die (mindestens zwölfmonatige)
Beitragsdauer bezieht, d.h. in welchem Zeitraum sie von den arbeitslosen
Müttern zu erfüllen war. Hatte dies innerhalb der ordentlichen Rahmenfrist von
zwei Jahren vor der Geburt zu geschehen (Art. 9 Abs. 3 AVIG) oder kann diese
Rahmenfrist gemäss den AVIG-Bestimmungen verlängert werden? Für Versicherte,
die sich der Erziehung ihrer Kinder gewidmet haben, hat das Bundesgericht die
Frage entschieden. Die für den Bezug eines Arbeitslosentaggeldes erforderliche
Mindestbeitragszeit, deren Erfüllung Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung
gibt, muss während der ordentlichen zweijährigen Rahmenfrist zurückgelegt
worden sein. Eine Verlängerung dieser Frist nach Art. 9b Abs. 2 AVIG fällt
ausser Betracht (BGE 136 V 239 E. 2.2-2.4 S. 242 f.). Das Gericht liess sich
von der Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers leiten, wonach nur erwerbstätige
Frauen Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung haben sollen. Diesen
gleichgestellt sind Frauen, die  wegen Arbeitslosigkeit (oder
Arbeitsunfähigkeit) im Zeitpunkt der Niederkunft nicht erwerbstätig waren. Nur
für diese Fälle ermächtigt Art. 16b Abs. 3 EOG den Bundesrat, von den in Abs. 1
genannten Voraussetzungen abzuweichen. Würde der Bundesrat die
Anspruchsberechtigung auf weitere Fälle nicht erwerbstätiger Frauen ausdehnen,
etwa auf solche, die aus familiären Gründen (wegen der Kindererziehung) keine
bezahlte Tätigkeit ausüben, wäre die Verordnung gesetzwidrig (vgl. auch BBI
2003 1121).

4.3.4. In völlig anderm Licht präsentiert sich die hier zu beurteilende Frage
nach der Verlängerung der Rahmenfrist für die Beitragszeit im Sinne von Art. 9a
Abs. 2 AVIG in Verbindung mit Art. 29 lit. b EOV. Eine derartige Verlängerung
um die Dauer der selbständigen Erwerbstätigkeit (höchstens jedoch um zwei
Jahre) kommt gerade (früher) erwerbstätigen Müttern zugute und entspricht somit
der Regelungsabsicht des Gesetzgebers wie sie den Materialien zu entnehmen ist
(E. 4.3.2 erster Abschnitt). Wenn ferner Sinn und Zweck der streitigen
Verordnungsnorm in der Verhinderung von Fällen liegt, bei denen sich Frauen in
"schockierender" Weise von der Mutterschaftsentschädigung ausgeschlossen sehen
(vgl. a.a.O.), verlangt der hier zu beurteilende Sachverhalt über den
Einzelfall hinaus exemplarisch nach einer Verlängerung der ordentlichen
zweijährigen Rahmenfrist, um den Kreis der Anspruchsberechtigten nicht in
stossender Weise zu verengen: Die Beschwerdeführerin war vor der Geburt ihres
Sohnes während 4 Jahren und 8 Monaten ununterbrochen als angestellte oder
selbständige Coiffeuse erwerbstätig, bevor sie ihren eigenen Salon fünfeinhalb
Wochen vor der Niederkunft wegen Schwangerschaftsbeschwerden aufgab und ihren
(noch abklärungsbedürftigen) Angaben zufolge wieder eine (Teilzeit-) Anstellung
suchte. Die Auslegung der Verordnungsbestimmung mit Blick auf ihre Einbettung
im Normengefüge weist schliesslich in die selbe Richtung. Anspruch auf
Mutterschaftsentschädigung soll nach ausdrücklicher Intention des
Verordnungsgebers (E. 4.3.2 hievor zweiter Abschnitt) nicht nur die Mutter
haben, die bis zur Geburt ein Taggeld der Arbeitslosenversicherung bezieht
(Art. 29 lit. a EOV), sondern eben auch diejenige, die am Tag der Geburt die
diesbezüglichen Anspruchsvoraussetzungen bzw. die dafür erforderliche
Beitragsdauer erfüllt, ohne tatsächlich ein Arbeitslosentaggeld zu beanspruchen
(Art. 29 lit. b EOV). Unter die Frauen, welche Anspruch auf eine
Mutterschaftsentschädigung haben, weil sie gemäss lit. a von Art. 29 EOV bis
zur Geburt ein Taggeld der Arbeitslosenversicherung bezogen haben, fallen
zwangsläufig auch solche, die in den Genuss einer nach Art. 9a Abs. 2 AVIG
verlängerten Rahmenfrist für die Beitragszeit gelangt waren. Es drängt sich
deshalb unter systematischem Blickwinkel geradezu auf, Müttern, die - wie hier
- ihre Anspruchsberechtigung auf lit. b der in Frage stehenden
Verordnungsbestimmung stützen, ebenfalls eine um die Dauer der selbständigen
Erwerbstätigkeit verlängerte Rahmenfrist zuzugestehen.

4.3.5. Aufgrund der dargelegten systematischen, zweckgerichteten und die
Entstehungsgeschichte berücksichtigenden Auslegung (BGE 141 V 642 E. 4.2 S.
647) muss die für den Bezug eines Taggeldes nach dem AVIG erforderliche
Beitragsdauer, deren Erfüllung Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung gibt,
wenn die Mutter nicht bis zur Geburt des Kindes Arbeitslosentaggelder bezogen
hat (Art. 29 lit. b EOV), nicht in jedem Fall während der ordentlichen
zweijährigen Rahmenfrist für die Beitragszeit nach Art. 9 Abs. 3 AVIG
zurückgelegt worden sein. Bei früher selbständigerwerbenden Müttern, die den
seinerzeitigen Wechsel zur selbständigen Erwerbstätigkeit ohne Bezug von
Leistungen der Arbeitslosenversicherung vollzogen haben, wird die Rahmenfrist
gemäss Art. 9a Abs. 2 AVIG um die Dauer der selbständigen Erwerbstätigkeit,
höchstens jedoch um zwei Jahre verlängert.

4.3.6. Die Beschwerdeführerin hat nach Lage der Akten - zumindest in den
letzten Jahren vor der Geburt ihres Sohnes am 9. Oktober 2013 - nie Leistungen
der Arbeitslosenversicherung bezogen. Aufgrund ihrer von Anfang Februar 2011
bis Ende August 2013 dauernden selbständigen Erwerbstätigkeit verlängerte sich
die Rahmenfrist für den Beitragsbezug um die Maximaldauer von zwei Jahren und
umfasste mithin den Zeitraum vom 9. Oktober 2009 bis 8. Oktober 2013. Ab Beginn
dieser Periode bis Ende Januar 2011 übte sie im Coiffeursalon B.________ eine
beitragspflichtige Beschäftigung aus. Damit übertraf sie die für den Bezug
eines Arbeitslosentaggeldes erforderliche Mindestbeitragsdauer von zwölf
Monaten (Art. 29 lit. b EOV in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 AVIG). Ob die
Beschwerdeführerin Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung hat, hängt nach dem
Gesagten allein davon ab, ob sie im Zeitpunkt der Geburt materiell
arbeitsunfähig war, was das kantonale Gericht näher abzuklären hat (E. 4.2.2
hievor).

5. 
Die Gerichtskosten werden der Ausgleichskasse als unterliegender Partei
auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG; BGE 137 V 210 E. 7.1 S. 271; 132 V 215 E. 6.1 S.
235).
Der obsiegenden (unvertretenen) Beschwerdeführerin ist keine
Parteientschädigung zuzusprechen, weil ihr Arbeitsaufwand den Rahmen dessen
nicht überschritt, was der Einzelne üblicher- und zumutbarerweise nebenbei zur
Besorgung der persönlichen Angelegenheiten auf sich zu nehmen hat (Art. 68 BGG;
BGE 127 V 205 E. 4b S. 207; 110 V 72 E. 7 S. 82, 132 E. 4d S. 134).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und der Entscheid des
Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 2. Juli 2015 wird aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im
Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Eine Parteientschädigung wird nicht zugesprochen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 16. August 2016
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Attinger

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben