Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 573/2015
Zurück zum Index II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2015
Retour à l'indice II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2015


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_573/2015

Urteil vom 12. Februar 2016

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
Gerichtsschreiber Trütsch.

Verfahrensbeteiligte
A.A.________ und B.A.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Alters- und Hinterlassenenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 29. Juni 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. A.A.________, geboren 1948, trat per 1. November 2007 vorzeitig in den
Ruhestand. Im Rahmen der flexiblen Alterspensionierung erhielt er von seiner
Arbeitgeberin eine freiwillige Leistung an die mit dem vorzeitigen Rücktritt
verbundenen Kosten der Pensionskasse von Fr. 85'000.-.

A.b. Mit Einspracheentscheiden vom 28. Oktober 2013 und vom 29. Oktober 2014
bestätigte die Ausgleichskasse des Kantons Zürich ihre Verfügungen vom 7. Mai
2012, 25. Juli 2014 und 29. August 2014, womit sie A.A.________ und seine
Ehefrau B.A.________, geboren 1954, als Nichterwerbstätige erfasste und die
2008 bis 2011 geschuldeten Beiträge festsetzte.

B. 
Die Beschwerden von A.A.________ und B.A.________ wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich nach Vereinigung der beiden
Verfahren mit Entscheid vom 29. Juni 2015 ab.

C. 
A.A.________ und B.A.________ führen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten und beantragen sinngemäss die Aufhebung des vorinstanzlichen
Entscheids.
Die Ausgleichskasse des Kantons Zürich und das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerdeführenden machen einen unnötig verursachten administrativen
Aufwand im Zusammenhang mit der Anfechtung von Akonto-Beitragsverfügungen für
2010 bis 2013 geltend. Darauf ist mangels eines Anfechtungsgegenstandes nicht
einzutreten (BGE 131 V 164 E. 2.1 S. 164, 125 V 413 E. 1a S. 414). Im Übrigen
ist auf Art. 52 Abs. 3 Satz 2 ATSG und die diesbezügliche Rechtsprechung (BGE
140 V 116 E. 3.3 S. 119) hinzuweisen, wonach das Einspracheverfahren kostenlos
ist und in der Regel keine Parteientschädigung ausgerichtet wird.

2. 
Streitgegenstand bildet die Beitragspflicht der Beschwerdeführenden als
Nichterwerbstätige nach Art. 10 Abs. 1 AHVG für 2008 bis 2011.
Die Vorinstanz bestätigte deren Status als Nichterwerbstätige für 2008 bis
2011. Soweit sie diese Qualifikation bestreiten, erschöpfen sich ihre
Vorbringen in appellatorischer Kritik am angefochtenen Entscheid. Eine
Beitragsbefreiung von Nichterwerbstätigen kennt das Gesetz nicht, woran die
rechtsanwendenden Behörden gebunden sind (Art. 190 BV).

3. 
In tatsächlicher Hinsicht steht fest (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG), dass der
Beschwerdeführer per 1. November 2007 vorzeitig in den Ruhestand getreten war
und danach keine Erwerbstätigkeit mehr ausübte. Die Arbeitgeberin leistete 2007
einen freiwilligen Beitrag von Fr. 85'000.- an die mit dem vorzeitigen
Rücktritt verbundenen Kosten der Pensionskasse. Darauf wurden auch
Sozialversicherungsbeiträge erhoben. In der definitiven Berechnung der
Jahresrente vom 7. November 2007 schlug sich diese Leistung in einem
"Rentenzuschlag durch Einkauf" von jährlich Fr. 5'679.- nieder. Diesen
Feststellungen des kantonalen Gerichts ist nichts beizufügen. Sie sind
aktenkundig und für das Bundesgericht verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG).
Bei der von der Vorinstanz bestätigten Ermittlung der
Nichterwerbstätigenbeiträge nach Art. 28 Abs. 2 AHVV berücksichtigte die
Beschwerdegegnerin die gesamte Jahresrente der beruflichen Vorsorge
einschliesslich des Rentenzuschlages.

4. 
Die Beschwerdeführenden bringen zur Hauptsache vor, auf der infolge der
freiwilligen Leistung der Arbeitgeberin nach Art. 7 lit. q AHVV höher
ausfallenden Pensionskassenrente dürften nicht nochmals im Rahmen von Art. 28
Abs. 2 AHVV Beiträge als Nichterwerbstätige erhoben werden.

4.1. Das kantonale Versicherungsgericht hat dazu Folgendes erwogen: Die (höher
ausgefallene) Pensionskassenrente sei als Renteneinkommen im Sinne von Art. 28
AHVV zu betrachten. Dabei handle es sich nicht um eine Arbeitgeberleistung,
sondern vielmehr um eine der zweiten Säule. Sodann könne den
Beschwerdeführenden nicht beigepflichtet werden, dass beitragsrechtlich eine
doppelte Berücksichtigung des nämlichen Substrats stattfinde, wenn die Beiträge
einerseits auf der Arbeitgeberleistung (Einzahlung in die berufliche Vorsorge)
als massgebender Lohn und andererseits auf der (dadurch höher ausfallenden)
Pensionskassenrente im Rahmen der Beitragspflicht als Nichterwerbstätige
erhoben werden. Die beitragsrechtliche Belastung des Erwerbseinkommens
einerseits und - zu einem späteren Zeitpunkt - diejenige der (nicht vom
Arbeitgeber ausgerichteten) Rente der zweiten Säule andererseits würden an zwei
voneinander unterscheidbare sachverhaltsmässige Vorgänge anknüpfen. Hierzu
verwies es auf das Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts H 242/04 vom 8.
September 2005.

4.2. Gemäss der Spezialbestimmung von Art. 7 lit. q AHVV stellen Leistungen des
Arbeitgebers bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses massgebenden Lohn und
damit Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit dar, sofern sie nicht
unter Art. 8ter AHVV (in der bis 31. Dezember 2007 gültig gewesenen Fassung)
fallen. Wird die Leistung in Rentenform ausgerichtet, findet eine Umrechnung in
einen Kapitalbetrag statt, der in die Berechnung des massgebenden Lohns (des
betreffenden Jahres) einbezogen wird. Diesfalls erfolgt die Erhebung der
Beiträge somit ausnahmsweise bereits zu einem Zeitpunkt vor Realisierung des
relevanten Einkommens. Damit ist die Leistung des Arbeitgebers in ihrer
Eigenschaft als Einkommen abschliessend erfasst und die einzelnen
Rentenbetreffnisse unterliegen nicht mehr der Beitragspflicht. Sie verlieren
jedoch ihren durch Art. 7 lit. q AHVV festgelegten Charakter als massgebender
Lohn nicht und stellen deshalb insbesondere kein Renteneinkommen im Sinne von
Art. 28 AHVV dar. Zu einem späteren Zeitpunkt kommt eine Erfassung dieser
Einkünfte nur noch insoweit in Betracht, als dadurch Vermögen gebildet wird
(Urteil H 242/04 vom 8. September 2005 E. 2.1).

4.3. Die Verordnungsbestimmung (Art. 7 lit. q AHVV) unterscheidet hinsichtlich
der Folgen nicht zwischen der (Kapital- oder Renten-) Form der Leistung des
Arbeitgebers, ebenso nicht bezüglich des Rechtsgrundes der Leistung. Folglich
müsste grundsätzlich das Gleiche wie im vorgenannten Urteil auch gelten, wenn,
wie vorliegend, der Arbeitgeber die Leistung in Kapitalform erbringt und diese
in die berufliche Vorsorge einzahlt, woraus eine masslich genau bestimmbare
höhere Pensionskassenrente resultiert. Denn im Ergebnis dient auch die
eingekaufte höhere Rente der beruflichen Vorsorge demselben Zweck wie die
Arbeitgeberleistung in Rentenform, nämlich als (zusätzliches) Ersatzeinkommen
für die Zeit von der frühzeitigen Pensionierung bis zum Erreichen des
ordentlichen AHV-Alters.

4.4. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz lässt sich aus dem Urteil H 242/04
vom 8. September 2005 E. 2.2 nichts ableiten, was eine unterschiedliche
Betrachtungsweise rechtfertigen könnte. Das Eidg. Versicherungsgericht hielt
zwar fest, die beitragsrechtliche Belastung des Erwerbseinkommens einerseits
und - zu einem späteren Zeitpunkt - eines allenfalls dadurch gebildeten
Vermögens oder einer durch darauf entrichtete Beiträge begründeten Rente der
zweiten Säule andererseits knüpfe an zwei voneinander unterscheidbare
sachverhaltsmässige Vorgänge an (Urteil H 242/04 vom 8. September 2005 E. 2.2).
Es hielt aber abschliessend - für den vorliegenden Fall entscheidend -
Folgendes fest: "Demgegenüber steht hier zur Diskussion, ob ein und dieselben
Einkünfte (in Rentenform ausgerichtete Leistung des Arbeitgebers bei Beendigung
des Arbeitsverhältnisses) zweimal, nämlich zunächst gestützt auf Art. 7 lit. q
AHVV als massgebender Lohn und später nochmals gestützt auf Art. 28 AHVV als
Renteneinkommen einer nichterwerbstätigen Person, beitragspflichtig sind."
In besagtem Urteil wurde weiter festgehalten, es sei keine stossende
Ungleichbehandlung von Empfängern von Leistungen des Arbeitgebers in
Kapitalform einerseits und in Rentenform andererseits ersichtlich. In beiden
Fällen liege massgebender Lohn vor; es ergebe sich einzig daraus ein
tatsächlicher Unterschied, dass die Kapitalzahlung sofort und die Rente -
gegebenenfalls - erst allmählich zur Bildung von Vermögen führe.

4.5. Vorliegend hat der Beschwerdeführer wohl kein Vermögen gebildet, wurden
doch die Fr. 85'000.- in die Pensionskasse einbezahlt. Dies ändert jedoch am
Charakter eines Arbeitgeberbeitrags nichts. Daher stellt gemäss der
Rechtsprechung (Urteil H 242/04 vom 8. September 2005) der Arbeitgeberbeitrag
resp. der darauf zurückzuführende Rentenzuschlag kein Renteneinkommen im Sinne
von Art. 28 Abs. 1 AHVV dar. Damit besteht auch kein Raum für eine
(sinngemässe) Anwendung von Art. 30 Abs. 1 AHVV.

4.6. Der vorinstanzliche Entscheid und die Einspracheentscheide vom 28. Oktober
2013 und 29. Oktober 2014 sind aufzuheben und die Sache ist an die
Beschwerdegegnerin zurückzuweisen, damit sie im Sinne der Erwägungen über die
Beiträge der Beschwerdeführenden als Nichterwerbstätige für 2008 bis 2011 neu
verfüge.

5. 
Bei diesem Verfahrensausgang rechtfertigt es sich, die Gerichtskosten hälftig
zu teilen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdeführenden unterliegen in ihrem
Standpunkt betreffend Beitragsbefreiung für Nichterwerbstätige; die
Beschwerdegegnerin betreffend die Qualifikation des Arbeitgeberbeitrags.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 29. Juni 2015 und der
Einspracheentscheid der Ausgleichskasse des Kantons Zürich vom 28. Oktober 2015
werden aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verfügung an die Ausgleichskasse des
Kantons Zürich zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'300.- werden zu Fr. 650.- den Beschwerdeführer und
zu Fr. 650.- der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 12. Februar 2016
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Trütsch

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben