Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 565/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
9C_565/2015        
{T 0/2}

Urteil vom 29. Januar 2016

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Pfiffner, Moser-Szeless,
Gerichtsschreiberin Keel Baumann.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Zimmermann,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau,
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin,

Pensionskasse Post,
Viktoriastrasse 72, 3013 Bern.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 2. Juni 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. Die 1961 geborene, verheiratete A.________, Mutter einer Tochter (geb.
1983), war von 1985 bis zum 30. Juni 2006 teilzeitlich bei der Schweizerischen
Post angestellt. Im Februar 2002 meldete sie sich aufgrund eines Diabetes
mellitus und eines diabetischen Fuss-Syndroms bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Aargau sprach ihr Hilfsmittel in
Form von orthopädischen Serienschuhen inklusive Fertigungskosten nach
ärztlicher Verordnung zu (Mitteilung vom 15. April 2002).

A.b. Im August 2004 meldete sich A.________ erneut bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an, unter Hinweis auf Diabetes,
Fussschmerzen, Bluthochdruck und Arthrose. Die IV-Stelle sprach ihr
orthopädische Massschuhe zu (Mitteilung vom 24. September 2004). Sie führte
unter anderem eine Haushaltabklärung durch (Bericht vom 15. April 2005). Mit
Verfügung vom 1. Dezember 2005 sprach sie A.________ gestützt auf einen anhand
der gemischten Methode (30 % Erwerb, 70 % Haushalt) ermittelten
Invaliditätsgrad von 52 % mit Wirkung ab 1. Januar 2006 eine halbe Rente zu.
Die Versicherte erhob dagegen Einsprache, zog diese indessen später wieder
zurück, worauf die IV-Stelle das Verfahren zufolge Gegenstandslosigkeit
abschrieb (Entscheid vom 28. März 2006).

A.c. Im November 2007 leitete die IV-Stelle von Amtes wegen ein
Revisionsverfahren ein. Sie prüfte die medizinischen und erwerblichen
Verhältnisse und liess eine neue Haushaltabklärung (Bericht vom 11. August
2008) durchführen. Sie bestätigte den Rentenanspruch in der bisherigen Höhe
(unveränderter Invaliditätsgrad von 52 %; Mitteilung vom 20. November 2008).

A.d. Mit Schreiben vom 26. Oktober 2011 machte die Versicherte eine
Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes geltend und ersuchte um Zusprache
einer ganzen Rente. Die IV-Stelle tätigte weitere Abklärungen, insbesondere
liess sie nochmals eine Haushaltabklärung durchführen (Bericht vom 20. Januar
2012). Vorbescheidsweise stellte sie am 7. Februar 2012 die Abweisung des
Revisionsgesuchs in Aussicht bei einem anhand der gemischten Methode (30 %
Erwerb [Einschränkung 100 %], 70 % Haushalt [Einschränkung 39 %]) ermittelten
Invaliditätsgrad von (gerundet) 57 % ([30 % + 27.3 %]). Daran hielt sie auf die
von der Versicherten dagegen erhobenen Einwände hin fest (Verfügung vom 21.
März 2012).

B.

B.a. Eine von A.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das
Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 13. August 2013 ab,
nachdem es der Versicherten (zufolge Verneinung eines Aufgabenbereiches) eine
reformatio in peius im Sinne der ersatzlosen Aufhebung der angefochtenen
Verfügung vom 21. März 2012 (mithin die Aufhebung der bisherigen Rente) in
Aussicht gestellt hatte (Beschluss vom 16. April 2013). Es hob die Verfügung
vom 21. März 2012 auf und stellte fest, dass die Versicherte ab dem ersten Tag
des zweiten, der Zustellung des Entscheids folgenden Monats keinen Anspruch auf
eine Invalidenrente mehr hat. Das Bundesgericht hiess die von A.________
dagegen eingereichte Beschwerde gut, hob den kantonalen Entscheid vom 13.
August 2013 auf und wies die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der
Erwägungen an die Vorinstanz zurück (Urteil 9C_693/2013 vom 24. Oktober 2014).

B.b. Mit Entscheid vom 2. Juni 2015 wies das kantonale Versicherungsgericht die
Beschwerde erneut ab. Es gelangte zum Ergebnis, dass der von der IV-Stelle
anhand der gemischten Methode ermittelte Invaliditätsgrad von 57 % korrekt und
ihre Verfügung vom 21. März 2012 demnach zu bestätigen sei.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und das Rechtsbegehren stellen, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und die
Sache "zur ordnungsgemässen Beurteilung des Invaliditätsgrades" an die
Vorinstanz zurückzuweisen; eventualiter sei ihr eine ganze Invalidenrente
zuzusprechen.
Die IV-Stelle, die als Mitinteressierte zum Verfahren beigeladene Pensionskasse
Post und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine
Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem
die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.

2.1. Gemäss Urteil 9C_693/2013 vom 24. Oktober 2014 ist die Invalidität der
Versicherten nicht nach der von der Vorinstanz in ihrem ersten Entscheid vom
13. August 2013 angewendeten Einkommensvergleichsmethode, sondern nach der
gemischten Methode zu ermitteln. Das Bundesgericht verwarf die vom kantonalen
Gericht damals vertretene Betrachtungsweise, wonach der Versicherten angesichts
der Haushaltsgrösse und der von ihr zu erledigenden Arbeiten kein (für die
Anwendbarkeit der gemischten Methode vorausgesetzter) Aufgabenbereich (Art. 28a
Abs. 3 IVG in Verbindung mit Art. 27 IVV) mehr zukomme. Dementsprechend wies es
die Sache an die Vorinstanz zurück, damit sie sich mit der Gewichtung der
beiden Bereiche Haushalt und Erwerb befasse, weil in dieser Frage Uneinigkeit
zwischen der IV-Stelle (30 % Erwerb, 70 % Haushalt) und der Versicherten
(Erwerbsanteil von mindestens 50 %) bestand. Des Weitern hielt das
Bundesgericht für den erwerblichen Bereich eine (unbestrittene) gesundheitlich
bedingte Einschränkung von 100 % fest. Es wies die Vorinstanz an zu prüfen, wie
sich die feststehende Verschlechterung des Gesundheitszustandes auf den
Haushaltbereich auswirke und anschliessend - nach Gewichtung der
Beeinträchtigung in beiden Bereichen - über den Gesamtinvaliditätsgrad und den
daraus resultierenden Rentenanspruch befinde.

2.2. In ihrem Entscheid vom 2. Juni 2015 verwies die Vorinstanz für die
Gewichtung der beiden Bereiche (Erwerb 30 %, Haushalt 70 %) auf ihre
Argumentation im Entscheid vom 13. August 2013. Danach hätte die
Beschwerdeführerin bereits in den Jahren vor April 2004 (Zeitpunkt, ab welchem
eine Einschränkung der Arbeits- bzw. Leistungsfähigkeit aus gesundheitlichen
Gründen ausgewiesen ist) ein höheres Pensum innehaben können; familiäre
Pflichten wären dieser Ausweitung jedenfalls nicht entgegengestanden. In der
(rechtskräftigen) Verfügung vom 1. Dezember 2005 sei ebenfalls eine im
Gesundheitsfall ausgeübte Erwerbstätigkeit von 30 % festgehalten worden, was
die Beschwerdeführerin in den Einwänden vom 17. Dezember 2005 nicht beanstandet
habe. Bei dieser Sachlage scheine nachvollziehbar, dass die Abklärungsperson im
Jahr 2008 ebenfalls von einem 30%-Pensum ausgegangen sei. Die Vorinstanz
ergänzte, es seien keine objektiven Anhaltspunkte dafür gegeben, dass das von
der Versicherten anlässlich der Haushaltabklärungen von 2005 und 2008
angegebene hypothetische Pensum von 30 % im Gesundheitsfall nicht weiterhin
gelten sollte. Zudem handle es sich dabei um eine "Aussage der ersten Stunden",
der in beweismässiger Hinsicht grösseres Gewicht beigemessen werde als späteren
Darstellungen, die bewusst oder unbewusst von nachträglichen Überlegungen
versicherungsrechtlicher oder anderer Art beeinflusst sein können.

3. 
Streitig und zu prüfen ist die Gewichtung der beiden Bereiche Erwerb und
Haushalt.

3.1. Wie bereits in ihrer Beschwerdeschrift vom 7. Mai 2012 - zu welchem
Argument sich die Vorinstanz indessen nicht geäussert hat - macht die
Versicherte geltend, gemäss den Lohnabrechnungen habe ihr Pensum in den Jahren
2000 bis 2003 wegen Ferien- und Krankheitsvertretungen mehr als die
vereinbarten 30 %, nämlich zwischen 33 und 38 % in den Jahren 2000 bis 2002 und
35 % im Jahr 2003 betragen. Auf diese tatsächlichen Verhältnisse sei für die
Festsetzung des hypothetischen Umfanges ihrer Erwerbstätigkeit abzustellen. Es
sei unbestritten, dass es keinen Anlass gegeben hätte, das tatsächlich
innegehabte Pensum auf die vereinbarten 30 % zu reduzieren. Vielmehr sei sogar
davon auszugehen, dass sie ihr Pensum im Gesundheitsfall auf 50 % gesteigert
hätte.

3.2. Ob und gegebenenfalls in welchem zeitlichen Umfang eine in einem
Aufgabenbereich tätige versicherte Person (Art. 5 Abs. 1 IVG in Verbindung mit
Art. 8 Abs. 3 ATSG) ohne gesundheitliche Beeinträchtigung erwerbstätig wäre,
ergibt sich aus der Prüfung, was sie bei im Übrigen unveränderten Umständen
täte, wenn keine gesundheitliche Beeinträchtigung bestünde. Entscheidend ist
somit nicht, welches Ausmass der Erwerbstätigkeit der versicherten Person im
Gesundheitsfall zugemutet werden könnte, sondern in welchem Pensum sie
hypothetisch erwerbstätig wäre (BGE 133 V 504 E. 3.3 S. 507 f.; Urteil 9C_408/
2015 vom 1. Dezember 2015 E. 4.1; je mit Hinweisen).
Bei im Haushalt tätigen Versicherten im Besonderen (vgl. Art. 27 IVV) sind die
persönlichen, familiären, sozialen und erwerblichen Verhältnisse ebenso wie
allfällige Erziehungs- und Betreuungsaufgaben gegenüber Kindern, das Alter, die
beruflichen Fähigkeiten und die Ausbildung sowie die persönlichen Neigungen und
Begabungen zu berücksichtigen. Massgebend sind die Verhältnisse, wie sie sich
bis zum Erlass der Verfügung entwickelt haben, wobei für die hypothetische
Annahme einer im Gesundheitsfall ausgeübten (Teil-) Erwerbstätigkeit der im
Sozialversicherungsrecht übliche Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit erforderlich ist (BGE 141 V 15 E. 3.1 S. 20; 137 V 334 E.
3.2 S. 338; 130 V 393 E. 3.3 S. 396; 125 V 146 E. 2c S. 150; je mit Hinweisen).
Ein starkes Indiz ist dabei die Tätigkeit, welche bei Eintritt der
invalidisierenden gesundheitlichen Beeinträchtigung tatsächlich - und unter
Umständen seit längerer Zeit - ausgeübt wurde, vor allem bei sonst im
Wesentlichen unveränderten Verhältnissen bis zur Entstehung des
Rentenanspruches (SVR 2010 IV Nr. 35 S. 111, 9C_559/2009 E. 4; Meyer/Reichmuth,
Bundesgesetz über die Invalidenversicherung, 3. Aufl. 2014, N. 7 zu Art. 28a
IVG).
Die auf eine Würdigung konkreter Umstände gestützte Festsetzung des
hypothetischen Umfanges der Erwerbstätigkeit der versicherten Person im
Gesundheitsfall ist eine Tatfrage, welche aufgrund der für das Bundesgericht
geltenden Kognitionsregelung einer letztinstanzlichen Überprüfung weitestgehend
entzogen ist (E. 1 hievor); eine Rechtsfrage liegt hingegen vor, wenn die
Beurteilung dieses Punktes ausschliesslich auf die allgemeine Lebenserfahrung
gestützt wird (BGE 133 V 504 E. 3.2 S. 507).

3.3. In ihrer im vorinstanzlichen Verfahren eingereichten Beschwerde legte die
Versicherte dar, dass sie in den Jahren 2002 bis 2003 wegen Ferien- und
Krankheitsvertretungen stets mehr als die arbeitsvertraglich vereinbarten 30 %,
nämlich zwischen 33 und 38 %, gearbeitet hatte. Zum Beweis verwies sie auf die
von ihr in den Jahren 2000 bis 2003 erzielten, im IK-Auszug im Einzelnen
aufgeführten Einkommen (2000: Fr. 21'834.-; 2001: Fr. 19'908.-; 2002: Fr.
21'534.-; 2003: Fr. 21'468.-) und die auf den Lohnabrechnungen ausgewiesenen
Jahresbruttoeinkommen (2000: Fr. 56'804.-; 2001: Fr. 59'194.-; 2002: Fr.
59'194.-; 2003: Fr. 60'934.-). Aus diesen Unterlagen ergibt sich, dass die
Versicherte in den Jahren 2000 bis 2003 durchschnittlich ein Pensum von rund 36
% innehatte (2000: 38.4 %; 2001: 33.6 %; 2002: 36.4 %; 2003: 35.2 %;
Durchschnitt 2000-2003: 35.9 %). Mit diesen ihr von der Versicherten
nachvollziehbar dargelegten Verhältnissen, wie sie in den vier Jahren vor
Eintritt der erheblichen Einschränkung der Arbeitsfähigkeit aus
gesundheitlichen Gründen im April 2004 tatsächlich gelebt worden sind, hat sich
die Vorinstanz nicht auseinandergesetzt, obwohl auch sie davon ausging, dass
die Versicherte im Gesundheitsfall bei derselben Arbeitgeberin bei ansonsten
unveränderten Verhältnissen weitergearbeitet hätte. Ihre
Sachverhaltsfeststellung ist damit offensichtlich unvollständig bzw. unrichtig,
weil sie die ihr dargelegte tatsächliche erwerbliche Situation, wie sie sich
aus dem IK-Auszug und den Lohnabrechnungen ergibt, ausser Acht lässt. Die der
vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung zugrunde liegende Beweiswürdigung,
die im klaren Widerspruch zu den tatsächlichen (gelebten) Verhältnissen steht,
ist willkürlich (BGE 139 III 334 E. 3.2.5 S. 339 mit Hinweisen).

3.4. Die offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz ist
zu berichtigen (vgl. Art. 105 Abs. 2 BGG). Betreffend die Aufteilung zwischen
Erwerb und Haushalt ist von der während Jahren tatsächlich praktizierten
Aufteilung - mithin von einem erwerblichen Bereich von 36 % und einem
Haushaltbereich von 64 % - auszugehen. Dass anlässlich der Rentenzusprache vom
1. Dezember 2005 und der Rentenbestätigung vom 20. November 2008 von einer
anderen Gewichtung (Erwerb 30 %; Haushalt 70 %) ausgegangen worden war, ändert
daran nichts, weil bei Vorliegen eines Revisionsgrundes der Rentenanspruch in
rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassend ("allseitig") zu prüfen ist,
ohne dass eine Bindung an frühere Beurteilungen besteht (BGE 141 V 9 E. 2.3 S.
11; 117 V 198 E. 4b S. 200).

3.5. Zu keinen Beanstandungen Anlass gibt demgegenüber, dass die Vorinstanz
eine Erhöhung des im Gesundheitsfall mutmasslich innegehabten Erwerbspensums
auf 50 % als nicht mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit für
erstellt hielt. Denn der behaupteten Steigerung stehen nicht nur die Angaben im
Abklärungsbericht vom 20. Januar 2012 entgegen, sondern auch, dass die
Versicherte bis zur Kündigung im Jahr 2004 stets zu 30 % angestellt war bzw.
durchschnittlich rund 36 % arbeitete (vgl. dazu E. 3.4) und ihr Pensum nie
ausweitete, auch nicht als die Tochter (Jahrgang 1983) erwachsen war (vgl. auch
Abklärungsberichte vom 11. August 2008 und 15. April 2005).

4. 
Uneinigkeit besteht in der Frage, inwieweit die Versicherte im Haushaltbereich
eingeschränkt ist.

4.1. Die Vorinstanz erwog, der Abklärungsbericht vom 20. Januar 2012 sei von
einer dazu befähigten Person verfasst worden, welche die wesentlichen Diagnosen
(auch in psychischer Hinsicht) gekannt habe; des Weitern sei er nachvollziehbar
begründet und ausreichend detailliert. Es sei ihm Beweiswert zuzuerkennen.
Gestützt darauf stellte sie eine Einschränkung im Haushalt von 39 % fest.

4.2. Die Versicherte macht geltend, sie habe den Abklärungsbericht in der
Beschwerde vom 7. Mai 2012 (auf welche sie für die Details verweise) eingehend
kritisiert und beispielsweise geltend gemacht, dass ihr Mann nun selber invalid
sei und seine Mithilfe im Haushalt wegfalle, dass sie im Gegensatz zu früher
keine unentgeltliche Dritthilfe mehr beanspruchen könne und dass die
Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht genügend in die Beurteilung der
einzelnen Tätigkeiten eingeflossen sei. Auf diese Rügen sei das kantonale
Versicherungsgericht nur ungenügend eingegangen. Angesichts der für den
erwerblichen Bereich feststehenden vollständigen Arbeitsunfähigkeit sei die
Annahme, sie sei ohne Dritthilfe in der Lage, "ihren Haushalt im Umfang von
über 60 % selber zu erledigen", unhaltbar.

4.3. Die vorinstanzlichen Feststellungen zu den Einschränkungen im Haushalt
sind weder offensichtlich unrichtig noch sonst wie bundesrechtswidrig. Soweit
die Versicherte geltend macht, sie könne keine unentgeltliche Dritthilfe mehr
beanspruchen, ihr Mann sei "nun" selber invalid und könne im Haushalt nicht
mehr mithelfen, ist fraglich, ob sie sich auf die massgebende Zeit bis zum
Verfügungserlass (hier: 21. März 2012) bezieht. Denn nach den Angaben der
Versicherten gegenüber der Abklärungsperson half der bereits im Januar 2012
gesundheitlich angeschlagene Ehemann im Haushalt mit, vor allem bei der
Essenszubereitung am Abend, bei der Erledigung der Wäsche und als Begleitung
bei grösseren Einkäufen; es wurde einzig angegeben, dass die Fensterreinigung
künftig von Dritten ausgeführt werden müsse (Bericht vom 20. Januar 2012 und
Stellungnahme der Abklärungsperson vom 20. März 2012). Es verletzt kein
Bundesrecht, dass die Vorinstanz auf diese Angaben abgestellt hat. Inwiefern
sich die Verhältnisse in den zwei Monaten bis zum Verfügungserlass entscheidend
verändert haben sollen, ist weder dargetan noch sonst wie ersichtlich. Gleiches
gilt für den geltend gemachten Wegfall der (ohnehin nur in geringem Mass
berücksichtigten) unentgeltlichen Dritthilfe, welche nach dem Abklärungsbericht
vom 20. Januar 2012 darin bestand, dass eine Tante ein- bis zweimal pro Woche
das Essen vorbeibrachte und beim Wechseln der Bettwäsche half und dass eine
Nachbarin bei Abwesenheit des Ehemannes die Wäsche aus der Waschmaschine nahm
und in den Tumbler legte. Nicht gefolgt werden kann sodann der in der
Beschwerde erhobenen Rüge, wonach die Verschlechterung des Gesundheitszustandes
ungenügend berücksichtigt worden sei. Die von der Abklärungsperson
festgehaltene Einschränkung ist auch bei einem Vergleich mit dem früheren
Abklärungsbericht vom 11. August 2008 nachvollziehbar: So ergab sich in den
Bereichen Ernährung und Einkauf eine Erhöhung der Einschränkung um je 10 % (auf
50 % und 30 %) und im Bereich Wäsche eine solche um 20 % (auf 50 %). Dass
sodann die Einschränkungen in Erwerb und Haushalt mit 100 und 39 % weit
auseinanderliegen, ist nicht ungewöhnlich: Eine gesundheitliche
Beeinträchtigung wirkt sich oft in viel geringerem Ausmass auf die Erledigung
der Hausarbeiten aus als auf die Teilerwerbstätigkeit, so dass im
Aufgabenbereich häufig ein tieferer Invaliditätsgrad als im erwerblichen
Bereich resultiert (so bereits BGE 125 V 146 E. 5c/dd S. 160 unten f.; vgl.
auch MEYER/REICHMUTH, a.a.O., N. 181 zu Art. 28a IVG). Dies ist auch im Rahmen
der gesetzlich vorgesehenen gemischten Methode, deren Rechtmässigkeit unlängst
bestätigt wurde (BGE 137 V 334), hinzunehmen.

5. 
Ausgehend von einer gesundheitsbedingten Einschränkung von 100 % in dem mit 36
% zu gewichtenden erwerblichen Bereich (Teilinvaliditätsgrad von 36 %) und
einer solchen von 39 % in dem mit 64 % zu gewichtenden Aufgabenbereich
(Teilinvaliditätsgrad von 24.96 %), resultiert ein Gesamtinvaliditätsgrad von
(gerundet [dazu BGE 130 V 121]) 61 % (36 % + 24.96 %). Aufgrund dieser
erheblichen Änderung des Invaliditätsgrades (Art. 17 Abs. 1 ATSG) hat die
Versicherte ab 1. Oktober 2011 (Art. 88a Abs. 2 in Verbindung mit Art. 88bis
Abs. 1 lit. a IVV) Anspruch auf eine Dreiviertelsrente der
Invalidenversicherung (Art. 28 Abs. 2 IVG).

6. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdegegnerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die obsiegende
Beschwerdeführerin hat Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 2
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 2. Juni 2015 und die Verfügung der
IV-Stelle des Kantons Aargau vom 21. März 2012 werden aufgehoben. Die
Beschwerdeführerin hat ab 1. Oktober 2011 Anspruch auf eine Dreiviertelsrente
der Invalidenversicherung. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.

4. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Versicherungsgericht des Kantons Aargau
zurückgewiesen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Pensionskasse Post, dem
Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 29. Januar 2016

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann

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