Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 556/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_556/2015

Urteil vom 3. November 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Pfiffner, Moser-Szeless,
Gerichtsschreiber Grünenfelder.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Eugen Koller,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Thurgau, Rechts- und Einsprachedienst, St. Gallerstrasse
13, 8500 Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom
13. Mai 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die 1965 geborene A.________ meldete sich im August 1992 wegen Darmbeschwerden
(Morbus Crohn) bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach einer
Abweisung des Leistungsbegehrens traten psychische Probleme hinzu, weshalb im
September 1997 eine Neuanmeldung erfolgte. Die IV-Stelle Thurgau gewährte
A.________ ab 1. Dezember 1997 (bis 31. Oktober 1998 in Form einer
Härtefallrente, ab 1. November 1998 infolge Verschlechterung des
Gesundheitszustandes) eine halbe Invalidenrente (Verfügung vom 30. Juni 2000).
Im Rahmen einer Rentenrevision wurde bei der MEDAS eine polydisziplinäre
Begutachtung (Gutachten vom 27. November 2003) veranlasst. Gestützt darauf
sprach die IV-Stelle A.________ ab 1. August 2002 eine ganze Invalidenrente zu
(Verfügungen vom 30. Juni 2005).
Im August 2012 wurde erneut eine Rentenrevision eingeleitet. Die IV-Stelle
holte beim Zentrum B.________ ein polydisziplinäres Gutachten ein, das vom 2.
Oktober 2013 datiert. Ergänzend wurde am Spital C.________ eine 3D-Anorektale
Manometrie durchgeführt (Bericht vom 11. Juni 2014). Aufgrund der Ergebnisse
dieser Abklärungen hob die IV-Stelle die ganze Invalidenrente der Versicherten
mit Verfügung vom 3. Februar 2015 auf (Invaliditätsgrad: 8 %).

B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau
mit Entscheid vom 13. Mai 2015 ab.

C. 
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Rechtsbegehren, in Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei ihr weiterhin
eine ganze Invalidenrente auszurichten; eventualiter sei die Angelegenheit zur
Vornahme weiterer Abklärungen an die IV-Stelle, allenfalls an die Vorinstanz,
zurückzuweisen; sodann ersucht A.________ um unentgeltliche Rechtspflege.
Erwägungen:

1.

1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter
anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

1.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 2
BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und
Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), nur die geltend gemachten
Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind. Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten gilt eine
qualifizierte Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280 f.
mit Hinweisen).

2. 
Das kantonale Gericht hat den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin im
Zeitpunkt der Begutachtung durch die MEDAS (Gutachten vom 27. November 2003)
mit den Einschätzungen der Gutachter des Zentrums B.________ (Gutachten vom 2.
Oktober 2013) verglichen. Gestützt auf das psychiatrische Teilgutachten des
Zentrums B.________ vom 22. Juli 2013hat es auf eine gesundheitliche
Verbesserung geschlossen und einen Revisionsgrund bejaht (Art. 17 Abs. 1 ATSG).
Die Vorinstanz hat in Bezug auf die aktuellen Verhältnisse dem Gesamtgutachten
des Zentrums B.________ vom 2. Oktober 2013 und dem Bericht des Spital
C.________ vom 11. Juni 2014 über die 3D-Anorektale Manometrie Beweiskraft
zuerkannt. Gestützt auf eine Arbeitsfähigkeit von 90 % in adaptierter Tätigkeit
hat sie den von der IV-Stelle ermittelten Invaliditätsgrad von 8 % bestätigt
und der Versicherten aufgrund fehlender subjektiver Eingliederungsfähigkeit
keine beruflichen Massnahmen gewährt.

2.1. Bei den gerichtlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit bzw. deren Veränderung in einem bestimmten Zeitraum handelt es
sich grundsätzlich um eine Tatfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.). Ebenso
stellt die konkrete Beweiswürdigung eine Tatfrage dar. Dagegen sind die
unvollständige Feststellung rechtserheblicher Tatsachen sowie die Missachtung
des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG) und der
Anforderungen an den Beweiswert ärztlicher Berichte und Gutachten Rechtsfragen
(BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232).

2.2.

2.2.1. Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, die vom psychiatrischen
Gutachter festgestellten Widersprüche gründeten einzig auf
Übersetzungsproblemen, benennt sie keine konkreten sachrelevanten
Missverständnisse zwischen ihr und dem Gutachter, die auf eine Unverwertbarkeit
der psychiatrischen Exploration hindeuten. Ob die Begutachtung in der
Muttersprache der versicherten Person oder unter Beizug eines Dolmetschers
erfolgt, ist für ein verlässliches Resultat nicht massgebend. Relevant ist
einzig, dass die sprachliche Verständigung zwischen dem medizinischen Experten
und der Explorandin gegeben ist, sodass das Gutachten in beweismässiger
Hinsicht verwertbar ist (vgl. Urteil 8C_913/2013 vom 18. April 2011 E. 3.3).
Dies ist hier der Fall. Ausserdem ist weder ersichtlich noch näher
substantiiert (E. 1.2), dass die Explorationsdauer, welche grundsätzlich im
Ermessen des Gutachters liegt (vgl. Urteil 9C_671/2012 vom 15. November 2012 E.
4.5 mit Hinweisen), zu kurz bemessen gewesen wäre. Eine Dauer von 45 Minuten,
wie sie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht wird, verunmöglicht eine
fachgerechte Begutachtung nicht zum vorneherein, selbst wenn die Angaben
übersetzt werden mussten. Im Übrigen hat der psychiatrische Gutachter klar
deklariert, dass seine Untersuchung zehn Minuten länger dauerte, als von der
Versicherten dargelegt, nämlich 55 Minuten (von 13.00 bis 13.55 Uhr).

2.2.2. Der psychiatrische Gutachter des Zentrums B.________ Dr. med. D.________
ging explizit von einer Verbesserung des Gesundheitszustands im fraglichen
Zeitraum aus. Aufgrund des psychiatrischen Gutachtens ist nachvollziehbar, dass
die bei der Versicherten - zeitweise auch stark vorhandenen - Schwankungen des
affektiven Zustands die Diagnosekriterien einer relevanten depressiven Störung
nicht mehr erfüllen (Remission der im Gutachten der MEDAS vom 27. November 2003
noch diagnostizierten depressiven Symptomatik). Sodann bezog der psychiatrische
Experte - anders als in der Beschwerde dargelegt - die subjektiven Angaben der
Explorandin (insbesondere krampfartige Schmerzen in den Waden und den übrigen
Beinanteilen) ein und hielt diesbezüglich fest, dass keine somatoforme
Schmerzstörung bzw. Somatisierungsstörung (mehr) diagnostiziert werden könne.
Vor diesem Hintergrund deutet nichts auf eine lediglich andere Beurteilung
eines im Wesentlichen gleich gebliebenen Sachverhalts hin, wie sie die
Beschwerdeführerin geltend macht (vgl. dazu BGE 112 V 371 E. 2b S. 372; Urteil
8C_972/2009 vom 27. Mai 2010 E. 3.2, nicht publ. in: BGE 136 V 216, aber in:
SVR 2011 IV Nr. 1 S. 1). Hinzu kommt, dass Letztere seit 2011 unbestritten
nicht mehr in therapeutischer oder medikamentöser psychiatrischer Behandlung
steht. Dies würdigte der psychiatrische Experte hinreichend und wies im Übrigen
auf den Widerspruch hin, dass die Explorandin in der gutachterlichen
Untersuchung angab, seit Ende der ambulanten Behandlung in einem psychisch
schlechteren Zustand zu sein, ohne diesen aber konkret beschreiben zu können.
Die Beweiskraft des psychiatrischen Teilgutachtens des Zentrums B.________ vom
22. Juli 2013 wird schliesslich auch nicht durch die Tatsache geschmälert, dass
die Versicherte nach eigenen Angaben mittlerweile durch ihre Tochter betreut
wird. Im Gegenteil: Für die gutachterlich attestierte Verbesserung des
psychischen Gesundheitszustands spricht klar, dass die Fürsorge von
Familienangehörigen mittlerweile ausreicht, um die (auch im Gutachten des
Zentrums B.________ gewürdigten) depressiven Schwankungen zu überbrücken.

2.2.3. Insgesamt liegen mit Blick auf die von der Beschwerdeführerin erhobenen
Rügen keine Anhaltspunkte vor, dass das psychiatrische Teilgutachten des
Zentrums B.________ vom 22. Juli 2013 nicht beweiskräftig ist. Das kantonale
Gericht hat gestützt darauf das Vorliegen eines Revisionsgrundes (Art. 17 Abs.
1 ATSG) zu Recht bejaht und den Rentenanspruch allseitig geprüft (vgl. statt
vieler Urteile 9C_223/2011 vom 3. Juni 2011 E. 3.1 und 9C_330/2014 vom 23. Juli
2014 E. 5.1, je mit Hinweisen).

2.3. In Bezug auf den Gesundheitszustand der Versicherten im massgeblichen
Zeitpunkt des Verfügungserlasses hat die Vorinstanz erwogen, angesichts der bei
der 3D-Anorektalen Manometrie im Spital C.________ (Bericht vom 11. Juni 2014)
festgestellten unauffälligen Befunde erscheine das gastroenterologische
Teilgutachten des Zentrums B.________ vom 15. Juli 2013) nachvollziehbar und
überzeugend.
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass sich bei der 3D-Anorektalen
Manometrie vom 11. Juni 2014 keine gravierenden Auffälligkeiten zeigten. Das
kantonale Gericht hat diesbezüglich die Stellungnahme des Regionalen Ärztlichen
Dienstes (nachfolgend: RAD) vom 15. Juli 2014 einbezogen. Darin wurden die
medizinischen Akten umfassend gewürdigt und festgehalten, dass unter
Berücksichtigung der im Spital C.________ erhobenen Untersuchungsergebnisse auf
das Gutachten des Zentrums B.________ abgestellt werden kann. Gegen die
Beweiskraft des RAD-Berichts (vgl. dazu SVR 2009 IV Nr. 50 S. 153, 8C_756/2008;
Urteil 9C_692/2014 vom 22. Januar 2015 E. 3.3) bringt die Versicherte nichts
vor (E. 1.2). Ihr Einwand, der fragliche Bericht und das gastroenterologische
Teilgutachten des Zentrums B.________ seien nicht beweiskräftig, hält nicht
stand. Soweit die Versicherte auch gegen die Beweiskraft des angiologischen
Teilgutachtens vom 16. September 2013 Einwände erhebt, ist ihr
entgegenzuhalten, dass der angiologische Gutachter des Zentrums B.________ Dr.
med. E.________ ihre subjektive Angaben in seine Beurteilung einbezog. Er legte
insbesondere dar, dass die in Ruhe beklagten Schmerzen in beiden Beinen mit
Sicherheit nicht auf eine Verschlusskrankheit zurückzuführen seien. Ob bei
einer solchen - wie die Beschwerdeführerin einwendet - auch in sitzender
Tätigkeit Schmerzen auftreten, kann somit dahingestellt bleiben. Ausser Frage
steht, dass der ausgeglichene Arbeitsmarkt (vgl. Art. 16 ATSG) Stellen kennt,
bei denen Treppen steigen vermieden werden kann. Den diesbezüglichen Einwänden
gegen das Belastungsprofil ist nicht zu folgen.

2.4. Nach dem Gesagten (vgl. E. 2.2 und 2.3) ist die vom kantonalen Gericht
vertretene Auffassung, wonach der Versicherten in adaptierter Tätigkeit eine
Arbeitsfähigkeit von 90 % (Leistungseinbusse von 10 % bei vollzeitlicher
Präsenz) anzurechnen ist, zu bestätigen. Eine Verletzung des
Untersuchungsgrundsatzes liegt nicht vor (Art. 43 Abs. 1 und 61 lit. c ATSG);
der Verzicht auf weitere Abklärungen erfolgte in zulässiger antizipierender
Beweiswürdigung (BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236; 134 I 140 E. 5.3 S. 148; 124 V 90
E. 4b S. 94).

3. 
Was den von Vorinstanz und IV-Stelle ermittelten Invaliditätsgrad von 8 %
betrifft, so ist darin - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung
- auch der in der Verfügung vom 3. Februar 2015 auf 5 % festgelegte Abzug vom
Tabellenlohn (BGE 126 V 75 E. 5b/bb S. 80) enthalten. Die Beschwerdeführerin
bestreitet die Bemessung des Invaliditätsgrades nach der gemischten Methode (40
% Haushalt; 60 % Erwerb) im Grundsatz nicht (vgl. Verfügung vom 1. Mai 2012).
Ob ihr ein (höherer) Abzug vom Tabellenlohn zu gewähren ist, stellt eine
typische Ermessensfrage dar, die nur eingeschränkter Korrektur zugänglich ist
(Ermessensüberschreitung, -missbrauch oder -unterschreitung; vgl. BGE 137 V 71
E. 5.1 S. 72 f. mit Hinweis auf BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399). Weiterungen dazu
erübrigen sich, da sich selbst bei Anrechnung eines (maximalen) Abzugs vom
Tabellenlohn von 25 % im erwerblichen Bereich ein (gewichteter)
Invaliditätsgrad von unter 1 % (bei einem Invaliditätsgrad von [gewichtet]
unbestritten 8 % im Haushalt) ergibt. Mithin kann offen bleiben, ob die
Versicherte einen überprüfbaren Ermessensfehler überhaupt gerügt hat (E. 1.2).

4. 
Zu prüfen bleibt, ob die Beschwerdeführerin Anspruch auf berufliche
Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung hat.

4.1. Im Regelfall ist eine medizinisch attestierte Verbesserung der
Arbeitsfähigkeit auf dem Weg der Selbsteingliederung zu verwerten. Bei
Versicherten, die bei Herabsetzung oder Aufhebung der Invalidenrente das 55.
Altersjahrs vollendet haben oder eine Rentenbezugsdauer von mindestens 15
Jahren aufweisen, ist - von Ausnahmen abgesehen - eine Selbsteingliederung
indes nicht mehr zumutbar (Urteil 9C_228/2010 vom 26. April 2011 E. 3, in: SVR
2011 IV Nr. 73 S. 220; vgl. auch Urteil 9C_183/2015 vom 19. August 2015 E. 5
mit Hinweisen).

4.2. 

4.2.1. Die Vorinstanz hat der Versicherten Eingliederungsmassnahmen verweigert,
obschon ihr seit mehr als 15 Jahren Rentenleistungen ausgerichtet wurden. Einen
Ausnahmefall (E. 4.1) hat sie damit begründet, dass die Gutachter des Zentrums
B.________ die Verwertbarkeit bzw. Umsetzung der wiedererlangten
Arbeitsfähigkeit nicht von zusätzlichen beruflichen Massnahmen abhängig gemacht
haben. Das kantonale Gericht hat insbesondere darauf verwiesen, dass solche
nach Ansicht der medizinischen Experten des Zentrums B.________ nicht
nutzbringend sind, weil die Versicherte überzeugt ist, keiner Arbeit mehr
nachgehen zu können, und sie mehrfach durch unkooperatives und inkongruentes
Verhalten aufgefallen ist.

4.2.2. Die Beschwerdeführerin bezog ab 1. Dezember 1997 (bis 31. Oktober 1998
in Form einer Härtefallrente, ab 1. November 1998 infolge Verschlechterung des
Gesundheitszustandes) eine halbe und ab 1. August 2002 eine ganze
Invalidenrente. Der Rentenbezug ging mit einer berufs- und arbeitsmarktlichen
Abstinenz einher, die während eines erheblichen Teils der erwerblichen
Aktivität andauerte (vom 32. bis zum 50. Altersjahr der 1965 geborenen
Versicherten). Ausserdem verfügt die Beschwerdeführerin über eine ausgesprochen
geringe Schulbildung (fünf Jahre Volksschule in der Türkei). Nach ihrer
Einreise in die Schweiz 1982 und der Geburt von zwei Kindern (1983 und 1987)
arbeitete sie einige Monate lang als Näherin und war danach ab Juni 1989 als
Haushaltsangestellte in der Heil- und Bildungsstätte F.________ tätig. Im Juni
1991 gab sie jegliche erwerbliche Beschäftigung auf und meldete sich im August
1992 aufgrund ihres Darmleidens zum Rentenbezug an. Damit steht fest, dass die
Versicherte auf keine - und sei es auch weit zurückliegende - gefestigte und
unter heutigen Verhältnissen aktivierbare berufliche Erfahrung zurückgreifen
kann, welche für die Selbsteingliederung verwertbar wäre. Hinzu kommt, dass
eine Arbeitsfähigkeit ausschliesslich für körperlich leichte Arbeiten im Sitzen
und unter Vermeidung längerer Gehstrecken besteht (vgl. angiologisches
Gutachten von Dr. med. E.________ vom 16. September 2013). Angesichts dieses
Belastungsprofils ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Chancen auf einen
Eingliederungserfolg durch berufliche Massnahmen grundsätzlich verbessert
werden können. Dass mögliche Verweistätigkeiten auf dem ausgeglichenen
Arbeitsmarkt vorhanden sind und keine besonderen Qualifikationen erfordern,
führt nicht dazu, dass ein Wiedereinstieg ins Berufsleben allein vermittels
Eigenanstrengung möglich wäre. Das Arbeitsumfeld hat sich, seit die Versicherte
ihre Erwerbstätigkeit aufgegeben hat, auch im Bereich einfacher Hilfsarbeiten
verändert (zu denken ist an den technischen Fortschritt und die gestiegene
Automatisierung). Vor diesem Hintergrund ist ihr ein sofortiger beruflicher
Wiedereinstieg selbst in Hinblick auf solche Tätigkeiten nicht ohne Weiteres
zumutbar. Daran ändert nichts, dass die Beschwerdeführerin durch inkongruentes
und nicht immer vollständig kooperatives Verhalten aufgefallen ist. Die
Vorinstanz hat vor allem aufgrund des Verhaltens im Rahmen der medizinischen
Abklärungen auf eine fehlende subjektive Eingliederungsfähigkeit im
Zusammenhang mit beruflichen Massnahmen geschlossen, was unzulässig ist. Dies
gilt umso mehr, als selbst aus ärztlicher Sicht in Bezug auf die ausreichende
Mitarbeit der Versicherten keine Klarheit bestand (vgl. Bericht des Spital
C.________ vom 11. Juni 2014). Wohl wird im Gutachten des Zentrums B.________
davon gesprochen, dass bei der Versicherten die Überzeugung bestehe, keiner
Arbeit mehr nachgehen zu können. Indes hat die Vorinstanz komplett
ausgeblendet, dass die Beschwerdeführerin schon im Vorbescheidverfahren
berufliche Massnahmen wünschte und damit einen Eingliederungswillen bekundete.
Insoweit müssen früheres Verhalten und Indizien älteren Datums, die auf
mangelnde Motivation hindeuten, relativiert werden (vgl. Urteil 8C_422/2012 vom
5. Oktober 2012 E. 4.3). Von einer mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl.
Urteil 9C_726/2011 vom 1. Februar 2012 E. 5.1 mit Hinweis) fehlenden
Bereitschaft der Versicherten, an beruflichen Massnahmen mitzuwirken, kann
jedenfalls nicht ausgegangen werden.

4.2.3. Insgesamt hat die Vorinstanz Bundesrecht verletzt, indem sie die
rentenaufhebende Verfügung vom 3. Februar 2015 bestätigt hat, obschon der
Beschwerdeführerin keine beruflichen Massnahmen gewährt wurden. Die Verwaltung
hat die Verwertbarkeit der wiedergewonnenen Arbeitsfähigkeit zu prüfen und die
nach den konkreten Umständen unerlässlichen Eingliederungsmassnahmen -
allenfalls unter Durchführung des Verfahrens gemäss Art. 21 Abs. 4 ATSG - an
die Hand zu nehmen, soweit deren Voraussetzungen erfüllt sind. Anschliessend
ist über die revisionsweise Aufhebung des Rentenanspruchs neu zu verfügen.

5. 
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden
Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG), welche der
Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung auszurichten hat (Art. 68 Abs. 1
und 2 BGG).
 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Thurgau vom 13. Mai 2015 und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons
Thurgau vom 3. Februar 2015 werden aufgehoben. Die Sache wird zur neuen
Verfügung im Sinne der Erwägungen an die IV-Stelle des Kantons Thurgau
zurückgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.

4. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau
zurückgewiesen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 3. November 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Grünenfelder

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