Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 536/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_536/2015

Urteil vom 21. März 2016

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Pfiffner, Moser-Szeless,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Peter Kaufmann,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Freiburg, Route du Mont-Carmel 5, 1762 Givisiez,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Freiburg vom 22. Juni 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________, geboren 1949, war seit 1. Oktober 2010 im Zuschnitt/Verkauf der
B.________ AG tätig. Am 30. April 2012 musste er sich wegen eines
Bandscheibenvorfalls einem operativen Eingriff unterziehen. Die
Arbeitgeberfirma löste das Arbeitsverhältnis mit Kündigungsschreiben vom 15.
Oktober 2012 per Ende 2012 auf, unter Hinweis auf eine vollständige
Arbeitsunfähigkeit des A.________ vom 30. April bis 18. August 2012 sowie eine
50%ige Arbeitsunfähigkeit ab 19. August 2012. Am 5. Oktober 2012 meldete sich
A.________ bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle
des Kantons Freiburg verfügte nach medizinischen und erwerblichen Abklärungen
sowie nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren (Vorbescheid vom 10. Juni 2013)
am 12. August 2013 die Abweisung des Leistungsbegehrens.

B. 
Die dagegen von A.________ erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht
Freiburg, I. Sozialversicherungsgerichtshof, mit Entscheid vom 22. Juni 2015
ab.

C. 
A.________ beantragt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
die Aufhebung des angefochtenen Entscheids sowie die Verpflichtung der
IV-Stelle, ihm rückwirkend ab 1. April 2013 eine ganze, eventualiter eine halbe
Rente zuzusprechen.
Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung, die
IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem
die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Der Versicherte hatte sich am 5. Oktober 2012 bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug angemeldet. Der Rentenanspruch konnte frühestens sechs Monate
später, somit am 1. April 2013 entstehen (Art. 29 Abs. 1 und 3 IVG). Streitig
ist demnach die Anspruchsberechtigung vom 1. April 2013 bis zum Erreichen des
AHV-Rentenalters am 1. April 2014 und in diesem Zusammenhang zum einen, ob die
Vorinstanz korrekt von einer uneingeschränkten Arbeitsfähigkeit in einer
adaptierten Tätigkeit ausgegangen ist und zum andern, ob sie die (Rest-)
Arbeitsfähigkeit mit Blick auf das vorgerückte Alter des Versicherten
bundesrechtskonform als verwertbar erachtet hat.

3.

3.1. Das kantonale Gericht stellte nach Würdigung der medizinischen Unterlagen
fest, RAD-Arzt Dr. med. C.________, Allgemeine Medizin FMH, sei am 24. April
2013 zu Recht von einer vollen Arbeitsfähigkeit in einer optimal angepassten
Tätigkeit ausgegangen. Der behandelnde Arzt (Dr. med. D.________, Spital
E.________) habe erst nach dem negativen Vorbescheid seine Meinung insoweit
geändert, als auch in einer adaptierten Tätigkeit die Arbeitsfähigkeit nur noch
50 % betrage. Der den Versicherten im Auftrag der Krankenversicherung
untersuchende PD Dr. med. F.________, Facharzt für Chirurgie, habe zwar eine
"glaubhafte" Einschränkung in der im Jahr 2013 durch Vermittlung eines
Bekannten zustande gekommenen befristeten Arbeit - welche den funktionellen
Anforderungen an eine adaptierte Tätigkeit indes nicht entsprochen habe -
bestätigt. PD Dr. med. F.________ habe aber durchblicken lassen, dass er sich
dabei auf die subjektiven Angaben des Beschwerdeführers abgestützt habe.
Ausserdem habe PD Dr. med. F.________ eine 50%ige Arbeitsunfähigkeit explizit
nur für alle Tätigkeiten und Kraftanwendungen über Schulterhöhe attestiert. Die
verbleibende Aktivitätsdauer bis zum Erreichen des AHV-Rentenalters habe zwar
nur ein Jahr und acht Monate betragen. Die diversen funktionellen
Einschränkungen seien indes nicht derart ausgestaltet gewesen, dass für den
Beschwerdeführer keine Möglichkeit mehr bestanden hätte, eine angepasste
Tätigkeit auszuüben. Er verfüge über einen Lehrabschluss, habe regelmässig
Weiterbildungen absolviert und hätte seine Fähigkeit in einer adaptierten
Tätigkeit einsetzen können, was auch die befristete Arbeitstätigkeit bis Ende
Oktober 2013 gezeigt habe. Die Beschwerdegegnerin sei korrekt von einer vollen
Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit ab August 2012 ausgegangen.

3.2. Der Beschwerdeführer beanstandet, das kantonale Gericht sei "nur bedingt
richtig" von einer vollständigen Arbeitsfähigkeit in einer körperlich leichten
Tätigkeit ausgegangen. Nach ärztlicher Einschätzung habe eine vollständige
Arbeitsfähigkeit allein für Bürotätigkeiten bestanden, weshalb die IV-Stelle zu
Unrecht alle leichten Arbeiten als uneingeschränkt zumutbar erachtet habe. Für
die verbliebene Aktivitätsdauer von einem Jahr und acht Monaten sei,
entsprechend der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, eine vollständige
Erwerbsunfähigkeit anzunehmen. Die notwendige Zeit für eine Einarbeitung in die
ihm fremde Bürosparte wäre mit Blick auf die nahe Pensionierung gar nicht mehr
vorhanden gewesen.

4.

4.1. Soweit der Beschwerdeführer einen von den tatsächlichen Feststellungen der
Vorinstanz abweichenden Sachverhalt geltend macht oder die eigene
Beweiswürdigung erläutert, genügen seine Ausführungen den Anforderungen an eine
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht (BGE 137 II 353 E.
5.1 S. 356; Urteil 9C_779/2010 vom 30. September 2011 E. 1.1.2, nicht publ. in:
BGE 137 V 446, aber in: SVR 2012 BVG Nr. 11 S. 44). Inwiefern die
vorinstanzliche Feststellung offensichtlich unrichtig sein soll, wonach die
(behandelnden) Ärzte am Spital E.________ zunächst in einer adaptierten
Tätigkeit eine uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit attestiert und erst nach dem
abschlägigen Vorbescheid eine Einschränkung von 50 % festgehalten hatten, ist
der Beschwerde nicht zu entnehmen. Die Darstellung des Beschwerdeführers findet
auch in den Akten keine Stütze. Diesen ist vielmehr zu entnehmen, dass die
Ärzte des Spitals E.________ am 30. November 2012 wie auch am 10. April 2013
ausgeführt hatten, in einer angepassten Tätigkeit könne eine vollständige bzw.
(jedenfalls) mehr als 50 % betragende Arbeitsfähigkeit erreicht werden. Erst am
17. Juli 2013 gingen sie von einer maximal 50 % betragenden Arbeitsfähigkeit
aus. Was die Beurteilung des Dr. med. F.________ betrifft, gibt der
Beschwerdeführer lediglich den zweiten Teil von dessen Einschätzungen wieder.
Dr. med. F.________ hielt klar fest, die von ihm attestierte Einschränkung von
mindestens 50 % (bleibend bis zur Erreichung des Pensionsalters) gelte
lediglich für "alle Tätigkeiten und Kraftanwendungen über Schulterhöhe" und
betraf nicht, wie die Ausführungen des Versicherten nahelegen, sämtliche
Tätigkeiten. Vor diesem Hintergrund ist die vorinstanzliche Beweiswürdigung und
die daraus resultierende Feststellung, aus ärztlicher Sicht habe in allen
adaptierten Tätigkeiten eine uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit bestanden, in
keiner Weise zu beanstanden.

4.2. Was die Rüge betrifft, das kantonale Gericht habe zu Unrecht die
Verwertbarkeit seiner Arbeitsfähigkeit in einem als ausgeglichen unterstellten
Arbeitsmarkt (vgl. Art. 7 Abs. 1 und 16 ATSG) trotz fortgeschrittenem Alter
bejaht (was als Rechtsfrage frei zu prüfen ist; z.B. Urteil 9C_954/2012 vom 10.
Mai 2013 E. 3), besteht unter den Parteien Einigkeit, dass gestützt auf ein
Arztzeugnis vom 16. August 2012 die verbleibende Aktivitätsdauer auf ein Jahr
und 8 Monate festzusetzen sei (vgl. BGE 138 V 457 E. 3.3 S. 461; vorangehende
E. 3). Ob dies korrekt ist oder ob erst der spätere ausführlichere Bericht vom
30. November 2012 genügende medizinische Klarheit für den Rentenentscheid
brachte, fällt nicht ins Gewicht und kann offen bleiben (der Rentenanspruch
konnte, wie dargelegt, frühestens sechs Monate nach Anmeldung, somit ab 1.
April 2013 entstehen; vorangehende E. 2). Wenn das kantonale Gericht bei einer
uneingeschränkten Arbeitsfähigkeit in einer adaptierten (körperlichen)
Tätigkeit unter Berücksichtigung der erworbenen beruflichen Fähigkeiten die
Verwertbarkeit für zumutbar erachtete (E. 4.1 hievor), kann dies nicht als
bundesrechtswidrig bezeichnet werden. Zwar war der Beschwerdeführer
insbesondere mit Blick auf die relativ kurze verbleibende Aktivitätsdauer
sicherlich nicht leicht vermittelbar. Indes waren ihm aus medizinischer Sicht,
wie dargelegt, sämtliche adaptierten Tätigkeiten, im Einzelnen alle Arbeiten
mit der Möglichkeit häufiger Positionswechsel und einer Gewichtslimite von 15
kg (Bericht des Spital E.________ vom 10. April 2012) bzw. ohne Tätigkeiten und
Kraftanwendungen über Schulterhöhe (Einschätzung des Dr. med. F.________ vom
26. August 2013) uneingeschränkt zumutbar. Im Lichte der Rechtsprechung
(zusammenfassend dargelegt z.B. Urteil 9C_847/2015 vom 30. Dezember 2015 E.
4.1) und angesichts der relativ hohen Hürden betreffend die Unverwertbarkeit
der Restarbeitsfähigkeit auch älterer Menschen verletzte die Vorinstanz kein
Bundesrecht, wenn sie einen invalidenversicherungsrechtlich erheblich
erschwerten Zugang des Beschwerdeführers zum Arbeitsmarkt verneinte. Die
Beschwerde ist unbegründet.

5. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Freiburg,
Sozialversicherungsgerichtshof, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 21. März 2016

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Bollinger Hammerle

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