Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 532/2015
Zurück zum Index II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2015
Retour à l'indice II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2015


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_532/2015

Urteil vom 21. März 2016

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Pfiffner, Moser-Szeless,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

Verfahrensbeteiligte
 A.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle Basel-Stadt, Lange Gasse 7, 4052 Basel,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Basel-Stadt vom 7. Januar 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________, geboren 1965, meldete sich am 25. Mai 2011 bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons
Basel-Stadt tätigte verschiedene Abklärungen, namentlich veranlasste sie eine
psychiatrische Begutachtung bei Dr. med. B.________, Facharzt FMH für
Psychiatrie und Psychotherapie (Expertise vom 12. Dezember 2012), und eine
rheumatologische Exploration bei Dr. med. C.________, Facharzt FMH für
Rheumatologie sowie für Innere Medizin, vom 20. Juni 2013 (Untersuchung vom 10.
Juni 2013). Nachdem A.________ am 12. März 2013 Opfer eines Raubüberfalls
geworden war und gegenüber Dr. med. C.________ erklärt hatte, es gehe ihr
emotional viel schlechter, kam Dr. med. C.________ zum Schluss, es könne nicht
allein auf die psychiatrische Begutachtung vom 12. Dezember 2012 abgestellt
werden. Ein erneutes psychiatrisches Gutachten des Dr. med. B.________ datiert
vom 18. Juni 2013 (basierend auf einer Untersuchung vom 13. Juni 2013). Nach
weiteren Abklärungen, zahlreichen Eingaben der A.________ und durchgeführtem
Vorbescheidverfahren verfügte die IV-Stelle am 5. Februar 2014 die Zusprechung
einer befristeten ganzen Rente vom 1. November 2011 bis 30. September 2012.

B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde von A.________ wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Entscheid vom 7. Januar
2015 ab.

C. 
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die Anordnung eines
Obergutachtens unter Wahrung ihrer Verfahrensrechte. Eventuell sei die Sache
zur Neubeurteilung an die IV-Stelle zurückzuweisen. In verfahrensrechtlicher
Hinsicht ersucht sie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und um
Zusprechung einer Parteientschädigung.

Erwägungen:

1. 

1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

1.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Immerhin prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen
Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur
die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).

2. 
Die Beschwerdeführerin rügt ausschliesslich die fehlende Verwertbarkeit des
zweiten Gutachtens von Dr. med. B.________ vom 18. Juni 2013 aus formellen
Gründen.

2.1. Das kantonale Gericht stellte fest, die Versicherte sei unbestritten nicht
vorgängig über die zweite Begutachtung durch Dr. med. B.________ in Kenntnis
gesetzt worden. Es erwog, in Anbetracht der konkreten Umstände, namentlich der
im Anschluss an einen erlittenen Raubüberfall vom 12. März 2013 geltend
gemachten psychischen Verschlechterung und der Ablehnung des behandelnden
Psychiaters, Auskünfte zu erteilen (unter Hinweis auf die Unvereinbarkeit mit
der therapeutischen Situation), scheine die Anordnung einer zweiten
Begutachtung einleuchtend. Eine Aufhebung der Verfügung und Rückweisung der
Sache an die Beschwerdegegnerin zum nochmaligen Entscheid wäre eine unnötige
Verfahrensverzögerung. In formeller Hinsicht sei entscheidend, dass die
Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Untersuchung am 13. Juni 2013 keine
Vorbehalte gegen die Person des Gutachters bzw. die erneute psychiatrische
Exploration geltend gemacht habe. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs sei
nicht so gravierend, dass sie einer Heilung unzugänglich wäre.

2.2. Die Beschwerdeführerin macht, wie bereits im vorinstanzlichen Verfahren
geltend, am 13. Juni 2013 habe gar keine nochmalige Untersuchung durch Dr. med.
B.________ stattgefunden. Der angefochtene Entscheid basiere daher wesentlich
auf tatsachenwidrigen Feststellungen. Weil sie nicht vorgängig über die erneute
Exploration durch Dr. med. B.________ informiert worden sei, habe sie ihre
Rechte gemäss Art. 44 ATSG nicht wahrnehmen können.

3. 
Die Argumentation der Beschwerdeführerin ist zumindest nicht widerspruchsfrei,
soweit sie einerseits vorbringt, die Untersuchung durch Dr. med. B.________ vom
13. Juli 2013 habe gar nicht stattgefunden und anderseits geltend macht, es
habe an einer vorgängigen Ankündigung der Begutachtung gefehlt und damit eine
Verletzung ihrer Verfahrensrechte rügt, die nur bei einer tatsächlich erfolgten
Exploration in Betracht fällt. Aus nachfolgend dargelegten Gründen vermag sie
auch keine Bundesrechtswidrigkeit des angefochtenen Entscheids darzutun.

3.1. Dem Gutachten des Dr. med. B.________ vom 18. Juni 2013 ist zu entnehmen,
dass er die Versicherte am 13. Juni 2013 von 13.30 Uhr bis 14.30 Uhr untersucht
hatte und die Beschwerdeführerin zur Untersuchung durch ihren Sohn begleitet
worden war. Wenn das kantonale Gericht - auch unter Berücksichtigung der von
Dr. med. B.________ gegenüber RAD-Arzt Dr. med. D.________ am 18. Oktober 2013
bestätigten tatsächlich erfolgten Exploration - festgestellt hatte, die
Untersuchung durch Dr. med. B.________ habe stattgefunden, ist dies
letztinstanzlich bindend (E. 1.1 hievor).

3.2. 

3.2.1. Der Versicherungsträger nimmt die notwendigen Abklärungen von Amtes
wegen vor (Art. 43 Abs. 1 ATSG). Muss er zur Abklärung des Sachverhalts ein
Gutachten eines oder einer unabhängigen Sachverständigen einholen, so gibt er
der Partei deren oder dessen Namen bekannt. Diese kann den Gutachter aus
triftigen Gründen ablehnen und sie kann Gegenvorschläge machen (Art. 44 ATSG).
Im konkreten Fall hatte Dr. med. C.________ mit einem Faxschreiben, welches den
Sendevermerk "11. Juni 2013, 13:15 Uhr" trägt, dem Regionalen Ärztlichen Dienst
(RAD) eine vorangegangene Besprechung mit RAD-Arzt Dr. med. E.________
bestätigt, wonach Dr. med. B.________ die Explorandin "nochmals mit
Einverständnis der IV sehen" und anschliessend eine Konsensbesprechung mit ihm
erfolgen werde. Unbestritten wurde die Beschwerdeführerin von der
Beschwerdegegnerin über die neuerliche Begutachtung bei Dr. med. B.________
nicht informiert und ihr damit die Wahrung ihrer Mitwirkungsrechte im Sinn von
Art. 44 2. Satz ATSG verunmöglicht. Indes besteht kein Zweifel daran, dass die
erneute Begutachtung mit Einverständnis der Beschwerdegegnerin erfolgte. Dies
ergibt sich einerseits aus der Anfrage der Beschwerdegegnerin vom 27. Juni 2013
an den RAD um Stellungnahme zum Gutachten des Dr. med. C.________ (inklusive
Konsensbesprechung mit Dr. med. B.________) und insbesondere aus den
Erläuterungen der Beschwerdegegnerin im vorinstanzlichen Beschwerdeverfahren
("Mit Einverständnis des RAD nahm Dr. B.________ daraufhin eine erneute
Begutachtung der Beschwerdeführerin vor"). Dass das bei den Akten liegende
Exemplar des Faxschreibens von Dr. med. C.________ an den RAD nebst dem
automatischen Sendevermerk (11. Juni 2013, 13.15 Uhr) den Eingangsstempel bei
der Beschwerdegegnerin vom 18. Juni 2013 trägt, ist vor diesem Hintergrund
nicht entscheidwesentlich.

3.2.2. Die Beschwerdeführerin macht weder geltend, sie hätte bei vorgängiger
Orientierung Gegenvorschläge für die Wahl der sachverständigen Person machen
wollen, noch stellt sie die fachlichen Qualifikationen des Dr. med. B.________
in Frage (wozu sie im Übrigen bereits anlässlich der ersten Begutachtung
Gelegenheit gehabt hätte). Auch sonst sind keinerlei Anhaltspunkte für
Ausstands- oder Ablehnungsgründe ersichtlich. Damit ist festzuhalten, dass das
Vorgehen der Beschwerdegegnerin bei der Durchführung des Begutachtungsauftrages
zwar nicht regelkonform war. Da die Beschwerdeführerin indes zu keinem
Zeitpunkt gesetzliche Ausstands- und/oder Ablehnungsgründe geltend gemacht hat,
war die Gehörsverletzung einer Heilung im kantonalen Beschwerdeverfahren
zugänglich (z.B. Urteil 8C_854/2010 vom 15. September 2010 E. 4.1.2). Die
Vorinstanz hat zu Recht einen der Verwertbarkeit des Gutachtens vom 18. Juni
2013 und der darauf basierenden Konsensbesprechung entgegen stehenden formellen
Grund verneint (vgl. auch Urteil 8C_596/2013 vom 24. Januar 2014 E. 6.1.2 f.).

4. 
Da die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist (Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG),
wird sie im vereinfachten Verfahren mit summarischer Begründung und unter
Hinweis auf den kantonalen Gerichtsentscheid (Art. 109 Abs. 3 BGG) erledigt.

5. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Umständehalber wird auf die
Erhebung von Gerichtskosten verzichtet (Art. 66 Abs. 1 BGG), weshalb das Gesuch
um unentgeltliche Rechtspflege insoweit gegenstandslos wird. Mangels
anwaltlicher Vertretung fällt die Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung
zum vornherein ausser Betracht (Art. 64 Abs. 2 BGG; z.B. Urteil 2C_955/2013 vom
2. Mai 2014 E. 8.2).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. 
Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 21. März 2016
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Bollinger Hammerle

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben