Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 521/2015
Zurück zum Index II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2015
Retour à l'indice II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2015


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
9C_521/2015        
{T 0/2}

Urteil vom 10. Dezember 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch B.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 23. Juni 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________, geboren 1950, meldete sich am 1. Juni 2012 unter Hinweis auf
Schmerzen in den Beinen und im Rücken sowie Probleme beim Gehen nach einer
Operation, bestehend seit 11. Dezember 2011, bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich führte erwerbliche und
medizinische Abklärungen durch und veranlasste eine Abklärung der
beeinträchtigten Arbeitsfähigkeit in Beruf und Haushalt (Bericht vom 30. Mai
2013). Nachdem A.________ gegen einen abschlägigen Vorbescheid vom 30. Mai 2013
Einwände erhoben hatte, beauftragte die IV-Stelle die Klinik C.________ mit
einer Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit (EFL; Bericht vom 1. Mai
2014). Nach erneuter Stellungnahme von A.________ verfügte die IV-Stelle am 30.
Juli 2014, es bestehe kein Anspruch auf eine Invalidenrente.

B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde von A.________ wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 23. Juni 2015
ab.

C. 
A.________ beantragt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die Zusprechung einer ganzen
Invalidenrente ab 1. Dezember 2012.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.

2.1. Die Vorinstanz stellte fest, bei der Beschwerdeführerin bestehe ein Status
nach mikrochirurgischer Dekompression L3/4/S1 beidseits von links am 17. Januar
2012, eine persistierende Parese ab L4 und eine schwere
Lendenwirbelsäulendegeneration. Das Gericht erwog, die Reduktion der
Erwerbsarbeit von ursprünglich 80 % sei aus - unbeachtlichen -
invaliditätsfremden Gründen erfolgt. Nach erfolglosen rund dreijährigen
Arbeitsbemühungen der Versicherten scheine nicht überwiegend wahrscheinlich,
dass sie ohne Gesundheitsschaden wieder eine Erwerbstätigkeit von 80 % ausgeübt
hätte. Im Einklang mit der von der Beschwerdegegnerin in ihrer
Beschwerdeantwort vertretenen Ansicht sei davon auszugehen, die
Beschwerdeführerin hätte im Umfang von maximal 40 % weitergearbeitet. Gestützt
auf den Bericht der Klinik C.________ vom 1. Mai 2014, wonach eine
Verkäuferinnentätigkeit halbtags, maximal vier Stunden täglich zumutbar sei,
fehle es an einer Einschränkung im erwerblichen Bereich, weil die attestierte
Arbeitsfähigkeit das zuletzt ausgeübte Pensum (von maximal 40 %) übersteige.
Damit bestehe weder Anlass für einen Leidensabzug noch stelle sich die Frage,
ob das fortgeschrittene Alter einer Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit
entgegen stünde.
Betreffend die Einschränkung im Aufgabenbereich sei auf den vollumfänglich
beweiskräftigen (Haushalt-) Abklärungsbericht vom 30. Mai 2013 abzustellen.
Insbesondere dem Bericht der Klinik C.________ lasse sich nichts entnehmen, was
zu einer anderen Beurteilung führe. Es sei daher von einer Einschränkung im
Aufgabenbereich von 26,96 % auszugehen. Damit resultiere kein
rentenbegründender Invaliditätsgrad.

2.2. Die Beschwerdeführerin rügt, es sei willkürlich, nur bezüglich der
Statusfrage, nicht aber hinsichtlich des Invalideneinkommens auf
invaliditätsfremde Faktoren abzustellen. Die Statusbestimmung habe sich nach
einem hypothetischen Arbeitsmarkt zu richten, auf welchem sie zu 80 %
erwerbstätig gewesen wäre, wie dies auch bis zum Stellenverlust im Jahr 2009
der Realität entsprochen habe. Eine Arbeitstätigkeit wäre ihr gemäss dem
Resultat der EFL noch im Umfang von 20 - 30 % zumutbar. Die
Resterwerbsfähigkeit sei aber mit Blick auf ihr fortgeschrittenes Alter, die
gesundheitlichen Limitierungen und fehlende Bildung nicht mehr verwertbar.
Gestützt auf die Ergebnisse der EFL sei die Einschränkung im Haushalt auf
mindestens 70 % zu veranschlagen. Bei einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit im
Erwerbsbereich (zu gewichten mit 0,8) und einer mindestens 70%igen
Einschränkung im Haushalt (zu gewichten mit 0,2) resultiere ein IV-Grad von 94
%.

3.

3.1. Ob und gegebenenfalls in welchem zeitlichen Umfang eine in einem
Aufgabenbereich tätige versicherte Person (Art. 5 Abs. 1 IVG in Verbindung mit
Art. 8 Abs. 3 ATSG) ohne gesundheitliche Beeinträchtigung erwerbstätig wäre
(Statusfrage), ergibt sich aus der Prüfung, was sie bei im Übrigen
unveränderten Umständen täte, wenn keine gesundheitliche Beeinträchtigung
bestünde. Entscheidend ist nicht, welches Ausmass der Erwerbstätigkeit der
versicherten Person im Gesundheitsfall zugemutet werden könnte, sondern in
welchem Pensum sie hypothetisch erwerbstätig wäre (BGE 133 V 504 E. 3.3 S. 507;
Urteil 8C_586/2014 vom 22. Dezember 2014 E. 5.1; je mit Hinweisen). Bei im
Haushalt tätigen Versicherten im Besonderen (vgl. Art. 27 IVV) sind die
persönlichen, familiären, sozialen und erwerblichen Verhältnisse ebenso wie
allfällige Erziehungs- und Betreuungsaufgaben gegenüber Kindern, das Alter, die
beruflichen Fähigkeiten und die Ausbildung sowie die persönlichen Neigungen und
Begabungen zu berücksichtigen. Massgebend sind die Verhältnisse, wie sie sich
bis zum Erlass der Verfügung entwickelt haben, wobei für die hypothetische
Annahme einer im Gesundheitsfall ausgeübten (Teil-) Erwerbstätigkeit der im
Sozialversicherungsrecht übliche Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit erforderlich ist (BGE 130 V 393 E. 3.3 S. 396; 125 V 146 E.
2c S. 150 mit Hinweisen; Urteil 9C_922/2011 vom 29. Mai 2012 E. 3.1.1).

3.2. Die auf Würdigung konkreter Umstände, nicht ausschliesslich auf die
allgemeine Lebenserfahrung oder auf arbeitsmarktliche Empirie gestützte
Festsetzung des hypothetischen Umfangs der Erwerbstätigkeit ohne
gesundheitliche Beeinträchtigung ist eine Tatfrage, welche das Bundesgericht
nur eingeschränkt überprüft (E. 1 hievor; Urteil 8C_585/2014 vom 22. Dezember
2014 E. 5.1 mit Hinweisen).

4. 
Es steht fest und ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin während Jahren,
namentlich auch im Kleinkindalter ihrer 1978 und 1984 geborenen Töchter stets
mit einem Pensum von mindestens 80 % erwerbstätig gewesen war, bevor sie im
Februar 2009 aus wirtschaftlichen Gründen ihre Stelle als Verkäuferin in der
Modebranche verlor. Anschliessend gelang es ihr nicht mehr, längerfristig mit
einem ähnlich hohen Pensum erwerbstätig zu sein. Aus den Akten geht nichts
hervor, was darauf hindeutet, dass die Arbeitsstellen bei der D.________ AG
(bei welcher die Versicherte ab März 2010 drei Monate gearbeitet hatte, bevor
ihr aus ihr unbekannten Gründen gekündigt worden war) und bei der Firma
E.________ (ab Oktober 2010; die Kündigung erfolgte nach Angabe der
Versicherten während der Probezeit) aus gesundheitlichen Gründen aufgelöst
worden wären; die Rückenproblematik trat auch erst im Dezember 2011 auf. Was
die weiteren, erfolglos gebliebenen Arbeitsbemühungen betrifft, gab die
Beschwerdeführerin an, sie habe wegen ihres Alters keine andere Arbeit mehr
gefunden. Die vorinstanzlichen Feststellungen, die Reduktion des Arbeitspensums
sei auf invaliditätsfremde Gründe zurückzuführen und es sei nicht überwiegend
wahrscheinlich, dass die Versicherte als Gesunde bei Verfügungserlass wieder
eine 80%ige Erwerbstätigkeit ausgeübt hätte, sind vor diesem Hintergrund nicht
offensichtlich unrichtig und somit für das Bundesgericht verbindlich (E. 1
hievor).

5. 
Die Vorinstanz ging gestützt auf die EFL von einer Arbeitsfähigkeit von vier
Stunden pro Tag aus. Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, die Aussage
der Ärzte, es sei "bei Kumulation verschiedener Belastungsfaktoren eine leichte
Reduktion der zeitlichen Arbeitsbelastung pro Tag in Form einer Reduktion der
Arbeitspräsenz erforderlich", bedeute eine zusätzliche Reduktion der maximalen
Arbeitszeit von vier Stunden, kann ihr nicht gefolgt werden. Die angeführte
Einschränkung aus medizinischer Sicht bezog sich ausdrücklich auf die 
allgemeine arbeitsbezogene Belastbarkeit ein Bezug zur bisherigen (Teilzeit-)
Tätigkeit erfolgte erst anschliessend an diese generellen Ausführungen.

Inwiefern das kantonale Gericht gegen Bundesrecht verstossen haben soll, indem
es die Einschränkung im Aufgabenbereich gestützt auf den Abklärungsbericht vom
30. Mai 2013 mit 26,96 % bezifferte, legt die Beschwerdeführerin nicht
rechtsgenüglich dar. Aus dem Bericht der Klinik C.________ lässt sich
jedenfalls nichts ableiten, was die Beurteilung im Abklärungsbericht vom 30.
Mai 2013 in Frage stellen könnte. Es bleibt somit beim angefochtenen Entscheid,
wonach - sowohl bei einem Arbeitspensum von 40 % wie auch bei einem solchen von
60 % - kein rentenbegründender Invaliditätsgrad besteht.

6. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten der
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 65 Abs. 4 lit. a und Art. 66 Abs. 1 Satz
1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 10. Dezember 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Bollinger Hammerle

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben