Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 518/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_518/2015

Urteil vom 16. November 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Sutter,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons St. Gallen,
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 11. Juni 2015.

Sachverhalt:

A. 
Nach auf Früherfassung vom 13. Mai 2008 und Anmeldung zum Leistungsbezug vom
16./20. Juni 2008 hin erfolgten medizinischen Abklärungen, Behandlungsauflagen,
Berufsberatung sowie Eingliederungsversuchen und zuletzt der Einholung einer
polydisziplinären Expertise der medizinischen Abklärungsstelle B.________ vom
18. November 2013 - dem Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD) am 2./13. Dezember
2013 unterbreitet - lehnte die IV-Stelle des Kantons St. Gallen nach
Vorbescheid vom 7. Februar 2014 den Rentenanspruch des seit ... arbeitslosen
A.________ am 11. April 2014 mangels ausgewiesener Invalidität verfügungsweise
ab.

B. 
Die hiegegen eingereichte Beschwerde von A.________ wies das
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 11. Juni 2015 ab.

C. 
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Rechtsbegehren, es sei der kantonale Gerichtsentscheid aufzuheben und die Sache
"zur weiteren Abklärung der Ansprüche des Beschwerdeführers aus IVG" an die
IV-Stelle zurückzuweisen.

Erwägungen:

1. 
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und
ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an
die Erwägungen der Vorinstanz gebunden. Es kann eine Beschwerde aus einem
anderen als dem angerufenen Grund gutheissen oder mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 130 III 136
E. 1.4 S. 140).

2. 
Die vor Vorinstanz in Beschwerde und Replik gestellten Anträge betrafen die
Invalidenrente. Soweit das letztinstanzlich gestellte kassatorische und auf
Rückweisung lautende Rechtsbegehren auf andere Leistungen der
Invalidenversicherung abzielt, ist darauf nicht einzutreten (Art. 99 Abs. 2
BGG).

3.

3.1. Das kantonale Gericht hat bei der Beurteilung des nach dem Gesagten allein
streitigen Anspruches auf eine Invalidenrente (Art. 28 ff. IVG) entscheidend
auf die Expertise der medizinischen Abklärungsstelle B.________ vom 18.
November 2013 abgestellt, wogegen der Beschwerdeführer Einwände formeller
(namentlich sei die allgemein-internistische Untersuchung durch Dr. med.
C.________ erfolgt statt wie angekündigt durch Dr. med. D.________; zudem seien
die begutachtenden Ärzte voreingenommen) und materieller Art (fehlende
Beweiskraft aus verschiedenen Gründen) erhebt. Der erst in der vorinstanzlichen
Replik erhobene Vorwurf betreffend Dres. med. D.________/C.________ ist
verwirkt, nachdem im Anschluss an den Vorbescheid vom 7. Februar 2014 keine
entsprechende Rüge erhoben wurde.

3.2. Entsprechend Art. 8 ZGB, der im öffentlichen Recht und damit auch im
Sozialversicherungsrecht (sinngemäss) gilt (BGE 140 V 290 E. 4.1 S. 297), trägt
die versicherte Person im Rahmen der (erstmaligen) Anspruchsprüfung die Folgen
der Beweislosigkeit, wenn es - trotz von Amtes wegen vorzunehmender Abklärungen
(Untersuchungsgrundsatz; Art. 43, Art. 61 lit. c ATSG) - nicht gelingt, die für
die Invalidität nach Art. 8 ATSG erforderliche Anspruchsgrundlage, d.h. die
einer dauernden erheblichen Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit (Art. 6, Art. 7
ATSG) zugrunde liegenden Tatsachen - mit (zumindest) überwiegender
Wahrscheinlichkeit zu beweisen. Wegen Art. 7 Abs. 2 ATSG hat bei der
Folgenabschätzung als Aufgabe - indirekter - Beweisführung eine objektivierende
Betrachtungsweise Platz zu greifen (vgl. zum Ganzen grundsätzlich BGE 141 V 281
E. 3.7 S. 295 f.). Erforderlich ist dabei nach wie vor, dass das
ärztlicherseits als invalidisierend betrachtete Leiden im Rahmen eines
anerkannten Klassifikationssystems lege artis diagnostiziert werden kann (BGE
130 V 396). Eine Beweisregel, wonach im Zweifel zugunsten der versicherten
Person zu entscheiden wäre ("in dubio pro assicurato"), gibt es im Unterschied
zum Strafrecht nicht (BGE 134 V 315 E. 4.5.3 S. 321 f.).

3.3. Es steht ausweislich der Akten fest (und wurde im Übrigen vom
Beschwerdeführer in seinem Einwand vom 17. März 2014 gegen den Vorbescheid vom
7. Februar 2014 eingeräumt), dass die Beeinträchtigungen des Beschwerdeführers,
soweit es um ein invaliditätsrechtlich allein entscheidendes länger dauerndes
Leiden geht (Art. 28 Abs. 1 lit. b IVG), auf keine somatische Diagnose
zurückgeführt werden können. So war die im Vordergrund stehende "totale
Aphonie" nur vorübergehend (vgl. etwa die entsprechende Angabe des Hausarztes
vom 7. Juli 2008 gegenüber dem RAD, wogegen sich der Beschwerdeführer am 23.
Mai 2008 im Rahmen des Früherfassungsgesprächs gegenüber E.________, wenn auch
unter "Schluckbeschwerden", "Schwierigkeiten beim Sprechen" und von ihm
angenommenen "St[atus] n[ach] Vergiftung bei Gasunfall [?]" doch verständigen
konnte). Seither haben sich erst noch die Verhältnisse diesbezüglich
unbestritten etwas gebessert, und aus den übrigen oto-rhino-laryngologischen
Befunden bei Refluxoesophagitis Grad I lässt sich keine Invalidität herleiten.
Aber auch in psychischer Hinsicht war und ist angesichts der seit 2008
feststellbaren diametralen Widersprüche in den ärztlichen Beurteilungen eine
rechtlich erforderliche psychiatrische Diagnose nicht gesichert (vgl.
insbesondere RAD-Abklärung vom 9. März 2010/Bericht vom 26. März 2010:
Schmerzverarbeitungsstörung bei Verdacht auf anhaltende somatoforme
Schmerzstörung und anamnestisch Hinweisen für Status nach depressiver Episode;
Bericht psychiatrisches Zentrum F.________ vom 26. Oktober 2010, verfasst nach
drei Konsultationen in der Zeit vom 2. Juni bis 8. Juli 2010: keine
psychiatrische Diagnose, keine Einschränkungen aus psychiatrischer Sicht;
Expertise der medizinischen Abklärungsstelle B.________ vom 18. November 2013:
dissoziative Störung, differenzialdiagnostisch Somatisierungsstörung, ohne
Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit).

4. 
Angesichts dieser Beweislage war und ist das invaliditätsmässig unabdingbare
Anspruchsfundament nicht ausgewiesen. Weitere Beweismassnahmen vermöchten daran
nichts zu ändern. Der angefochtene Entscheid hält damit im Ergebnis stand. Die
Beschwerde, soweit zulässig, ist unbegründet.

5. 
Als unterliegende Partei hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen
(Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 16. November 2015
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Bollinger Hammerle

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