Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 514/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_514/2015

Urteil vom 14. Januar 2016

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
Gerichtsschreiber Furrer.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Dr. B.________, Rechtsberatung & Treuhand GmbH,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau,
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 4. Juni 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die 1958 geborene A.________, Mutter dreier erwachsener Kinder, zuletzt bis
Juli 2012 als Reinigungskraft bei der C.________ AG in einem Teilpensum (15
Stunden pro Woche) erwerbstätig gewesen, meldete sich am 22. November 2012 bei
der Invalidenversicherung (IV) zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons
Aargau (fortan: IV-Stelle) führte erwerbliche und medizinische Abklärungen
durch, namentlich veranlasste sie eine bidisziplinäre Begutachtung (Expertisen
der Dres. med. D.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, und
E.________, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin und Rheumatologie FMH, vom
26. und 30. Mai 2014). Nach Stellungnahme des Regionalen Ärztlichen Dienstes
vom 10. Juni 2014 und Durchführung des Vorbescheidverfahrens verneinte die
IV-Stelle mit Verfügung vom 27. August 2014 den Rentenanspruch mangels
Invalidität.

B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons
Aargau mit Entscheid vom 4. Juni 2015 ab.

C. 
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
beantragt, es sei der kantonale Gerichtsentscheid aufzuheben und die IV-Stelle
zu verpflichten, ihr "auch rückwirkend, bis auf Weiteres und/oder befristet"
eine ganze Invalidenrente auszurichten. Eventualiter sei ein neues
(psychiatrisches) Gutachten einzuholen.

Erwägungen:

1. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung
des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht zu Recht einen
rentenrelevanten Gesundheitsschaden verneint hat.
Die Vorinstanz hat die für die Beurteilung der Streitsache massgeblichen
materiell- und beweisrechtlichen Grundlagen gemäss Gesetz und Rechtsprechung
zutreffend dargelegt, worauf verwiesen wird. Dies betrifft namentlich die
Bestimmungen und Grundsätze zum Begriff der Invalidität (Art. 8 ATSG in
Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 IVG), zum nach dem Grad der Invalidität
abgestuften Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 Abs. 2 IVG), zur
Aufgabenteilung zwischen Medizin und Recht (BGE 140 V 193 E. 3.1 und 3.2 S. 194
f.; 132 V 93 E. 4 S. 99 f.) sowie zum Beweiswert und zur Beweiswürdigung
medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 137 V 210 E. 1.3.4 S. 227; 125 V 351
E. 3a S. 352).
Zu ergänzen ist, dass das Bundesgericht am 3. Juni 2015 zur invalidisierenden
Wirkung psychosomatischer Leiden das Grundsatzurteil 9C_492/2014 (BGE 141 V 281
) erlassen hat.

3. 
Die Vorinstanz erwog, gemäss dem voll beweiskräftigen Gutachten der Dres. med.
D.________ und E.________ vom 26. bzw. 30. Mai 2014 bestehe keine Diagnose mit
Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit. Der rheumatologische Experte habe in
Kenntnis der Vorakten sowie der Magnetresonanztomographie-Untersuchungen der
Hals- und Lendenwirbelsäule überzeugend dargelegt, die festgestellten
bildgebend-pathologischen Befunde müssten unter Berücksichtigung der
geschilderten Beschwerden und klinischen Befunde interpretiert werden. Im
Rahmen seiner Untersuchungen habe der Gutachter weder ein radikuläres Reiz-
noch ein Ausfallsyndrom feststellen können, auch hätten sich mittels der
zusätzlich erstellten Röntgenaufnahmen der ganzen Wirbelsäule die geklagten
Beschwerden nicht somatisch abstützen lassen. Letztere seien höchstens partiell
mit objektivierbaren Befunden erklärbar. Der psychiatrische Sachverständige
habe eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (F45.4) diagnostiziert, dieser
aber mangels fehlender psychischer Komorbidität und gehäuft erfüllter
Foerster-Kriterien keinen Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit zuerkannt. Ferner
habe er überzeugend ausgeführt, die Ressourcen der Beschwerdeführerin seien
lediglich subjektiv eingeschränkt. Mithin sei keine Einschränkung der
Arbeitsfähigkeit erstellt, womit die Statusfrage - da so oder anders keine
Invalidität vorliege - offen bleiben könne.

4. 
Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, entgegen dem somatischen
Experten seien die Beschwerden und die daraus resultierenden Schmerzen mittels
Befunde der Magnetresonanztomographie (v.a. mehrere Diskushernien) sehr wohl
medizinisch nachweis- und feststellbar. Dieser Einwand ist unbehelflich. Zu
Recht hat die Vorinstanz dem Umstand Rechnung getragen, dass bildgebend
nachgewiesene (pathologische) Befunde - entgegen der Ansicht der
Beschwerdeführerin - in der Regel für sich allein nicht den Schluss auf eine
Arbeitsunfähigkeit zulassen resp. gerade  keine Korrelation zwischen ärztlich
gestellter Diagnose (auch bei somatisch dominierten Leiden) und
Arbeitsunfähigkeit besteht (BGE 140 V 193 E. 3.1 S. 195 mit Hinweis auf
KLIPSTEIN/MICHEL/LÄUBLI ET AL., Do MRI findings correlate with mobility tests?,
Eur Spine 2007 S. 803-811). Mit Blick darauf, dass der Rheumatologe nach den
verbindlichen und unbestritten gebliebenen Feststellungen der Vorinstanz (E. 1
hievor) keine relevanten klinisch-pathologischen Befunde - insbesondere kein
radikuläres Reiz- oder Ausfallsyndrom - erheben konnte, hat das kantonale
Gericht nicht Bundesrecht verletzt (Art. 95 lit. a BGG), indem es dem
somatischen Teilgutachten, welches eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit für
die zuletzt ausgeübten Tätigkeiten sowie Haushaltsarbeiten verneinte, vollen
Beweiswert zuerkannt hat.
Was die anhaltende somatoforme Schmerzstörung betrifft, welcher
gutachterlicherseits sowie von der Vorinstanz - noch unter Beachtung der
inzwischen aufgegebenen Überwindbarkeitsvermutung - keine Auswirkungen auf die
Arbeitsfähigkeit beigemessen wurde, führt auch die Überprüfung nach BGE 141 V
281 zu keinem anderen Ergebnis: Aus dem psychiatrischen Gutachten, welches
seinen Beweiswert nicht per se verliert (BGE 141 V 281 E. 8 S. 309 m.H.a. BGE
137 V 210 E. 6 S. 266) und in concreto eine schlüssige Beurteilung im Lichte
der massgeblichen Indikatoren erlaubt, ergibt sich, dass mit Blick auf das doch
recht aktive Leben der Beschwerdeführerin (u.a. regelmässige Tagesgestaltung,
körperliche und soziale Aktivitäten [Spaziergänge, rege Kontakte mit
Familienangehörigen], regelmässige Ferienreisen in den Kosovo mit dem Auto oder
Flugzeug) sowie deren Schilderungen eine schwere Ausprägung der Störung, welche
bisher psychiatrisch nicht behandelt wurde, ausser Betracht fällt (vgl. Urteil
9C_125/2015 vom 18. November 2015 E. 7.1). Ferner fehlt eine psychische oder
somatische Komorbidität, namentlich sind die Beschwerden der Wirbelsäule nach
dem hievor Gesagten nicht invalidisierend (BGE 141 V 281 E. 4.3.1.3 S. 301).
Des Weiteren bestehen keine Hinweise auf die im Komplex Persönlichkeit (BGE 141
V 281 E. 4.3.2 S. 302) zu prüfenden Merkmale, welche im Rahmen der umfassenden
Ressourcenprüfung ins Gewicht fallen könnten. Gegenteils enthält der soziale
Lebenskontext (BGE 141 V 281 E. 4.3.3 S. 303), so die Einbettung in die Familie
und die Unterstützung durch diese, bestätigende, sich potenziell günstig auf
die Ressourcen auswirkende Faktoren. Zusammenfassend fehlt es unter
Berücksichtigung der nicht schwer ausgeprägten Schmerzstörung, fehlender
Komorbiditäten und eher günstiger persönlicher Ressourcen an einem
invalidisierenden Gesundheitsschaden. Eine Konsistenzprüfung (BGE 141 V 281 E.
4.4 S. 303 f.) erübrigt sich vor diesem Hintergrund. Weitere Abklärungen sind
nicht angezeigt. Damit hat es im Ergebnis beim angefochtenen Entscheid sein
Bewenden.

5. 
Die unterliegende Beschwerdeführerin trägt die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1
Satz 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 14. Januar 2016
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Furrer

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