Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 511/2015
Zurück zum Index II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2015
Retour à l'indice II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2015


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_511/2015

Urteil vom 15. Oktober 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Meyer, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
Gerichtsschreiber Fessler.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Fäh,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons St. Gallen,
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung
(Massnahmen beruflicher Art; Umschulung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 9. Juni 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________, gelernte kaufmännische Angestellte mit Berufsmaturität, erlitt am
... bei einem Sturz einen Beckenbruch. Im September 2011 meldete sie sich bei
der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach Abklärungen und
durchgeführtem Vorbescheidverfahren verneinte die IV-Stelle des Kantons St.
Gallen mit Verfügung vom 11. November 2014 einen Anspruch auf berufliche
Eingliederungsmassnahmen.

B. 
Die Beschwerde der A.________ wies das Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen mit Entscheid vom 9. Juni 2015 ab.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________,
der Entscheid vom 9. Juni 2015 sei aufzuheben und ihr Kostengutsprache für
berufliche Massnahmen, namentlich für eine Umschulung zu erteilen.

Erwägungen:

1. 
Streitgegenstand bildet die Frage, ob die Beschwerdeführerin gestützt auf Art.
17 Abs. 1 IVG Anspruch auf Umschulung namentlich zur Primarlehrerin hat.

2.

2.1. Die Vorinstanz hat für das Bundesgericht verbindlich festgestellt (Art.
105 Abs. 1 und 2 BGG), die Beschwerdeführerin sei in einer adaptierten
Tätigkeit, d.h. die körperlich leicht und wechselbelastend ist und entsprechend
ihrem jeweiligen gesundheitlichen Befinden im Sitzen, im Stehen oder im Gehen
ausgeübt werden kann, zu 100 % arbeitsfähig. Weiter hat das kantonale
Versicherungsgericht erwogen, gemäss Beschwerdegegnerin lasse die heutige
Büroinfrastruktur bzw. ergonomische Büroeinrichtung einen jederzeitigen
beliebigen Wechsel der Körperhaltung zu. Die allgemeine Lebenserfahrung zeige
zudem, dass es Arbeitsplätze für Kaufleute gebe, an denen nicht ununterbrochen
am Schreibtisch gearbeitet werden müsse, so dass die abwechselnd sitzend und
stehend ausgeübte Tätigkeit bei einem entsprechend geplanten Arbeitsverlauf
rechtzeitig durch Gehen unterbrochen werden könne. Ebenso wenig müssten schwere
Aktendossiers aus dem Regal genommen, herumgetragen und schliesslich wieder
eingeordnet werden. Daraus hat es gefolgert, die an einem geeigneten
Arbeitsplatz zu 100 % arbeitsfähige und damit in ihrem erlernten Beruf als
kaufmännische Angestellte vollerwerbsfähige Beschwerdeführerin sei nicht im
umschulungsspezifischen Sinne invalid.

2.2. Dem hält die Beschwerdeführerin entgegen, "Geharbeiten" gehörten zwingend
zum medizinischen Anforderungs- und Belastungsprofil, da erst sie zur
Entlastung der Beckenmuskulatur beitrügen und schmerzlindernd seien. Solche
Arbeiten könnten nicht nach Belieben einer kaufmännischen Angestellten
verrichtet werden. Diese seien meist weisungsgebunden und könnten ihren
Arbeitsalltag nicht frei einteilen. Es komme vor, dass an Tagen kaum kopiert
werde und nur Arbeiten am PC zu verrichten seien. Demgegenüber förderten im
Beruf einer Primarlehrerin Unterbrüche zwischen den Lektionen, Pausenaufsicht
auf dem Pausenhof, aktiver Unterricht vor der Klasse mit Benützung der
Wandtafel, verschiedene Unterrichtsfächer wie Turnen, Werken oder Handarbeit,
dreizehn Wochen unterrichtsfreie Zeit die gehenden Tätigkeiten und
Wechselbelastung enorm. Es erstaune daher wenig, dass sowohl PD Dr. med.
B.________ als auch Frau med. pract. C.________ die Umschulung zur
Primarlehrerin empfehlen würden.

3. 
Nach der Rechtsprechung setzt der Anspruch auf Umschulung voraus, dass die
versicherte Person wegen der Art und Schwere des Gesundheitsschadens in der
bisher ausgeübten Tätigkeit und in den für sie ohne zusätzliche berufliche
Ausbildung offen stehenden zumutbaren Erwerbstätigkeiten eine bleibende oder
länger dauernde Erwerbseinbusse von etwa 20 Prozent erleidet (BGE 124 V 108 E.
2b S. 110; Urteil 9C_122/2012 vom 5. Juni 2013 E. 4.2); dabei handelt es sich
um einen Richtwert (BGE 130 V 488 E. 4.2 in fine S. 490). Dieses
umschulungsspezifische Erfordernis ist nicht gegeben, wenn es - bei
ausgeglichener Arbeitsmarktlage (Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts I 139/
94 vom 13. November 1995 E. 2b/bb, in: AHI 1997       S. 79, I 436/92 vom 29.
September 1993 E. 4b sowie EVGE 1964      S. 160 E. 1) - ein genügend breites
Spektrum an Tätigkeiten gibt, die dem medizinischen Anforderungs- und
Belastungsprofil der versicherten Person entsprechen, von der Ausbildung und
beruflichen Erfahrung her zumutbar sind und im Durchschnitt nicht schlechter
entlöhnt werden als die zuletzt ausgeübte. Von einem solchen Sachverhalt ist
die Vorinstanz ausgegangen. Mit ihren Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin
nicht darzutun, inwiefern dies Bundesrecht verletzt (Art. 95 lit. a BGG).
Insbesondere ist nicht von Bedeutung, wie sie zur Hauptsache geltend macht,
dass der kaufmännische Bereich auch (vorwiegend sitzende) Tätigkeiten kennt,
welche aus medizinischer Sicht nicht in Betracht fallen und bei welchen sie in
ihrer Arbeitsfähigkeit in umschulungsrechtlich relevanter Weise eingeschränkt
wäre. Entscheidend ist, dass ein genügend breites Spektrum von dem beruflichen
und medizinischen Anforderungs- und Belastungsprofil entsprechenden Tätigkeiten
besteht, bei denen die Arbeitsfähigkeit nicht wesentlich eingeschränkt ist.
Dabei ist ohne Weiteres davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin mit einer
solchen Tätigkeit im Durchschnitt ebenso viel verdienen könnte wie mit der
zuletzt ausgeübten. 2011, in welchem Jahr sie verunfallte, hätte ihr Lohn Fr.
57'850.- (13 x Fr. 4'450.-) betragen (Fragebogen für Arbeitgebende vom 18.
Oktober 2011).
Die Beschwerde ist unbegründet.

4. 
Ausgangsgemäss wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1
BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 15. Oktober 2015
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Meyer

Der Gerichtsschreiber: Fessler

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben