Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 510/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]          
9C_510/2015 {T 0/2}     

Urteil vom 31. August 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Parrino,
Gerichtsschreiber Grünenfelder.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsdienst Integration Handicap,
Beschwerdeführer,

gegen

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung,
Speichergasse 12, 3011 Bern,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Invalidenversicherung
(vorinstanzliche Verfügung; unentgeltliche Rechtspflege),

Beschwerde gegen die Verfügung vom 11. Juni 2015.

Sachverhalt:

A. 
Der 1959 geborene A.________ wurde im Oktober 2010 von einem Metalltürrahmen im
Gesicht getroffen. Im Juli 2013 meldete er sich wegen Nackenschmerzen, Tinnitus
und einer Depression bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die
IV-Stelle Bern stützte sich auf ei n interdisziplinäres Gutachten des Zentrums
B.________ vom 20. Mai 2014 sowie die ergänzende Stellungnahme der Gutachter
vom 3. März 2015und verneinte einen Rentenanspruch des Versicherten mit
Verfügung vom 2. April 2014 (Invaliditätsgrad: 30 %).

B. 
Dagegen erhob A.________ beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern Beschwerde
und beantragte, die Verfügung vom 2. April 2015 sei aufzuheben, der
Einkommensvergleich sei korrekt vorzunehmen und es sei ihm eine Rente
zuzusprechen; mit gle ichem Datum (11. Mai 2015) ersuchte er um unentgeltliche
Rechtspflege.
Mit Verfügung vom 11. Juni 2015 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege infolge Aussichtslosigkeit ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, in Aufhebung der angefochtenen Verfügung sei das
Verwaltungsgericht anzuweisen, ihm für das vorinstanzliche Beschwerdeverfahren
die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren; der Beschwerde sei die
aufschiebende Wirkung zu erteilen. Sodann ersucht er auch für das Verfahren vor
Bundesgericht um unentgeltliche Rechtspflege.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern verzichtete auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Die angefochtene Verfügung vom 11. Juni 2015 stellt einen Zwischenentscheid
einer letzten kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG) dar, der einen
nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG
bewirken kann (SVR 2011 IV Nr. 22 S. 61, 9C_432/2010 vom 8. Juli 2010 E. 1; BGE
133 IV 335 E. 4 S. 338); auf die Beschwerde ist einzutreten.

2. 
Das kantonale Verwaltungsgericht hat die Aussichtslosigkeit der Beschwerde vom
11. Mai 2015 in Bezug auf den einzig strittigen Einkommensvergleich
(Valideneinkommen; Abzug vom Tabellenlohn) bejaht und das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege abgewiesen.
Der Beschwerdeführer erklärt sich mit der Begründung der Vorinstanz, wonach das
Valideneinkommen aufgrund der zuletzt verrichteten Tätigkeit zu ermitteln ist,
einverstanden. Er beruft sich indessen auf die aktuelle Rechtsprechung des
Bundesgerichts zur invalidisierenden Wirkung psychosomatischer Leiden (vgl. zur
Publikation vorgesehenes Urteil 9C_492/2014 vom 3. Juni 2015) und stellt in
Abrede, dass das Gutachten des Zentrums B.________ vom 20. Mai 2014/3. März
2015 mit Blick auf die neu massgeblichen Indikatoren eine schlüssige
Beurteilung seiner Arbeitsfähigkeit erlaubt; der Versicherte hält ergänzende
psychiatrische Abklärungen für notwendig und bestreitet die Aussichtslosigkeit
seiner Beschwerde.

2.1. Gemäss Art. 29 Abs. 3 BV hat jede Person, die nicht über die
erforderlichen Mittel verfügt, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn
ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Rechtsbegehren sind
aussichtslos, wenn die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die
Verlustgefahren, sodass sie kaum als ernsthaft bezeichnet werden können.
Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen finanziellen Mittel
verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde
(BGE 138 III 217 E. 2.2.4      S. 218; 131 I 113 E. 3.7.3 S. 122 f.; 129 I 129
E. 2.3.1 S. 135; 128 I 225 E. 2.5.3 S. 236).

2.2. Für die Beurteilung der Aussichtslosigkeit ist eine Betrachtung ex ante
vorzunehmen, auch wenn erst am Ende des Verfahrens darüber entschieden wird.
Abzustellen ist auf den Zeitpunkt, in dem das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege gestellt wurde (statt vieler: Urteil 2C_416/2014 vom 12. Juni 2015
E. 2.4; THOMAS GEISER, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl.
2011, N. 21 zu Art. 64 BGG mit Hinweis auf BGE 129 I 129 E. 2.3.1 S. 136; 128 I
225 E. 2.5.3 S. 236).
Dabei ist frei überprüfbare Rechtsfrage, welche Umstände bei der Beurteilung
der Prozessaussichten in Betracht fallen und ob sie für oder gegen eine
hinreichende Erfolgsaussicht sprechen (BGE 124 I 304 E. 2c S. 306 f.).

2.3. Der Beschwerdeführer stellt den vom kantonalen Verwaltungsgericht
vorgenommenen Einkommensvergleich nicht mehr in Frage; weitere Ausführungen
dazu erübrigen sich (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG). Zu prüfen bleibt, ob die
vorinstanzliche Schlussfolgerung, wonach die Beschwerde vom 11. Mai 2015
aussichtslos ist, mit Blick auf die Beurteilung der somatoformen Schmerzstörung
(vgl. Gutachten des Zentrums B.________ vom 20. Mai 2014/3. März 2015) vor
Bundesrecht Stand hält.
Hinsichtlich der Anwendung der mit Urteil 9C_492/2014 vom 3. Juni 2015
ergangenen Rechtsprechung ist entscheidwesentlich, dass das Gesuch des
Versicherten um unentgeltliche Rechtspflege am 12. Mai 2015 bei der Vorinstanz
einging. Zu diesem Zeitpunkt (E. 2.2) lag die fragliche Rechtsprechungsänderung
in Bezug auf die invalidenversicherungsrechtliche Relevanz psychosomatischer
Beschwerden noch nicht vor (vgl. Medienmitteilung des Bundesgerichts vom 17.
Juni 2015 bezüglich der am gleichen Tag erfolgten Veröffentlichung auf der
Webseite des Bundesgerichts; <http://www.bger.ch/index/press/
press-inherit-template/press-mitteilungen.htm> unter Archiv der
Pressemitteilungen [besucht am 26. August 2015]); eine Beurteilung des
(psychiatrischen) Gutachtens des Zentrums B.________ vom 20. Mai 2014/3. März
2015 nach Massgabe des erwähnten Urteils 9C_492/2014, wie sie vom
Beschwerdeführer geltend gemacht wird, fällt somit aus zeitlichen Gründen
ausser Betracht.

2.4. Die vorinstanzliche Schlussfolgerung, wonach die kantonale Beschwerde vom
11. Mai 2015 gegen die Verfügung der IV-Stelle vom 2. April 2014 keine Aussicht
auf Erfolg hat, verletzt im Ergebnis kein Bundesrecht. Die Beschwerde ist
unbegründet.

3. 
Mit dem sofortigen Urteil in der Sache wird das Gesuch um Gewährung der
aufschiebenden Wirkung (Art. 103 Abs. 1 und 3 BGG) gegenstandslos.

4. 
Auf die Erhebung von Gerichtskosten wird umständehalber verzichtet (Art. 66
Abs. 1 Satz 2 BGG). Das vom unterliegenden Beschwerdeführer für das Verfahren
vor Bundesgericht gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist
demzufolge gegenstandslos (vgl. Urteil 9C_338/2010 vom 17. Juni 2010).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der IV-Stelle Bern und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 31. August 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Grünenfelder

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