Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 509/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_509/2015

Urteil vom 15. Februar 2016

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner,
Gerichtsschreiber Fessler.

Verfahrensbeteiligte
Wohlfahrtsstiftung der Firma A.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Hans-Peter Stäger,
Beschwerdeführerin,

gegen

Ostschweizer BVG- und Stiftungsaufsicht, Poststrasse 28, 9000 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge
(freie Stiftungsmittel; Arbeitgeberbeitragsreserve),

Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Mai 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. Die Wohlfahrtsstiftung der Firma A.________ AG war im Jahre.... errichtet
worden. Im Hinblick auf das Inkrafttreten des BVG am 1. Januar 1985 wurde Art.
4 über den Stiftungszweck in der Stiftungsurkunde vom.... geändert (Verfügung
des Departements des Innern des Kantons St. Gallen vom 23. Oktober 1984). In
der Neuschrift der Stiftungsurkunde vom 11. Mai 1998 (genehmigt vom Amt für
berufliche Vorsorge und Stiftungen des Kantons St. Gallen mit Verfügung vom 26.
Mai 1998) wurde der Stiftungszweck neu in Art. 2 umschrieben.

A.b. An der Sitzung vom 7. Dezember 2012 beschloss der Stiftungsrat der
Wohlfahrtsstiftung der Firma A.________ AG, 43 % des freien Stiftungsvermögens
zur Finanzierung von (paritätischen) Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträgen im
Rahmen der (obligatorischen) beruflichen Vorsorge des Personals der
Stifterfirma zu verwenden. Das verbleibende Stiftungsvermögen sollte
vollumfänglich in die Arbeitgeberbeitragsreserve umgebucht werden. Gemäss der
Jahresrechnung 2012 wurden vom Stiftungskapital (Fr. 1'967'657.24 am 1. Januar
2012) Fr. 864'000.- an die Vorsorgeeinrichtung der Stifterfirma überwiesen und
Fr. 1'103'657.24 der Arbeitgeberbeitragsreserve zugewiesen.

Nachdem die Ostschweizer BVG- und Stiftungsaufsicht gegenüber dem von der
Wohlfahrtsstiftung beauftragten Rechtsanwalt jegliche Umbuchung von freien
Mitteln in die Arbeitgeberbeitragreserve als unzulässig bezeichnet hatte, wies
sie, darauf Bezug nehmend, den Stiftungsrat mit Schreiben vom 9. Juli 2013 an,
mit bis Ende Monat einzureichendem Beschluss die Summe von Fr. 1'103'657.24 in
die freien Mittel zurückzubuchen, unter Androhung von aufsichtsrechtlichen
Massnahmen.

B. 
Die Wohlfahrtsstiftung der Firma A.________ AG erhob Beschwerde, welche das
Bundesverwaltungsgericht, Abteilung III, nach zweifachem Schriftenwechsel und
nach Ablehnung des Gesuchs, dem Rechtsmittel aufschiebende Wirkung zu erteilen,
mit Entscheid vom 22. Mai 2015 abwies.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die
Wohlfahrtsstiftung der Firma A.________ AG, der Entscheid vom 22. Mai 2015 sei
aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

Die Ostschweizer BVG- und Stiftungsaufsicht und das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Anfechtungsgegenstand des erstinstanzlichen Beschwerdeverfahrens (vgl. dazu BGE
125 V 413 E. 1a S. 414) bildete das Schreiben vom   9. Juli 2013, mit welchem
die Aufsichtsbehörde die Beschwerdeführerin verpflichtete, die gemäss Beschluss
des Stiftungsrats vom    7. Dezember 2012 zum Jahresende vorgenommene Umbuchung
von Fr. 1'103'657.24 aus dem (freien) Stiftungsvermögen in die
Arbeitgeberbeitragsreserve rückgängig zu machen. Das Bundesverwaltungsgericht
hat den Verfügungscharakter dieser Anordnung bejaht und ist, da es auch die
weiteren Sachurteilsvoraussetzungen als erfüllt erachtete, auf die dagegen
erhobene Beschwerde eingetreten (Art. 89a [bis 31. Dezember 2012: Art. 89bis]
Abs. 6 Ziff. 19 ZGB i.V.m. Art. 74 Abs. 1 BVG). Seinen diesbezüglichen
Erwägungen ist insoweit in grundsätzlicher Hinsicht nichts beizufügen.

2. 
Als Streitgegenstand hat das Bundesverwaltungsgericht die Umbuchung von freiem
Stiftungsvermögen in die Arbeitgeberbeitragsreserve bezeichnet. Es habe daher
zu prüfen, ob dieser Vorgang bzw. die damit eingeleitete Mittelverwendung durch
Gesetz und Statuten gedeckt seien (E. 5 des angefochtenen Entscheids). Dazu hat
es im Wesentlichen erwogen, die vom Stiftungsrat an der Sitzung vom 7. Dezember
2012 ebenfalls beschlossene Übertragung des übrigen Stiftungsvermögens an die
Vorsorgeeinrichtung der Stifterfirma zur Finanzierung von (paritätischen)
Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträgen im Rahmen der (obligatorischen)
beruflichen Vorsorge von deren Personal (vgl. Art. 66 Abs. 1 und 2 BVG) sei mit
der Zweckbestimmung der Stiftung nicht vereinbar. Mit dem Beschluss zu einer
solchen Verwendung habe der Stiftungsrat sein Ermessen missbraucht und den
Stiftungszweck verletzt, sodass die Aufsichtsbehörde habe einschreiten müsse n.
Ein rechtswidriger Eingriff in die Souveränität der Beschwerdeführerin liege
nicht vor. Somit könne offen bleiben, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für
eine Umbuchung freien Vermögens in eine Beitragsreserve erfüllt seien. Da die
Beschwerdeführerin - nach der Nichterteilung der aufschiebenden Wirkung der
Beschwerde (Stiftungsratsbeschluss vom 20. August 2014) - die illegitime
Mittelverwendung durch entsprechende Umbuchung bereits rückgängig gemacht habe,
stehe die Verhältnismässigkeit der streitigen Anordnung nicht in Frage. Die
angefochtene Verfügung vom 9. Juli 2013 sei zu schützen (vgl. E. 6-9 des
angefochtenen Entscheids).

3. 
Das Bundesverwaltungsgericht hat zu Recht die nach seiner Auffassung
grundsätzliche Zweckwidrigkeit der Verwendung von freiem Stiftungsvermögen zur
Finanzierung von Beiträgen im Rahmen der (obligatorischen) beruflichen Vorsorge
des Personals der Stifterfirma nicht dispositivmässig festgehalten und die
Frage somit nicht verbindlich entschieden. Weder war dieser Punkt Teil des
Anfechtungsgegenstandes (E. 1 vorne; missverständlich die Verweisung auf BGE
125 V 413 E. 1b S. 415 in E. 4.4 des angefochtenen Entscheids), noch wären
insoweit die Voraussetzungen für eine Ausdehnung des Verfahrens (Spruchreife,
Tatbestandsgesamtheit, Prozesserklärung der verfügenden Behörde [BGE 130 V 501
E. 1.2 S. 503] sowie die Wahrung des rechtlichen Gehörs der Beschwerde
führenden Partei [BGE 122 V 34 E. 2c in fine S. 37]) gegeben gewesen. Umgekehrt
kann aus dieser - gemäss Beschwerdeführerin vom Stiftungszweck gedeckten -
Mittelverwendung nicht ohne weiteres auf die (Un-) Zulässigkeit der Umbuchung
von freiem Stiftungsvermögen in die Arbeitgeberbeitragsreserve geschlossen
werden. Daran ändert nichts, dass diese seit 1984 in der Jahresrechnung
bilanzmässig gesondert ausgewiesen wurden. Wie die Beschwerdeführerin richtig
vorbringt, ist nach Gesetz (Art. 331 Abs. 3 OR) und Rechtsprechung (Urteil
9C_707/2014 vom 15. April 2015 E. 1 und E. 4.2.1-3, in: SVR 2015 BVG Nr. 40 S.
150) eine spätere Umbuchung von rein patronal finanzierten Bestandteilen des
Stiftungsvermögens in die Arbeitgeberbeitragsreserve zulässig, soweit sie auch
dannzumal den gleichen (eingebrachten) Aktiven - oder deren Surrogate -
entsprechen, was die Stiftung nachzuweisen hat.

4. 
Nach dem Gesagten ist die Sache an das Bundesverwaltungsgericht zurückzuweisen,
damit es die Zulässigkeit der Umbuchung von Stiftungsvermögen in die
Arbeitgeberbeitragsreserve prüft. Aus prozessökonomischen Gründen erscheint es
angezeigt, unter Beachtung der Voraussetzungen für eine Verfahrensausdehnung
(E. 3 vorne) auch die Zweckkonformität der Verwendung von Stiftungsvermögen
zur    Finanzierung von (paritätischen) Beiträgen im Rahmen der
(obligatorischen) beruflichen Vorsorge des Personals der Stifterfirma zu
entscheiden.

5. 
Die ausgangsgemäss grundsätzlich kostenpflichtige Aufsichtsbehörde hat keine
Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 4 BGG). Die obsiegende Beschwerdeführerin hat
keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG; Urteil 9C_707/2014
vom 15. April 2015 E. 5, in: SVR 2015 BVG Nr. 40 S. 150).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts
vom 22. Mai 2015 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne
der Erwägungen an dieses zurückgewiesen.

2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung III,
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 15. Februar 2016

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Fessler

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