Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 477/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_477/2015

Urteil vom 5. November 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Meyer, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
Gerichtsschreiber Williner.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Advokat Stephan Müller,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle Basel-Stadt,
Lange Gasse 7, 4052 Basel,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Basel-Stadt vom 18. März 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. Der 1971 geborene A.________, welcher über keine Berufsbildung verfügt,
war zwischen 1992 und 1997 bei verschiedenen Arbeitgebern tätig, vorwiegend als
Ersatzteil-Logistiker. Er bezog im Zeitraum zwischen März 1997 und September
1998 Arbeitslosenentschädigung und wird seit Mai 1997 durch die Sozialhilfe
unterstützt. Mit Ausnahme kleinerer Arbeitseinsätze ist er seit anfangs 1997
keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgegangen und im Wesentlichen als Hausmann und
allein erziehender Vater seines im November 1998 geborenen Sohnes tätig.

A.b. A.________ meldete sich im Januar 2012 nach entsprechender Aufforderung
durch die Sozialhilfe bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an und
beantragte eine Rente der Invalidenversicherung. Die IV-Stelle Basel-Stadt
führte verschiedene erwerbliche und medizinische Abklärungen durch, namentlich
veranlasste sie eine psychiatrische Begutachtung bei Dr. med. B.________, FMH
Psychiatrie und Psychotherapie, (Gutachten vom 29. September 2012) und eine
Abklärung im Haushalt (Bericht vom 21. Januar 2014 sowie ergänzende
Stellungnahmen vom 7. Februar 2014 und vom 23. Mai 2014). Nachdem die
Verwaltung die Arbeitsvermittlung am 4. Juni 2013 abgeschlossen hatte, weil
sich der Versicherte nach seinen Angaben "subjektiv nicht arbeitsfähig" fühlte,
verneinte sie mit Verfügung vom 28. Mai 2014 den Anspruch auf eine Rente der
Invalidenversicherung (Invaliditätsgrad 15 %).

B. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt wies die dagegen
erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 18. März 2015 ab.

C. 
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Antrag auf Zusprechung einer Viertelsrente der Invalidenversicherung ab 1. Juli
2012.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem
die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zu Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze zum Anspruch und zum Umfang
des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und 2 IVG), zur Beurteilung der sog.
Statusfrage und damit zur anwendbaren Invaliditätsbemessungsmethode (bei
erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode [Art. 28a Abs.
1 IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG]; bei teilerwerbstätigen Versicherten nach
der gemischten Methode [Art. 28a Abs. 3 IVG]) sowie zum Beweiswert
medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E.
3 S. 252) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3. 
Einigkeit besteht in Bezug darauf, dass der Beschwerdeführer im Gesundheitsfall
in einem Pensum von 80 % einer Erwerbstätigkeit nachginge. Streitig und zu
prüfen ist, ob das kantonale Gericht in Bezug auf das verbleibende Pensum von
20 % zu Recht vom Bestehen eines Aufgabenbereichs und damit von der
Anwendbarkeit der gemischten Methode ausgegangen ist.

4.

4.1. Die Vorinstanz erwog, es sei beim Beschwerdeführer vom Vorliegen eines
anerkannten Aufgabenbereichs (Art. 28a Abs. 3 IVG in Verbindung mit Art. 27
IVV) auszugehen, wobei sie insbesondere seinen Betreuungspflichten gegenüber
dem Sohn, seiner seit Jahren ausgeübten Tätigkeit im Haushalt sowie den
Aussagen im Abklärungsbericht Haushalt vom 21. Januar 2014 Rechnung trug. Die
Feststellung, es liege ein anerkannter Aufgabenbereich vor, beruht somit auf
konkreter Beweiswürdigung und ist für das Bundesgericht verbindlich (SVR 2010
IV Nr. 35 S. 111, 9C_559/2009 E. 3), ausser wenn sie offensichtlich unrichtig
ist oder auf einer Rechtsverletzung beruht (vgl. E. 1 hievor).

4.2. Der Beschwerdeführer wendet ein, er hätte sein Arbeitspensum im
Gesundheitsfall überwiegend wahrscheinlich zwecks Gewinnung von Freizeit
reduziert, weshalb die Einkommensvergleichsmethode anzuwenden sei. Konkrete
Hinweise, welche diese Behauptung stützten, finden sich in den Akten nicht. Die
Vorbringen des Beschwerdeführers erschöpfen sich indessen in Überlegungen
allgemeiner Natur über den notwendigen Betreuungsaufwand für einen knapp
16-jährigen Jugendlichen sowie über gängige Motive einer Pensumsreduktion. Eine
offensichtlich unrichtige oder auf einer Rechtsverletzung beruhende
Sachverhaltsfeststellung durch die Vorinstanz lässt sich damit nicht begründen.

4.3. Nichts zu seinen Gunsten abzuleiten vermag der Beschwerdeführer aus der
Rüge, die Vorinstanz habe bei der Frage nach dem Vorliegen eines
Aufgabenbereichs willkürlich auf seine subjektiven Aussagen abgestellt, obwohl
diese zuvor bei der Frage nach dem hypothetischen Erwerbspensum als nicht
beweiskräftig erachtet worden seien. Die Vorinstanz hat den Aussagen des
Beschwerdeführers weder in Bezug auf die eine noch auf die andere Frage den
Beweiswert abgesprochen. Sie hat vielmehr erwogen, seine subjektiven Angaben
dürften aufgrund der Persönlichkeitsstörung nicht unbesehen übernommen werden.
Diesem Vorbehalt hat das kantonale Gericht Rechnung getragen, indem es die
Aussagen des Beschwerdeführers anlässlich des Erstabklärungsgesprächs
("Intake") vom 22. Februar 2012, wonach er Arbeit grundsätzlich ablehne, nicht
unbesehen übernommen hat. Stattdessen ging die Vorinstanz bei der Festlegung
des hypothetischen Erwerbseinkommens vom konkreten Bedarf aus. Dieses Vorgehen
steht entgegen den Behauptungen des Beschwerdeführers in Einklang mit seinen
Angaben im Abklärungsbericht Haushalt vom 21. Januar 2014. Damals hatte er
ausgeführt, er würde bei guter Gesundheit nur gerade so viel arbeiten, um den
Lebensunterhalt für sich und seinen Sohn unabhängig von der Sozialhilfe
bestreiten zu können. Das kantonale Gericht hat die im Abklärungsbericht
Haushalt vom 21. Januar 2014 protokollierten Aussagen des Beschwerdeführers
somit willkürfrei für sämtliche sich stellenden Fragen und mit der
krankheitsbedingt gebotenen Zurückhaltung berücksichtigt.

4.4. Erwerbstätigkeit und nichterwerblicher Aufgabenbereich sind
rechtsprechungsgemäss in dem Sinne komplementär, als die beiden Bereiche im
Regelfall einen Wert von 100 % ergeben, unabhängig davon, wie viel Zeit sich
die versicherte Person für die Hausarbeiten nimmt (BGE 141 V 15 E. 4.5 S. 22
f.). Auf diese Rechtsprechung hat auch der Beschwerdeführer hingewiesen.
Inwiefern hier abweichend vom Regelfall eine Ausnahme vorliegen soll, vermag er
jedoch nicht darzulegen. Der stattdessen zitierten abweichenden Auffassung
eines Teiles der neueren Literatur, wonach die Tätigkeit im Haushalt nur dann
zum anspruchsrelevanten Aufgabenbereich gehöre, wenn sie neben einem
Vollzeitpensum nicht mehr bewältigt werden könne und die versicherte Person
deswegen auf eine Erwerbstätigkeit verzichte, was weder bei den
teilzeiterwerbstätigen noch bei den nichterwerbstätigen Personen zwingend der
Fall sei, ist das Bundesgericht bereits in BGE 141 V 15 sowie im Urteil 9C_866/
2013 vom 15. April 2014 nicht gefolgt. Gründe für ein Abweichen von dieser
Praxis sind nicht ersichtlich.

4.5. Unbegründet ist die Rüge des Beschwerdeführers, seine Angaben im
Abklärungsbericht Haushalt vom 21. Januar 2014 seien unter Missachtung des
Anspruchs auf rechtliches Gehör zustande gekommen. Der Beschwerdeführer
verkennt, dass er im Vorbescheidverfahren Gelegenheit erhielt, zum
Abklärungsbericht Haushalt vom 21. Januar 2014 Stellung zu nehmen (vgl.
Einwandschreiben vom 18. Februar 2014). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs
liegt offenkundig nicht vor. Eine solche lässt sich auch nicht im Umstand
erblicken, dass die Vorinstanz auf eine Auseinandersetzung mit demselben
Vorwurf im kantonalen Verfahren verzichtete. So ist das kantonale Gericht zwar
verpflichtet, seinen Entscheid zu begründen, darf sich dabei aber auf die für
diesen wesentlichen Punkte beschränken (BGE 139 V 496 E. 5.1 S. 503 f.).

4.6. Schliesslich verfängt auch der Einwand nicht, die IV-Stelle habe ihre
Aufklärungspflicht verletzt, weil das Schreiben vom 8. Januar 2014 keinerlei
Angaben zum Zweck des Besuchs oder zur Bedeutung der dabei festzustellenden
Tatsachen im Hinblick auf die Beurteilung des Leistungsanspruchs enthalte. Die
Verwaltung wies im entsprechenden Schreiben explizit darauf hin, der Besuch vor
Ort diene der Abklärung von Ansprüchen auf IV-Leistungen. Weiter gehende
Ausführungen waren im Rahmen dieses Ankündigungsschreibens nicht notwendig.
Dass die Abklärungsperson im Rahmen des Besuchs vom 20. Januar 2014 nicht
umfassend über den Zweck der Abklärung oder über den hypothetischen Charakter
der Frage nach der Erwerbstätigkeit im Gesundheitsfall aufgeklärt hätte, wird
vom Beschwerdeführer demgegenüber nicht geltend gemacht.

5. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 5. November 2015
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Meyer

Der Gerichtsschreiber: Williner

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