Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 463/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]          
9C_463/2015 {T 0/2}     

Urteil vom 19. November 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
Gerichtsschreiberin Dormann.

Verfahrensbeteiligte
A.________ AG
vertreten durch Rechtsanwalt Lorenzo Marazzotta,
Beschwerdeführerin,

gegen

Stiftung für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (Stiftung FAR),
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Adrian von Kaenel,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom
12. Mai 2015.

Sachverhalt:

A. 
Der Schweizerische Baumeisterverband (SBV), die GBI Gewerkschaft Bau &
Industrie (heute: Unia) sowie die Gewerkschaft SYNA schlossen am 12. November
2002 einen Gesamtarbeitsvertrag für den flexiblen Altersrücktritt im
Bauhauptgewerbe (GAV FAR), mit dessen Vollzug die Stiftung für den flexiblen
Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (Stiftung FAR) betraut ist. Durch Beschluss
des Bundesrates vom 5. Juni 2003 wurde der GAV FAR teilweise
allgemeinverbindlich erklärt.

B.

B.a. Die A.________ AG ist nicht Mitglied des SBV. Laut Handelsregister
bezweckt sie die Ausführung von Trax- und Baggerarbeiten und Autotransporten,
die Lieferung von Kies und Sand für Bauzwecke und Giessereiformsand für Metall-
und Grauguss; ein allfälliger "kann Zweck" sei den Statuten zu entnehmen.
Nachdem die Stiftung FAR im September 2007 Abklärungen vor Ort getroffen hatte,
teilte sie der A.________ AG im Dezember 2007 mit, sie sei seit 1. Juli 2003
dem GAV FAR unterstellt und habe die entsprechenden Beiträge zu bezahlen; diese
vertrat den gegenteiligen Standpunkt und verweigerte die Beitragszahlung.

Mit Entscheid vom 24. Januar 2012 hiess das Versicherungsgericht des Kantons
Aargau die am 8. April 2009 von der Stiftung FAR gegen die A.________ AG
erhobene Klage gut und verpflichtete diese, der Stiftung FAR Fr. 228'628.80
nebst Zins zu bezahlen.

In teilweiser Gutheissung der dagegen erhobenen Beschwerde hob das
Bundesgericht den Entscheid vom 24. Januar 2012 auf und wies die Sache zu neuer
Entscheidung an die Vorinstanz zurück (Urteil 9C_374/2012 vom 7. Dezember
2012).

B.b. Nach erneutem Schriftenwechsel und Abklärungen bestätigte das
Versicherungsgericht des Kantons Aargau seinen Entscheid vom 24. Januar 2012
(Entscheid vom 12. Mai 2015).

C. 
Die A.________ AG lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten beantragen, der Entscheid vom 12. Mai 2015 sei aufzuheben und
die Klage der Stiftung FAR sei abzuweisen.

Die Stiftung FAR schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf
einzutreten sei. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine
Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und
ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an
die Erwägungen der Vorinstanz gebunden. Es kann eine Beschwerde aus einem
anderen als dem angerufenen Grund gutheissen oder mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 130 III 136
E. 1.4 S. 140).

2. 
Das Bundesgericht bejahte im Urteil 9C_374/2012 vom 7. Dezember 2012 E. 3.2 die
Beitragspflicht der Beschwerdeführerin gegenüber der Stiftung FAR im Grundsatz.
Vorbehalten blieb einzig, dass die einzelnen Arbeitnehmer unter den
persönlichen Geltungsbereich gemäss Art. 2 Abs. 5 des Beschlusses vom 5. Juni
2003 über die Allgemeinverbindlicherklärung des GAV FAR (AVE GAV FAR; BBl 2003
4039; dessen Geltungsdauer wurde durch Bundesratsbeschlüsse vom 8. August und
26. Oktober 2006, 1. November 2007 und 6. Dezember 2012 verlängert [BBl 2006
6751, 8865; 2007 7881; 2012 3076]) fallen. Das trifft laut Art. 2 Abs. 5 lit. e
AVE GAV FAR insbesondere für Spezialisten wie Maschinisten, Chauffeure,
Magaziner und Isoleure sowie die Hilfskräfte zu.

In Anbetracht, dass es sich bei den hier betroffenen Arbeitnehmern
ausschliesslich um Baumaschinenführer und Chauffeure handelt, präzisierte das
Bundesgericht in Auslegung von Art. 2 Abs. 5 lit. e AVE GAV FAR, dass eine
Unterstellung für Spezialisten nur gemäss den vertraglichen Bestimmungen von
Art. 3 Abs. 1 lit. e GAV FAR (in der bis 31. Dezember 2013 geltenden Fassung;
vgl. E. 4.2.2) zu bejahen ist. Danach ist erforderlich, dass die betreffenden
Arbeitnehmer auch vom Geltungsbereich des Landesmantelvertrags vom 13. Februar
1998 für das Bauhauptgewerbe (LMV) resp. von der entsprechenden
Allgemeinverbindlicherklärung (Bundesratsbeschluss vom 10. November 1998; AVE
LMV [BBl 1998 5643; vgl. http://www.seco.admin.ch/themen/00385/00420/00430/
01402/index.html?lang=de]) erfasst werden (Urteil 9C_374/2012 vom 7. Dezember
2012 E. 2.7.2.1 und 2.7.3).

Das Bundesgericht entschied diesbezüglich, dass die Beschwerdeführerin in den
betrieblichen Anwendungsbereich gemäss Art. 2 Abs. 3 AVE LMV fällt (Urteil
9C_374/2012 vom 7. Dezember 2012 E. 2.7.4.1). Die im konkreten Fall betroffenen
Arbeitnehmer werden grundsätzlich vom persönlichen Geltungsbereich gemäss Art.
2 Abs. 4 AVE LMV erfasst, ausser wenn sie (entsprechend dem bis 30. April 2008
geltenden [vgl. E. 4.2.1] Art. 3 Abs. 1 lit. c LMV) einem anderen - für ihre
Berufsgruppe spezifischeren - Gesamtarbeitsvertrag unterstehen (Urteil 9C_374/
2012 vom 7. Dezember 2012 E. 2.7.4.2). Somit blieb für die umstrittene
Beitragspflicht lediglich die Frage nach der Unterstellung der Arbeitnehmer
unter einen gegenüber dem LMV spezifischeren Gesamtarbeitsvertrag durch die
Vorinstanz zu prüfen.

3.

3.1. Es steht fest, dass als spezifischer Gesamtarbeitsvertrag einzig die
zwischen "ASTAG Schweizerischer Nutzfahrzeugverband" (nachfolgend: ASTAG)
einerseits und "Les Routiers Suisses (Schweizer Fernfahrer) " anderseits
getroffene Landesvereinbarung vom 19. Mai 2005 (nachfolgend: LV ASTAG-LRS) in
Betracht fällt. Unbestritten ist auch, dass das Klagebegehren der Stiftung FAR
die Beiträge für die Zeit vom 1. Juli 2003 bis zum 31. Dezember 2008 betrifft.

3.2. Die Vorinstanz hat entschieden, dass die Beschwerdeführerin für die Zeit
vom 1. Juli 2003 bis 31. Dezember 2005 die Beiträge an die Stiftung FAR zu
bezahlen habe, weil die LV ASTAG-LRS erst auf den 1. Januar 2006 in Kraft trat.
Weiter hat sie die Frage, ob die im konkreten Fall betroffenen Arbeitnehmer vom
Geltungsbereich der LV ASTAG-LRS erfasst werden, offengelassen. Sie ist der
Auffassung, dass bei Anwendbarkeit der LV ASTAG-LRS eine "echte
Vertragskonkurrenz" zwischen dieser und der AVE GAV FAR entstünde. Letzte gehe
(gestützt auf Art. 4 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 28. September 1956 über die
Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen [AVEG; SR
221.215.311]) der nicht allgemeinverbindlich erklärten LV ASTAG-LRS vor. Zudem
sei die AVE GAV FAR besser auf den Betrieb der Beschwerdeführerin
zugeschnitten. Folglich hat sie die Beitragspflicht der Beschwerdeführerin auch
für die Zeit ab 1. Januar 2006 bejaht.

3.3. Die Beschwerdeführerin bestreitet ihre Beitragspflicht im Wesentlichen mit
der Argumentation, es genüge, dass die LV ASTAG-LRS auf alle ihre Arbeitnehmer
- allenfalls freiwillig - Anwendung finde. Sodann gehörten die Arbeitnehmer
auch ohne das formelle Bestehen eines entsprechenden Gesamtarbeitsvertrags zu
einer spezifischen Berufsgruppe, die per se nicht dem LMV oder dem GAV FAR
unterstellt sei.

4. 

4.1. In zeitlicher Hinsicht sind grundsätzlich diejenigen Rechtssätze
massgebend, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes
Geltung haben (BGE 130 V 445 E. 1.2.1 S. 447; Urteil 9C_153/2007 vom 15.
November 2007 E. 3.2, nicht publ. in: BGE 133 V 598).

4.2.

4.2.1. Das Bundesgericht stellte im Urteil 9C_374/2012 vom 7. Dezember 2012 E.
2.7.2.1 und 2.7.4.2 klar, dass die vertraglichen Vorgaben von Art. 3 Abs. 1
lit. c LMV nur insofern zu beachten sind, als der persönliche Geltungsbereich
darin enger als in Art. 2 Abs. 4 AVE LMV gefasst wird. Bereits in ihrer Eingabe
vom 16. September 2013 wies die Stiftung FAR zutreffend darauf hin, dass der
LMV auf den 1. Mai 2008 durch den Landesmantelvertrag vom 14. April 2008 für
das schweizerische Bauhauptgewerbe 2008-2010 (LMV 2008; vgl. Art. 82 Abs. 1 LMV
2008; https://www.svk-bau.ch/landesmantelvertrag/lmv-2008-inkl-anhange) ersetzt
wurde, dass in Art. 3 LMV 2008 die bisherige Ausnahmeklausel für Spezialisten,
die einem anderen Gesamtarbeitsvertrag unterstehen, nicht mehr enthalten ist,
und dass sich das Bundesgericht zu diesem Umstand nicht äusserte.

Nach dem allgemeinen intertemporalrechtlichen Grundsatz (E. 4.1) liegt auf der
Hand, dass die Ausnahmeklausel von Art. 3 Abs. 1 lit. c LMV seit Geltung des
LMV 2008, d.h. ab 1. Mai 2008, nicht mehr zum Tragen kommt. Ab diesem Zeitpunkt
ist für die bei der Beschwerdeführerin angestellten Baumaschinenführer und
Chauffeure (vgl. E. 2 Abs. 2) der persönliche Geltungsbereich gemäss Art. 2
Abs. 4 AVE LMV und folglich auch gemäss Art. 2 Abs. 5 lit. e AVE GAV FAR vorweg
zu bejahen.

4.2.2. Im gleichen Zusammenhang ist - wenn auch ohne Relevanz für dieses
Verfahren (vgl. E. 3.1) - zu ergänzen, dass Art. 3 Abs. 1 lit. e GAV FAR auf
den 1. Januar 2014 geändert wurde. Das bisherige Erfordernis, dass die
betroffenen Arbeitnehmer auch vom Geltungsbereich des LMV (resp. der AVE LMV)
erfasst werden, wurde aufgegeben. Somit ist es seither für die Auslegung von
Art. 2 Abs. 5 lit. e AVE GAV FAR (vgl. Urteil 9C_374/2012 vom 7. Dezember 2012
E. 2.7.2.1) bedeutungslos.

4.3. Nach Art. 3 Abs. 1 lit. c LMV erstreckte sich der persönliche
Geltungsbereich des LMV auf "Spezialisten, wie Maschinisten, Chauffeure,
Magaziner, Isoleure und Hilfskräfte, unter Vorbehalt allfällig bestehender
Gesamtarbeitsverträge mit anderen Arbeitnehmerorganisationen, wie
Gesamtarbeitsverträge für Chauffeure und Mechaniker." Der Wortlaut dieser
Bestimmung ist insofern unmissverständlich, als die genannten Personen
grundsätzlich vom Geltungsbereich des LMV erfasst werden und ein "bestehender"
Gesamtarbeitsvertrag Voraussetzung dafür ist, dass die Ausnahme- resp.
Subsidiaritätsklausel zum Tragen kommen kann. Durch diese Vorgabe wird
erreicht, dass der Arbeitnehmerschutz des LMV nur dann nicht greift, wenn auf
die betroffenen Arbeitsverhältnisse eine andere sozialpartnerschaftlich
vereinbarte Regelung (vgl. Art. 356 ff. OR) anwendbar ist. Entgegen der
Auffassung der Beschwerdeführerin genügt somit die blosse Zugehörigkeit zu
einer spezifischen Berufsgruppe nicht, um den Geltungsbereich gemäss Art. 3
Abs. 1 lit. c LMV resp. Art. 2 Abs. 4 AVE LMV auszuschliessen. Notwendig ist
vielmehr eine berufsspezifisch passendere, gesamtarbeitsvertragliche Regelung,
die als solche - allenfalls im Rahmen einer Allgemeinverbindlicherklärung -
normative Wirkung auf die Arbeitsbedingungen der einzelnen Arbeitnehmer (vgl.
BGE 138 V 32 E. 3.5.1 S. 38) entfaltet.

Die LV ASTAG-LRS trat erst am 1. Januar 2006 in Kraft (Art. 12 LV ASTAG-LRS).
Für die vorangegangene Zeit hat die Vorinstanz die Beitragspflicht der
Beschwerdeführerin zu Recht bejaht.

4.4. Als Zwischenergebnis ist nach dem Gesagten festzuhalten, dass mit Blick
auf Art. 2 Abs. 5 lit. e AVE GAV FAR eine Befreiung der Beschwerdeführerin von
der Beitragspflicht nur für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 30. April 2008 in
Betracht fällt.

Anders als die Vorinstanz annimmt, geht es hier nicht darum, welcher von zwei
anwendbaren Gesamtarbeitsverträgen Vorrang hat. Vielmehr entfalten die
allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen des GAV FAR von vornherein keine
Geltung hinsichtlich jener Arbeitnehmer, die nicht dem LMV, sondern einem
anderen - für ihre Berufsgruppe spezifischeren - Gesamtarbeitsvertrag
unterstanden (Urteil 9C_374/2012 vom 7. Dezember 2012 E. 2.7.4.2). Zu prüfen
bleiben demnach zwei Aspekte, die in Bezug auf die in concreto interessierenden
Baumaschinenführer und Chauffeure (E. 2 Abs. 2) zu klären sind: Zunächst stellt
sich die Frage, ob die LV ASTAG-LRS eine gegenüber dem LMV spezifischere
Regelung darstellt. Soweit dies zu bejahen ist, ist fraglich, ob die
gesamtarbeitsvertragliche Vereinbarung als solche auf die Arbeitsverhältnisse
anzuwenden ist (vgl. E. 4.3).

4.5.

4.5.1. Laut Eintragungen im Handelsregister richtet sich die Tätigkeit des
ASTAG insbesondere auf die "Lösung aller Probleme im Zusammenhang mit dem
motorisierten Nutzfahrzeugverkehr (Werk- und gewerbsmässiger Verkehr, Personen-
und Güterverkehr) ", jene der LRS namentlich auf die "intérêts des chauffeurs
professionnels et du transport routier". In der Präambel der LV ASTAG-LRS wird
u.a. Bezug genommen auf die Verordnung vom 19. Juni 1995 über die Arbeits- und
Ruhezeit der berufsmässigen Motorfahrzeugführer und -führerinnen
(Chauffeurverordnung, ARV 1; SR 822.221); diese wurde vom Bundesrat gestützt
auf Art. 56 und 103 SVG erlassen und betrifft, nebst einschlägigen Haftungs-
und Versicherungsfragen, den Verkehr auf den öffentlichen Strassen (Art. 1 Abs.
1 SVG). Die ARV 1 gilt für die berufsmässigen Führer und Führerinnen von
bestimmten Motorwagen und Fahrzeugkombinationen zum Transport von Sachen oder
Personen (Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 ARV 1).

4.5.2. Art. 1 LV ASTAG-LRS regelt den Geltungsbereich wie folgt: "Die
Bestimmungen dieser Vereinbarung finden Anwendung einerseits auf alle
gewerbsmässigen Transportunternehmen mit Firmensitz in der Schweiz, mit
Ausnahme des Taxigewerbes, die ASTAG-Mitglied sind und andererseits auf alle
Chauffeure, die LRS-Mitglieder sind und bei einem ASTAG-Mitglied beschäftigt
sind. (...) ASTAG und LRS setzen sich dafür ein, dass die Bestimmungen dieser
Vereinbarung auch auf Nichtmitglieder angewendet werden. (...) "

4.6. Angesichts dieser Vorgaben (E. 4.5) ist die LV ASTAG-LRS zwar für
Chauffeure, deren Arbeit hauptsächlich den Transport von Sachen auf
öffentlichen Strassen beinhaltet, nicht aber für Baumaschinenführer
berufsspezifisch. Das Bedienen von Baumaschinen gilt denn auch nach dem
allgemeinen Sprachgebrauch nicht als (Werk-) Verkehr; zudem ist nicht
ersichtlich, dass der ASTAG eine entsprechende Fachgruppe für Traxe und Bagger
(vgl. Sachverhalt lit. B.a) führen soll. Folglich werden die Baumaschinenführer
vom persönlichen Geltungsbereich sowohl des LMV als auch der AVE GAV FAR
erfasst.

4.7. Die Beschwerdeführerin ist als Mitglied des ASTAG der LV ASTAG-LRS
unterstellt. Mangels einer entsprechenden Allgemeinverbindlicherklärung
erstreckt sich der persönliche Geltungsbereich nach dem klaren Wortlaut von
Art. 1 LV ASTAG-LRS nur auf Arbeitnehmer resp. Chauffeure, die auch Mitglieder
der LRS sind. Für eine Unterstellung der Angestellten, die nicht LRS-Mitglieder
sind, genügt es nicht, dass die Beschwerdeführerin die Bestimmungen der LV
ASTAG-LRS auf freiwilliger Basis anwendet: Andernfalls hätte es im Belieben
einer Arbeitgeberin gestanden, durch blosse einseitige Erklärung die
Unterstellung von Arbeitnehmern ohne LRS-Mitgliedschaft unter die LV ASTAG-LRS
zu erzwingen und dadurch ihre Befreiung von der Beitragspflicht gemäss AVE GAV
FAR zu bewirken.

4.8. Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beitragspflicht der
Beschwerdeführerin gegenüber der Stiftung FAR soweit entfällt, als die geltend
gemachten Beiträge einerseits die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 30. April 2008
und anderseits angestellte Chauffeure, die während dieser Zeit Mitglieder der
LRS waren, betreffen. In diesem Umfang ist die Beschwerde begründet.

Die Vorinstanz hat diesbezüglich keine weiteren Abklärungen oder Feststellungen
getroffen (vgl. E. 3.2). Die Beschwerdeführerin behielt sich in ihrer
vorinstanzlich eingereichten Stellungnahme vom 6. November 2014ausdrücklich
vor, die LRS-Mitgliedschaft ihrer Angestellten nachzuweisen. Angesichts dieses
Umstandes und des im vorangegangenen Verfahren geltenden
Untersuchungsgrundsatzes (Art. 73 Abs. 2 BVG) rechtfertigt sich eine (erneute)
Rückweisung der Sache an das kantonale Gericht.

5. 
Die Parteien haben nach Massgabe ihres Unterliegens die Gerichtskosten zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdegegnerin hat der Beschwerdeführerin
eine (reduzierte) Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG). Die
Beschwerdegegnerin hat als mit einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe betraute
Organisation keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 12. Mai 2015, soweit er die Zeit
vom 1. Januar 2006 bis 30. April 2008 betrifft, wird aufgehoben. Die Sache wird
zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von insgesamt Fr. 7'000.- werden je zur Hälfte der
Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1'400.- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau,
3. Kammer, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 19. November 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Dormann

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