Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 432/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_432/2015

Urteil vom 23. September 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Parrino,
Gerichtsschreiberin Fleischanderl.

Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle des Kantons St. Gallen,
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
Beschwerdeführerin,

gegen

 A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Regula Schmid,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Arbeitsunfähigkeit),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 1. Juni 2015.

Sachverhalt:

A. 

A.a. Die 1964 geborene A.________ meldete sich im Oktober 2009 unter Hinweis
auf die Folgen eines im Januar 2008 erlittenen Unfalls bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons St.
Gallen klärte die Verhältnisse in medizinischer und beruflich-erwerblicher
Hinsicht ab. Namentlich gestützt auf ein bei der Medizinischen Abklärungsstelle
(MEDAS) veranlasstes interdisziplinäres Gutachten vom 11. Dezember 2012 sowie
eine beim Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD) eingeholte Stellungnahme vom 25.
März 2013 kündigte die Verwaltung vorbescheidweise die Zusprechung einer ganzen
Invalidenrente für den Zeitraum vom 1. April 2010 bis 30. September 2011 an;
ein weitergehender Rentenanspruch wurde auf der Basis eines ermittelten
Invaliditätsgrads von nurmehr 10 % verneint. Nachdem  A.________ dagegen
opponiert und u.a. Berichte der  Klinik B.________ vom 3. und 18. Juni 2013,
des  Spitals C.________ vom 9. Oktober 2013 sowie der  Klinik D.________ vom 9.
und 13. November 2013 hatte auflegen lassen, zog die IV-Stelle weitere Berichte
der  Klinik D.________ vom 13. November 2013, des  Spitals C.________ vom 20.
November 2013 und des RAD vom 17./20. Dezember 2013 bei. Mit Verfügung vom 16.
April 2014 hielt sie an ihrem Vorbescheid fest.

A.b. Am 12. August 2013 teilte die IV-Behörde der Versicherten mit, dass ihr
Gesuch um berufliche Eingliederungsmassnahmen abgelehnt werde. Im Mai/Juni 2014
wurde  A.________ erneut zwecks beruflicher Massnahmen/Arbeitsvermittlung bei
der IV-Stelle vorstellig. Diese ersuchte den RAD um Stellungnahme (vom 4.
August 2014) und trat, nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens, mit
Verfügung vom 25. September 2014 auf das Leistungsbegehren nicht ein.

B. 
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen vereinigte die in der Folge
angehobenen Beschwerdeverfahren. In teilweiser Gutheissung der gegen die
Rentenverfügung vom 16. April 2014 geführten Beschwerde hob es den betreffenden
Verwaltungsakt auf und sprach A.________ für die Zeit vom 1. April 2010 bis 28.
Februar 2014 eine ganze und ab 1. März 2014 eine halbe Invalidenrente zu.
Bezüglich des Anspruchs auf berufliche Massnahmen wies es die Sache zur
weiteren Abklärung und neuen Verfügung im Sinne der Erwägungen an die IV-Stelle
zurück (Dispositiv-Ziff. 2 des Entscheids vom 1. Juni 2015). Die gegen die
Nichteintretensverfügung der IV-Stelle vom 25. September 2014 gerichtete
Beschwerde hiess das Gericht ebenfalls teilweise gut und hob die angefochtene
Verfügung auf (Dispositiv-Ziff. 3 des Entscheids vom 1. Juni 2015).

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die
IV-Stelle, Dispositiv-Ziff. 2 des angefochtenen Entscheids sei insoweit
aufzuheben, als der Versicherten ab 1. Oktober 2011 eine ganze und ab 1. März
2014 eine halbe Invalidenrente zugesprochen worden sei. Ferner sei dem
Rechtsmittel die aufschiebende Wirkung zu erteilen.

Während A.________ auf Abweisung der Beschwerde schliessen lässt, verzichtet
das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Es wendet das Recht von Amtes wegen
an (Art. 106 Abs. 1 BGG; vgl. dazu BGE 132 II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E.
1.4 S. 140). Immerhin prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen
Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur
die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu
untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE
133 II 249 E. 1.4.1 S. 254 mit Hinweisen).

2. 

2.1. Unter kognitionsrechtlich eingeschränktem Blickwinkel zu prüfen ist, ob
die Vorinstanz der Beschwerdegegnerin zu Recht über die am 16. April 2014 für
den Zeitraum vom 1. April 2010 bis 30. September 2011 verfügte ganze Rente
hinausgehende Leistungen zugesprochen hat.

2.2. Die für die Beurteilung relevanten rechtlichen Grundlagen wurden im
angefochtenen Entscheid zutreffend dargelegt. Es betrifft dies insbesondere die
Bestimmungen und Grundsätze zu den Begriffen der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7
Abs. 1 und 2 ATSG) und der Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG), zum Umfang des
Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 2 IVG), zur Bedeutung ärztlicher Auskünfte bei
der Invaliditätsschätzung (BGE 125 V 256 E. 4 S. 261 mit Hinweisen; vgl. auch
BGE 132 V 93 E. 4 S. 99) sowie zur Beweiskraft medizinischer Unterlagen (BGE
125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis; ferner BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232). Darauf
wird verwiesen.

3. 
Die Beschwerdegegnerin erlitt anfangs Januar 2008 einen Unfall, bei welchem sie
von einem schweren Holzelement am Rücken getroffen wurde. In der Folge fanden
auf Grund der Verletzungen im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule (HWS/BWS)
am 4. Februar 2008, 17. Juli 2009 sowie 18. Januar und 15. März 2011 operative
Versorgungen statt. Im Rahmen von stationären Rehabilitationen hielt sie sich
vom 11. Februar bis 14. März 2008 sowie vom 27. Juli bis 26. August 2009 in der
Klinik D.________, vom 21. bis 30. März 2011 in der  Klinik B.________ und vom
7. Oktober bis 9. November 2013 erneut in der  Klinik D.________ auf.
Schliesslich war sie vom 10. September bis 3. Oktober 2013 im  Spital
C.________ hospitalisiert.

4.

4.1. Unbestrittenermassen bestand für den Zeitraum vom Unfallereignis anfangs
2008 bis ca. drei Monate nach Durchführung der letzten Operation im März 2011,
d.h. bis im Juni 2011, eine vollständige Arbeitsunfähigkeit für sämtliche
Tätigkeiten. Die Beschwerdeführerin sprach der Versicherten unter
Berücksichtigung des Umstands, dass die Anmeldung bei der Invalidenversicherung
im Oktober 2009 erfolgt war und der Rentenanspruch daher frühestens sechs
Monate später entstehen konnte (Art. 29 Abs. 1 IVG), in Beachtung von Art. 88a
Abs. 1 IVV für den Zeitraum vom 1. April 2010 bis 30. September 2011 eine ganze
Rente zu (Verfügung vom 16. April 2014). Weitergehende Rentenleistungen lehnte
sie auf Grund der Einschätzung der Gutachter der MEDAS vom 11. Dezember 2012
sowie des RAD vom 25. März und 17./20. Dezember 2013, wonach rückenadaptierte
Beschäftigungen mit Heben und Tragen von Lasten bis zu fünf Kilogramm sowie
unter Vermeiden von körperfernem Tragen und Heben von Lasten über einem
Kilogramm ab Ende Juni 2011 vollzeitig zumutbar seien, mangels
rentenbegründender Invalidität ab. Die gutachtlich aus orthopädischer Sicht
festgestellte, medizinisch-theoretisch einer Therapie als zugänglich
beschriebene deutliche Dekonditionierung wurde bezüglich ihrer allfälligen
Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der Beschwerdegegnerin im Sinne eines
IV-fremden Faktors ausgeblendet.

4.2. Das kantonale Gericht hielt dieser Schlussfolgerung in seinem Entscheid
entgegen, die erwähnte deutliche Dekonditionierung und die darauf
zurückzuführenden Funktionsbeeinträchtigungen bildeten nach der Aktenlage
direkte Folge der zahlreichen Wirbelsäulenleiden bzw. der dadurch notwendig
gewordenen operativen Eingriffe. Bereits die medizinischen Fachpersonen der
Klinik D.________ hätten in ihrem Austrittsbericht vom 12. Dezember 2011 darauf
hingewiesen, dass die deutliche Schwäche der Körpermuskulatur mit niedriger
Belastbarkeit aus den Funktionsstörungen der HWS und BWS resultierten. Die
Dekonditionierung stelle vorliegend insbesondere keinen Zustand ohne
Krankheitswert dar, der seine Erklärung im Wesentlichen in einem - sich an
einem von der fachmedizinischen Einschätzung abweichenden subjektiven
Krankheitskonzept der Versicherten orientierenden - Schon- und
Vermeidungsverhalten finde. Des Weitern bedürfe die Behebung der
Dekonditionierung laut ärztlicher Aussage einer medizinischen Trainingstherapie
(MTT) und liege nicht im alleinigen Einflussbereich der Beschwerdegegnerin.
Diese Verhältnisse hätten der orthopädische MEDAS-Gutachter und der RAD
übersehen, wenn sie der Dekonditionierung die invalidenversicherungsrechtliche
Bedeutsamkeit vollständig absprächen. In Anbetracht der ärztlichen
Arbeitsfähigkeitsschätzungen, namentlich des Spitals C.________ vom 9. Oktober
und 20. November 2013, der Klinik D.________ vom 13. November 2013sowie des RAD
vom 17./20. Dezember 2013, sei mit dem Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Versicherte seit Austritt aus der
Klinik D.________ vom 9. November 2013 in Berücksichtigung auch der durch die
Dekonditionierung bedingten Beeinträchtigung des Leistungsvermögens in einer
leidensangepassten Tätigkeit zu 50 % einsatzfähig sei. Für die Zeit bis zum
Austritt vom 9. November 2013 sei sodann namentlich gemäss Bericht der Klinik
B.________ vom 3. Juni 2013 als erstellt anzusehen, dass auf Grund des
chronischen Schmerzsyndroms und der hohen Morphinabgaben keine Arbeitsfähigkeit
bestanden habe.

5. 
Zu prüfen ist in einem ersten Schritt die Arbeitsfähigkeit der
Beschwerdegegnerin ab 9. November 2013.

5.1. In ihrer polydisziplinären Expertise vom 11. Dezember 2012 hatten die
MEDAS-Gutachter eine deutliche körperliche Dekonditionierung konstatiert,
welche einer "Therapie orthopädisch, medizin-theoretisch zugänglich" sei. Aus
psychiatrischer Sicht wurde der Versicherten ferner das Erlernen eines
Entspannungsverfahrens empfohlen, das sich prognostisch auf die
Schmerzwahrnehmung und somit auf das Beschwerdebild und die Arbeitsfähigkeit
auswirke. Der RAD führte in seiner Stellungnahme vom 25. März 2013 aus, die
somatischen Gutachter hätten infolge der deutlichen körperlichen
Dekonditionierung zur Durchführung einer MTT geraten. Am 17./20. Dezember 2013
hielt der RAD ferner fest, die Versicherte habe zwischenzeitlich von den
Rehabilitationsmassnahmen (Rekonditionierung) merklich profitieren können und
es werde ihr empfohlen, diese Vorkehren ambulant weiterzuführen. Im Zeitpunkt
des Austritts aus der Klinik D.________ vom 9. November 2013 sei die
Arbeitsfähigkeit bei noch anhaltendem Rehabilitationspotenzial leidensadaptiert
auf 50 % geschätzt worden. Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit sei bei
konsequenter Weiterverfolgung der ambulanten Therapiemassnahmen diese
Arbeitsfähigkeit auf 100 % steigerbar. Die Gutachter hätten bei der Beurteilung
des verbliebenen Leistungsvermögens die IV-fremden Faktoren (Dekonditionierung)
ausblenden müssen, was mit einer gutachtlich leidensangepasst auf 100 %
veranschlagten Arbeitsfähigkeit denn auch geschehen sei.

5.2. Die tatsächliche Umsetzbarkeit des nach medizinisch-theoretischer
Einschätzung an sich bestehenden funktionellen Leistungsvermögens bedingt nach
zitierter ärztlicher Feststellung unstreitig bestimmte Therapiemassnahmen. In
einem derartigen Fall ist danach zu fragen, ob die notwendigen Schritte der
versicherten Person allein überantwortet werden können. Bejahendenfalls ist die
von der Beschwerdeführerin vertretene Sichtweise ohne weiteres statthaft. Wenn
die versicherte Person das prinzipiell vorhandene erwerbliche Potential jedoch
aus Gründen, die mit dem Gesundheitsschaden zusammenhängen, auch bei zumutbarer
Willensanstrengung nicht in eigener Verantwortung realisieren kann, muss
geprüft werden, ob es zur Aktivierung der grundsätzlich gegebenen
Arbeitsfähigkeit noch der Durchführung von - der Invalidenversicherung
obliegenden - Eingliederungsmassnahmen bedarf. Dabei sollen, etwa im Rahmen
eines Arbeitstrainings, den Folgen des Gesundheitsschadens zugehörige, nicht
aus eigenem Antrieb überwindbare Defizite in erwerbsrelevanten Fertigkeiten
ausgeglichen oder etwa das krankheitsbedingt verlorene Vertrauen in die
physische Belastbarkeit (im Umfang der objektiven Leistungsfähigkeit) wieder
aufgebaut werden (vgl. Urteile [des Eidg. Versicherungsgerichts] I 601/05 vom
11. August 2006 E. 2.3.2 und I 2/06 vom 23. Mai 2006 E. 2.2).

5.2.1. Laut ärztlicher Empfehlung ist die Beschwerdegegnerin in erster Linie
gehalten, ihre körperliche Leistungsfähigkeit zu steigern (Rekonditionierung).
Während ihrer Hospitalisationen im Spital C.________ (vom 10. September bis 3.
Oktober 2013) und in der Klinik D.________ (vom 7. Oktober bis 9. November
2013) absolvierte sie zum Aufbau der Muskel- und Nackenmuskulatur sowie zur
Verstärkung der HWS-Beweglichkeit demgemäss eine multimodale Schmerztherapie
und physiotherapeutische Behandlungen (vgl. Austrittsbericht des Spitals
C.________ vom 9. Oktober 2013). Dadurch konnte eine wesentliche Verbesserung
der Kraft der Extremitätenmuskulatur und der allgemeinen Belastbarkeit bewirkt
werden. Zur weiteren Kräftigung und Stabilisierung wurden der Versicherten nach
dem Austritt aus der Klinik D.________ insbesondere ein regelmässiges
Heimprogramm, zweimal wöchentlich ambulant durchzuführende
Physiotherapiesitzungen und die Weiterführung einer physiotherapeutisch
geleiteten MTT nahe gelegt (Berichte der Klinik D.________ vom 9. und 13.
November 2013; Stellungnahme des RAD vom 17./20. Dezember 2013).

5.2.2. Die Beschwerdegegnerin bedarf nach dem Gesagten primär einer
medizinischen Therapie, deren erfolgreiche Durchführung wiederum Voraussetzung
für allfällige berufliche Massnahmen bildet. So hielten die Ärzte der Klinik
D.________ in ihrem Bericht vom 13. November 2013 denn auch ausdrücklich fest,
es werde im Rahmen des Rehabilitationsaufenthalts ein rascher Kraft- und
Konditionsaufbau bezweckt mit anschliessender IV-Wiedereingliederung. Ferner
war im Austrittsbericht des Spitals C.________ vom 9. Oktober 2013 ebenfalls
vermerkt worden, der vordergründige Wunsch der Versicherten bestehe darin, eine
IV-Wiedereingliederung (im Sinne einer Umschulung zur Ernährungsberaterin)
machen zu können. Die indizierten Therapien sind hier, anders als etwa im zuvor
genannten Urteil I 2/06 vom 23. Mai 2006, nicht spezifisch und unmittelbar auf
die Eingliederung in das Erwerbsleben gerichtet, sondern entsprechen einer
Behandlung des Leidens an sich, vor allem der allgemeinen Kräftigung und
Stärkung der Muskulatur. Massnahmen dieser Art gehen gemäss Art. 12 IVG
indessen nicht zu Lasten der Invalidenversicherung, obgleich die Behandlung des
Leidens an sich gewöhnlich auch einen günstigen Effekt auf die Arbeits- und
Erwerbsfähigkeit ausübt. Entsprechen die aus medizinischer Sicht notwendigen
"Überbrückungsmassnahmen" somit nicht Eingliederungsmassnahmen im Sinne der
Art. 8 ff. IVG, sondern einer - in den Zuständigkeitsbereich der
Krankenversicherung fallenden - Heilbehandlung, so durfte die Verwaltung im
Zusammenhang mit dem anrechenbaren Invalideneinkommen von der Fiktion einer
zumutbaren Verwertung der - vorerst noch - rein medizinisch-theoretischen
Arbeitsfähigkeit ausgehen (vgl. Art. 28 Abs. 2 IVG in Verbindung mit Art. 16
ATSG; in diesem Sinne auch Urteil I 601/05 vom 11. August 2006 E. 2.3.3).

Indem das kantonale Gericht für die Zeit ab 9. November 2013 von einem im
invalidenversicherungsrechtlichen Kontext lediglich zu 50 % verwertbaren
Leistungsvermögen der Beschwerdegegnerin ausgegangen ist, hat es demnach
Bundesrecht im Sinne von Art. 95 lit. a BGG verletzt.

6. 

6.1. Für den vorangehenden Zeitraum (von Ende Juni 2011) bis 9. November 2013
hat die Vorinstanz eine Arbeitsfähigkeit im Wesentlichen mit dem Argument des
chronischen Schmerzsyndroms und der an die Beschwerdegegnerin deshalb
abgegebenen hohen Mengen an Morphin verneint (vgl. E. 4.2 am Ende hievor).

6.2. Aus dem MEDAS-Gutachten vom 11. Dezember 2012 geht hervor, dass die
Versicherte neben anderen Medikamenten täglich eine Tablette des opioidhaltigen
Schmerzmittels Targin einnimmt. Dennoch vermochten die Ärzte anlässlich ihrer
Untersuchungen keine kognitiven Einschränkungen bei der Beschwerdegegnerin
festzustellen. So fanden sich im Rahmen der psychiatrischen Abklärungen keine
Hinweise für Störungen der Aufmerksamkeit oder der Konzentration. Auch konnten
formale oder inhaltliche Denkstörungen ausgeschlossen werden. Auf Grund der
unauffälligen psychiatrischen Befundlage wurde eine psychisch bedingte
Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit in der Folge verneint. Die in
körperlicher Hinsicht vorgenommenen Teilbegutachtungen ergaben sodann ebenfalls
keine Anhaltspunkte, dass die Einnahme des genannten Medikaments die
Versicherte in ihren Funktionen zusätzlich eingeschränkt hätte. Entgegen der
vorinstanzlichen Betrachtungsweise wurde der Umstand der "hohen Morphingaben"
im Rahmen der MEDAS-Begutachtung somit durchaus gewürdigt, ihm indessen mit
Blick auf die Leistungsfähigkeit der Explorandin keine vermindernde Wirkung
beigemessen. Einzig im Sprechstundenbericht der Klinik B.________ vom 3. Juni
2013, auf welchen im angefochtenen Entscheid Bezug genommen wird, war erwähnt
worden, dass die Beschwerdegegnerin seit Jahren unter einem mittels Morphinen
behandelten chronischen Schmerzsyndrom leide und die Erwerbsfähigkeit deshalb
nicht mehr gegeben sei. Diese Einschätzung hatte jedoch ausdrücklich unter dem
Vorbehalt einer ergänzenden neurologischen Untersuchung gestanden, die am 18.
Juni 2013 in der Klinik B.________ durchgeführt wurde. Im gleichentags
verfassten Bericht schlossen die Ärzte eine neurologisch generierte Symptomatik
explizit aus und hielten fest, aus fachneurologischer Optik könne bezüglich der
Einschätzung der Arbeitsfähigkeit nichts beigetragen werden, was über die
orthopädische oder rheumatologische Beurteilung hinausgehe. Während der
Hospitalisation im Spital C.________ vom 10. September bis 3. Oktober 2013
gelang es schliesslich, die Opiate schrittweise zu reduzieren und zuletzt
gänzlich abzusetzen (vgl. Bericht vom 9. Oktober 2013). Allein auf der Basis
der entsprechenden ärztlichen Angaben lassen sich mithin keine überzeugenden
Rückschlüsse auf eine als Folge des chronischen Schmerzsyndroms und des damit
in Zusammenhang stehenden hohen Gebrauchs an Schmerzmitteln aufgetretene
vollständige Arbeitsunfähigkeit ziehen.

Vor diesem Hintergrund ist mit der Beschwerdeführerin davon auszugehen, dass
sich die Expertise der MEDAS auch in diesem Kontext als schlüssige und
sämtlichen Anforderungen an beweiskräftige medizinische Berichte genügende
Entscheidgrundlage erweist. Gestützt auf deren Schlussfolgerungen und die diese
bestätigenden Stellungnahmen des RAD vom 25. März und 17./20. Dezember 2013
sowie 4. August 2014 kann der Beschwerdegegnerin für die Zeit ab Ende Juni 2011
eine im Rahmen leidensangepasster Tätigkeiten uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit
bescheinigt werden. Soweit das kantonale Gericht zu einem anderen Ergebnis
gelangt ist, kann darauf infolge offensichtlich unrichtiger Feststellung des
rechtserheblichen medizinischen Sachverhalts nicht abgestellt werden.

7. 
Hinsichtlich der Eckdaten des Einkommensvergleichs wird auf die entsprechenden
- letztinstanzlich unbestritten gebliebenen - Abschnitte der
kantonalgerichtlichen Begründung verwiesen. In Anbetracht eines ab Ende Juni
2011 ausgewiesenen Invaliditätsgrads von höchstens 10 % steht der
Beschwerdegegnerin daher in Nachachtung von Art. 88a Abs. 1 IVV ab 1. Oktober
2011 keine Invalidenrente mehr zu. Es bleibt bei der mit Verfügung der
Beschwerdeführerin vom 16. April 2014 zugesprochenen ganzen Rente für den
Zeitraum vom 1. April 2010 bis 30. September 2011.

8. 
Bezüglich der beruflichen Massnahmen ist der vorinstanzliche Entscheid nicht
angefochten, weil die Beschwerdeführerin dessen Dispositiv-Ziff. 2 nur im
Rentenpunkt an das Bundesgericht weitergezogen hat. Im Hinblick auf die auf
entsprechende Neuanmeldung der Beschwerdegegnerin im Mai/Juni 2014 hin
ergangene Nichteintretensverfügung der Beschwerdeführerin vom 25. September
2014 bleibt es, da ebenfalls unangefochten geblieben, bei der vorinstanzlich
entschiedenen Aufhebung (Dispositiv-Ziff. 3 des Entscheids; Art. 107 Abs. 1 BGG
).

9. 
Mit dem Urteil in der Hauptsache wird das Gesuch der Beschwerdeführerin um
Gewährung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos (Urteil 9C_454/2013 vom 29.
Oktober 2013 E. 5.2, in: AJP 2014 S. 253).

10. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten der
Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 65 Abs. 4 lit. a in Verbindung mit Art.
66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Dispositiv-Ziff. 2, 4 und 6 des Entscheids
des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 1. Juni 2015 werden mit
der Feststellung aufgehoben, dass der Beschwerdegegnerin für die Zeit vom 1.
April 2010 bis 30. September 2011 eine ganze Invalidenrente zusteht. Die
Verfügung der Beschwerdeführerin vom 16. April 2014 wird bestätigt.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen
zurückgewiesen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 23. September 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Fleischanderl

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