Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 413/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_413/2015

Urteil vom 2. Mai 2016

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Pfiffner, Moser-Szeless,
Gerichtsschreiber Grünenfelder.

Verfahrensbeteiligte
 A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Kreso Glavas,
Beschwerdeführerin,

gegen

Schweizerische Ausgleichskasse SAK, Avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Alters- und Hinterlassenenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom
8. Mai 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________ ist kroatische Staatsangehörige und wohnhaft in Split. B.________
ebenfalls kroatischer Staatsangehöriger, bezog seit 2009 eine ordentliche Rente
der Schweizer Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) und verstarb im März
2013.  A.________ meldete sich am 30. September 2013 bei der Schweizerischen
Ausgleichskasse (nachfolgend: SAK) zum Bezug einer Witwenrente an. Hierbei
legte sie dar, sie sei mit  B.________ vom 20. März 1965 bis 9. Juni 1969
verheiratet gewesen; sodann habe über zwanzig Jahre lang (von April 1991 bis
März 2013) ein Konkubinat bestanden. Ausserdem machte sie geltend, dass sie den
Verstorbenen kurz vor dessen Tod erneut geheiratet habe und reichte eine
kroatische Heiratsurkunde ein, die vom 4. Juli 2013 datiert. Mit Verfügung vom
13. November 2013 und Einspracheentscheid vom 10. Februar 2014 verneinte die
SAK einen Leistungsanspruch, weil sie die Voraussetzungen für eine Witwenrente
als nicht erfüllt erachtete.

B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Entscheid
vom 8. Mai 2015 ab.

C. 
 A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei ihr eine
Witwenrente zu gewähren; eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz
zurückzuweisen, damit diese weitere Abklärungen treffe und neu entscheide.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem
die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung
der Vorinstanz auf Rüge hin oder von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen,
wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne
von Art. 95 beruht, und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des
Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. auch Art. 97 Abs.
1 BGG).

2. 
Art. 16 Ziff. 1 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft
und der Republik Kroatien über soziale Sicherheit vom 9. April 1996 (SR
0.831.109.291.1, in Kraft seit 1. Januar 1998; nachfolgend:
Sozialversicherungsabkommen) bestimmt für den Fall, dass schweizerische
Rechtsvorschriften anwendbar sind, was folgt:

"Kroatische Staatsangehörige und ihre Hinterlassenen haben unter den gleichen
Voraussetzungen wie schweizerische Staatsangehörige und deren Hinterlassene
Anspruch auf die ordentlichen Renten und die Hilflosenentschädigungen der
schweizerischen Alters- und Hinterlassenenversicherung [...]."

3. 
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Ehe des B.________ und der
Beschwerdeführerin, die am 8. März 2013 in Kroatien im Rahmen einer religiösen
Zeremonie geschlossen wurde, anerkannt. In Bezug auf den strittigen
Rentenanspruch hat es gestützt auf das Sozialversicherungsabkommen Schweizer
Recht angewandt. Die Vorinstanz hat erwogen, dass die Voraussetzungen für eine
Witwenrente gemäss Art. 24 Abs. 1 AHVG nicht erfüllt sind, weil die
Beschwerdeführerin - selbst unter Anrechnung der ersten Ehe vom 20. März 1965
bis 9. Juni 1969 - insgesamt nur vier Jahre, zwei Monate und fünfundzwanzig
Tage mit dem Verstorbenen verheiratet war. Eine Anrechnung dereheähnlichen
Lebensgemeinschaft (vom 14. April 1991 bis 7. März 2013) hat sie mit der
Begründung verneint, dass das Konkubinat nach Schweizer Recht nicht als Ehezeit
gilt. Gestützt darauf hat das Bundesverwaltungsgericht die Auffassung der SAK
bestätigt und einen Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine Witwenrente
verneint.

4. 
Zu prüfen ist einzig, ob das Konkubinat der Beschwerdeführerin und ihres
verstorbenen Ehemannes an die fünfjährige Ehedauer (Art. 24 Abs. 1 AHVG)
anzurechnen ist.

4.1. Das Sozialversichungsabkommen findet - wie die Vorinstanz zu Recht erwogen
hat - in sachlicher und persönlicher Hinsicht Anwendung (Art. 2 Ziff. 1 lit.
A.i. und Art. 3 lit. a). Der geltend gemachte Rentenanspruch ist unbestritten
nach Schweizer Recht zu beurteilen (Art. 23 ff. AHVG). Die Beschwerdeführerin
hat somit - wie eine Schweizer Staatsangehörige - die Voraussetzungen gemäss
Art. 24 Abs. 1 AHVG zu erfüllen (E. 2).

4.2. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass sie (selbst unter Anrechnung
der Zeitspanne vom 20. März 1965 bis 9. Juni 1969) weniger als fünf Jahre -
nämlich gemäss verbindlicher (E. 1) Feststellung der Vorinstanz exakt vier
Jahre, zwei Monate und fünfundzwanzig Tage - mit dem verstorbenen  B.________
verheiratet war. Gegen die Anrechnung des unbestritten über zwanzig Jahre
dauernden Konkubinats (vom 14. April 1991 bis 7. März 2013) spricht indessen
schon der Wortlaut des Art. 24 Abs. 1 AHVG. Demnach haben einzig "Witwen" ("les
veuves"; "le vedove") Anspruch auf eine Witwenrente. Nach allgemeinem
Sprachgebrauch ist unter einer Witwe eine verheiratete Frau zu verstehen, deren
Ehemann während der Ehe verstorben ist. Konkubinatspartnerinnen fallen nicht
darunter; triftige Gründe für ein abweichendes Verständnis sind nicht gegeben
(vgl. zur Gesetzesauslegung statt vieler BGE 141 III 84 E. 2 S. 87). Demgemäss
sind nach schweizerischem Zivilrecht, an dessen Begriffe das
Sozialversicherungsrecht des Bundes anknüpft, ausschliesslich mit der Ehe und
(seit 1. Januar 2007) der eingetragenen Partnerschaft vermögensrechtliche
Wirkungen verbunden (allgemeine Beistandspflicht, Art. 159 Abs. 3 ZGB;
Unterhaltspflicht, Art. 163 ZGB; gegenseitiges Erbrecht, Art. 462 ZGB). Auch im
Sozialversicherungsrecht selber zeigt sich, dass der Gesetzgeber - zumindest
was die ordentlichen Leistungen anbelangt (zum Überobligatorium in der
beruflichen Vorsorge vgl. BGE 135 V 80) - die Privilegierung der Ehe gegenüber
dem Konkubinat konsequent verwirklicht hat (Art. 19 und 19a BVG; Art. 29 UVG;
Art. 52 ff. MVG; vgl. auch BGE 140 I 77 E. 6.2 S. 83; ferner BGE 137 V 133 E.
6.2.1 S. 138 mit Hinweis auf BGE 123 V 219 E. 2e S. 222). Die Gleichstellung
der überlebenden Konkubinatspartnerin mit einer Witwe, wie sie die
Beschwerdeführerin im Ergebnis geltend macht, ist im Schweizer Recht
grundsätzlich nicht vorgesehen; eine Anrechnung des Konkubinats an die Ehedauer
gemäss Art. 24 Abs. 1 AHVG verbietet sich deshalb.

4.3. Weiterungen in Bezug auf das eingereichte kroatische Gesetz über die
Ergänzung des Gesetzes über die Sozialversicherung vom 14. März 2008 erübrigen
sich. Die dortige Gleichsetzung eines ausserehelichen Partners als versicherte
Person ändert nichts an der überzeugenden Schlussfolgerung der Vorinstanz, dass
die kroatische nicht-eheliche Lebensgemeinschaft in der Schweiz nicht als eine
Ehe anzuerkennen ist.

4.4. Insgesamt ist das Bundesverwaltungsgericht zu Recht zum Schluss gelangt,
dass nach Schweizer Recht keine Grundlage für die Anrechnung des Konkubinats an
die eheliche Mindestdauer von fünf Jahren (Art. 24 Abs. 1 AHVG) besteht. Vor
diesem Hintergrund erweisen sich weitere Abklärungen im Sachverhalt als
entbehrlich (antizipierende Beweiswürdigung; BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236; 134 I
140 E. 5.3 S. 148; 124 V 90 E. 4b S. 94). Mit der vorinstanzlichen Verweigerung
einer Witwenrente muss es sein Bewenden haben. Die Beschwerde ist unbegründet.

5. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die unterliegende
Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung III,
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 2. Mai 2016

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Grünenfelder

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