Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 408/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_408/2015

Urteil vom 1. Dezember 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Parrino,
nebenamtlicher Bundesrichter Weber,
Gerichtsschreiberin Keel Baumann.

Verfahrensbeteiligte
 A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Schmid,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau,
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin,

 Migros Pensionskasse MPK.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom
21. April 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. Die 1954 geborene A.________ ist seit 11. Oktober 1979 verwitwet und
bezieht eine Witwenrente. Vom 1. September 1999 (und nicht erst ab 1. April
2003) bis 21. Dezember 2009 arbeitete sie während 13 Stunden pro Woche als
Reinigungsangestellte bei der B.________. Im Oktober 2009 meldete sich
A.________ unter Hinweis auf einen bei einer Darmspiegelung erlittenen
Darmdurchbruch bei der Invalidenversicherung zum Bezug einer Rente an. Die
IV-Stelle des Kantons Aargau klärte die medizinischen und erwerblichen
Verhältnisse ab. Des Weitern holte sie bei ihrem Abklärungsdienst einen
Haushaltbericht ein, der am 30. Juli 2010 erstattet wurde. A.________ liess am
22. September 2010 Bemerkungen dazu einreichen, wobei sie sich auf die Berichte
des sie behandelnden Arztes Dr. med. C.________, Innere Medizin FMH, vom 16.
Juli 2009 und vom 31. August 2010 berief. Nach Durchführung des
Vorbescheidverfahrens verneinte die IV-Stelle mit Verfügung vom 4. Oktober 2011
einen Rentenanspruch.

A.b. Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau wies die von A.________
dagegen eingereichte Beschwerde mit Entscheid vom 25. September 2012 ab. Auf
die von der Versicherten daraufhin erhobene Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gelangte das Bundesgericht zum Ergebnis,
das kantonale Gericht habe den für die Beurteilung der entscheidenden
Statusfrage (Teil- oder Vollerwerbstätigkeit) wesentlichen Sachverhalt
einerseits offensichtlich unrichtig festgestellt und andererseits, sich auf
unvollständige Abklärungen abstützend, ungesicherte Sachverhaltsannahmen
getroffen (namentlich betreffend die für die Ermittlung des hypothetischen
Umfanges der Erwerbstätigkeit massgebenden Umstände, die Frage des Bestehens
eines Aufgabenbereiches nach Art. 5 Abs. 1 IVG sowie die der Versicherten im
Rahmen des Haushaltes noch möglichen Tätigkeiten, insbesondere unter
Berücksichtigung der dem voll- und nicht bloss teilzeitlich [wie von der
Vorinstanz unzutreffenderweise angenommen] erwerbstätigen Lebenspartner
möglichen Mithilfe im Haushalt). Angesichts der Bedeutung dieser Umstände im
Rahmen der Invaliditätsbemessung, insbesondere bei der Wahl der anwendbaren
Methode, bei der Frage des Bestehens eines Aufgabenbereiches und bei der
Ermittlung der Einschränkung im Haushaltsbereich, erachtete das Gericht es als
gerechtfertigt, die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie die
erforderlichen Abklärungen nachhole und anschliessend über den Rentenanspruch
neu befinde. Dementsprechend hiess das Bundesgericht die Beschwerde teilweise
gut, hob den vorinstanzlichen Entscheid auf und wies die Sache zu neuer
Entscheidung im Sinne der Erwägungen an das kantonale Versicherungsgericht
zurück (Urteil 9C_907/2012 vom 19. August 2013).

A.c. In Nachachtung dieses Urteils erliess das Versicherungsgericht des Kantons
Aargau am 11. Februar 2014 einen Beschluss folgenden Inhalts: "1. Der
Abklärungsdienst der SVA wird beauftragt, eine Haushaltsabklärung unter
besonderer Beachtung der Fragestellungen gemäss E. 2.4 des Urteils des
Bundesgerichts vom 19. August 2013 vorzunehmen und dem Versicherungsgericht den
Bericht einzureichen. 2. Im Rahmen der Haushaltsabklärung sind insbesondere die
für die Ermittlung des hypothetischen Umfanges der Erwerbstätigkeit von
A.________ massgebenden Umstände, die Frage des Bestehens eines
Aufgabenbereiches im Sinne von Art. 5 Abs. 1 IVG sowie die A.________ im Rahmen
des Haushaltes noch möglichen Tätigkeiten, insbesondere unter Berücksichtigung
der dem vollzeitlich erwerbstätigen Lebenspartner möglichen Mithilfe im
Haushalt abzuklären." Auf eine von A.________ dagegen erhobene Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten trat das Bundesgericht mit Urteil 9C_262
/2014 vom 1. Mai 2014 nicht ein.

B. 
Am 28. Mai 2014 stellte das kantonale Versicherungsgericht dem Abklärungsdienst
der IV-Stelle den am 11. Februar 2014 erlassenen Beschluss zu. Dieser nahm eine
Abklärung an Ort und Stelle vor, welche am 15. Juli 2014 stattfand, und
übermittelte den entsprechenden Bericht vom 9. September 2014 dem kantonalen
Versicherungsgericht, das den Bericht den Parteien und der Beigeladenen zur
Kenntnisnahme zustellte. Von der gleichzeitig eingeräumten Gelegenheit zur
Stellungnahme machte A.________ Gebrauch; zudem stellte sie in ihrer Eingabe
vom 1. Dezember 2014 Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zog
dieses Begehren indessen am 23. März 2015 wieder zurück. Die IV-Stelle reichte
dem Gericht am 20. Januar 2015 ein Schreiben der früheren Arbeitgeberin der
Versicherten, der B.________, vom 25. August 2014 ein, welches der Versicherten
zur Kenntnisnahme zugestellt wurde. Mit Entscheid vom 21. April 2015 wies das
kantonale Versicherungsgericht die Beschwerde ab.

C. 
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den
Rechtsbegehren, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und die IV-Stelle zu
verpflichten, ihr ab März 2010 eine ganze Invalidenrente auszurichten.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Streitig ist der Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine Rente der
Invalidenversicherung. Dabei steht ausser Frage, dass zur Ermittlung des
Invaliditätsgrades die gemischte Methode (Art. 28a Abs. 3 IVG) anzuwenden ist.
Aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde ist zu prüfen, ob die Vorinstanz sich
an die bundesgerichtlichen Vorgaben gemäss Urteil 9C_907/2012 vom 19. August
2013 gehalten hat, auf den Abklärungsbericht vom 9. September 2014 abstellen
durfte, die Anteile Erwerb und Haushalt richtig gewichtet und im erwerblichen
Bereich den Einkommensvergleich korrekt vorgenommen hat.

3.

3.1. Die Beschwerdeführerin beanstandet, dass die Vorinstanz bei der
Abklärungsstelle der Beschwerdegegnerin eine Haushaltabklärung in Auftrag
gegeben hat. Sie stellt sich auf den Standpunkt, das Bundesgericht habe im
Urteil 9C_907/2012 vom 19. August 2013 festgelegt, dass die Vorinstanz die neue
Haushaltabklärung selber vornehmen müsse respektive einen Dritten damit zu
beauftragen habe. Solche Vorgaben lassen sich indessen dem Urteil vom 19.
August 2013 nicht entnehmen: In E. 2.4 wurde lediglich ausgeführt, dass die
Angelegenheit an die Vorinstanz zurückgewiesen werde, damit sie die
erforderlichen Abklärungen nachhole. In welcher Form diese zu erfolgen haben,
wurde im Urteil nicht definiert. Aus diesem Grund stand es der Vorinstanz frei,
einen Abklärungsbericht bei der Beschwerdegegnerin einzuholen.
Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb nur die IV-Stelle und nicht auch das
kantonale Gericht Haushaltberichte sollte einholen können. Für das
Verwaltungsverfahren vor der IV-Stelle sind "Abklärungen an Ort und Stelle" (an
welchen als Berichterstatterin eine qualifizierte Person mitzuwirken hat; vgl.
BGE 130 V 61 E. 6.1.2 S. 62) in Art. 69 Abs. 2 IVV vorgesehen. Es handelt sich
dabei um Amtsberichte, welche auch kantonale Gerichte im Rahmen der ihnen
obliegenden Sachverhaltsermittlung einholen können (vgl. zur prozessualen
Qualifikation: Christoph Auer, in: Auer/Müller/Schindler [Hrsg.], Kommentar
VwVG, 2008, N. 42 zu Art. 12 VwVG; Krauskopf/Emmenegger, in: Waldmann/
Weissenberger [Hrsg.], Praxiskommentar VwVG, 2009, N. 182 zu Art. 12 VwVG;
Rhinow/Koller/Kiss/Thurnherr/Brühl-Moser, Öffentliches Prozessrecht, 3. Aufl.
2014, § 19 N. 1221; Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, 3. Aufl. 2015, N. 116 zu Art.
61 ATSG).
Soweit die Beschwerdeführerin rügt, die Beschwerdegegnerin sei Partei und es
sei daher unzulässig, einen Haushaltbericht bei ihr einzufordern, übersieht
sie, dass die Vorinstanz nicht die IV-Stelle, sondern deren Abklärungsdienst
damit beauftragt hat, einen entsprechenden Bericht zu erstellen (vgl. dazu auch
Urteil 9C_262/2014 vom 1. Mai 2014 E. 2.3). Eine in der Beschwerde beanstandete
unzulässige "Delegation der Sachverhaltsabklärung an die Beschwerdegegnerin"
(vgl. dazu Urteil 8C_1007/2010 vom 9. Mai 2011 E. 7.2) fand damit nicht statt.
Eine konkrete Voreingenommenheit der Abklärungsperson macht die
Beschwerdeführerin nicht geltend. Entsprechende Hinweise lassen sich auch dem
Haushaltbericht vom 9. September 2014 nicht entnehmen. Allein der Umstand, dass
die Abklärungsperson eigene Wertungen vornahm und nicht unbesehen die Angaben
der Beschwerdeführerin übernahm, spricht jedenfalls nicht gegen die
Aussagekraft des eingeholten Berichts.

3.2. Die Beschwerdeführerin kritisiert, dass bei der Kategorie "Einkauf und
weitere Besorgungen" nur eine Einschränkung von 20 % angenommen wird. Inwiefern
das Abstellen auf diesen Wert eine bundesrechtswidrige Sachverhaltsfeststellung
sein soll, wird nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich: Auch im
Gesundheitsfall wäre mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit
anzunehmen, dass die Beschwerdeführerin, welche selber nicht Auto fahren kann,
schwere Einkäufe zusammen mit dem Lebenspartner erledigt, der über
entsprechende Transportmöglichkeiten verfügt. Dass dessen Mithilfe im Haushalt
zu berücksichtigen ist, wurde bereits in E. 2.4 des Urteils 9C_907/2012 vom 19.
August 2013 unter Hinweis auf BGE 133 V 504 E. 4.2 S. 509 f. festgehalten.
Gemäss den Angaben des Dr. med. C.________ vom 31. August 2010 ist die
Beschwerdeführerin zudem in der Lage, längere Strecken zu gehen und bis 5 kg zu
tragen. Es ist ihr daher ohne weiteres zuzumuten, die nur in drei Minuten
Gehdistanz liegenden öffentlichen Verkehrsmittel zu benützen oder sich zu Fuss
innert 15 Minuten zu den nächsten Einkaufsmöglichkeiten zu begeben. Im Übrigen
kann die Beschwerdeführerin, damit sie keine schweren Einkaufstaschen tragen
muss, technische Hilfsmittel wie einen Einkaufswagen benützen.

3.3. Weitere konkrete Beanstandungen der Beschwerdeführerin an dem von der
Vorinstanz eingeholten Abklärungsbericht sind nicht auszumachen. Soweit die
Beschwerdeführerin unter Hinweis auf SVR 2004 IV Nr. 28 S. 87 (Urteil des Eidg.
Versicherungsgerichts I 311/03 vom 22. Dezember 2003 E. 5.3) argumentiert,
abzustellen sei auf die Angaben der behandelnden Ärzte, welche mehr Gewicht
hätten der Abklärungsbericht, stützt sie sich auf eine hier nicht einschlägige
Rechtsprechung: Diese bezieht sich auf den Fall, dass sich bei einer  psychisch
 beeinträchtigen versicherten Person die Ergebnisse der Abklärung vor Ort und
die fachmedizinischen Feststellungen widersprechen, und beruht auf der
Überlegung, dass es der Abklärungsperson nur beschränkt möglich ist, das
Ausmass des psychischen Leidens und der damit verbundenen Einschränkungen zu
erkennen (vgl. auch SVR 2012 IV Nr. 19 S. 81, 9C_201/2011 E. 2 mit Hinweisen;
Meyer/Reichmuth, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung [IVG], 3. Aufl.
2014, S. 392 f. Rz. 249 f.). Da die Beschwerdeführerin in psychischer Hinsicht
nicht eingeschränkt ist (vgl. Bericht des Dr. med. C.________ vom 5. November
2009: Status nach Colonperforation, Epitheldysplasie und daraufhin OP, Status
nach Bauchwandhernienkorrektur, Rezidivhernie), vermag sie daraus nichts zu
ihren Gunsten abzuleiten. Es verhält sich in ihrem Fall vielmehr so, dass den
Ergebnissen im Abklärungsbericht, welcher auf die Ermittlung des Ausmasses 
physisch bedingter Beeinträchtigungen (wie sie hier alleine vorliegen)
zugeschnitten ist, mehr Gewicht zukommt als den ärztlichen Angaben. Denn anders
als die Abklärungsperson lässt der Arzt in seiner Beurteilung die
Schadenminderungspflicht von im gleichen Haushalt lebenden Personen
unberücksichtigt und kann er sich nicht vor Ort über die zu erledigenden
Aufgaben ins Bild setzen.

4. 
Die Beschwerdeführerin wirft dem kantonalen Gericht vor, es habe die
Statusfrage falsch beurteilt: Sie wäre im Gesundheitsfall zu 80 % erwerbstätig
und nicht bloss zu 32 %.

4.1. Ob und gegebenenfalls in welchem zeitlichen Umfang eine in einem
Aufgabenbereich tätige versicherte Person (Art. 5 Abs. 1 IVG in Verbindung mit
Art. 8 Abs. 3 ATSG) ohne gesundheitliche Beeinträchtigung erwerbstätig wäre,
ergibt sich aus der Prüfung, was sie bei im Übrigen unveränderten Umständen
täte, wenn keine gesundheitliche Beeinträchtigung bestünde. Entscheidend ist
somit nicht, welches Ausmass der Erwerbstätigkeit der versicherten Person im
Gesundheitsfall zugemutet werden könnte, sondern in welchem Pensum sie
hypothetisch erwerbstätig wäre (BGE 133 V 504 E. 3.3 S. 507 f.; Urteil 9C_49/
2008 vom 28. Juli 2008 E. 3.3; je mit Hinweisen).
Bei im Haushalt tätigen Versicherten im Besonderen (vgl. Art. 27 IVV) sind die
persönlichen, familiären, sozialen und erwerblichen Verhältnisse ebenso wie
allfällige Erziehungs- und Betreuungsaufgaben gegenüber Kindern, das Alter, die
beruflichen Fähigkeiten und die Ausbildung sowie die persönlichen Neigungen und
Begabungen zu berücksichtigen. Massgebend sind die Verhältnisse, wie sie sich
bis zum Erlass der Verfügung entwickelt haben, wobei für die hypothetische
Annahme einer im Gesundheitsfall ausgeübten (Teil-) Erwerbstätigkeit der im
Sozialversicherungsrecht übliche Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit erforderlich ist (BGE 137 V 334 E. 3.2 S. 338; 130 V 393 E.
3.3 S. 396; 125 V 146 E. 2c S. 150; je mit Hinweisen).
Die auf eine Würdigung konkreter Umstände, nicht ausschliesslich auf die
allgemeine Lebenserfahrung oder auf arbeitsmarktliche Empirie gestützte
Festsetzung des hypothetischen Umfanges der Erwerbstätigkeit ohne
gesundheitliche Beeinträchtigung ist eine Tatfrage, welche das Bundesgericht
nur eingeschränkt überprüft (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 133 V 504 E. 3.2 S.
507; Urteile 9C_769/2012 vom 2. November 2012 E. 4 und 9C_922/2011 vom 29. Mai
2012 E. 3.1.2).

4.2. Die Vorinstanz konnte bei der Gewichtung der Bereiche Erwerb und Haushalt
nicht nur auf den von ihr selber eingeholten Abklärungsbericht vom 9. September
2014 abstellen, sondern auch auf den von der IV-Stelle in Auftrag gegebenen
Bericht vom 30. Juli 2010, der von einer anderen Person verfasst worden war. In
Letzterem war eine Tätigkeit im Erwerbsbereich von 31 % festgehalten worden.
Dieser Wert wurde von der bereits damals anwaltlich vertretenen
Beschwerdeführerin weder in ihrer Eingabe vom 22. September 2010 noch in der
Stellungnahme vom 9. März 2011 zum Vorbescheid vom 2. Februar 2011 in Frage
gestellt. Wenn die Beschwerdeführerin nun vortragen lässt, dass sie im
Gesundheitsfall zu 80 % erwerbstätig wäre, so steht dies im Gegensatz zu
früheren Erhebungen, die von ihr damals nicht als falsch bezeichnet worden
waren. Auch überzeugt ihre Argumentation nicht, wonach äussere Einflüsse eine
Erhöhung des Erwerbspensums nach 2003 verhindert hätten: Im Rahmen der
Abklärung vom 15. Juli 2014 brachte sie vor, sie habe ihr Pensum bei ihrer
damaligen Arbeitgeberin nicht ausweiten können. Als dies widerlegt und ein
gegenteilig lautender Bericht der Arbeitgeberin vorgelegt wurde, behauptete sie
am 23. März 2015 erstmals, sie habe sich um ihren an Schizophrenie leidenden
Sohn kümmern müssen und das Erwerbspensum deshalb nicht steigern können. Bei
dieser Sachlage kann der Vorinstanz jedenfalls nicht der Vorwurf gemacht
werden, sie habe bei der Beurteilung der Statusfrage eine offensichtlich
unrichtige oder auf einer Rechtsverletzung beruhende Sachverhaltsfeststellung
vorgenommen. Auch war es zulässig, im Rahmen einer antizipierten
Beweiswürdigung (BGE 137 V 64 E. 5.2 S. 69) auf eine Parteibefragung zu
verzichten. Denn aus einer solchen hätten in Bezug auf die Statusfrage
gegenüber der Abklärung an Ort und Stelle, an welcher nebst der
Beschwerdeführerin selber auch ihr Rechtsvertreter teilgenommen hatten und wo
sich die Beschwerdeführerin bereits persönlich äussern konnte, keine weiteren
Erkenntnisse resultiert. Nicht zu überzeugen vermag auch die Behauptung der
Beschwerdeführerin, sie hätte aus finanziellen Gründen im Gesundheitsfall ein
höheres Erwerbspensum innegehabt. Die Beschwerdeführerin bezieht seit 1979 eine
Witwenrente und ihr Lebenspartner betreut gemäss ihren eigenen Angaben (in der
Beschwerdeschrift vom 1. November 2012 im Verfahren 9C_907/2012) als
vollamtlicher Hauswart 164 Wohnungen und 8 Einfamilienhäuser. Angesichts dieser
Einkommensverhältnisse ist es unwahrscheinlich, dass die Beschwerdeführerin im
Gesundheitsfall allein aus finanziellen Gründen einer 80%igen Erwerbstätigkeit
nachgehen würde, dies umso mehr, als sie auch nach 2003 kein solches Pensum
aufgenommen hat. Darüber hinaus hätte die Beschwerdeführerin als Bezügerin
einer Witwenrente auch die Möglichkeit, Ergänzungsleistungen zu beanspruchen,
was sie unerwähnt liess und stattdessen behauptete, sie hätte sonst
Sozialhilfeleistungen beanspruchen müssen.

4.3. Zusammenfassend ergibt sich, dass dem kantonalen
Sozialversicherungsgericht in Bezug auf die Beurteilung der Statusfrage
(Erwerb: 32 %; Haushalt: 68 %) keine Bundesrechtsverletzung vorgeworfen werden
kann.

5.

5.1. Die Beschwerdeführerin beanstandet die Invaliditätsbemessung im
erwerblichen Bereich. Dabei steht fest, dass von einer Arbeitsfähigkeit von
zirka fünf Stunden pro Tag in einer leichten sitzenden Tätigkeit auszugehen ist
(Urteil 9C_907/2012 vom 19. August 2013 E. 2.4). Da die Versicherte nach
Eintritt des Gesundheitsschadens keine Erwerbstätigkeit mehr aufgenommen hat,
ging das kantonale Gericht für das Invalideneinkommen zu Recht von
Tabellenlöhnen aus, was auch die Beschwerdeführerin nicht in Frage stellt. Es
ermittelte (nach Vornahme eines Abzuges von 15 %) ein Invalideneinkommen von
Fr. 27'203.75. Selbst wenn stattdessen auf das von der Beschwerdeführerin
angenommene Invalideneinkommen von Fr. 25'857.- abgestellt und dieses dem
(entgegen der Beschwerdeführerin aufgrund der Angaben der Arbeitgeberin nicht
um die Teuerung aufzuwertenden) Valideneinkommen von Fr. 19'669.-
gegenübergestellt wird, resultiert eine Einschränkung im Erwerbsbereich von 0
%.

5.2. Zusammen mit der Einschränkung im Aufgabenbereich von 20 % ergibt sich
somit kein rentenbegründender Invaliditätsgrad. Dementsprechend ist die
Beschwerde abzuweisen.

6. 
Aufgrund des Ausgangs des Verfahrens hat die Beschwerdeführerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und es steht ihr keine
Parteientschädigung zu. Die obsiegende Beschwerdegegnerin hat keinen Anspruch
auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Migros Pensionskasse MPK, dem
Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 1. Dezember 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann

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