Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 394/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]          
9C_394/2015 {T 0/2}     

Urteil vom 27. Oktober 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner,
Gerichtsschreiberin Dormann.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Fürsprecherin Daniela Mathys,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle Bern, Scheibenstrasse 70, 3014 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, vom 29. April 2015.

Sachverhalt:

A. 
Der 1961 geborene A.________ litt seit ca. April 2006 an psychischen
Beeinträchtigungen. Am 12. Mai 2007 wurde er tätlich angegriffen und erlitt
dabei ein Schädelhirntrauma. Im Februar 2008 meldete er sich bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Ab dem 1. Januar 2009 war er neu
in der Personalabteilung der bisherigen Arbeitgeberin tätig; zudem gewährte ihm
die IV-Stelle Bern berufsbegleitende Umschulung zum HR-Fachmann, welche er im
Oktober 2010 erfolgreich abschloss (Verfügung vom 1. Dezember 2010). Auf den 1.
Februar 2011 wurde der Arbeitsvertrag mit der bisherigen Arbeitgeberin
angepasst, wobei nicht nur die Arbeitszeit, sondern auch der Grundlohn
reduziert wurde.

Nach Abklärungen und Durchführung des Vorbescheidverfahrens sprach die
IV-Stelle dem Versicherten mit Verfügung vom 20. Juni 2013 eine Viertelsrente
vom 1. April bis 31. Juli 2007, eine ganze Rente vom 1. August bis 30. November
2007 und eine halbe Rente ab 1. Dezember 2007 zu.

B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
mit Entscheid vom 29. April 2015 ab.

C. 
A.________ lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
beantragen, der Entscheid vom 29. April 2015 sei "bezüglich des Anspruchs ab
dem 1. Mai 2011 auf Ausrichtung einer halben IV-Rente bei einem
Invaliditätsgrad von 59 %" aufzuheben und die IV-Stelle sei zu verpflichten,
ihm ab dem 1. Mai 2011 eine Dreiviertelsrente auszurichten.

Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 

1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter
anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

1.2. Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich
unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und
augenfällig unzutreffend ist (BGE 132 I 42 E. 3.1 S. 44). Eine offensichtlich
unrichtige Sachverhaltsfeststellung weist damit die Tragweite von Willkür auf (
BGE 135 II 145 E. 8.1 S. 153; Botschaft des Bundesrates vom 28. Februar 2001
zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 S. 4338; MARKUS SCHOTT,
Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 9 f. zu Art. 97 BGG).
Es liegt noch keine offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere
Lösung ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere
erschiene (Urteil 9C_570/2007 vom 5. März 2008 E. 4.2). Eine
Sachverhaltsfeststellung ist etwa dann offensichtlich unrichtig, wenn das
kantonale Gericht den Sinn und die Tragweite eines Beweismittels offensichtlich
falsch eingeschätzt, ohne sachlichen Grund ein wichtiges und für den Ausgang
des Verfahrens entscheidendes Beweismittel nicht beachtet oder aus den
abgenommenen Beweisen unhaltbare Schlüsse gezogen hat (BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9;
Urteile 9C_851/2012 vom 5. März 2013 E. 2.3.2; 8C_5/2010 vom 24. März 2010 E.
1.2).

2.

2.1. Bei rückwirkender Zusprechung einer abgestuften und/oder befristeten
Invalidenrente sind die für die Rentenrevision geltenden Bestimmungen analog
anzuwenden (BGE 133 V 263 E. 6.1 S. 263 mit Hinweisen). Anlass zur Revision
einer Invalidenrente im Sinne von Art. 17 ATSG gibt jede wesentliche Änderung
in den tatsächlichen Verhältnissen, die geeignet ist, den Invaliditätsgrad und
damit den Rentenanspruch zu beeinflussen. Die Invalidenrente ist somit nicht
nur bei einer wesentlichen Veränderung des Gesundheitszustandes, sondern auch
dann revidierbar, wenn sich die erwerblichen Auswirkungen des an sich gleich
gebliebenen Gesundheitsschadens erheblich verändert haben (BGE 130 V 343 E. 3.5
S. 349; siehe auch BGE 133 V 545).

Liegt in diesem Sinne ein Revisionsgrund vor, ist der Rentenanspruch in
rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht allseitig zu prüfen (BGE 117 V 198 E. 4b
S. 200; Urteil 9C_226/2013 vom 4. September 2013 mit weiteren Hinweisen).

2.2. Streitig und zu prüfen ist lediglich der Rentenanspruch ab Mai 2011. Es
ist (zu Recht) unbestritten, dass die Änderung des Arbeitsvertrages, die drei
Monate zuvor (vgl. Art. 88a Abs. 2 IVV [SR 831.201]), d.h. auf den 1. Februar
2011 wirksam wurde, im Grundsatz einen Revisionsgrund darstellt.

Die Vorinstanz hat für den hier interessierenden Zeitraum einen
Invaliditätsgrad von 59 % errechnet und folglich den unveränderten Anspruch auf
eine halbe Invalidenrente (Art. 28 Abs. 2 IVG) bestätigt. Der Beschwerdeführer
macht geltend, bei der Invaliditätsbemessung nach Art. 16 ATSG sei das
Valideneinkommen zu niedrig und das Invalideneinkommen zu hoch festgesetzt
worden.

3. 

3.1.

3.1.1. Für die Bestimmung des Invaliditätsgrades wird das Erwerbseinkommen, das
die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung der
medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine
ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte, in
Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht
invalid geworden wäre (Art. 16 ATSG).

3.1.2. Für die Ermittlung des Valideneinkommens ist entscheidend, was die
versicherte Person im Zeitpunkt des frühestmöglichen Rentenbeginns nach dem
Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als Gesunde tatsächlich
verdienen würde, und nicht, was sie bestenfalls verdienen könnte. Dabei wird in
der Regel am zuletzt erzielten, nötigenfalls der Teuerung und der realen
Einkommensentwicklung angepassten Verdienst angeknüpft, da erfahrungsgemäss die
bisherige Tätigkeit ohne Gesundheitsschaden fortgesetzt worden wäre.

3.1.3. Für die Festsetzung des Invalideneinkommens ist primär von der
beruflich-erwerblichen Situation auszugehen, in welcher die versicherte Person
konkret steht. Übt sie nach Eintritt der Invalidität eine Erwerbstätigkeit aus,
bei der - kumulativ - besonders stabile Arbeitsverhältnisse gegeben sind und
anzunehmen ist, dass sie die ihr verbleibende Arbeitsfähigkeit in zumutbarer
Weise voll ausschöpft, und erscheint zudem das Einkommen aus der
Arbeitsleistung als angemessen und nicht als Soziallohn, gilt grundsätzlich der
tatsächlich erzielte Verdienst als Invalidenlohn. Ist kein solches tatsächlich
erzieltes Erwerbseinkommen gegeben, namentlich weil die versicherte Person nach
Eintritt des Gesundheitsschadens keine oder jedenfalls keine ihr an sich
zumutbare neue Erwerbstätigkeit aufgenommen hat, so können insbesondere
Tabellenlöhne gemäss den vom Bundesamt für Statistik periodisch herausgegebenen
Lohnstrukturerhebungen (LSE) herangezogen werden (BGE 139 V 592 E. 2.3 S. 593
f. mit Hinweis).

3.2. Auf der nicht medizinischen beruflich-erwerblichen Stufe der
Invaliditätsbemessung charakterisieren sich als Rechtsfragen die gesetzlichen
und rechtsprechungsgemässen Regeln über die Durchführung des
Einkommensvergleichs, einschliesslich derjenigen über die Anwendung der LSE. In
dieser Sicht ist die Feststellung der beiden hypothetischen Vergleichseinkommen
Tatfrage, soweit sie auf konkreter Beweiswürdigung beruht, hingegen
Rechtsfrage, soweit sich der Entscheid nach der allgemeinen Lebenserfahrung
richtet. Letzteres betrifft etwa die Fragen, ob Tabellenlöhne anwendbar sind
und welches die massgebende Tabelle ist (BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399).

3.3.

3.3.1. Die Vorinstanz hat auf die Angaben der Arbeitgeberin vom 4. April 2008
verwiesen und festgestellt, dass der Versicherte vor Beginn der
gesundheitlichen Probleme zuletzt, d.h. ab 1. Januar 2006, einen Monatslohn von
Fr. 7'000.- resp. ein Jahreseinkommen von Fr. 91'000.- (13 x Fr. 7'000.-)
erzielt habe. Unter Berücksichtigung der Nominallohnentwicklung bis 2011 hat
sie das Valideneinkommen auf Fr. 96'512.50 festgesetzt.

3.3.2. Das kantonale Gericht hat im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt,
dass das Jahreseinkommen 2005 laut Auszug aus dem individuellen Konto Fr.
92'810.- betragen hatte, und nachvollziehbar dargelegt, dass es aufgrund einer
früheren Schwankung in der Lohnentwicklung dennoch auf die Angaben der
Arbeitgeberin abgestellt hat. Die vorinstanzliche Beweiswürdigung und die
entsprechenden Feststellungen sind nicht offensichtlich unrichtig (vgl. E.
1.2). Daran ändert nichts, dass der Lohn 2005 um 63 % höher war als der
Anfangslohn im Jahr 1990. Gleiches gilt für den Umstand, dass die Arbeitgeberin
für den März 2006 einmalig einen Monatslohn von Fr. 7'750.- auswies. Zwar
bleibt der Grund für die Mehrzahlung in Höhe von Fr. 750.- im Dunkeln, indessen
fehlen konkrete Anhaltspunkte - etwa in einem Arbeitsvertrag - dafür, dass ab
März 2006 regelmässig Anspruch auf den höheren Lohn bestanden hätte.
Schliesslich lässt weder der ab 1. Januar 2009 geltende Arbeitsvertrag vom 20.
Dezember 2008 noch das Schreiben der Arbeitgeberin vom 5. Juli 2013 einen
Rückschluss auf das Jahreseinkommen 2006 zu.

3.3.3. Bei diesen Gegebenheiten stellt der vorinstanzliche Verzicht auf weitere
Abklärungen betreffend das Valideneinkommen keine Verletzung des
Untersuchungsgrundsatzes dar (antizipierende Beweiswürdigung; BGE 136 I 229 E.
5.3 S. 236; 134 I 140 E. 5.3 S. 148; 124 V 90 E. 4b S. 94). Sodann gibt es
keine rechtliche Vorgabe, wonach zwingend auf den letzten Monatslohn vor
Eintritt des Gesundheitsschadens abzustellen sein soll; eine Anknüpfung an den
zuletzt erzielten Jahreslohn ist zulässig (vgl. E. 3.1.2). Somit beruht die
vorinstanzliche Feststellung des Valideneinkommens auch nicht auf einer
Rechtsverletzung; sie bleibt für das Bundesgericht verbindlich (E. 1.1).

3.4.

3.4.1. Was das Invalideneinkommen anbelangt, so hat das kantonale Gericht auf
das durch Dr. med. B.________ (vgl. das im Auftrag der SUVA verfasste Gutachten
vom 30. November 2010) und Dr. med. C.________ vom Regionalen Ärztlichen Dienst
(vgl. Stellungnahmen vom 13. Juli 2010 und vom 7. März 2011) erstellte
Zumutbarkeitsprofil verwiesen und festgestellt, dass dem Beschwerdeführer eine
angepasste Tätigkeit z.B. im Personalbereich zu 50 % zumutbar sei. Nach
Erlangung des Fachausweises als HR-Fachmann sei ihm der monatliche Grundlohn
wegen ungenügender Arbeitsleistung auf den 1. Februar 2011 von Fr. 7'000.- auf
Fr. 5'000.- gekürzt worden, ohne dass sich die Arbeits- und Leistungsfähigkeit
oder sonst etwas verändert habe.

Dass diese Feststellungen offensichtlich unrichtig sein oder auf einer
Rechtsverletzung beruhen sollen, ist nicht ersichtlich und wird auch nicht
geltend gemacht. Sie bleiben für das Bundesgericht verbindlich (E. 1.1).

3.4.2. Weiter hat die Vorinstanz erwogen, dass der Leistungsmangel entweder
(vollumfänglich) auf gesundheitliche Gründe oder (teilweise) auf psychosoziale
Faktoren zurückzuführen sein könne. Für psychosoziale Gründe spreche der
Umstand, dass der Versicherte laut Einschätzung des Dr. med. B.________ unter
einer Geringschätzung durch seine Arbeitgeberin leide. Insofern könnte ein
beruflicher Neubeginn bei einem neuen Arbeitgeber als sinnvoll erscheinen;
allerdings sei dabei zu berücksichtigen, dass es dem Versicherten ausserhalb
des vertrauten Arbeitsumfeldes kaum möglich sein dürfte, ein Mindestmass an
Sicherheit aufzubauen. Weil nicht abschliessend entschieden werden könne, ob
die Lohnreduktion durch krankheitsbedingte Umstände oder durch psychosoziale
Faktoren begründet sei, entspreche das Invalideneinkommen nicht mehr dem
tatsächlich erzielten Verdienst, sondern es müsse neu gestützt auf einen
Tabellenlohn festgelegt werden.

Dazu hat das kantonale Gericht den Tabellenlohn der LSE 2010 (Tabelle TA7,
Ziff. 21: Rechnungs- und Personalwesen, Niveau 3 [Berufs- und Fachkenntnisse
vorausgesetzt], Männer) herangezogen (Fr. 7'032.-), die betriebsübliche
Wochenarbeitszeit, die Nominallohnentwicklung bis 2011, die Einschränkung der
Arbeitsfähigkeit (50 %) und einen Abzug (vgl. BGE 134 V 322 E. 5.2 S. 327 f.)
vom Tabellenlohn (10 %) berücksichtigt, woraus ein Invalideneinkommen von Fr.
39'954.30 resultiert.

3.4.3. Wird das Validen- oder Invalideneinkommen gestützt auf einen
Tabellenlohn festgelegt, ist praxisgemäss die Tabelle TA1 heranzuziehen;
allerdings können die konkreten Umständen des Einzelfalls auch erlauben, auf
eine andere Tabelle abzustellen (Urteile 9C_383/2015 vom 18. September 2015 E.
5.3; 8C_704/2009 vom 27. Januar 2010 E. 4.2.1.1 mit Hinweisen). Die
entsprechende Ausgangsgrösse der Tabelle TA1 (LSE 2010, Total Männer,
Anforderungsniveau 3) liegt bei Fr. 5'909.-; daraus würde in concreto bei im
Übrigen unveränderten Parametern ein Invalideneinkommen von lediglich Fr.
33'574.- resultieren. Gegen eine qualifizierte Tätigkeit im Personalwesen und
somit das Abstellen auf die Tabelle TA7 spricht, dass eine solche Verwertung
der Restarbeitsfähigkeit laut verbindlicher (E. 1.1) vorinstanzlicher
Feststellung ausserhalb des vertrauten Arbeitsumfeldes kaum möglich sein dürfte
(E. 3.4.2). Die Frage nach der zutreffenden Tabelle kann indessen offenbleiben,
wie sich aus dem Folgenden ergibt.

3.4.4.

3.4.4.1. Entscheidend für die Festsetzung des Invalideneinkommens ist
einerseits die Arbeitsfähigkeit und anderseits, ob sie, bei besonders stabilen
Arbeitsverhältnissen, in zumutbarer Weise voll ausschöpft wird und ob das
Einkommen aus der Arbeitsleistung als angemessen erscheint (E. 3.1.3).

3.4.4.2. Dr. med. B.________ attestierte eine um 50 % eingeschränkte
Arbeitsfähigkeit für sämtliche Arbeiten und explizit auch für die seit 1.
Januar 2009 ausgeübte Tätigkeit. Zwar schloss der Versicherte im Oktober 2010
die berufsbegleitende Ausbildung zum HR-Fachmann erfolgreich ab. Dass ihm eine
anforderungsreichere Arbeit als die ausgeübte zumutbar sein soll, lässt sich
dem Gutachten des Dr. med. B.________ nicht entnehmen. Dieser berücksichtigte
denn auch, dass die Arbeitgeberin den Arbeitsvertrag aufgrund ungenügender
Leistungen anpasste; zudem verwies er auf die Notwendigkeit des "Masshaltens"
und des Schutzes vor (Selbst-) Überforderung. Sodann erwähnte die Arbeitgeberin
verschiedentlich die qualitativen und quantitativen Mängel in der
Arbeitsleistung des Versicherten, welche trotz dessen Willens und Einsatzes den
Anforderungen an einen HR-Fachmann nicht genüge (vgl. Protokoll der IV-Stelle,
Einträge vom 31. März, 22. Juli und 30. November 2010 sowie Schreiben der
Arbeitgeberin vom 5. Juli 2013). Bei diesen Gegebenheiten lässt sich allein aus
dem festgestellten Gefühl einer "Geringschätzung durch die Arbeitgeberin" (E.
3.4.2) nicht ableiten, dass der Versicherte seine Arbeitsfähigkeit nicht voll
ausschöpfte. Sodann kann - insbesondere angesichts der Rückmeldungen der
Arbeitgeberin - angenommen werden, dass besonders stabile Arbeitsverhältnisse
vorliegen und der seit Februar 2011 erzielte Lohn der Leistung angemessen ist.
Das entspricht denn auch der Auffassung der Eingliederungsfachperson der
IV-Stelle, wonach die Weiterbeschäftigung optimal sei und der Versicherte in
keiner anderen Tätigkeit ein besseres Erwerbseinkommen erzielen könne (vgl.
Protokolleintrag vom 30. November 2010). Somit entspricht das
Invalideneinkommen dem tatsächlichen Jahresverdienst von Fr. 33'293.- (Fr.
2'561.- x 13).

3.5. Bei einem Valideneinkommen von Fr. 96'512.50 (E. 3.3) und einem
Invalideneinkommen von Fr. 33'293.- (E. 3.4.4.2) resultiert ein
Invaliditätsgrad von (gerundet) 66 %. Folglich hat der Beschwerdeführer seit
Mai 2011 (vgl. Art. 88a Abs. 2 IVV) Anspruch auf eine Dreiviertelsrente (Art.
28 Abs. 2 IVG). Die Beschwerde ist begründet.

4. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdegegnerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführer hat
Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern vom 29. April 2015 und die Verfügung der IV-Stelle Bern vom 20.
Juni 2013 werden aufgehoben, soweit sie nicht den Rentenanspruch bis 30. April
2011 betreffen. Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer ab 1. Mai 2011
eine Dreiviertelsrente auszurichten.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.

4. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
zurückgewiesen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 27. Oktober 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Dormann

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