Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 393/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_393/2015

Urteil vom 28. September 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Pfiffner, Moser-Szeless,
Gerichtsschreiber Williner.

Verfahrensbeteiligte
A.________, c/o B.________, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. André Largier,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 24. April 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. Der 1968 geborene A.________ bezieht seit Januar 2001 eine ganze Rente der
Invalidenversicherung (Invaliditätsgrad 100 %; Verfügung vom 11. März 2004). Im
Rahmen eines im Januar 2009 eingeleiteten Revisionsverfahrens setzte die
IV-Stelle des Kantons Zürich die Rente mit Wirkung ab September 2010 auf eine
Dreiviertelsrente herab (Invaliditätsgrad 62 %; Verfügung vom 22. Juli 2010).
Die dagegen von A.________ erhobene Beschwerde wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 29. Februar
2012 ab.

A.b. Im Mai 2013 leitete die IV-Stelle ein erneutes Revisionsverfahren ein. Sie
führte verschiedene erwerbliche und berufliche Abklärungen durch, namentlich
veranlasste sie eine psychiatrische Begutachtung (Gutachten des Dr. med.
C.________ vom 24. März 2014). Mit Verfügung vom 2. Dezember 2014 hob die
IV-Stelle die bisherige Invalidenrente gestützt auf die am 1. Januar 2012 in
Kraft getretenen Schlussbestimmungen zur 6. IV-Revision (erstes Massnahmepaket;
SchlBest. IVG) auf.

B. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen von
A.________ erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 24. April 2015 ab.

C. 
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Antrag auf Weiterausrichtung der Dreiviertelsrente.

Während das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Stellungnahme
verzichtet, schliesst die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes
wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2
BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG). Mit Blick auf diese Kognitionsregelung ist
aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde ans Bundesgericht zu prüfen, ob der
angefochtene Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell-
und beweisrechtlichen Grundlagen (u.a.) Bundesrecht verletzt (Art. 95 lit. a
BGG), einschliesslich einer allfälligen rechtsfehlerhaften
Tatsachenfeststellung (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Streitig ist, ob die am 2. Dezember 2014 gestützt auf die SchlBest. IVG
verfügte Aufhebung der seit 1. Januar 2001 ausgerichteten Invalidenrente
vorinstanzlich zu Recht bestätigt wurde.

2.1. Gemäss lit. a Abs. 1 SchlBest. IVG werden Renten, die bei
pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildern ohne
nachweisbare organische Grundlage gesprochen wurden, innerhalb von drei Jahren
nach Inkrafttreten dieser Änderung (am 1. Januar 2012) überprüft; sind die
Voraussetzungen nach Art. 7 ATSG nicht erfüllt, so wird die Rente herabgesetzt
oder aufgehoben, auch wenn die Voraussetzungen von Art. 17 Abs. 1 ATSG nicht
erfüllt sind. Diese Bestimmung ist verfassungs- und EMRK-konform (BGE 140 V 15
E. 5.1 S. 17 mit Hinweis).

2.2. Das kantonale Gericht stellte fest, sowohl anlässlich der letzten
materiellen Überprüfung wie auch aktuell habe beim Beschwerdeführer eine
somatoforme Schmerzstörung und eine leichte depressive Symptomatik vorgelegen
bzw. liege eine solche vor. Es sei deshalb von einem im Wesentlichen
unveränderten Gesundheitszustand auszugehen. Eine Gesamtwürdigung der gemäss
BGE 130 V 352 massgebenden Kriterien ergäbe, dass einzig von einem
chronifizierten Krankheitsverlauf auszugehen sei. Angesichts dessen könne nicht
gefolgert werden, eine Arbeitsaufnahme bei einer Schmerzverarbeitungsstörung
sei dem Beschwerdeführer ausnahmsweise unzumutbar. Die rechtsprechungsgemässen
Voraussetzungen zur Aufhebung der Rente nach Massgabe der SchlBest. IVG (vgl.
BGE 139 V 547 E. 10.1 S. 568 f.) seien erfüllt.

2.3. Die Vorinstanz hat nicht beachtet, dass die Anwendbarkeit der SchlBest.
IVG auf Fälle zu beschränken ist, bei denen die Rentenzusprache nicht bereits
auf der Grundlage der (damals) massgebenden Überwindbarkeitsrechtsprechung (BGE
130 V 352 und seither ergangene Urteile; vgl. jetzt geänderte Rechtsprechung im
zur Publikation bestimmten Urteil 9C_492/2014 vom 3. Juni 2015) erfolgt ist.
Anderenfalls würde die SchlBest. IVG Hand bieten für eine - grundsätzlich dem
Institut der Wiedererwägung vorbehaltene - nochmalige Überprüfung der
Rentenzusprache unter denselben Vorzeichen (vgl. BGE 140 V 8 E. 2.2.1.3 S. 13
f. und E. 2.3 S. 14). Das kantonale Gericht hielt diesbezüglich in E. 3.2 des
angefochtenen Entscheids zwar fest, weder in der Revisionsverfügung vom 22.
Juli 2010 noch im Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
vom 29. Februar 2012 sei die Frage der Überwindbarkeit der Schmerzproblematik
behandelt worden. Die daraus von der Vorinstanz gezogenen Schlüsse, die
Rentenzusprache sei nicht in Beachtung der (damals) relevanten Rechtsprechung
zu den pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildern ohne
nachweisbare organische Ursache erfolgt und eine Überprüfung nach den SchlBest.
IVG sei nach wie vor möglich, greifen jedoch zu kurz. So vermögen die fehlenden
diesbezüglichen Hinweise in der Verfügung vom 22. Juli 2010 und im Entscheid
vom 29. Februar 2012 nichts daran zu ändern, dass die damalige Herabsetzung der
ganzen Rente auf eine Dreiviertelsrente zweifelsohne "auf Grundlage der
massgebenden Überwindbarkeitsrechtsprechung" (vgl. BGE 140 V 8 E. 2.2.1.3 S.
13) bzw. zumindest "in Kenntnis der Praxis zu den anhaltenden somatoformen
Schmerzstörungen" (vgl. BGE 140 V 8 E. 2.3 S. 14) erfolgt ist. Dies geht ohne
Weiteres aus der dem Entscheid vom 29. Februar 2012 vorausgegangenen Verfügung
des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 28. Oktober 2010 hervor,
wo dieses explizit auf die Rechtsprechung gemäss BGE 130 V 352 hingewiesen
hatte. Wie der Beschwerdeführer unter Hinweis auf das Urteil 9C_427/2014 vom 1.
Dezember 2014 richtig einwendet, ist dabei gerade nicht massgebend, ob das
kantonale Gericht diese Rechtsprechung in der Folge im Entscheid vom 29.
Februar 2012 auch richtig umgesetzt hat (vgl. auch BGE 140 V 8 E. 2.3 S. 14).

3. 
Mangels Anwendbarkeit der SchlBest. IVG steht dem Beschwerdeführer die
bisherige Dreiviertelsrente auch über den 1. Februar 2014 hinaus zu.

4. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten der
Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Ausserdem hat sie dem
Beschwerdeführer eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts
des Kantons Zürich vom 24. April 2015 und die Verfügung der IV-Stelle des
Kantons Zürich vom 2. Dezember 2014 werden aufgehoben.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.

4. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
zurückgewiesen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 28. September 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Williner

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