Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 352/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_352/2015

Urteil vom 14. August 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Pfiffner, Moser-Szeless,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
handelnd durch seine Eltern,
diese vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Reto Bieri,
Beschwerdeführer,

gegen

Sozialversicherungsanstalt des Kantons Aargau, Ausgleichskasse, Kyburgerstrasse
15, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Ergänzungsleistung zur AHV/IV,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 7. April 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________ ist seit Geburt zufolge einer körperlichen und geistigen Behinderung
betreuungsbedürftig. Seit ... lebt er in einem Wohnheim der Stiftung
B.________. Im Jahr 2013 nahm er für Klinik- und Arztbesuche wiederholt
Auto-Transportdienstleistungen der Stiftung in Anspruch, wobei er jeweils von
einer Betreuungsperson begleitet wurde. Die Kosten für diese Begleitung
beliefen sich auf gesamthaft Fr. 960.-. Mit Verfügung vom 16. Juli 2014,
bestätigt mit Einspracheentscheid vom 3. September 2014, vergütete die
Ausgleichskasse des Kantons Aargau die geltend gemachten Transportkosten unter
dem Titel Krankheits- und Behinderungskosten nach ELG, lehnte es jedoch ab, die
Kosten für die Begleitpersonen zu übernehmen.

B. 
A.________ liess Beschwerde führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des
Einspracheentscheids seien ihm die Fahrbegleitungskosten in der Höhe von Fr.
960.-, zuzüglich Zins zu 5 % seit 16. April 2014, zu vergüten. Eventuell sei
die Sache zu neuer Beurteilung an die Verwaltung zurückzuweisen. Das
Versicherungsgericht des Kantons Aargau wies die Beschwerde ab (Entscheid vom
7. April 2015).

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt der Versicherte
den vorinstanzlich gestellten Hauptantrag erneuern. Eventuell sei die Sache zu
neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ferner ersucht er um
unentgeltlichen Rechtspflege.

Erwägungen:

1. 
Gemäss Art. 14 Abs. 1 lit. e ELG vergüten die Kantone den Bezügerinnen und
Bezügern einer jährlichen Ergänzungsleistung ausgewiesene, im laufenden Jahr
entstandene Kosten für Transporte zur nächstgelegenen Behandlungsstelle. Laut
Art. 14 Abs. 2 ELG bezeichnen die Kantone die Kosten, die nach Abs. 1 vergütet
werden können. Sie können die Vergütung auf im Rahmen einer wirtschaftlichen
und zweckmässigen Leistungserbringung erforderliche Ausgaben beschränken. Der
Kanton Aargau hat in § 3 Abs. 1 des Ergänzungsleistungsgesetzes Aargau vom 26.
Juni 2007 (ELG-AG; SAR 831.300) diese Beschränkung vorgenommen, wobei die
Regelung der Einzelheiten an den Regierungsrat delegiert wurde. Dieser hat in §
22 der Verordnung über die Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten bei
den Ergänzungsleistungen (ELKV-AG; SAR 831.315) Vorschriften betreffend
Transportkosten erlassen. § 22 Abs. 3 ELKV-AG bestimmt ausdrücklich, dass die
anfallenden Kosten für Fahrbegleitungen nicht vergütet werden. Im Urteil 9C_470
/2013 vom 11. Oktober 2013 E. 3.1 hat das Bundesgericht in Bestätigung früherer
Urteile (BGE 123 V 81; Urteil P 32/02 vom 15. November 2002 E. 5.1)
entschieden, dass die Kosten für Transporte zur nächstgelegenen
Behandlungsstelle im Sinne von Art. 14 Abs. 1 lit. e ELG nur vergütet werden,
wenn die Kosten im Zusammenhang mit einer ärztlichen Behandlung stehen.

2.

2.1. Aus dem kantonalen Recht kann der Beschwerdeführer mit Bezug auf die in
Frage stehende Kostenvergütung für die Begleitung auf verschiedenen Fahrten
nichts zu seinen Gunsten ableiten, da die Übernahme dieser Kosten durch den
Kanton Aargau in der regierungsrätlichen Verordnung ausdrücklich und in
Übereinstimmung mit der den Kantonen in Art. 14 Abs. 2 Satz 2 ELG eingeräumten
Befugnis, die Vergütung auf im Rahmen einer wirtschaftlichen und zweckmässigen
Leistungserbringung erforderliche Ausgaben zu beschränken, ausgeschlossen ist.
Das ELG wiederum sieht, wie erwähnt, lediglich die Vergütung von Transporten
der EL-Bezügerinnen und -Bezüger durch die Kantone zur nächstgelegenen
Behandlungsstelle vor (Art. 14 Abs. 1 lit. e ELG), wobei die Fahrten im
Zusammenhang mit einer medizinischen Behandlung stehen müssen. Ein zusätzlicher
Anspruch ergibt sich aus der bundesgesetzlichen Ordnung nicht. Dass Art. 14
Abs. 1 lit. e ELG eine echte Gesetzeslücke aufweise, indem er die Kosten der
Fahrbegleitung nicht erwähnt, behauptet der Beschwerdeführer zu Recht nicht.
Wie sich auch und gerade aus § 22 Abs. 3 ELKV-AG ergibt, der die Vergütung von
Fahrbegleitkosten ausschliesst, besteht kein zwingender Anlass, diese
Zusatzkosten in Art. 14 Abs. 1 lit. e ELG explizit zu erwähnen, da insoweit die
Kantone frei sind, eine grosszügige oder eine restriktive Regelung - wie sie
der Kanton Aargau gewählt hat - zu treffen.

2.2. Soweit der Beschwerdeführer einen Anspruch auf Übernahme für
Begleitungskosten auf Art. 14 Abs. 1 lit. b ELG stützt, wonach die Kantone im
laufenden Jahr entstandene Kosten für Hilfe, Pflege und Betreuung zuhause sowie
in Tagesstrukturen vergüten, kann ihm nicht gefolgt werden. Die Transportkosten
sind ausschliesslich in Art. 14 Abs. 1 lit. e ELG geregelt, während Art. 14
Abs. 1 lit. b ELG völlig andere Sachverhalte ordnet. BGE 121 V 8, auf den sich
der Beschwerdeführer weiter beruft, betrifft sodann einen Fall aus dem Gebiet
der Invalidenversicherung, der im vorliegenden Zusammenhang nicht einschlägig
ist. Weiter lässt sich die Fahrbegleitung auch nicht dem Anspruch auf
Fahrkosten als solchem nach Art. 14 Abs. 1 lit. e ELG zuordnen.
Wenn das ELG in Abs. 2 von Art. 14 die Regelung der Kostenvergütung für die in
Abs. 1 aufgezählten Leistungen, u.a. die medizinisch bedingten Transporte zur
nächstgelegenen Behandlungsstelle ohne Erwähnung der Begleitkosten, den
Kantonen überlässt, beurteilt sich ein allfälliger Ersatz für die Fahrkosten
samt allfälliger Zusatzkosten allein nach kantonalem Recht. Dieses kann vom
Bundesgericht jedoch nur überprüft werden, wenn eine entsprechende Rüge in der
Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Dabei
ist zu beachten, dass die Verletzung blossen kantonalen Rechts keinen
selbstständigen Beschwerdegrund bildet. Vielmehr hat die Beschwerde führende
Person rechtsprechungsgemäss darzutun, inwiefern der beanstandete Akt gegen
verfassungsmässige Rechte verstossen soll (BGE 135 V 94 E. 1 S. 95). Dabei ist
klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids
darzulegen, welche verfassungsmässigen Rechte und inwiefern sie durch den
kantonalen Entscheid verletzt worden sind (BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246). Eine
diesen Erfordernissen entsprechende Begründung enthält die Beschwerde nicht.
Der Beschwerdeführer beschränkt sich im Wesentlichen darauf zu behaupten, § 22
Abs. 3 ELKV-AG schränke die in Art. 14 Abs. 1 lit. b ELG statuierten
bundesrechtlichen Vorgaben in Bezug auf die Fahrbegleitungskosten zu stark ein
und verletze folglich Art. 14 Abs. 1 lit. b ELG. Damit ist eine Verletzung
verfassungsmässiger Rechte ebenso wenig begründet wie mit dem Einwand, § 22
Abs. 3 ELKV-AG verletze die bundesrechtlichen Minimalvorgaben, zumal Art. 14
Abs. 1 lit. e ELG hinsichtlich der Vergütung von Fahrbegleitungskosten entgegen
der Ansicht des Beschwerdeführers keine derartigen Mindestansprüche garantiert.

2.3. Die Tatsache, dass sich die Vorinstanz nicht mit sämtlichen Vorbringen in
der Beschwerde einlässlich auseinandergesetzt hat, begründet keine
Rechtsverweigerung. Der angefochtene Entscheid enthält eine klare Begründung,
die sich auf die massgeblichen Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen des
Bundes- und des kantonalen Rechts stützt, und nimmt auch Stellung zu Vorbringen
des Beschwerdeführers, womit der verfassungsmässigen Begründungspflicht Genüge
getan ist.

2.4. Eine Rückweisung an die Vorinstanz, wie vom Beschwerdeführer eventualiter
beantragt, jedoch nicht näher begründet, erübrigt sich.

3. 
Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist stattzugeben, da die gesetzlichen
Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Der Beschwerdeführer
wird indessen darauf hingewiesen, dass er der Gerichtskasse Ersatz zu leisten
hat, wenn er später dazu in der Lage ist (Art. 64 Abs. 4 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.

4. 
Rechtsanwalt Dr. Reto Bieri wird aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von
Fr. 2'800.- ausgerichtet.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 14. August 2015
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Widmer

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