Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 342/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_342/2015

Urteil vom 21. Oktober 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
Gerichtsschreiber Fessler.

Verfahrensbeteiligte
BVG-Sammelstiftung Swiss Life -
Vorsorgewerk A.________,
General-Guisan-Quai 40, 8002 Zürich,
Beschwerdeführerin,

gegen

B.________,
vertreten durch Advokatin Karin Wüthrich,
c/o Procap Schweiz,
Beschwerdegegnerin,

Stiftung Auffangeinrichtung BVG,
Passage Saint-François 12, 1003 Lausanne,
vertreten durch Advokat Martin Dumas.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge (Invalidenleistung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden
vom 14. April 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. B.________ war vom ... bis ... in einem 80 %-Pensum beim Institut
C.________ angestellt. Im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses war sie über das
Vorsorgewerk A.________ bei der BVG-Sammelstiftung Swiss Life
vorsorgeversichert. Im Zeitraum vom ... bis ... und vom ... bis ... bezog
B.________ Taggelder der Arbeitslosenversicherung. Damit war sie bei der
Stiftung Auffangeinrichtung BVG vorsorgeversichert.

A.b. Am ... und am ... wurde B.________ operiert. Mit Verfügungen vom 23.
September 2011 sprach ihr die IV-Stelle des Kantons Graubünden für die Zeit vom
1. November 2005 bis 30. November 2006 eine ganze Rente und ab 1. Dezember 2006
eine Viertelsrente der Invalidenversicherung zu.

A.c. Sowohl die BVG-Sammelstiftung Swiss Life, als auch die Stiftung
Auffangeinrichtung BVG lehnten die Ausrichtung von Invalidenleistungen der
beruflichen Vorsorge ab.

B. 
Am 21. März 2013 erhob B.________ beim Verwaltungsgericht des Kantons
Graubünden Klage gegen die BVG-Sammelstiftung Swiss Life und die Stiftung
Auffangeinrichtung BVG. Am 14. April 2015 erliess die 2. Kammer als
Versicherungsgericht folgenden Entscheid:

"1. Die BVG-Sammelstiftung Swiss Life wird in teilweiser Gutheissung der
Hauptklage verpflichtet, der Klägerin ab dem 1. November 2005 eine
Invalidenrente auf der Basis eines Invaliditätsgrades von 27 % aus der
weitergehenden beruflichen Vorsorge gemäss den massgeblichen reglementarischen
Bestimmungen zuzüglich Verzugszins von 5 % ab dem          21. März 2013
auszurichten. Diese Zusprache von Versicherungsleistungen steht unter dem
Vorbehalt einer allfälligen Überentschädigung. Im Übrigen wird die Klage
abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

2. Die Klägerin wird verpflichtet, der BVG-Sammelstiftung Swiss Life die
Freizügigkeitsleistung insoweit zurückzuerstatten, als sie zur Erbringung der
auf der Basis eines Invaliditätsgrades von 27 % aus der weitergehenden
beruflichen Vorsorge geschuldeten Invalidenleistungen nötig sind.

3. Die Stiftung Auffangeinrichtung BVG wird in Gutheissung der Eventualklage
verpflichtet, der Klägerin ab dem 1. November 2005 eine Invalidenrente bei
einem Invaliditätsgrad von 100 % und ab dem 1. Dezember 2006 eine
Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 49 % jeweils zuzüglich
Verzugszins von 5 % ab dem 21. März 2013 auszurichten. Diese Zusprache von
Versicherungsleistungen steht unter dem Vorbehalt einer allfälligen
Überentschädigung.

4. Es werden keine Kosten erhoben.

5.a) Die BVG-Sammelstiftung Swiss Life hat die Klägerin aussergerichtlich mit
Fr. 500.- (inkl. MWST) zu entschädigen.

   b) Die Stiftung Auffangeinrichtung BVG hat die Klägerin aussergerichtlich
mit Fr. 1'500.- (inkl. MWST) zu entschädigen.

(...)."

C. 
Die BVG-Sammelstiftung Swiss Life führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, Dispositiv-Ziffer 1 und 5a des
Entscheids vom 14. April 2015 seien aufzuheben und die Forderung von B.________
auf Invalidenleistungen der überobligatorischen beruflichen Vorsorge sei
vollumfänglich abzuweisen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wird darum
ersucht, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
B.________ beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die Stiftung
Auffangeinrichtung BVG äussert sich nicht materiell zur Beschwerde und stellt
keinen Antrag. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine
Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Streitgegenstand bildet in erster Linie die Frage, ob die Beschwerdegegnerin
gestützt auf Art. 26 Abs. 2 und Art. 5 des bis Ende 2004 in Kraft gestandenen
Reglements 1996 der Beschwerdeführerin (sowie aArt. 23 BVG [seit 1. Januar
2005: Art. 23 lit. a BVG]) ab 1. November 2005 Anspruch auf eine Invalidenrente
auf der Grundlage eines Invaliditätsgrades von 27 % hat, wie die Vorinstanz
entschieden hat.

2. 
Art. 26 Abs. 2 Reglement 1996 bestimmt unter der Überschrift "Nachdeckung/
Nachhaftung" Folgendes:

"Ist eine versicherte Person im Zeitpunkt der Auflösung des
Vorsorgeverhältnisses bzw. bei Ablauf der Nachdeckungsfrist nicht voll
arbeitsfähig und wird in der Folge innerhalb von 360 Tagen im Sinne von Art. 5
invalid erklärt, so besteht Anspruch auf Invaliditätsleistungen nach diesem
Reglement. Erhöht sich der Invaliditätsgrad aus gleicher Ursache innert
weiterer 90 Tage, oder erhöht sich der Invaliditätsgrad einer bei Auflösung des
Vorsorgeverhältnisses bzw. bei Ablauf der Nachdeckungsfrist invaliden Person
aus gleicher Ursache innert 90 Tagen, so werden auch für die Erhöhung die
Invaliditätsleistungen nach diesem Reglement erbracht.
(...) "
Art. 5 Reglement 1996 lautet wie folgt:

" (1)
Invalidität liegt vor, wenn die versicherte Person im Sinne der IV invalid ist
oder durch ärztlichen Befund objektiv nachweisbar ganz oder teilweise ihren
Beruf oder eine andere ihrer sozialen Stellung, ihren Kenntnissen und
Fähigkeiten angemessene Erwerbstätigkeit nicht mehr ausüben kann.

(2)
Ist die versicherte Person teilweise invalid, so werden die für Vollinvalidität
festgesetzten Leistungen in der Höhe gewährt, die dem Invaliditätsgrad
entspricht.
Teilweise Invalidität von weniger als einem Viertel gibt keinen Anspruch auf
Leistungen (...)."

3. 
Mit Bezug auf die Auslegung dieser Reglementsbestimmungen nach dem
Vertrauensprinzip (vgl. statt vieler Urteil 9C_882/2013 vom 6. Mai 2014 E. 4.1
mit Hinweisen) ist einzig umstritten, ob die Beschwerdegegnerin innerhalb von
360 Tagen nach Ablauf der Nachdeckungsfrist am ... im Sinne von Art. 5 invalid
erklärt wurde. Die Frage ist entgegen der Auffassung des kantonalen
Berufsvorsorgegerichts zu verneinen und damit auch der Anspruch der
Beschwerdegegnerin auf Invaliditätsleistungen nach diesem Reglement, ohne dass
auf seine diesbezüglichen Erwägungen und die Vorbringen der Parteien im
Einzelnen einzugehen wäre:
Die Beschwerdegegnerin war beim Institut C.________ in einem 80 %-Pensum
angestellt. Nach für das Bundesgericht verbindlicher Feststellung der
Vorinstanz (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG) trat die zur Invalidität führende
Arbeitsunfähigkeit (aArt. 23 BVG) im ... ein. Vom ... bis ... war die
Beschwerdegegnerin arbeitsunfähig. Für die Zeit vom ... bis ... hat das
kantonale Berufsvorsorgegericht - durch Einkommensvergleich (Art. 16 ATSG
i.V.m. Art. 28a Abs. 1 IVG) - einen Invaliditätsgrad von 27 % ermittelt. Der
Berechnung des (hypothetischen) Valideneinkommens (BGE 125 V 146 E. 2a S. 149)
legte sie den Verdienst zu Grunde, den die Beschwerdegegnerin ... bei einem
Arbeitspensum von 100 % beim Institut C.________ hätte erzielen können (E. 6c/
jj des angefochtenen Entscheids). Tatsächlich hatte sie jedoch lediglich zu 80
% gearbeitet. Es besteht kein Grund für eine Aufrechnung des Lohnes auf ein 100
%-Pensum, liefe dies doch im Ergebnis auf eine Ausweitung der
Versicherungsdeckung, deren Umfang durch den Beschäftigungsgrad bei Eintritt
der zur Invalidität führenden Arbeitsunfähigkeit (Art. 23 lit. a BVG) bestimmt
wird (BGE 141 V 127 E. 5.3.2 S. 134), hinaus, wie die Beschwerdeführerin
richtig sinngemäss vorbringt.
Gemäss Vorinstanz hätte der Jahresverdienst ... bei einem          80 %-Pensum
Fr. 66'547.- (13 x Fr. 5'119.-) betragen. Aus der Gegenüberstellung mit dem -
ebenfalls unbestrittenen - Invalideneinkommen von Fr. 60'777.60 (E. 6c/ii des
angefochtenen Entscheids)ergibt sich ein Invaliditätsgrad von 9 % ([[Fr.
66'547.- - Fr. 60'777.60]/Fr. 66'547.-] x 100 %; zum Runden BGE 130 V 121), was
nach Art. 5 Abs. 2 Reglement 1996 für eine Invalidenrente nicht ausreicht.
Damit besteht kein Anspruch auf Invalidenleistungen nach Art. 25 Abs. 2 des
Reglements. Umgekehrt hat die Beschwerdegegnerin keine Freizügigkeitsleistungen
zurückzuerstatten, wie in Dispositiv-Ziffer 2 des angefochtenen Entscheids
angeordnet.

4. 
Mit dem Entscheid in der Sache ist die Frage der aufschiebenden Wirkung der
Beschwerde gegenstandslos.

5. 
Ausgangsgemäss wird die Beschwerdegegnerin kostenpflichtig      (Art. 66 Abs. 1
BGG). Die obsiegende Beschwerdeführerin hat keinen Anspruch auf
Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG; Urteil 9C_767/2012 vom 22. Mai 2013 E.
4, in: SVR 2013 BVG Nr. 46 S. 197).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Dispositiv-Ziffer 1, 2 und 5a des Entscheids
des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden,          2. Kammer als
Versicherungsgericht, vom 14. April 2015 werden aufgehoben und die Anträge
Ziff. 1 bis 4 der Klage vom 21. März 2013 werden abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Stiftung Auffangeinrichtung BVG, dem
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 2. Kammer als Versicherungsgericht,
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 21. Oktober 2015
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Fessler

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