Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 340/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_340/2015

Urteil vom 23. März 2016

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Pfiffner, Moser-Szeless,
Gerichtsschreiberin Keel Baumann.

Verfahrensbeteiligte
 A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Christe,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 24. März 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die 1971 geborene A.________ war zuletzt als Hilfsarbeiterin bei der B.________
AG angestellt. Nachdem ihr im Oktober 2010 bei der Arbeit Schachteln auf den
Kopf gefallen waren, beklagte sie Schwindel, Schwäche in den Beinen und
Schlafstörungen (letzter effektiver Arbeitstag: 31. März 2011). Mit Wirkung auf
31. Oktober 2011 löste die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis aus
gesundheitlichen Gründen auf.
Im Februar 2012 meldete sich die Versicherte unter Hinweis auf den im Oktober
2010 erlittenen Arbeitsunfall bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug
an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich zog die Akten der
Krankentaggeldversicherung bei (unter anderem die Berichte des Dr. med.
C.________, Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom 18.
Oktober 2011 und der Klinik D.________, Zentrum für Rehabilitation und
Nachbehandlung, vom 31. Oktober 2011) und tätigte weitere Abklärungen
medizinischer und beruflicher Art. Sie veranlasste unter anderem eine
psychiatrische Untersuchung durch den Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD;
Bericht des Dr. med. E.________, Facharzt Psychiatrie und Psychotherapie,
Facharzt Neurologie, vom 17. September 2012). Mit Schreiben vom 23. November
2012 forderte die IV-Stelle die Versicherte im Rahmen ihrer
Schadenminderungspflicht und unter Androhung von Säumnisfolgen im Rahmen einer
erneuten Anmeldung bei der Invalidenversicherung auf, sich in einer
psychosomatischen Einrichtung stationär behandeln zu lassen. Nach Durchführung
des Vorbescheidverfahrens verneinte die IV-Stelle einen Anspruch auf Leistungen
mangels invalidenrechtlich relevanter Diagnosen (Verfügung vom 10. September
2013).

B. 
Beschwerdeweise liess A.________ die Aufhebung der Verfügung und die
Zusprechung einer ganzen Invalidenrente beantragen. Mit Entscheid vom 24. März
2015 wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und das Rechtsbegehren stellen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und
die Sache zur ergänzenden medizinischen Abklärung und Neubeurteilung an die
Vorinstanz bzw. die IV-Stelle zurückzuweisen.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung auf Rüge hin
oder von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht,
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 105 Abs. 2 BGG und Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden (BGE 134 I 65 E. 1.3 S. 67 f.; 134 V 250 E.
1.2 S. 252, je mit Hinweisen).

2. 
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz die durch die Beschwerdegegnerin
am 10. September 2013 verfügte Rentenablehnung zu Recht bestätigt hat. Dabei
rügt die Versicherte im Wesentlichen eine Verletzung des
Untersuchungsgrundsatzes (Art. 43 und 61 lit. c ATSG). Ihrer Auffassung nach
hätten sich weitere Abklärungen aufgedrängt, weil die Akten hinsichtlich des
Schweregrads der festgestellten depressiven Episode nicht schlüssig seien und
Anhaltspunkte für das Vorliegen einer schweren statt bloss mittelgradigen
depressiven Episode vorlägen.

3.

3.1. Im angefochtenen Entscheid werden die massgebenden Rechtsgrundlagen
zutreffend wiedergegeben. Es betrifft dies insbesondere die Bestimmungen und
Grundsätze zur Bedeutung ärztlicher Auskünfte im Rahmen der
Invaliditätsschätzung (BGE 125 V 256 E. 4 S. 261 mit Hinweisen; vgl. auch BGE
132 V 93 E. 4 S. 99 f.) sowie zu den Anforderungen an beweiskräftige
medizinische Berichte und Gutachten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E.
3a S. 352). Darauf wird verwiesen.

3.2. Bei den gerichtlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit handelt es sich grundsätzlich um Fragen tatsächlicher Natur (
BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.). Ebenso stellt die konkrete Beweiswürdigung
eine Tatfrage dar (Urteil 9C_204/2009 vom 6. Juli 2009 E. 4.1, nicht publ. in:
BGE 135 V 254, aber in: SVR 2009 IV Nr. 53 S. 164). Dagegen sind die
unvollständige Feststellung rechtserheblicher Tatsachen sowie die Missachtung
des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 43 Abs. 1, Art. 61 lit. c ATSG) Rechtsfragen
(Urteil 9C_460/2013 vom 18. März 2014 E. 1.3, in: SVR 2014 IV Nr. 20 S. 72).

4.

4.1. Nach Würdigung der medizinischen Akten stellte die Vorinstanz fest, die
Beschwerdeführerin leide seit März 2011 an einer mittelgradigen depressiven
Episode (ICD-10 F32.11) und an einer Somatisierungsstörung (ICD-10 F45.0). Die
mittelgradige depressive Episode sei therapierbar und nicht invalidisierend. Es
seien keine Umstände ersichtlich, welche eine Ausnahme von der Vermutung zu
begründen vermöchten, dass die Folgen der Somatisierungsstörung mit einer
zumutbaren Willensanstrengung überwindbar seien. Bei dieser Sachlage wäre die
Versicherte in der Lage, rentenausschliessend erwerbstätig zu sein.

4.2. Die vorinstanzliche Feststellung, wonach die Versicherte an einer
mittelgradigen depressiven Episode (ICD-10 F32.11) leidet, ist nicht
offensichtlich unrichtig. Verlässliche Anhaltspunkte für eine diesen
Schweregrad übersteigende Beeinträchtigung, mithin eine  schwere depressive
Episode (ICD-10 F32.2), oder entsprechenden Abklärungsbedarf, wie von der
Beschwerdeführerin geltend gemacht, sind nicht ersichtlich. Zu Unrecht
kritisiert die Versicherte, die Vorinstanz stütze sich für ihre Feststellung
unzulässigerweise allein auf den Bericht des RAD-Arztes Dr. med. E.________ vom
17. September 2012, welcher sich "bezüglich der unterschiedlichen
Diagnosestellung nicht schlüssig und nachvollziehbar mit den abweichenden
fachärztlichen Meinungen" auseinandersetze. Denn Dr. med. C.________ (Bericht
vom 18. Oktober 2011) und die Ärzte der Klinik D.________ (Bericht vom 31.
Oktober 2011), auf welche sich die Beschwerdeführerin für ihren abweichenden
Standpunkt beruft, diagnostizierten zwar eine "mindestens mittelschwere
depressive Episode mit somatischem Syndrom (F32.11) ", doch lässt dies trotz
Verwendung des Wortes "mindestens" mit Blick auf die übereinstimmend
angegebene, einem mittleren Schweregrad entsprechende ICD-Kodifizierung
"F32.11" den Schluss auf eine  schwere depressive Episode nicht zu. Gleiches
gilt hinsichtlich der Einschätzungen des behandelnden Dr. med. F.________,
Psychiatrie und Psychotherapie FMH: Abweichend von seiner anfänglichen Diagnose
einer mittelgradigen bis schweren depressiven Episode unter Hinweis auf F32.21
(Bericht vom 21. Mai 2012) hielt er in einem Schreiben vom 16. September 2013
eine mindestens mittelgradige bis  zeitweilig schwere depressive Episode - nun
unter Hinweis auf F32.11 - fest. Dass die Vorinstanz angesichts der - mit
Ausnahme des ersten Berichts des Dr. med. F.________ vom 21. Mai 2012 -
übereinstimmenden ICD-Diagnosen nach dem Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit vom Vorliegen einer mittelschweren depressiven Episode
(F32.11) ausging und keinen weiteren Abklärungsbedarf sah, ist entgegen der
Beschwerdeführerin nicht zu beanstanden. Mit Blick darauf, dass
rechtsprechungsgemäss leichte bis mittelschwere psychische Störungen
grundsätzlich als therapeutisch angehbar gelten (vgl. Urteile 9C_77/2015 vom
27. März 2015 E. 5.4 mit Hinweis; 9C_736/2011 vom 7. Februar 2012 E. 4.2.2.1
mit Hinweisen) und sich die Versicherte gemäss unbestrittener vorinstanzlicher
Feststellung keiner konsequent durchgeführten Depressionstherapie unterzogen
hat (vgl. dazu BGE 140 V 193 E. 3.3 S. 197), wurde eine invalidisierende
Wirkung der mittelschweren depressiven Episode zu Recht verneint.

4.3. Zur weiter diagnostizierten Somatisierungsstörung (ICD-10 F45.0), welche
zu den mit einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (ICD-10 F45.4)
vergleichbaren psychosomatischen Leiden gehört (Urteile 9C_689/2015 vom 3.
Dezember 2015 E. 3; 8C_696/2008 vom 3. Juni 2009 E. 8.2.2), äussert sich die
Beschwerdeführerin nicht, so dass sich Ausführungen dazu grundsätzlich
erübrigen. Immerhin sei darauf hingewiesen, dass auch nach der neuen, auf
hängige Fälle anwendbaren Rechtsprechung gemäss BGE 141 V 281 die Anerkennung
einer rentenbegründenden Invalidität nur in Betracht fällt, wenn die Aktenlage
ein stimmiges Gesamtbild zeichnet, das auf eine therapeutisch nicht angehbare
erhebliche funktionelle Behinderung schliessen lässt (Konsistenz; BGE 141 V 281
E. 4.4 S. 303). Diese Voraussetzung ist im hier zu beurteilenden Fall
angesichts der in den Akten beschriebenen Inkonsistenzen und
Aggravationstendenzen (Berichte des Dr. med. C.________ vom 18. Oktober 2011
und des Dr. med. E.________ vom 17. September 2012) ohne Weiteres zu verneinen
(BGE 141 V 281 E. 3.7.1 in fine S. 295; Urteil 9C_792/2015 vom 19. November
2015).

5. 
Bei diesem Ausgang des Prozesses hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten
zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 23. März 2016
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann

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