Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 330/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_330/2015

Urteil vom 21. Juli 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner,
Gerichtsschreiber Fessler.

Verfahrensbeteiligte
Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen,, Brauerstrasse 54, 9016 St.
Gallen,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________, vertreten durch B.________,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Ergänzungsleistung zur AHV/IV (Berechnung des Leistungsanspruchs),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 28. April 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________ bezog ab 1. März 2009 Ergänzungsleistungen (EL) zur Altersrente der
AHV. Mit Verfügung vom 8. Dezember 2012 setzte die Sozialversicherungsanstalt
des Kantons St. Gallen, Ausgleichskasse (nachfolgend: Durchführungsstelle), die
monatlichen Leistungen neu wie folgt fest: Fr. 534.- (1. März bis 31. Dezember
2009), Fr. 0.- (2010), Fr. 628.- (2011), Fr. 1'702.- (1. Januar bis 29. Februar
2012) und Fr. 1'933.- (1. März bis 31. Dezember 2012). Daran hielt sie mit
Einspracheentscheid vom 1. März 2013 fest.

B. 
In Gutheissung der Beschwerde des A.________ hob das Versicherungsgericht des
Kantons St. Gallen den Einspracheentscheid vom 1. März 2013 auf und sprach ihm
eine monatliche Ergänzungsleistung von 1'939 Franken für den Zeitraum vom 1.
März bis 31. Dezember 2009, von 1'932 Franken für das Jahr 2010, von 2'749
Franken für das Jahr 2011 und von 3'818 Franken ab Januar 2012 zu (Entscheid
vom 28. April 2015).

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die
Durchführungsstelle, der Entscheid vom 28. April 2015 sei insofern aufzuheben,
als der Eigenmietwert der im Eigentum von A.________ stehenden Liegenschaft
weder auf der Ausgaben- noch auf der Einnahmenseite in der EL-Berechnung
berücksichtigt werden darf; weiter sei dem Rechtsmittel aufschiebende Wirkung
zu erteilen.

A.________ und das kantonale Versicherungsgericht ersuchen um Abweisung der
Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine
Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Streitgegenstand bildet die jährliche Ergänzungsleistung für die Zeit vom 1.
März 2009 bis 31. Dezember 2012. Dabei ist einzig umstritten, ob in der
Berechnung des Anspruchs der Eigenmietwert der selbstbewohnten Liegenschaft von
Fr. 26'640.- als Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen anzurechnen (Art. 11 Abs.
1 lit. b ELG) und - im Gegenzug - der Mietzins einer Wohnung und die damit
zusammenhängenden Nebenkosten bei Ehepaaren von Fr. 15'000.- als Ausgabe
anzuerkennen (Art. 10 Abs. 1 lit. b Ziff. 2 ELG) ist. Die Vorinstanz hat die
Frage verneint, womit sie sich erneut, wie schon im Fall 9C_551/2014,
entschieden mit Urteil vom 13. März 2015 (SVR 2015 EL Nr. 4 S. 11), zur
geltenden Rechtsprechung in Widerspruch setzt.

2. 

2.1. Nach der Rechtsprechung stellt bei EL-Ansprechern, die im eigenen Haus
oder in der eigenen Wohnung leben, der im Wohnsitzkanton geltende steuerliche
Mietwert der Liegenschaft (in der Regel die bei Drittvermietung erzielbaren
Mietzinseinnahmen) vor einer allfälligen prozentualen Kürzung wegen
Selbstnutzung (Art. 12 Abs. 1 ELV; BGE 138 V 9) Einkünfte aus unbeweglichem
Vermögen nach Art. 11 Abs. 1 lit. b ELG dar (BGE 138 V 17 E. 4.2.3 S. 22; 126 V
252 E. 2a S. 254 f. [zu Art. 3c Abs. 1 lit. b aELG]). Umgekehrt ist gestützt
auf Art. 10 Abs. 1 lit. b ELG ein Mietzins (nach Ziffer 2 von höchstens 15'000
Franken bei Ehepaaren) als Ausgabe anzuerkennen (BGE 126 V 252 E. 3 S. 257 und
Urteil 9C_202/2009 vom 19. Oktober 2009 E. 3.2, in: SVR 2010 EL Nr. 1 S.1 [zu
Art. 3b Abs. 1 lit. b und Art. 5 Abs. 1 lit. b aELG]; Urteil des Eidg.
Versicherungsgerichts P 13/93 vom 27. Oktober 1993 E. 2b [zu Art. 4 Abs. 1 lit.
b und c aELG, in Kraft gestanden bis 31. Dezember 1996]; vgl. auch BGE 139 V
574 E. 3.3.3 S. 577 f.). Im Zusammenhang ist weiter Art. 10 Abs. 3 lit. b ELG
von Bedeutung, nach welcher Bestimmung bei allen Personen
Gebäudeunterhaltskosten und Hypothekarzinsen bis zur Höhe des Bruttoertrages
der Liegenschaft als Ausgaben anerkannt werden. Dabei gilt diese Schranke für
die Gebäudeunterhaltskosten und die Hypothekarzinsen zusammen. Bei Personen,
die in ihrer eigenen Wohnung oder in ihrem Haus leben, entspricht der den Abzug
von Gebäudeunterhaltskosten und Hypothekarzinsen begrenzende Bruttoertrag der
Liegenschaft dem nach Art. 11 Abs. 1 lit. b ELG massgebenden Mietwert (BGE 138
V 17 E. 4.2.1-3 S. 20 ff.; Urteil 9C_551/2014 vom 13. März 2015 E. 2).

2.2. Diese Rechtsprechung hat das Bundesgericht im Urteil 9C_551/2014 vom 13.
März 2015 E. 3 in Auseinandersetzung mit den dagegen vorgebrachten Einwänden
des selben kantonalen Versicherungsgerichts bestätigt und eine Praxisänderung
(zu den Voraussetzungen BGE 136 III 6 E. 3 S. 8; 134 V 72 E. 3.3 S. 76) im
Sinne der Nichtberücksichtigung des (Eigen-) Mietwertes der selbstbewohnten
Liegenschaft und des (maximalen) Mietzinsabzugs bei der EL-Berechnung (vorne E.
1) verneint. Es besteht kein Anlass, erneut darauf zurückzukommen.

3. 
Die übrigen Positionen der vorinstanzlichen EL-Berechnung wie auch der
Anspruchsbeginn ab 1. März 2009 sind unbestritten geblieben; es besteht kein
Anlass zu einer näheren Prüfung. Aufgrund des vom kantonalen
Versicherungsgericht für das Bundesgericht verbindlich festgestellten
Sachverhalts (Art. 105 Abs. 1 BGG) ist von folgenden Ausgabenüberschüssen
auszugehen: Fr. 23'271.- (2009), Fr. 23'178.- (2010), 32'987.- (2011) und Fr.
45'821.- (2012). Unter Berücksichtigung des Eigenmietwertes von Fr. 26'640.-
bei den Einnahmen und Mietkosten von Fr. 15'000.- bei den Ausgaben, ergibt sich
folgende jährliche Ergänzungsleistung: Fr. 11'631.- (2009), Fr. 11'538.-
(2010), Fr. 21'347.- (2011) und Fr. 34'181.- (2012).

4. 
Mit dem Entscheid in der Sache ist die Frage der aufschiebenden Wirkung der
Beschwerde gegenstandslos.

5. 
Ausgangsgemäss wird der Beschwerdegegner kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 28. April 2015 wird
dahingehend abgeändert, dass, mit Leistungsbeginn ab 1. März 2009, die
jährliche Ergänzungsleistung auf Fr. 11'631.- (2009), Fr. 11'538.- (2010), Fr.
21'347.- (2011) und Fr. 34'181.- (2012) festgesetzt wird.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 21. Juli 2015
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Fessler

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