Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 319/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
9C_319/2015        
{T 0/2}

Urteil vom 9. Mai 2016

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Pfiffner, Moser-Szeless,
Gerichtsschreiber Attinger.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Rainer Deecke,
Beschwerdeführerin,

gegen

SWICA Krankenversicherung AG,
Rechtsdienst, Römerstrasse 38, 8400 Winterthur,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Krankenversicherung (Krankenpflege),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug
vom 19. März 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die 1958 geborene A.________ litt an Adipositas Grad III und wog bei einer
Körpergrösse von 1.61 Meter maximal 123 Kilogramm (Body-Mass-Index von über
47). Nach zwei erfolgreichen Operationen zur Magenverkleinerung in den Jahren
2004 und 2013 liegt ihr heutiges Körpergewicht bei 65 Kilogramm. Als Folge der
massiven Gewichtsreduktion leidet die Versicherte nunmehr an einer ausgeprägten
Dermatochalasis (schlaffer, faltiger Hautüberschuss) im Brustbereich
(Mammaptose beideseits) sowie im Bereich des Abdomens (Fettschürze) und der
Oberschenkel. Die SWICA Krankenversicherung AG (nachfolgend: SWICA), welche
seinerzeit für die erwähnten chirurgischen Eingriffe im Rahmen der
obligatorischen Krankenpflegeversicherung aufgekommen war, lehnte mit Verfügung
vom 27. August 2014 und Einspracheentscheid vom 24. November 2014 die
Kostenübernahme für eine Mammapexie (operative Bruststraffung), eine
Abdominalplastik (Bauchdeckenstraffung) und eine chirurgische
Oberschenkelstraffung ab.

B. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zug wies die gegen den Einspracheentscheid
erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 19. März 2015 ab.

C. 
A.________ führt Beschwerde ans Bundesgericht mit dem Antrag, die SWICA sei zur
Übernahme der Behandlungskosten für eine Mammapexie, eine Abdominalplastik
sowie eine Oberschenkelstraffung zu verpflichten.
SWICA und Bundesamt für Gesundheit verzichten auf eine Vernehmlassung zur
Beschwerde.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es legt seinem
Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105
Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels für den Ausgang
des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG).
Unter Berücksichtigung der Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) prüft
es nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht
geradezu offensichtlich sind, und ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu
untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr aufgegriffen werden (BGE
140 III 115 E. 2 S. 115; 137 III 580 E. 1.3 S. 584; 134 I 65 E. 1.3 S. 67 f.).

2. 
Streitig ist, ob die Beschwerdeführerin im Rahmen der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung Anspruch auf Kostenübernahme für die vorgesehenen
Hautkorrekturoperationen hat. Im angefochtenen Entscheid werden die zur
Beurteilung des Anspruchs einschlägigen Rechtsgrundlagen umfassend angeführt.
Darauf wird verwiesen.
Im Weitern hat die Vorinstanz einlässlich dargelegt, dass die geltend gemachten
krankhaften Folgeerscheinungen (Ekzeme zufolge Schwitzens und Reibung unter der
Fettschürze und den ptotischen Mammae; Rücken-, Nacken- und
Schulterbeschwerden; psychischer Leidensdruck), soweit tatsächlich auf die
Dermatochalasis zurückzuführen, rechtsprechungsgemäss in erster Linie mit
konservativen (dermatologischen, physio- und psychotherapeutischen)
Behandlungen oder geeigneter Kleidung anzugehen sind, was nach Lage der Akten
bisher nicht oder zumindest nicht in hinreichendem Ausmass erfolgt ist. Diese
vorinstanzlichen Schlussfolgerungen werden denn auch seitens der
Beschwerdeführerin letztinstanzlich nicht (mehr) bestritten.

3. 
Hingegen wird in der Beschwerde geltend gemacht, dass schon der rein
ästhetische Mangel der Hauterschlaffung nach dem angestrebten massiven
Gewichtsverlust, insbesondere das stark vorgealterte Erscheinungsbild der
Versicherten, die Leistungspflicht der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung auslöst.

3.1. Nach der Rechtsprechung hat der Krankenversicherer unter bestimmten
Voraussetzungen die Kosten der operativen Behandlung sekundärer krankheits-
oder unfallbedingter Beeinträchtigungen, insbesondere äusserliche
Verunstaltungen vor allem an sichtbaren und in ästhetischer Beziehung speziell
empfindlichen Körperteilen, namentlich im Gesicht, zu übernehmen. Dies wenn die
äusserliche Verunstaltung ein gewisses Ausmass erreicht und sich durch eine
kosmetische Operation beheben lässt, der Versicherer auch für die primären
Unfall- oder Krankheitsfolgen leistungspflichtig war und sich die durchgeführte
kosmetische Operation in allgemein üblichen Grenzen sowie im Rahmen der
Wirtschaftlichkeit hält (BGE 138 V 131 E. 5.1 S. 134; 121 V 119 E. 1 S. 121;
111 V 229 E. 1c S. 232; SVR 2011 KV Nr. 11 S. 44, 9C_465/2010 E. 4.2; RKUV 2006
Nr. KV 358 S. 55, K 135/04 E. 1; 2005 Nr. KV 345 S. 368, K 4/04 E. 2.2; 1985
Nr. K 638 S. 197, K 94/84 E. 1b; Urteile 9C_560/2014 vom 3. November 2014 E.
4.1 und 9C_126/2008 vom 30. Oktober 2008 E. 4.1; Urteile K 50/05 vom 22. Juni
2005 E. 2.2 und K 15/04 vom 26. August 2004 E. 2.2; Gebhard Eugster, Die
obligatorische Krankenpflegeversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV,
3. Aufl. 2016, S. 497 Rz. 305).

3.2. Gerade im Zusammenhang mit Mammaptose, Bauchfettschürzen und
Hauterschlaffung an den Oberschenkeln nach Gewichtsabnahme hat das
Bundesgericht klargestellt, dass sich grundsätzlich nach objektiven Kriterien
beurteilt, ob ein ästhetischer Mangel als entstellend zu bezeichnen ist. Dazu
gehört die gesellschaftliche Anschauung. Ebenfalls von Bedeutung ist, inwiefern
sich der von der Norm abweichende Zustand aus ästhetischen Gründen negativ auf
das Erwerbsleben auswirkt. Mit Blick auf das Gebot der Gleichbehandlung der
Versicherten (Art. 13 Abs. 2 lit. a KVG und Art. 8 Abs. 1 BV) ist von einem
engen Begriffsverständnis von «entstellend» auszugehen. Subjektive Faktoren,
insbesondere die persönliche Anschauung, haben ausser Acht zu bleiben. Ihnen
wird bei der Frage Rechnung getragen, ob der ästhetische Mangel körperliche
oder psychische Beschwerden mit Krankheitswert verursacht, welche mit der
Behebung des zugrundeliegenden Mangels beseitigt werden können (zu Letzterem
vgl. E. 2 hievor; Urteile 9C_560/2014 vom 3. November 2014 E. 4.3 und 9C_126/
2008 vom 30. Oktober 2008 E. 4.3.2 und 4.3.3; Urteil K 15/04 vom 26. August
2004 E. 3.2.2; Andreas Traub, Krankheitswert und Behandlungsbedürftigkeit:
Rechtsprechungsübersicht, in: Rechtsfragen zum Krankheitsbegriff, Gächter/
Schwendener [Hrsg.], 2009, S. 47 ff., 65).

3.3. Im Lichte dieser Grundsätze hat das Bundesgericht verschiedentlich
erkannt, dass Mammaptosen, Fettschürzen und Hauterschlaffungen an den
Oberschenkeln in aller Regel nicht als entstellend bezeichnet werden können
(RKUV 2006 Nr. KV 358 S. 55, K 135/04 E. 2.3 in fine; 1985 Nr. K 638 S. 197, K
94/84 E. 2b; Urteile 9C_560/2014 vom 3. November 2014 E. 4.2 und 4.3 sowie
9C_126/2008 vom 30. Oktober 2008 E. 4.3.3; Urteile K 50/05 vom 22. Juni 2005 E.
3.2 in fine und K 15/04 vom 26. August 2004 E. 3.2.2). Auch im vorliegend zu
beurteilenden Fall kann die Dermatochalasis an den drei erwähnten Körperstellen
aufgrund der medizinischen Akten und der von der Abteilung für Hand- und
Plastische Chirurgie am Spital B.________ aufgenommenen Fotos bei objektiver
Betrachtungsweise nicht als geradezu entstellende Verunstaltung des äusseren
Erscheinungsbildes bezeichnet werden. Die Beschwerdeführerin macht denn auch
nicht geltend, dass sich die Hauterschlaffung im Sinne der dargelegten
Rechtsprechung (E. 3.2 hievor) aus ästhetischen Gründen negativ auf ihr
Erwerbsleben auswirkt. An dieser Betrachtungsweise ändert nichts, dass sich die
(im Zeitpunkt des ablehnenden Verwaltungsentscheids) 56-jährige Versicherte mit
Bezug auf die Hautsituation als "massiv vorgealtert" empfindet (so auch Bericht
des Spitals B.________ vom 11. Februar 2014). Eine Leistungspflicht des
Krankenversicherers für die ins Auge gefassten Hautkorrekturoperationen
entfällt demnach auch unter rein ästhetischem Blickwinkel.

4. 
Bei diesem Prozessausgang hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug und dem
Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 9. Mai 2016

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Attinger

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