Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 294/2015
Zurück zum Index II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2015
Retour à l'indice II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2015


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]          
9C_294/2015 {T 0/2}     

Urteil vom 2. Juli 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterin Pfiffner,
Bundesrichter Parrino,
Gerichtsschreiberin Dormann.

Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Häberli,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 13. März 2015.

Sachverhalt:

A. 
Mit Verfügung vom 9. Januar 2001 sprach die IV-Stelle des Kantons Zürich dem
1961 geborenen A.________ eine halbe Invalidenrente ab 1. Oktober 1998 zu
(Invaliditätsgrad 55 %). Am 18. Juli 2002 und am 7. Juni 2005 bestätigte sie
einen unveränderten Invaliditätsgrad und Anspruch. Im Juli 2008 leitete sie ein
weiteres Revisionsverfahren ein. Nach Abklärungen und Durchführung des
Vorbescheidverfahrens ermittelte sie einen Invaliditätsgrad von 32 %, weshalb
sie die Rente mit Verfügung vom 30. Mai 2013 auf das Ende des der Zustellung
folgenden Monats aufhob.

B. 
D as Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die Beschwerde des
A.________ mit Entscheid vom 13. März 2015gut und hob die Verfügung vom 30. Mai
2013 auf.

C. 
Die IV-Stelle beantragt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten, der Entscheid vom 13. März 2015 sei aufzuheben und die Sache
sei zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ferner ersucht sie
um aufschiebende Wirkung der Beschwerde.
A.________ schliesst auf Abweisung der Beschwerde, eventualiter sei die Sache
zu neuer Entscheidung an das kantonale Gericht zurückzuweisen. Das Bundesamt
für Sozialversicherungen (BSV) verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Renten, die bei pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen
Beschwerdebildern ohne nachweisbare organische Grundlage gesprochen wurden,
werden innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten dieser Änderung überprüft.
Sind die Voraussetzungen nach Artikel 7 ATSG nicht erfüllt, so wird die Rente
herabgesetzt oder aufgehoben, auch wenn die Voraussetzungen von Artikel 17
Absatz 1 ATSG nicht erfüllt sind (lit. a Abs. 1 der am 1. Januar 2012 in Kraft
getretenen Schlussbestimmungen zur 6. IV-Revision [erstes Massnahmenpaket] vom
18. März 2011 [nachfolgend: SchlBest. IV 6/1; AS 2011 5659]).
Absatz 1 findet keine Anwendung auf Personen, die im Zeitpunkt des
Inkrafttretens dieser Änderung das 55. Altersjahr zurückgelegt haben oder im
Zeitpunkt, in dem die Überprüfung eingeleitet wird, seit mehr als 15 Jahren
eine Rente der Invalidenversicherung beziehen (lit. a Abs. 4SchlBest. IV 6/1).

2.

2.1. Das kantonale Gericht hat eine rentenrelevante Verbesserung des
Gesundheitszustandes des Versicherten und folglich eine Rentenaufhebung
gestützt auf Art. 17 Abs. 1 ATSG verneint. Sodann hat es eine Aufhebung mit der
substituierten Begründung einer Wiedererwägung gemäss Art. 53 Abs. 2 ATSG
ausgeschlossen. Schliesslich hat es sich mit lit. a SchlBest. IV 6/1 befasst.
Es hat erwogen, der 15-jährige Rentenbezug sei am 1. Oktober 2013 erreicht
worden, ohne dass zuvor eine Rentenüberprüfung gestützt auf lit. a Abs. 1
SchlBest. IV 6/1 eingeleitet worden sei. Folglich hat es auch unter diesem
Aspekt die Rentenaufhebung für unzulässig gehalten.

2.2. Die IV-Stelle macht einzig geltend, die Rentenaufhebung im Rahmen von lit.
a Abs. 1 SchlBest. IV 6/1 sei im Grundsatz zulässig. Anknüpfungspunkt für die
Einleitung der Rentenüberprüfung gemäss lit. a SchlBest. IV 6/1 sei der 1.
Januar 2012; zu diesem Zeitpunkt habe der Rentenbezug noch nicht 15 Jahre
gedauert.
Dem ist beizupflichten: Das Bundesgericht befasste sich in BGE 140 V 15 E. 5.3
S. 18 ff. eingehend mit der Frage nach dem Abschluss der Rentenbezugsdauer
resp. nach dem "Zeitpunkt, in dem die Überprüfung eingeleitet wird" in der
Fallkonstellation, in der - wie hier - vor dem Inkrafttreten der massgeblichen
Schlussbestimmungen ein Revisionsverfahren eingeleitet worden war. Es
entschied, dass der 1. Januar 2012 den (fiktiven) Anknüpfungspunkt für die
Ermittlung der massgebenden Rentenbezugsdauer bildet (BGE 140 V 15 E. 5.3.5   
S. 21). Diese Rechtsprechung wurde denn auch in die seit 1. April 2014 geltende
Fassung von Rz. 1018 des Kreisschreibens des BSV über die Schlussbestimmungen
der Änderung vom 18. März 2011 des IVG (KSSB;http://www.bsv.admin.ch/vollzug/
documents/view/3936/lang: deu/ category:34) aufgenommen. Es besteht keine
Veranlassung zur Änderung dieser Rechtsprechung (vgl. BGE 140 V 538 E. 4.5 S.
541 mit Hinweisen).

Es ist unbestritten, dass der Versicherte die Rente am 1. Januar 2012 noch
nicht während 15 Jahren bezogen hatte. Demnach kommt er nicht in den Genuss der
Ausnahmeklausel gemäss lit. a Abs. 4 SchlBest. IV 6/1. Die Beschwerde ist
offensichtlich begründet (Art. 109 Abs. 2 lit. b BGG).

2.3. Die Vorinstanz wird, entsprechend dem Antrag der Beschwerdeführerin, die
materiellen Voraussetzungen einer Rentenaufhebung gemäss lit. a Abs. 1
SchlBest. IV 6/1 zu prüfen haben. Dabei wird sie, soweit notwendig, auch den
Vorgaben von lit. a Abs. 3 SchlBest. IV 6/1 und BGE 141 V 5 Rechnung tragen.

3. 
Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch der IV-Stelle um aufschiebende
Wirkung ihrer Beschwerde gegenstandslos.

4. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdegegner die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 13. März 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 2. Juli 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Dormann

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben