Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 284/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_284/2015

Urteil vom 22. April 2016

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
Bundesrichterin Moser-Szeless,
Gerichtsschreiber Attinger.

Verfahrensbeteiligte
 A.________, vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Häberli,
Beschwerdeführerin,

gegen

 Pensionskasse B.________,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge (Hinterlassenenleistung an Lebenspartnerin),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, vom 16. März 2015.

Sachverhalt:

A. 
C.________ war ab 1. September 2013 bei der Pensionskasse B.________
(nachfolgend: Pensionskasse) für die berufliche Vorsorge versichert. Als er im
April 2014 verstarb, hinterliess er seine Lebenspartnerin A.________ sowie
seine Eltern. Testamentarisch hatte er A.________ als Alleinerbin und
Willensvollstreckerin eingesetzt. Sie erkundigte sich am 30. Mai 2014 bei der
Pensionskasse nach Hinterlassenenleistungen, wobei sie geltend machte, der
Verstorbene und sie hätten seit Juni 2007 eine Lebensgemeinschaft geführt. In
der Folge verneinte die Vorsorgeeinrichtung einen Leistungsanspruch von
A.________ (Schreiben der Pensionskasse vom 4. Juni, 14. August und 6. Oktober
2014). Eine reglementarische Lebenspartnerrente entfalle, weil der Verstorbene
zu Lebzeiten das bestehende Konkubinatsverhältnis der Pensionskasse nicht
gemeldet habe. Das Todesfallkapital gelange mangels einer eindeutigen
schriftlichen Begünstigungserklärung seitens des Versicherten ebenfalls nicht
zur Ausrichtung.

B. 
A.________ erhob am 3. Dezember 2014 beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern
Klage mit dem Rechtsbegehren, die Pensionskasse sei zu verpflichten, ihr das
Todesfallkapital von Fr. 61'318.- auszuzahlen, zuzüglich Zins zu 5 % seit April
2014. Das Gericht wies die Klage mit Entscheid vom 16. März 2015 ab.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erneuert A.________
ihr vorinstanzliches Rechtsbegehren.

Während die Pensionskasse (sinngemäss) auf Abweisung der Beschwerde schliesst,
hat sich das Bundesamt für Sozialversicherungen dazu nicht vernehmen lassen.

Erwägungen:

1. 

1.1. Nach Art. 20a Abs. 1 BVG kann die Vorsorgeeinrichtung in ihrem Reglement
neben den Anspruchsberechtigten nach den Art. 19 (überlebender Ehegatte), 19a
(eingetragene Partnerin oder Partner) und 20 (Waisen) begünstigte Personen für
die Hinterlassenenleistungen vorsehen, u.a. natürliche Personen, die vom
Versicherten in erheblichem Masse unterstützt worden sind, oder die Person, die
mit diesem in den letzten fünf Jahren bis zu seinem Tod ununterbrochen eine
Lebensgemeinschaft geführt hat oder die für den Unterhalt eines oder mehrerer
gemeinsamer Kinder aufkommen muss (lit. a). Eine Vorsorgeeinrichtung muss nicht
alle der in Art. 20a Abs. 1 lit. a BVG aufgezählten Personen begünstigen und
kann den Kreis der Anspruchsberechtigten enger fassen als im Gesetz
umschrieben, insbesondere ist sie befugt, von einem restriktiveren Begriff der
Lebensgemeinschaft auszugehen. Denn die Begünstigung der in Art. 20a Abs. 1 BVG
genannten Personen gehört zur weitergehenden bzw. überobligatorischen
beruflichen Vorsorge (Art. 49 Abs. 2 Ziff. 3 BVG und Art. 89a Abs. 6 Ziff. 3
ZGB). Die Vorsorgeeinrichtungen sind somit frei zu bestimmen, ob sie überhaupt
und für welche dieser Personen sie Hinterlassenenleistungen vorsehen wollen.
Zwingend zu beachten sind lediglich die in lit. a-c von Art. 20a Abs. 1 BVG
aufgeführten Personenkategorien sowie die Kaskadenfolge. Umso mehr muss es den
Vorsorgeeinrichtungen daher grundsätzlich erlaubt sein, etwa aus Gründen der
Rechtssicherheit (Beweis anspruchsbegründender Umstände) oder auch im Hinblick
auf die Finanzierbarkeit der Leistungen, den Kreis der zu begünstigenden
Personen enger zu fassen als im Gesetz umschrieben (BGE 137 V 383 E. 3.2 S.
388; 136 V 49 E. 3.2 S. 51, 127 E. 4.4 S. 130; 134 V 369 E. 6.3.1.2 S. 378; je
mit Hinweisen auf die Lehre).

1.2. Unter dem Titel "Todesfallkapital" finden sich im seit 1. Januar 2014
geltenden Vorsorgereglement der Pensionskasse folgende Bestimmungen:

"Art. 42 Grundsatz
Stirbt eine aktive versicherte Person, ohne dass Anspruch auf eine
Ehegattenrente (Art. 36) oder auf eine Lebenspartnerrente (Art. 37) entsteht,
so wird ein Todesfallkapital fällig.

Art. 43 Anspruchsberechtigte
1 Anspruch auf das Todesfallkapital haben die Hinterlassenen des Verstorbenen -
unabhängig vom Erbrecht -, sofern sie vom Verstorbenen schriftlich bezeichnet
worden sind:
a. der überlebende Ehegatte;
b. bei dessen Fehlen: die waisenrentenberechtigten Kinder des Verstorbenen;
c. bei deren Fehlen: der überlebende Lebenspartner, sofern er, unabhängig des
Geschlechts, beim Tod der versicherten Person, mit ihr eine auf Dauer angelegte
Lebensgemeinschaft führte und bereits während mindestens zwei Jahren im
gemeinsamen Haushalt gelebt hat;
d. bei dessen Fehlen: die vom Verstorbenen in erheblichem Masse unterstützten
Personen;
e. bei deren Fehlen: die nicht waisenrentenberechtigten Kinder des
Verstorbenen.
2 Die Anspruchsberechtigten müssen ihren Anspruch spätestens sechs Monate nach
dem Tod der versicherten Person gegenüber der Kasse geltend machen, indem sie
der Kasse ihre schriftliche Bezeichnung durch den Verstorbenen einreichen.

3 Fehlen Anspruchsberechtigte im Sinne von Abs. 1, so verfällt das
Todesfallkapital der Kasse.

Art. 44 Betrag des Todesfallkapitals
Der Betrag des Todesfallkapitals entspricht einer einmaligen Abfindung in der
Höhe eines beitragspflichtigen Jahreslohns."

2. 
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch der Beschwerdeführerin auf das
reglementarische Todesfallkapital. Während Pensionskasse und Vorinstanz eine
Berechtigung auf diese weitergehende Hinterlassenenleistung mangels einer
schriftlichen Begünstigungserklärung verneinen, erblickt die Beschwerdeführerin
im Testament ihres Lebenspartners eine hinreichende derartige Erklärung.

2.1. Die - im vorliegenden Fall klageweise nicht geltend gemachte -
Lebenspartnerrente gemäss Art. 37 Vorsorgereglement setzt u.a. eine von der
versicherten Person  zu Lebzeiten der Pensionskasse eingereichte
Begünstigungserklärung voraus, d.h. die schriftliche Meldung über eine
bestehende Lebenspartnerschaft und die Bezeichnung der andern daran beteiligten
Person als Anspruchsberechtigte/r (Abs. 1 und 3 der genannten
Reglementsbestimmung). Beim hier interessierenden Todesfallkapital kann
demgegenüber die Begünstigungserklärung des Verstorbenen zugunsten der
überlebenden Lebenspartnerin (das Reglement spricht ebenfalls von deren
"schriftliche[r] Bezeichnung" [als Anspruchsberechtigte]) der Pensionskasse
auch noch innert sechs Monaten nach dem Tod der versicherten Person eingereicht
werden (Art. 43 Abs. 1 Ingress und lit. c, Abs. 2 Vorsorgereglement). Das
Bundesgericht hat beide Varianten reglementarisch verlangter
Begünstigungserklärungen für zulässig erklärt; sie bilden nicht blosse
Beweisvorschriften mit Ordnungscharakter, sondern mit Art. 20a BVG vereinbare
formelle Anspruchserfordernisse mit konstitutiver Wirkung (BGE 140 V 50 E.
3.3.2 S. 54; 137 V 105 E. 8 S. 111; 136 V 127; SVR 2015 BVG Nr. 16 S. 63,
9C_345/2014 E. 3.3.2; 2014 BVG Nr. 33 S. 123, 9C_339/2013 E. 2.2; 2009 BVG Nr.
18 S. 65, 9C_710/2007 E. 5.3; 2006 BVG Nr. 13 S. 47, B 92/04 E. 5.2; Urteil
9C_161/2014 vom 14. Juli 2014 E. 3.3).

2.2. Das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft bedeutet nicht zwangsläufig, dass
die versicherte Person den Lebenspartner auch tatsächlich begünstigen will. Im
Gegensatz zu den obligatorischen Hinterlassenenansprüchen des überlebenden
Ehegatten bzw. des überlebenden eingetragenen Partners hat die versicherte
Person bei einer Lebensgemeinschaft eine Wahlmöglichkeit (BGE 137 V 105 E. 8.2
in fine S. 111). Diese Autonomie dürfte u.a. ein wichtiger Grund dafür sein,
dass manche Paare die (nichteheliche) Lebensgemeinschaft der Ehe vorziehen. Die
Meldung ist demnach unmissverständlicher Ausdruck dafür, dass eine Begünstigung
gewollt ist. Dabei kann es keinen Unterschied machen, in welcher Form die
Willenserklärung abzugeben ist, ob in Gestalt einer expliziten
Begünstigungserklärung oder eines schriftlichen Unterstützungsvertrages oder
aber in der einfachen Meldung der Lebenspartnerschaft bzw. des Lebenspartners.
Auf die Abgabe einer verbalisierten Willenserklärung kommt es an. Darüber
hinaus bleibt auch ihr Sinn und Zweck - unabhängig von der Form - der gleiche:
Die Lebenspartnerrente stellt (wie das hier im Streite liegende
Todesfallkapital) eine neue Leistung dar. Sie wird ohne Beitragserhöhung
finanziert. Die Vorsorgeeinrichtung hat daher ein schützenswertes Interesse zu
wissen, wie viele Versicherte im Todesfall solche Leistungen auslösen können.
Überdies möchte sie in beweisrechtlicher Hinsicht grösstmögliche Klarheit in
Bezug auf die Person des Begünstigten (BGE 137 V 105 E. 9.4 S. 113; 136 V 127
E. 4.5 S. 130; 133 V 314 E. 4.2.3 S. 318; SVR 2015 BVG Nr. 17 S. 66, 9C_161/
2014 E. 3.3; vgl. auch Esther Amstutz, Die Begünstigtenordnung der beruflichen
Vorsorge, Diss. Zürich 2014, S. 236 Rz. 635).

2.3. Die Beschwerdeführerin beruft sich - soweit relevant - einzig auf die
eigenhändige letztwillige Verfügung des Versicherten vom 31. Dezember 2013
(ohne Ortsangabe), mit welcher der Verstorbene seine Lebenspartnerin als Erbin
des (gesamten) Nachlasses eingesetzt und zur Willensvollstreckerin ernannt hat.
Ferner wurden seine Eltern "angehalten", auf ihre Pflichtteile zu verzichten.

Die gesetzlichen (Art. 18-20 BVG) und reglementarischen (vgl. Art. 20a BVG)
Ansprüche der Hinterbliebenen aus beruflicher Vorsorge stehen nach der
Rechtsprechung vollständig ausserhalb des Erbrechts: Weder fallen sie in den
Nachlass noch unterliegen sie der erbrechtlichen Herabsetzung noch werden sie
durch eine Ausschlagung der Erbschaft tangiert (BGE 140 V 50 E. 3.1 S. 52; 130
I 205 E. 8 S. 220; 129 III 305 E. 2 S. 307; Gustavo Scartazzini, in: BVG und
FZG, 2010, N. 7 zu Art. 20a BVG; Hermann Walser, Weitergehende berufliche
Vorsorge, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 2198 Rz.
103). Trotz gänzlichem Fehlen eines erbrechtlichen Bezugs der
berufsvorsorgerechtlichen Hinterlassenenleistungen kann eine entsprechende
Begünstigungserklärung auch im Rahmen einer letztwilligen Verfügung erfolgen
(vgl. Urteil 9C_3/2010 vom 31. März 2010 E. 3.2, nicht publ. in: BGE 136 V 127,
aber in: SVR 2010 BVG Nr. 44 S. 167; vgl. SVR 2006 BVG Nr. 13 S. 47, B 92/04 E.
5.2). Die in einem Testament verbalisierte Willenserklärung, den Lebenspartner
hinsichtlich der reglementarischen Hinterlassenenleistungen zu begünstigen,
bedarf indessen eines ausdrücklichen Hinweises auf die einschlägigen
Reglementsbestimmungen oder wenigstens auf die berufliche Vorsorge (SVR 2006
BVG Nr. 13 S. 47, B 92/04 E. 5.2 und 5.3; vgl. auch den diesbezüglichen -
korrekten - Hinweis im Merkblatt der Pensionskasse, welches dem Versicherten
gemäss Aktenlage mit Schreiben vom 19. September 2013 zusammen mit dem
Versicherungsausweis und weiteren Unterlagen zugestellt wurde). Letztwillige
Verfügungen, mit denen - wie hier - die Lebenspartnerin des Versicherten
(bloss) als Erbin eingesetzt wird, lassen nicht auf einen
berufsvorsorgerechtlichen Begünstigungswillen schliessen, selbst dann nicht,
wenn die Partnerin zur Alleinerbin bestimmt wird (Konkretisierung der
Rechtsprechung gemäss Urteil 9C_3/2010 vom 31. März 2010 E. 3.2, nicht publ.
in: BGE 136 V 127, aber in: SVR 2010 BVG Nr. 44 S. 167).

3. 
Mangelt es schon an der erforderlichen Begünstigungserklärung, braucht die
Frage nach dem ebenfalls vorausgesetzten gemeinsamen Haushalt der beiden
Lebenspartner (Art. 43 Abs. 1 lit. c Vorsorgereglement) nicht beantwortet zu
werden. Aus demselben Grund kann im vorliegenden Fall auch offen bleiben,
welche Rechtsfolgen der Umstand zeitigt, dass die Pensionskasse in der
zitierten Reglementsbestimmung vom (überobligatorischen) gesetzlichen
Mindestkriterium einer ununterbrochenen  fünf jährigen Lebensgemeinschaft (Art.
20a Abs. 1 lit. a BVG; BBl 2000 2684 Ziff. 2.9.6.3) deutlich abweicht, indem
sie (bis zum Tod der versicherten Person) bloss eine zwei Jahre dauernde
Lebensgemeinschaft verlangt.

4. 
Als unterliegende Partei hat die Beschwerdeführerin die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens zu bezahlen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Die Beschwerdegegnerin hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art.
68 Abs. 3 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 22. April 2016

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Attinger

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