Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 207/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
9C_207/2015        
{T 0/2}

Urteil vom 5. Juni 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
Gerichtsschreiber Schmutz.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt und Notar Claude Wyssmann,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Solothurn,
Allmendweg 6, 4528 Zuchwil,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn
vom 18. Februar 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die IV-Stelle des Kantons Solothurn sprach A.________, geboren 1957, mit
Verfügungen vom 19. September 2013 bei einem Invaliditätsgrad von 100 % von
März 2008 bis Februar 2010 eine ganze sowie bei einem Invaliditätsgrad von 49 %
von März 2010 bis Oktober 2010 eine Viertelsrente zu. Sie verneinte einen
weitergehenden Leistungsanspruch, weil der Invaliditätsgrad seit dem 1. August
2010 nur noch 39 % und seit dem 20. September 2012 noch 29 % betrage.

B. 
Auf die dagegen erhobene Beschwerde hin gab das Versicherungsgericht des
Kantons Solothurn A.________ zur Vermeidung einer reformatio in peius die
Gelegenheit zum Beschwerderückzug. Die Versicherte machte davon nicht Gebrauch.
Das kantonale Gericht entschied, es stehe ihr ab Juni 2009 eine ganze Rente, ab
April 2010 eine halbe Rente sowie von November 2010 bis Dezember 2012 eine
Viertelsrente zu. Die Beschwerde wies es ab und es hob die angefochtenen
Verfügungen auf.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen.
Sie beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben. Es sei ihr ab März
2008 und über die Befristung (Dezember 2012) hinaus eine abgestufte
Invalidenrente zuzusprechen. Eventualiter sei die Beschwerdesache zur Einholung
eines polydisziplinären Gutachtens an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es legt seinem
Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105
Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz auf Rüge hin
oder von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht, und
wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein
kann (Art. 105 Abs. 2 BGG und Art. 97 Abs. 1 BGG).

2. 
Streitig ist der Anspruch auf eine Invalidenrente. Das kantonale Gericht hat
die gesetzlichen Bestimmungen und die von der Rechtsprechung entwickelten
Grundsätze, namentlich über den Begriff der Invalidität (Art. 8 Abs. 1 und 3
ATSG, Art. 4 Abs. 1 IVG), über den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 2
IVG), die Bemessung des Invaliditätsgrades sowie den Beweiswert und zur
Beweiswürdigung ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352
mit Hinweis) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3. 
Die Vorinstanz erwog, Dr. med. B.________, Facharzt FMH für Psychiatrie und
Psychotherapie, habe in seinem Gutachten vom 24. September 2012 eine aktuell
leichtgradige depressive Episode (differenzialdiagnostisch: neurotische
Depression) sowie eine akzentuierte ängstlich-gehemmte Persönlichkeitsstruktur
diagnostiziert. Insgesamt liege eine leichte oder allenfalls subdepressive, am
ehesten in der neurotischen Disposition begründete Stimmungslage vor.
Differenzialdiagnostisch sei an eine dysthyme Störung zu denken. Aktuell sei
die affektive Störung relativ gering, was sich auch in der Tagesgestaltung
zeige. Die subjektive Einschränkung sei bei Weitem nicht nachvollziehbar.
Aufgrund der leichten depressiven respektive der subdepressiven Störung sei die
Beschwerdeführerin allenfalls vermindert belastbar. Da die Gefahr einer
erneuten Dekompensation gross sei, sei nachvollziehbar, dass sie vermehrt
Pausen benötige. Für eine klar strukturierte Tätigkeit ohne Verantwortung lasse
sich demnach spätestens ab der Exploration vom 20. September 2012 eine
Einschränkung von 30 % begründen.

4.

4.1. Die Beschwerdeführerin rügt, ihre Gesundheitslage hätte mit einem
polydisziplinären Gutachten und nicht bloss mit einer monodisziplinären
psychiatrischen Expertise abgeklärt werden müssen. Es sei in Arztberichten
immer wieder festgehalten worden, dass sie an Handgelenksbeschwerden leide.
Auch die Schielampliopie habe Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit. Dr. med.
B.________ habe keinen ausführlichen klinisch-psychiatrischen Befund
einschliesslich eines Status nach AMPD (Arbeitsgemeinschaft für Methodik und
Dokumentation in der Psychiatrie) erhoben. Sein Gutachten entspreche damit
nicht den vom Bundesamt für Sozialversicherungen (Bundesamt) für alle Gutachten
zuhanden der Invalidenversicherung als verbindlich erklärten
"Qualitätsleitlinien für psychiatrische Gutachten in der Eidgenössischen
Invalidenversicherung" der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und
Psychotherapie (SGPP) vom Februar 2012.

4.2. Die Beschwerdeführerin legt über weite Strecken ihre eigene Sicht der
Dinge dar, was keine genügende Beschwerdebegründung bildet. Insbesondere setzt
sie sich mit der "medizinischen" Beweiswürdigung der Vorinstanz nicht
auseinander. Die Kritik, der psychiatrische Gutachter habe im September 2012
seine Befunde nicht nach den von der Schweizerischen Gesellschaft für
Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP) im Februar 2012 als Empfehlung
veröffentlichten AMDP-Richtlinien erhoben, zielt deshalb ins Leere, weil die
Rechtsprechung solchen Testverfahren höchstens ergänzende Funktion zuerkennt,
während die klinische Untersuchung mit Anamneseerhebung, Symptomerfassung und
Verhaltensbeobachtung entscheidend bleibt (Urteil 8C_266/2012 vom 2. Juli 2012
E. 4.1). Wie denn auch aus einer Pressemitteilung des Bundesamtes für
Sozialversicherungen vom 7. Juni 2012 hervorgeht, führte die IV die Richtlinien
in Zusammenarbeit mit den Ärztinnen und Ärzten der Standesorganisationen ein
und sie bilden ein Qualitätsraster für die Vollzugsorgane der IV. Dass das
Abstellen auf das Gutachten sonstwie bundesrechtswidrig sein soll, ist nicht
ersichtlich. Es kann vollumfänglich auf die vorinstanzlichen Erwägungen
verwiesen werden. Auf die von der Beschwerdeführerin geforderte
polydisziplinäre Begutachtung war zu verzichten, weil der Hausarzt Dr. med.
C.________ nie eine Rückenproblematik erwähnte. Auch erklärte die Versicherte
gegenüber dem Gutachter, sie könne mit den Rückenschmerzen leben.
Handgelenksschmerzen und Schielampliopie hat Dr. med. C.________ zwar erwähnt,
diesen Befund jedoch, wie die Vorinstanz mit Recht darauf hinweist, in dem von
der Beschwerdeführerin angerufenen Bericht vom 24. April 2012 gar nicht
begründet. Das Bundesgericht ist an diese tatsächlichen Feststellungen der
Vorinstanz gebunden (vgl. E. 1 vorne).

5. 
Die Beschwerdeführerin macht der Vorinstanz den Vorwurf, ihr Entscheid beruhe
auf einer Rechtsverletzung. Sie sei gemäss Art. 26 Abs. 1 IVV aufgrund des
Augenleidens als Frühinvalide zu betrachten. Daher sei beim Einkommensvergleich
der Validenlohn aufzuwerten. Es sei nicht zu erwarten, dass sie ohne dieses
Leiden ohne Ausbildung geblieben wäre. Der Einwand geht fehl. Wie die
Vorinstanz verbindlich festgestellt hat, hat die von Kindesbeinen an bestehende
Schielampliopie mit mehreren Strabismusoperationen die Beschwerdeführerin nicht
daran gehindert, nach der Schulzeit 16 Jahre als Staplerfahrerin zu arbeiten.
Auch hat sie einen Führerausweis erworben, was eine für einen Erwerb relevante
Sehbehinderung ausschliesst. Es wären ihr diverse Ausbildungsmöglichkeiten
offen gestanden. Bei dieser Sachlage - es wird vollumfänglich auf E. 4.3.1 der
vorinstanzlichen Erwägungen verwiesen - erweist sich die Verneinung einer
Frühinvalidität nicht als bundesrechtswidrig. Damit erübrigt sich die
Beantwortung der Frage, welcher Validenlohn im Einkommensvergleich zu
berücksichtigen ist. Auch bei einer Parallelisierung der Vergleichseinkommen
erreicht der Invaliditätsgrad die Mindestgrenze nicht (Invaliditätsgrad 37 %
[100 % - 70 % x 0.9]).

6. 
Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet. Das vorliegende Urteil erfolgt
deshalb mit teilweisem Verweis auf den angefochtenen Entscheid (Art. 109 Abs. 2
lit. a BGG).

7. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der
unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 65 Abs. 4 lit. a i.V. mit
Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 5. Juni 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Schmutz

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