Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 204/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]          
9C_204/2015 {T 0/2}     

Urteil vom 29. April 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Parrino,
Gerichtsschreiber Schmutz.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Gafner,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle Bern,
Scheibenstrasse 70, 3014 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
vom 23. Februar 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. A.________, geboren 1960, arbeitete ab 1980 als Mitarbeiterin Fabrikation
in der Firma B.________ AG. Sie hatte eine Drehbank zu bedienen. Am 9. Dezember
2003 meldete sie sich bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die
IV-Stelle Bern holte ein bidisziplinäres Gutachten der Dres. med. C.________,
Spezialarzt FMH für Rheumatologie und D.________, Psychiatrie Psychotherapie
FMH, vom 23. November 2005 ein. Mit Verfügung vom 17. Februar 2006 sprach ihr
die IV-Stelle Bern für die Zeit vom 1. Februar 2004 bis 30. April 2005 eine
ganze und für die Zeit vom 1. Mai 2005 bis 20. November 2005 eine halbe
Invalidenrente zu (Invaliditätsgrad von 100 % resp. 55 %); ab 1. Dezember 2005
wurde der Rentenanspruch verneint (IV-Grad von 37 %). Den diese Verfügung
bestätigenden Einspracheentscheid vom 18. Dezember 2006 hob das
Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 8. August 2008 für die
Zeit ab Mai 2005 auf. Es sprach A.________ ab diesem Zeitpunkt anstelle der
halben eine Dreiviertelsrente sowie ab 1. Februar 2006 eine Viertelsrente zu.

A.b. Im Zuge einer im Juli 2010 eingeleiteten Revision bestätigte die IV-Stelle
des Kantons Bern mit Vorbescheid vom 12. April 2011 die laufende Rente.
A.________ erhob dagegen Einwand. Die IV-Stelle klärte die medizinischen
Verhältnisse ab. Nachdem bei der Versicherten ein Kolon- sowie ein
Bronchuskarzinom festgestellt und operiert worden war, verfügte die IV-Stelle
am 6. November 2012, dass A.________ bis 30. November 2011 weiterhin Anspruch
auf eine Viertelsrente und ab 1. Dezember 2011 einen solchen auf eine ganze
Rente habe.

A.c. Anlässlich der im März 2013 eingeleiteten Rentenrevision holte die
IV-Stelle beim Zentrum E.________ ein polydisziplinäres Gutachten (Allgemeine
Innere Medizin, Medizinische Onkologie, Neurologie, Pneumologie, Rheumatologie,
Gastroenterologie, Psychiatrie und Psychotherapie) vom 21. Oktober 2013 ein.
Mit Vorbescheid vom 18. Dezember 2013 und Verfügung vom 13. März 2014 sprach
die IV-Stelle A.________ ab 1. Mai 2014 eine Viertelsrente zu (Invaliditätsgrad
von 46 %).

B. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies die dagegen erhobene Beschwerde
mit Entscheid vom 23. Februar 2015 ab, soweit es darauf eintrat.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen.
Sie beantragt die Aufhebung des kantonalen Entscheides. Die IV-Stelle sei zu
verpflichten, ihr auch nach dem 30. April 2014 eine die Viertelsrente
übersteigende angemessene Invalidenrente auszurichten.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es legt seinem
Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105
Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz auf Rüge hin
oder von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht,
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 105 Abs. 2 BGG und Art. 97 Abs. 1 BGG).

2. 
Streitgegenstand bildet die vorinstanzlich bestätigte revisionsweise Ersetzung
der ganzen durch eine Viertelsrente auf den 1. Mai 2014.

2.1. Ändert sich der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines
Rentenbezügers erheblich, so wird die Rente von Amtes wegen oder auf Gesuch hin
für die Zukunft entsprechend erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben (Art. 17 Abs.
1 ATSG; vgl. auch Art. 87 Abs. 2 und 3, Art. 88a und Art. 88 bis IVV). Anlass
zur Rentenrevision gibt jede Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen, die
geeignet ist, den Invaliditätsgrad und damit den Rentenanspruch zu
beeinflussen. Die Invalidenrente ist daher nicht nur bei einer wesentlichen
Veränderung des Gesundheitszustandes, sondern auch dann etwa revidierbar, wenn
sich die erwerblichen Auswirkungen des an sich gleich gebliebenen
Gesundheitszustandes erheblich verändert haben oder eine andere Art der
Bemessung der Invalidität zur Anwendung gelangt (BGE 130 V 343 E. 3.5 S. 349).

2.2. Als Vergleichsbasis für die Beurteilung der Frage, ob bis zum Abschluss
des aktuellen Verwaltungsverfahrens eine anspruchserhebliche Änderung des
Invaliditätsgrades eingetreten ist, dient die letzte rechtskräftige Verfügung,
welche auf einer materiellen Prüfung des Rentenanspruchs mit rechtskonformer
Sachverhaltsabklärung, Beweiswürdigung und Durchführung eines
Einkommensvergleichs (bei Anhaltspunkten für eine Änderung in den erwerblichen
Auswirkungen des Gesundheitszustands) beruht (BGE 133 V 108; vgl. auch SVR 2010
IV Nr. 54 S. 167, 9C_899/2009 E. 2.1).

3. 
Das polydisziplinäre Gutachten des Zentrums E.________ hielt als Diagnosen mit
Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit ein chronisches, aktuell zervikothorakal
betontes Panvertebralsyndrom (d.h. Schmerzen am Übergang zwischen den Hals- und
den Brustwirbeln), beidseitige chronische Ellbogenschmerzen, eine
Intercostalneuralgie mit Postthorakothomiesyndrom (d.h. Schmerzen im Bereich
der Zwischenrippennerven) sowie eine postoperative funktionelle Diarrhoe fest.
Aus rheumatologischer Sicht war es der Beschwerdeführerin zumutbar, in einer
leidensadaptierten Beschäftigung 70 % arbeitstätig zu sein. Aus neurologischer
Sicht bestand in einer angepassten Tätigkeit eine Arbeitsfähigkeit von 80 %.
Aus rein onkologischer Sicht lag seit Ende Mai 2012 keine Beeinträchtigung der
Arbeitsfähigkeit mehr vor. Aus gastroenterologischer Sicht war, sofern am
Arbeitsplatz jederzeit zugängliche sanitäre Anlagen vorhanden seien, keine
Einschränkung gegeben. Aus pneumatologischer Sicht bestand eine 80%ige
Arbeitsfähigkeit in Tätigkeiten ohne körperliche Belastung. Aus psychiatrischer
und internmedizinischer Sicht lag keine Einschränkung vor. Zusammengefasst
ergab sich eine 70%ige Arbeitsfähigkeit in einer leichten, wechselbelastenden,
vorwiegend administrativen Tätigkeit ohne Zwangshaltungen des Oberkörpers,
ungünstigen monotonen Belastungen der Halswirbelsäule und Überkopfarbeiten.
Auch die Hände stark belastende Arbeiten sollten nicht mehr ausgeübt werden.
Infolge der Rekonvaleszenzzeit nach den operativen Eingriffen bestand von
Oktober 2011 bis Ende Mai 2012 eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit.

4. 
Nach dem vorinstanzlichen Entscheid erfüllt das Gutachten sämtliche an eine
Expertise gestellten Anforderungen. Die Befunde und Diagnosen der behandelnden
und der begutachtenden Ärzte stimmten im Wesentlichen überein. Die Differenz
bestehe in der Beurteilung der Arbeits- und Leistungsfähigkeit. Es sei
festzuhalten, dass die Kombination mehrerer Funktionsstörungen nicht notwendig
zu einer Addition der in unterschiedlichen medizinischen Fachdisziplinen
attestierten Arbeitsunfähigkeiten führe. Beim Zusammentreffen verschiedener
Gesundheitsbeeinträchtigungen würden sich in der Regel die erwerblichen
Auswirkungen überschneiden, weshalb die Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich in
einer Gesamtbeurteilung zu bestimmen sei. Es liege eine revisionsrechtlich
relevante Verbesserung der medizinischen Situation vor, denn die Verwaltung sei
beim Erlass der Verfügung vom 6. November 2012 zu Recht noch von einer
vollständigen Arbeitsfähigkeit ausgegangen.

5. 
Die Beschwerdeführerin rügt, aufgrund der Berichte der behandelnden Ärzte könne
nicht auf das Gutachten des Zentrums E.________ abgestellt werden. Es sei nicht
nachvollziehbar, warum die Arbeitsunfähigkeit mit lediglich 30 % veranschlagt
worden sei, da ihr doch schon aus rein rheumatologischer Sicht eine solche von
30 % und aus neurologischer sowie pneumologischer Sicht zusätzlich je eine
solche von 20 % attestiert worden sei. Dass die Arbeitsunfähigkeit zu tief
angesetzt sei, zeige sich auch darin, dass nach dem bidisziplinären Gutachten
der Dres. med. D.________ (FMH Psychiatrie) und C.________ (FMH Rheumatologie)
vom 23. November 2005 aus somatischen Gründen eine Arbeitsunfähigkeit von 30 %
für eine dem Leiden angepasste Tätigkeit vorgelegen habe. Davon werde nun auch
im Gutachten des Zentrums E.________ ausgegangen. Es sei aber nicht
nachvollziehbar und darum willkürlich, dass die in neurologischer und
pneumologischer Sicht hinzu gekommenen Arbeitsunfähigkeiten von je 20 % sich in
keiner Weise erhöhend auf die Gesamtarbeitsunfähigkeit auswirken sollen. Bei
der Berechnung des Invaliditätsgrades sei zudem ein zu geringer
leidensbedingter Abzug von 10 % gewährt worden, es dränge sich der maximal
mögliche Abzug von 25 % auf.

6. 
Wenn sich die Beschwerdeführerin auf die Berichte der behandelnden Ärzte
beruft, gilt es zu berücksichtigen, dass aufgrund der auftragsrechtlichen
Vertrauensstellung zum Patienten solche Berichte mit Vorbehalt zu würdigen sind
(BGE 125 V 351 E. 3b/cc S. 353). Sie sind aber keineswegs bedeutungslos. Hier
erschöpfen sich jedoch die Abweichungen vom Administrativgutachten im
Wesentlichen in einer anderen Einschätzung des gleichen Sachverhaltes. Es
besteht darum kein Anlass zu weiteren Abklärungen. Was den Einwand betrifft,
mit 30 % sei die Arbeitsunfähigkeit zu tief angesetzt, weil bereits nach dem
Gutachten von 2005 für eine angepasste Tätigkeit eine Arbeitsunfähigkeit von 30
% vorgelegen habe, ist daran zu erinnern, dass als zeitliche Vergleichsbasis
die letzte rechtskräftige Verfügung dient, vorliegend somit die Verfügung vom
6. November 2012 (vorne E. 2.2). Auch führt die Kombination mehrerer
Funktionsstörungen nicht notwendigerweise zu einer Addition der in
verschiedenen Fachdisziplinen attestierten Arbeitsunfähigkeiten. Bei ihrem
Zusammentreffen überschneiden sich die erwerblichen Auswirkungen in der Regel.
Deshalb ist der Grad der Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich in einer
Gesamtbeurteilung zu bestimmen (Urteil 9C_948/2012 vom 22. Juli 2013      E.
4.3). Dass die Gutachter des Zentrums E.________ die neurologisch und
pneumatologisch begründete Arbeitsunfähigkeit von je 20 % als von der aus
rheumatologischer Sicht auf 30 % veranschlagten Arbeitsunfähigkeit miterfasst
erachteten, ist nachvollziehbar und lässt die Expertise in keiner Weise als
beweisuntauglich erscheinen. Denn mit Blick auf das im Gutachten umrissene
Zumutbarkeitsprofil ist in der Tat nicht ersichtlich, inwiefern neurologische
und pneumatologische Probleme zusätzlich limitierend sein sollten. Was die Höhe
des leidensbedingten Abzuges anbelangt, stellt diese eine Ermessensfrage dar.
Sie ist letztinstanzlich nur anders zu beantworten, wenn die Vorinstanz ihr
Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt hat (Urteil 9C_973/2008 vom 19. Januar 2009
E. 3). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

7. 
Die Beschwerde wird im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG
erledigt.

8. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der
unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 65 Abs. 4 lit. a i.V. mit
Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 29. April 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Schmutz

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