Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 193/2015
Zurück zum Index II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2015
Retour à l'indice II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2015


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
a

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_193/2015

Urteil vom 7. August 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Meyer, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
Gerichtsschreiber Fessler.

Verfahrensbeteiligte
 A.________,
vertreten durch Fürsprecher Max B. Berger,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle Bern, Scheibenstrasse 70, 3014 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Revision),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 19.
Februar 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________ bezog ab 1. Juli bis 31. Dezember 2003 eine halbe (Härtefall-), vom
1. Januar bis 30. April 2004 eine Viertels- und ab 1. Mai 2004 eine ganze Rente
der Invalidenversicherung (Verfügungen der IV-Stelle Bern vom 22. September und
10. Dezember 2004. Die ganze Rente bei einem nach der gemischten Methode
berechneten Invaliditätsgrad von 82 % (0,7 x 100 % + 0,3 x 41 %) wurde mehrmals
bestätigt (Mitteilungen vom 12. Dezember 2005, 23. November 2007 und 9.
September 2008), die beiden letzten Male nach medizinischen Abklärungen (u.a.
Gutachten Spital B.________, Klinik für Orthopädie, vom 25. April 2007). Im
Rahmen eines weiteren im April 2013 eingeleiteten Revisionsverfahrens holte die
IV-Stelle u.a. den Abklärungsbericht Haushalt vom 13. März 2014 ein. Nach
durchgeführtem Vorbescheidverfahren hob sie mit Verfügung vom 26. Juni 2014 die
ganze Rente auf Ende des folgenden Monats auf.

B. 
Die Beschwerde der A.________ wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, nach zweifachem Schriftenwechsel mit
Entscheid vom 19. Februar 2015 ab.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________,
der Entscheid vom 19. Februar 2015 sei aufzuheben und ihr weiterhin eine ganze
Invalidenrente auszurichten.

Die IV-Stelle ersucht um Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 

1.1. Vergleichsbasis für die Beurteilung der Frage, ob sich der
Invaliditätsgrad erheblich geändert hat (Art. 17 Abs. 1 ATSG), ist die letzte
rechtskräftige Verfügung - bei einer Bestätigung der Rente allenfalls die
Mitteilung (Art. 74ter lit. f IVV und Art. 51 ATSG) -, welche auf einer
materiellen Anspruchsprüfung mit rechtskonformer Sachverhaltsabklärung,
Beweiswürdigung und Durchführung eines Einkommensvergleichs (bei Anhaltspunkten
für eine Änderung in den erwerblichen Auswirkungen des Gesundheitszustands)
beruht (BGE 133 V 108; Urteil 9C_646/2014 vom 17. Dezember 2014 E. 2.2). Die
Heranziehung eines Verwaltungsaktes als Vergleichsbasis setzt voraus, dass er
auf denjenigen Abklärungen beruht, welche mit Blick auf die möglicherweise
veränderten Tatsachen notwendig erscheinen. Unter einer Sachverhaltsabklärung
im Sinne von BGE 133 V 108 muss eine Abklärung verstanden werden, die - wenn
sie inhaltlich zu einem anderen Ergebnis führt - geeignet ist, eine
Rentenerhöhung, -herabsetzung oder -aufhebung zu begründen (Urteil 8C_441/2012
vom 25. Juli 2013 E. 6.2, in: SVR 2013 IV Nr. 44 S. 134).

1.2. Die Vorinstanz hat die Verfügung vom 22. September 2004 als
Vergleichsbasis genommen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, es seien 2007 und
2008 zwar medizinische Abklärungen vorgenommen worden, indessen keine
Haushaltsabklärung. Die Mitteilungen vom 23. November 2007 und 9. September
2008, womit die ganze Invalidenrente bestätigt worden sei, könnten daher nicht
Referenzzeitpunkt sein. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin verletzt dies
Bundesrecht.

1.2.1. 2007 liess die Beschwerdegegnerin die Versicherte nach Abbruch einer
beruflichen Eingliederungsmassnahme orthopädisch begutachten (Expertise vom 25.
April 2007). Weiter holte sie im Rahmen des im Mai 2008 eingeleiteten
Revisionsverfahrens verschiedene auch fachärztliche Berichte ein. Gestützt
darauf gelangte sie zum Ergebnis, der Invaliditätsgrad von 82 % - bemessen nach
der gemischten Methode (Art. 28a Abs. 3 IVG; BGE 137 V 334 E. 3.1.3 und 3.2 S.
338: 0,7 x 100 % + 0,3 x 41 %; vgl. vorne Sachverhalt A) - habe sich nicht
geändert. Eine Haushaltabklärung hatte die Beschwerdegegnerin zwar nicht
veranlasst. Eine solche war jedoch nicht erforderlich, da bereits der
gewichtete erwerbliche Invaliditätsgrad von 70 % Anspruch auf eine ganze Rente
gab (Art. 28 Abs. 2 IVG).

1.2.2. Die 2007 und 2008 erstellten ärztlichen Berichte bildeten eine
tragfähige Grundlage im Sinne einer rechtskonformen Sachverhaltsabklärung.
Unter diesen Umständen sind die Mitteilungen vom 23. November 2007 und 9.
September 2008 Vergleichsbasis. Dass die Beschwerdegegnerin zu diesem Zeitpunkt
keine Haushaltabklärung vornahm, spricht nicht gegen diesen Referenzzeitpunkt,
denn in Bezug auf den Aufgabenbereich Haushalt hatte sich seit der Verfügung
22. September 2004 nichts geändert; die Beschwerdeführerin wohnte damals noch
mit ihrem langjährigen Lebenspartner zusammen in derselben Wohnung.

2.

2.1. Anlass zur Rentenrevision gibt jede Änderung in den tatsächlichen
Verhältnissen, die geeignet ist, den Invaliditätsgrad und damit den
Rentenanspruch zu beeinflussen (Revisionsgrund; BGE 133 V 545; 130 V 343 E. 3.5
S. 349; Urteil 9C_436/2012 vom 16. Oktober 2012 E. 2). Dies ist bei
Teilerwerbstätigen, die daneben den Haushalt führen, d.h. bei denen die Rente
nach der gemischten Methode bemessen wurde, namentlich der Fall bei einer
Änderung des Anteils der Erwerbstätigkeit (BGE 125 V 146 E. 2b S. 149) etwa
wegen der Geburt eines Kindes, wenn ein Kind auszieht oder bei einer
Verschlechterung der finanziellen Verhältnisse des Ehegatten bzw. des
Lebenspartners (vgl. statt vieler Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 502/
97 vom 8. März 1999 E. 3 und Urteil 9C_676/2014 vom 2. April 2015 E. 5).

2.2. Gemäss Vorinstanz haben sich die tatsächlichen Verhältnisse insofern in
revisionsrechtlich erheblicher Weise geändert, als die Beschwerdeführerin seit
........ von ihrem langjährigen Lebenspartner getrennt wohnt und lebt und auch
nicht mehr in dessen Garage-Betrieb (unentgeltlich) mithilft. Trotz dieser
Änderung in den Lebensumständen würde sie jedoch nach wie vor zu 70 %
erwerbstätig sein und daneben den Haushalt führen, wie das kantonale
Verwaltungsgericht ebenfalls festgestellt hat. Daraus ist zu folgern, dass eine
revisionsrechtlich erhebliche Tatsachenänderung, die Anlass ist für eine
Neuberechnung des Invaliditätsgrades - auf der Grundlage eines richtig und
vollständig festgestellten Sachverhalts ohne Bindung an frühere
Invaliditätsschätzungen (Urteil 9C_728/2014 vom 7. April 2015 E. 6.1) -,
notwendigerweise (auch) die Invalidität im erwerblichen Bereich betreffen
müsste, andernfalls das Ausmass der Einschränkung im Aufgabenbereich keine
Bedeutung für den Umfang des Rentenanspruchs hat (vorne E. 1.2.1). Dabei fällt
lediglicheine Änderung des Gesundheitszustandes in Betracht, wozu sich die
Vorinstanz indessen nicht abschliessend geäussert hat.

2.3. Aufgrund der Akten ist eine relevante gesundheitliche Änderung im
Vergleichszeitraum zu verneinen. In der Stellungnahme des regionalen ärztlichen
Dienstes vom 25. Juni 2014 zum Einwand gegen den Vorbescheid wurde die
Situation der rechten Schulter im Vergleich zu 2008 als unverändert bezeichnet,
hingegen eine eindeutige Verbesserung in Bezug auf die linke Schulter
angegeben, was die Beschwerdeführerin mit Grund bestreitet. Die Vorinstanz hat
u.a. unter Hinweis auf das orthopädische Gutachten vom 25. April
2007festgehalten, anamnestisch hätten die Schulterbeschwerden rechts gegenüber
den Beschwerden in der linken Schulter aktenkundig regelmässig im Vordergrund
gestanden. Weiter stimmten die involvierten Fachärzte hinsichtlich der linken
Schulter in der Beurteilung der objektiven Befundlage (fehlende Ruptur der
Rotatorenmanschette, gute Muskelqualität), im Wesentlichen überein. Aufgrund
dieser Umstände ist eine revisionsrechtlich erhebliche Änderung des Zustandes
(auch) der linken Schulter im Vergleichszeitraum zu verneinen. Bei dieser
Sachlage fällt eine Revision der ganzen Rente nach Art. 17 Abs. 1 ATSG ausser
Betracht. Die Beschwerde ist begründet.

3. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdegegnerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und der Beschwerdeführerin eine
Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern vom 19. Februar 2015 und die Verfügung der Beschwerdegegnerin vom
26. Juni 2014 werden aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die
Beschwerdeführerin ab 1. Juli 2014 weiterhin Anspruch auf eine ganze Rente der
Invalidenversicherung hat.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.

4. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern hat die Gerichtskosten und die
Parteientschädigung für das vorangegangene Verfahren neu festzusetzen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 7. August 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Meyer

Der Gerichtsschreiber: Fessler

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben