Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 178/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_178/2015

Urteil vom 4. Mai 2016

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
Bundesrichterin Moser-Szeless,
Gerichtsschreiberin Keel Baumann.

Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle Luzern,
Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid
des Kantonsgerichts Luzern
vom 2. Februar 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die 1953 geborene A.________ meldete sich im September 2001 wegen verschiedener
Beschwerden (Depression, Fibromyalgie, Tennisarm, Schmerzen in den Füssen,
Migräne und Kniearthrose) bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an.
Nach Abklärung der Verhältnisse ermittelte die IV-Stelle Luzern anhand der für
Teilerwerbstätige anwendbaren gemischten Methode einen Invaliditätsgrad von
51.13 %. Dabei ging sie davon aus, dass A.________ in der mit 40 % gewichteten
Haushaltführung um 8 % (Teilinvaliditätsgrad von 3.2 %) und in dem mit 60 %
gewichteten erwerblichen Bereich um 79.88 % (Teilinvaliditätsgrad von 47.93 %)
eingeschränkt sei. Gestützt darauf sprach sie der Versicherten rückwirkend ab
1. September 2001 eine halbe Invalidenrente zu (Verfügung vom 11. März 2004).
Am 6. August 2008 erhöhte die IV-Stelle den Anspruch revisionsweise aufgrund
eines neu ermittelten Invaliditätsgrades von 63 % (Teilinvaliditätsgrad von neu
60 % im [unverändert mit 60 % gewichteten] erwerblichen Bereich;
Teilinvaliditätsgrad von unverändert 3.2 % im Haushaltbereich) per 1. Januar
2007 auf eine Dreiviertelsrente. Im Rahmen einer im Jahr 2011 durchgeführten
Revision bestätigte die Verwaltung den Anspruch (Mitteilung vom 11. Juni 2012).
Im August 2012 ersuchte A.________ die IV-Stelle um Erhöhung der
Dreiviertelsrente auf eine ganze Rente. Nach Abklärungen, insbesondere
Einholung eines Haushaltberichts (erstattet am 7. Januar 2013), und
Durchführung des Vorbescheidverfahrens entschied die Verwaltung in ablehnendem
Sinne (Verfügung vom 14. Februar 2013).

B. 
Beschwerdeweise liess A.________ beantragen, die Verfügung vom 14. Februar 2013
sei aufzuheben und es sei ihr eine ganze Rente (einschliesslich Haushalthilfe)
zuzusprechen. Das angerufene Kantonsgericht Luzern gab den Parteien
Gelegenheit, sich im Lichte des Bundesgerichtsurteils BGE 131 V 51 zur Sache zu
äussern, wovon sowohl die IV-Stelle (Schreiben vom 13. Januar 2015) als auch
A.________ (Schreiben vom 14. Januar 2015) Gebrauch machten. Mit Entscheid vom
2. Februar 2015 hiess das Gericht die Beschwerde gut, soweit darauf einzutreten
war, hob die Verfügung vom 14. Februar 2013 auf und verpflichtete die
IV-Stelle, der Versicherten ab 1. August 2012 eine ganze Invalidenrente
auszurichten.

C. 
Die IV-Stelle erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit
den Rechtsbegehren, der angefochtene Entscheid sei hinsichtlich Ziffer 1,
soweit diese den Rentenanspruch betrifft, und hinsichtlich Ziffer 2 aufzuheben.
Ihre Verfügung vom 14. Februar 2013 sei zu bestätigen.
A.________ beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen (BSV) verzichtet auf eine Vernehmlassung. Die Vorinstanz
hält an ihrem Entscheid fest.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem
die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Es steht fest und ist unbestritten, dass ein Revisionsgrund im Sinne von Art.
17 Abs. 1 ATSG gegeben ist. Einigkeit besteht auch darin, dass die
Beschwerdegegnerin in dem - nach den verbindlichen, da nicht offensichtlich
unrichtigen Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Entscheid mit 60 % zu
veranschlagenden - erwerblichen Bereich weiterhin vollständig arbeits- und
erwerbsunfähig ist.

3.

3.1. Nach den verbindlichen vorinstanzlichen Tatsachenfeststellungen führt die
Beschwerdegegnerin, die seit 1990 von ihrem Mann getrennt lebt und zwei
erwachsene Töchter (geb. 1979 und 1982) hat, einen Einpersonenhaushalt ohne
Betreuungsaufgaben. Die Vorinstanz erwog, ein derartiger Einpersonenhaushalt
erfordere (auch in einer 4 ½-Zimmer-Wohnung) kaum ein 40 %-Pensum und die
Beschwerdegegnerin müsse für ihren Haushalt keinen grösseren Aufwand tätigen
als eine alleinstehende Person mit einem vollen Arbeitspensum. Zudem habe die
Beschwerdegegnerin mehrmals angegeben, sie würde im Gesundheitsfall in einem
Pensum von 50 bis 60 % arbeiten (Haushaltabklärungsberichte vom 7. Februar
2003, 14. Januar 2008 und 7. Januar 2013) bzw. "so viel [...] wie sie müsste",
"einfach noch so viel [...] wie sie zum Leben brauche"
(Haushaltabklärungsbericht vom 7. Januar 2013). Bei dieser Sachlage wäre die
Versicherte neben ihrer Erwerbstätigkeit nicht noch in einem Aufgabenbereich
tätig und treffe das Verhältnis 60 % Erwerbstätigkeit und 40 % Haushalt nicht
mehr zu. Die Invalidität sei deshalb ausschliesslich nach der
Einkommensvergleichsmethode zu bemessen, und es bestehe kein Raum für die
Anwendung der gemischten Methode.

3.2. In Übereinstimmung mit der Vorinstanz geht auch die IV-Stelle im
letztinstanzlichen Verfahren davon aus, dass die Bemessung der Invalidität im
Falle der Beschwerdegegnerin nach der Einkommensvergleichsmethode zu erfolgen
hat. Ihrer Auffassung nach besteht der Grund dafür, weshalb die Versicherte als
Teilerwerbstätige ohne einen Aufgabenbereich zu betrachten ist, darin, dass das
Pensum einer versicherten Person, welches Freizeit - also weder
Erwerbstätigkeit noch Aufgabenbereich im Sinne des Gesetzes - darstellt,
invalidenversicherungsrechtlich unbeachtlich ist (vgl. dazu BGE 131 V 51; zum
von der Vorinstanz ebenfalls angeführten, indessen irrelevanten Argument der
Haushaltsgrösse: BGE 141 V 15 E. 4.5 S. 22 f.). Davon ist auch im Folgenden
auszugehen.

3.3. Die Vorinstanz (welcher sich die Versicherte in ihrer Vernehmlassung
anschliesst) und die Beschwerde führende IV-Stelle gelangen indessen zu
unterschiedlichen Ergebnissen, dies obwohl sie übereinstimmend von einer
vollständigen Arbeitsunfähigkeit, einem hypothetischen Erwerbspensum von 60 %
und der Anwendbarkeit der Einkommensvergleichsmethode gemäss Art. 16 ATSG
ausgehen: Während die Vorinstanz einen Invaliditätsgrad von 100 % ermittelt,
resultiert nach der Berechnung der IV-Stelle (entsprechend dem erwerblichen
Bereich) ein solcher von 60 %.

4. 
Für die Bemessung der Invalidität von erwerbstätigen Versicherten ist Art. 16
ATSG anwendbar (Art. 28a Abs. 1 IVG). Danach wird für die Bestimmung des
Invaliditätsgrades das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach
Eintritt der Invalidität und Durchführung der medizinischen Behandlung und
allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei
ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte, in Beziehung gesetzt zum
Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre
(Art. 16 ATSG). Dies ist die allgemeine Methode des Einkommensvergleichs mit
den Untervarianten des Schätzungs- oder Prozentvergleichs (BGE 114 V 310 E. 3a
S. 313) und der ausserordentlichen Methode (BGE 128 V 29; vgl. auch SVR 2010 IV
Nr. 11 S. 35, 9C_236/2009 E. 3 und 4).
Bei nicht erwerbstätigen Versicherten, die im Aufgabenbereich tätig sind und
denen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann, wird für
die Bemessung der Invalidität in Abweichung von Art. 16 ATSG darauf abgestellt,
in welchem Masse sie unfähig sind, sich im Aufgabenbereich zu betätigen (Art.
28a Abs. 2 IVG). Dies ist die spezifische Methode der Invaliditätsbemessung
(Betätigungsvergleich).
Bei Versicherten, die nur zum Teil erwerbstätig sind oder die unentgeltlich im
Betrieb des Ehegatten oder der Ehegattin mitarbeiten, wird für diesen Teil die
Invalidität nach Art. 16 ATSG festgelegt. Waren sie daneben auch im
Aufgabenbereich tätig, so wird die Invalidität für diese Tätigkeit nach Absatz
2 festgelegt. In diesem Fall sind der Anteil der Erwerbstätigkeit oder der
unentgeltlichen Mitarbeit im Betrieb des Ehegatten oder der Ehegattin und der
Anteil der Tätigkeit im Aufgabenbereich festzulegen und der Invaliditätsgrad in
beiden Bereichen zu bemessen (Art. 28a Abs. 3 IVG). Dies ist die gemischte
Methode der Invaliditätsbemessung (vgl. BGE 137 V 334; vgl. auch BGE 141 V 15
E. 3.2 S. 20 f.). Ob sie weiterhin Bestand hat angesichts des unlängst, am 2.
Februar 2016 ergangenen, noch nicht endgültigen Urteils der zweiten Kammer des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) Di Trizio gegen die Schweiz
(7186/09), welches in ihr eine indirekte Diskriminierung erblickt, ist hier
nicht zu entscheiden (offen gelassen in den Urteilen 8C_633/2015 vom 12.
Februar 2016 E. 4.3 und 8C_116/2016 vom 29. März 2016 E. 4.3).

5. 
Gemäss BGE 131 V 51 E. 5.1.2 S. 53 f. bemisst sich die Invalidität bei einer
hypothetisch im Gesundheitsfall lediglich teilerwerbstätigen versicherten
Person  ohne Aufgabenbereich im Sinne von Art. 27 IVV nach der allgemeinen
Methode des Einkommensvergleichs oder einer Untervariante davon (Schätzungs-
oder Prozentvergleich, ausserordentliches Bemessungsverfahren). Dabei ist das
Valideneinkommen nach Massgabe der ohne Gesundheitsschaden ausgeübten
Teilerwerbstätigkeit festzulegen, wobei entscheidend ist, was die versicherte
Person als Gesunde tatsächlich an Einkommen erzielen würde, und nicht, was sie
bestenfalls verdienen könnte. Wäre sie gesundheitlich in der Lage, voll
erwerbstätig zu sein, reduziert sie aber das Arbeitspensum, um mehr Freizeit zu
haben, hat dafür nicht die Invalidenversicherung einzustehen. Das
Invalideneinkommen bestimmt sich entsprechend den gesetzlichen Vorgaben danach,
was die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und Durchführung
allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei
ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte. Dabei kann das - ärztlich
festzulegende - Arbeitspensum unter Umständen grösser sein als das ohne
gesundheitliche Beeinträchtigung geleistete (vgl. auch die Anwendungsfälle
Urteile 8C_504/2014 vom 29. September 2014; 9C_196/2014 vom 18. Juni 2014;
9C_764/2010 vom 4. Februar 2011; 8C_752/2010 vom 27. Januar 2011; I 837/06 vom
13. September 2007; I 1012/06 vom 29. Juni 2007; I 63/06 vom 18. Januar 2007;
Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 948/05 vom 26. Oktober 2006).

6.

6.1. In Anwendung dieser Grundsätze hat die Vorinstanz bei der am Recht
stehenden Versicherten, die im unverändert mit 60 % zu veranschlagenden
erwerblichen Bereich weiterhin vollständig arbeitsunfähig ist, anhand der
Einkommensvergleichsmethode (Erwerbsausfall von 100 % unabhängig von der Höhe
des Valideneinkommens angesichts des Invalideneinkommens von Fr. 0.-) einen
Invaliditätsgrad von 100 % ermittelt und ihr gestützt darauf mit Wirkung ab 1.
August 2012 eine ganze Rente zugesprochen.

6.2. Dieses Vorgehen steht zwar im Einklang mit der in E. 5 dargelegten
Rechtsprechung. Das daraus resultierende Ergebnis ist aber insofern stossend,
als es paradoxerweise der Wegfall des Aufgabenbereichs (Haushalttätigkeit) und
die damit einhergehende Verminderung des versicherten Bereiches von 100 %
(Erwerbs- und Aufgabenbereich) auf 60 % (nur Erwerbsbereich) sind, die zu einer
Erhöhung des Invaliditätsgrades (von 63 auf 100 %) führen, hat sich doch im
allein verbleibenden erwerblichen Bereich nichts - weder dessen Anteil (60 %)
noch die diesbezügliche Einschränkung (100 %) - verändert (vgl. E. 2 hiervor).
Hinzu kommt, dass in der Vergangenheit (Verfügung vom 6. August 2008;
Mitteilung vom 11. Juni 2012) mit 63 % (Teilinvaliditätsgrad von 60 % [0.6 x
100 %] im erwerblichen Bereich und von 3.2 % [0.4 x 8 %] im Haushaltbereich)
ein geringerer Invaliditätsgrad resultierte, obwohl damals neben der Einbusse
im mit 60 % gewichteten erwerblichen Bereich  zusätzlicheine Einbusse im
Haushalt zu berücksichtigen war. Mit anderen Worten wirkt sich im Falle der
Beschwerdegegnerin - nach dem angefochtenen Entscheid, der sich auf die
Rechtsprechung gemäss BGE 131 V 51 stützt - allein der Ersatz des versicherten
Aufgabenbereichs (Haushaltführung) durch Freizeit, die nach Art. 27 IVV nicht
versichert ist, rentenerhöhend aus.

6.3. Dass die Ermittlung des Invaliditätsgrades bei Ausserachtlassung des
Aufgabenbereichs nach der erwähnten Praxis "erstaunlicherweise" regelmässig zu
einem höheren Invaliditätsgrad führt als bei dessen Berücksichtigung, stellte
auch die Lehre fest (Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, 3. Aufl. 2015, N. 96 zu Art.
16 ATSG; Susanne Genner, Invaliditätsbemessung bei Teilzeiterwerbstätigen, SZS
2013 S. 446 ff., 449 f.).  KIESER  illustriert die Rechtslage anhand des
folgenden Beispieles, welches ähnlich liegt wie der hier zu beurteilende
Sachverhalt: Bei einem zu 60 % erwerbstätigen (Valideneinkommen von Fr.
60'000.-) und zu 40 % mit einem Hobby beschäftigten Versicherten, der lediglich
noch zu 30 % erwerbstätig sein und daraus ein Einkommen von Fr. 30'000.-
(Invalideneinkommen) erzielen kann, resultiert ein Invaliditätsgrad von 50 %
([60'000 - 30'000] x 100 / 60'000). Wäre der Versicherte neben der 60%igen
Erwerbstätigkeit zu 40 % in einem Aufgabenbereich tätig, müsste die zusätzliche
Einbusse im Haushalt (angenommen 20 %) berücksichtigt werden; diesfalls ergäbe
sich ein Gesamtinvaliditätsgrad von lediglich 38 % (30 % [{ (60'000 - 30'000) x
100 / 60'000} x 0.6] aus dem Erwerb und 8 % aus dem Haushalt).

6.4. Der Fall der Beschwerdegegnerin wie auch das von KIESER angeführte
Berechnungsbeispiel zeigen auf, dass die geltende Praxis zu einer mit dem
Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8 Abs. 1 BV) nicht zu vereinbarenden Bevorzugung
Teilerwerbstätiger  ohneeinen anerkannten Aufgabenbereich gegenüber
Teilerwerbstätigen  miteinem anerkannten Aufgabenbereich führt. Denn Letztere
müssen in dem zusätzlich versicherten Aufgabenbereich (von 40 % bei einer
angenommenen Teilerwerbstätigkeit von 60 %; vgl. dazu BGE 141 V 15 E. 4.5 S. 22
f.) eine entsprechende Einschränkung erleiden, um einen mehr als den Anteil des
Erwerbspensums (60 %) betragenden Invaliditätsgrad zu erreichen. Eine
Ungleichbehandlung besteht aber auch gegenüber den Vollerwerbstätigen, bei
denen eine vollständige Einschränkung im (zu Vergleichszwecken rein
mathematisch separat betrachteten) Teilpensum von beispielsweise 60 %
(angenommenes Valideneinkommen in diesem Bereich: Fr. 60'000.-) lediglich zu
einem Invaliditätsgrad von 60 % führt, so dass auch sie sich über eine
zusätzliche Beeinträchtigung in dem bis zu einem Vollpensum (wiederum rein
rechnerisch) fehlenden Bereich (d.h. hier in den restlichen 40 %; angenommenes
Valideneinkommen in diesem Bereich: Fr. 40'000.-) ausweisen müssen, um als zu
mehr als 60 % invalid zu gelten. Mit anderen Worten erreichen diese
Vollerwerbstätigen nur dann einen Invaliditätsgrad von 100 %, wenn sie sowohl
im 60 %-Teil, aus welchem sich maximal ein Invaliditätsgrad von 60 % ([{60'000
- 0} x 100 / 60'000] x 0.6) ergeben kann, als auch im 40 %-Teil, aus welchem
sich maximal ein Invaliditätsgrad von 40 % ([{40'000 - 0} x 100 / 40'000] x
0.4) ergeben kann, vollständig eingeschränkt sind.

6.5. Im Ergebnis führt die Praxis gemäss BGE 131 V 51 dazu, dass bei der
Beschwerdegegnerin als Teilerwerbstätiger (Pensum von 60 %) ohne
Aufgabenbereich mit der Ermittlung eines Invaliditätsgrades von 100 % die
gemäss Art. 28a IVG in Verbindung mit Art. 27 IVV nicht versicherte Freizeit
("Pensum" von 40 %) mitentschädigt wird. Die IV-Stelle kritisiert dies und
macht geltend, bei einer Teilerwerbstätigkeit von 60 % ohne daneben bestehendem
Aufgabenbereich könne der Invaliditätsgrad bei maximaler Leistungseinschränkung
(100 %) das Pensum der Teilerwerbstätigkeit von 60 % nicht übersteigen.
Sinngemäss beantragt die Beschwerdeführerin damit, die Rechtsprechung
dahingehend zu präzisieren, dass auch bei den Teilerwerbstätigen ohne
Aufgabenbereich der aus dem Einkommensvergleich resultierende Invaliditätsgrad 
proportional - in casu mit dem Faktor 0.6 entsprechend dem erwerblichen Bereich
von 60 % - zu berücksichtigen ist.

7.

7.1. Entsprechend der Zielsetzung der Invalidenversicherung, die
wirtschaftlichen Folgen der Invalidität zu mildern (vgl. Botschaft des
Bundesrats vom 24. Oktober 1958 zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die
Invalidenversicherung und eines Bundesgesetzes betreffend die Änderung des
Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung, BBl 1958 II
1137 ff., insbes. 1161 f.; vgl. auch BGE 137 V 334 E. 5.5.3 S. 345), ist das
versicherte Risiko in der Invalidenversicherung die Erwerbsinvalidität, die von
der effektiven, gesundheitlich bedingten Erwerbseinbusse abhängt. Eine
versicherte Person, welche im Gesundheitsfall ihr wirtschaftliches Potential
nicht voll ausnützt, indem sie zwar in der Lage wäre, voll erwerbstätig zu
sein, sich aber für eine Teilzeitstelle entscheidet, um mehr Freizeit zu haben,
begnügt sich mit einem Teilzeitlohn und verzichtet damit freiwillig auf einen
Teil des Lohnes, den sie erzielen könnte, wenn sie vollerwerbstätig wäre. Dass
ihr Erwerbseinkommen vermindert ist, stellt die Folge ihrer Wahl dar. Der nicht
verwertete Teil ihrer Erwerbsfähigkeit ist damit nicht versichert (BGE 135 V 58
E. 3.4.1 S. 61; 131 V 51 E. 5.1.2 S. 53; Urteil 9C_112/2012 vom 19. November
2012 E. 4.6) und ein Ausgleich durch die Invalidenversicherung demzufolge nicht
statthaft (BGE 137 V 334 E. 5.5.3 S. 345 f.; 131 V 51 E. 5.1.2 S. 53). Aus
diesen Überlegungen ergibt sich, dass eine teilerwerbstätige versicherte Person
ohne Aufgabenbereich eine gesundheitlich bedingte Erwerbseinbusse lediglich im
Rahmen des versicherten Bereiches, welcher dem (hypothetischen)
Beschäftigungsgrad entspricht, erleidet und deshalb auch nur in diesem Umfang
ein Ausgleich stattfinden kann. Es verhält sich nicht anders als bei den
Vollerwerbstätigen, bei welchen wegen des auf 100 % Bezug nehmenden
Einkommensvergleichs (Art. 28a Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG)
ebenfalls maximal ein dem versicherten Bereich (100 %) entsprechender
Invaliditätsgrad (mithin maximal 100 %) resultieren kann.

7.2. Für diese Betrachtungsweise spricht auch das Rechtsgleichheitsgebot (Art.
8 Abs. 1 BV) bzw. eine verfassungskonforme Auslegung (vgl. dazu BGE 140 I 77 E.
5.3 S. 81 mit Hinweisen) der Bestimmung des Art. 28a Abs. 3 Satz 1 IVG. Unter
dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung muss die Einbusse, die eine versicherte
Person in einem bestimmten (hypothetischen) erwerblichen Teilpensum (hier: 60
%) erleidet, in diesem Bereich zum selben Invaliditätsgrad führen, unabhängig
davon, ob sie daneben (d.h. in den hypothetisch verbleibenden 40 %) keinen
Aufgabenbereich hat (wie die Beschwerdegegnerin im hier zu beurteilenden
Zeitraum), in einem Aufgabenbereich tätig ist (wie dies bei der
Beschwerdegegnerin früher der Fall war [Verfügung vom 11. März 2004; Mitteilung
vom 11. Juni 2012]), oder ein weiteres erwerbliches Teilpensum hat und damit
als vollerwerbstätig gilt. Eine Gleichbehandlung rechtfertigt sich deshalb,
weil die drei genannten Versichertenkategorien bei vollständiger
Arbeitsunfähigkeit im erwerblichen Teilpensum von 60 % denselben
Einkommensverlust - nämlich einen solchen von 60 % - erleiden. Es sind keine
Gründe ersichtlich, bei den teilerwerbstätigen Versicherten ohne
Aufgabenbereich eine sich lediglich im Teilzeitpensum auswirkende
Arbeitsunfähigkeit über dessen Umfang hinaus (hier mit 100 statt 60 %) zu
berücksichtigen.

7.3. Nach dem Gesagten ist die Rechtsprechung gemäss BGE 131 V 51 dahingehend
zu präzisieren, dass bei teilerwerbstätigen Versicherten ohne Aufgabenbereich
die anhand der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG) zu ermittelnde
Einschränkung im allein versicherten erwerblichen Bereich  proportional - im
Umfang der hypothetischen Teilerwerbstätigkeit - zu berücksichtigen ist. Der
Invaliditätsgrad entspricht der proportionalen Einschränkung im erwerblichen
Bereich und kann damit den versicherten Bereich, welcher durch das
hypothetische Teilzeitpensum definiert wird, nicht übersteigen. Denn
andernfalls könnte ein das hypothetische erwerbliche Pensum übersteigender
Invaliditätsgrad resultieren, womit indirekt unzulässigerweise eine
Einschränkung in den weder Erwerbs- noch Aufgabenbereich darstellenden, nicht
versicherten Freizeitaktivitäten mitabgegolten würde.

8.

8.1. Bei der vollständig arbeitsunfähigen Beschwerdegegnerin, deren
erwerblicher Bereich 60 % beträgt, ergibt sich bei proportionaler (dem Umfang
der hypothetischen Teilerwerbstätigkeit entsprechender) Berücksichtigung des
Ergebnisses des Einkommensvergleichs im Sinne der präzisierten Rechtsprechung
ein Invaliditätsgrad von 60 % (0.6 x 100 %).

8.2. Entsprechend dem Invaliditätsgrad von 60 % hat die Beschwerdegegnerin
weiterhin Anspruch auf eine Dreiviertelsrente (Art. 28 Abs. 2 IVG). Der
vorinstanzliche Entscheid, mit welchem der Versicherten aufgrund eines
Invaliditätsgrades von 100 % eine ganze Rente zugesprochen wird, ist demnach
aufzuheben. Die eine Rentenerhöhung ablehnende Verfügung der IV-Stelle vom 14.
Februar 2013 ist im Ergebnis zu bestätigen.

9. 
Bei diesem Verfahrensausgang hat die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der IV-Stelle steht keine Parteientschädigung zu
(Art. 68 Abs. 3 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Kantonsgerichts Luzern, 3.
Abteilung, vom 2. Februar 2015 wird aufgehoben, ausgenommen soweit auf die
kantonale Beschwerde nicht eingetreten wurde, und die Verfügung der IV-Stelle
Luzern vom 14. Februar 2013 wird bestätigt.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des vorangegangenen Verfahrens an
das Kantonsgericht Luzern zurückgewiesen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, dem
Bundesamt für Sozialversicherungen und der Ausgleichskasse Luzern schriftlich
mitgeteilt.

Luzern, 4. Mai 2016
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann

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