Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 169/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_169/2015

Urteil vom 12. Oktober 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Pfiffner, Moser-Szeless,
Gerichtsschreiber Grünenfelder.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Barbara Wyler,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 28. Januar 2015.

Sachverhalt:

A. 
Der 1963 geborene A.________ zog sich bei einem Sturz in eine Baugrube
Kopfverletzungen (leichte traumatische Hinverletzung; Contusio labyrinthii) zu.
Am 6. Juli 2009 meldete er sich wegen Kopfschmerzen und Schwindel bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Das Center B.________ führte im
Auftrag der Schweizerischen Mobiliar Versicherungsgesellschaft ein
psychiatrisches Assessment durch (Bericht vom 18. Februar 2010). Die IV-Stelle
Zürich zog die entsprechenden Unterlagen bei und gab beim Institut
C.________ein polydisziplinäres Gutachten in Auftrag, das vom 26. Oktober 2011
datiert. Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens verneinte sie einen
Rentenanspruch des Versicherten mit Verfügung vom 31. Mai 2013
(Invaliditätsgrad: 25 %).

B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich mit Entscheid vom 28. Januar 2015 ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei das
Gutachten des Instituts C.________ vom 26. Oktober 2011 als nichtig zu
erklären; die Angelegenheit sei an die IV-Stelle zurückzuweisen, und er sei
durch unabhängige Experten interdisziplinär zu begutachten. Weiter beantragt
A.________ eine Rentenzusprache, eventualiter sei ihm bis September 2011 eine
befristete Invalidenrente auszurichten, und ersucht um unentgeltliche
Rechtspflege.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem
die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Es liegt
noch keine offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung
ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erschiene
(vgl. BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9; Urteil 9C_967/2008 vom 5. Januar 2009 E. 5.1).

2. 
Die Vorinstanz hat dem polydisziplinären Gutachten des Instituts C.________ vom
26. Oktober 2011, wonach beim Versicherten für körperlich leichte und
mittelschwere, adaptierte Tätigkeiten eine uneingeschränkte Arbeits- und
Leistungsfähigkeit besteht, Beweiskraft beigemessen.
Der Beschwerdeführer stellt eine neutrale Begutachtung durch die psychiatrische
Gutachterin des Instituts C.________ Dr. med. D.________ in Abrede, weil diese
seinen Gesundheitszustand bereits im Rahmen des Centers B.________ beurteilt
hat (Bericht vom 18. Februar 2010); er ist der Auffassung, dass die Gutachterin
eine "Aufklärungspflicht" bezüglich ihrer früheren Beurteilung getroffen hätte,
und erachtet die Explorationsdauer im Institut C.________ als nicht ausreichend
. Der Versicherte rügt sodann, dass sich Dr. med. D.________ mit den
abweichenden Einschätzungen der behandelnden Psychiater unzureichend
auseinandersetzte (Berichte von Dr. med. E.________ vom 12. Dezember 2009/10.
Oktober 2010, der Klinik F.________ vom 6. Mai 2010 und der Klinik G.________
vom 21. Dezember 2010). Er bestreitet schliesslich die retrospektive
Einschätzung der Gutachter des Instituts C.________, wonach vor dem
Begutachtungszeitpunkt im September 2011 keine rentenbegründende
Arbeitsunfähigkeit bestanden habe.

3.

3.1. Ob es sich beim Antrag betreffend Nichtigkeit des Gutachtens des Instituts
C.________ (Voreingenommenheit der psychiatrischen Gutachterin Dr. med.
D.________) um ein unzulässiges neues Rechtsbegehren (Art. 99 Abs. 2 BGG)
handelt, kann offen bleiben. So oder anders trifft den Versicherten die
Pflicht, einen Ausstandsgrund sofort zu rügen (BGE 138 I 1 E. 2.2 S. 4; Urteil
9C_629/2013 vom 13. Dezember 2013 E. 4.3 mit Hinweisen), was vorliegend
unterblieben ist. Somit besteht schon mit Blick darauf kein Grund für eine
psychiatrische Neubegutachtung.

3.2. Wie der Beschwerdeführer im Übrigen selber einräumt, schliesst der
Umstand, dass ein Sachverständiger sich schon einmal mit einer Person befasst
hat, dessen späteren Beizug als Gutachter nicht zum Vornherein aus (vgl. BGE
132 V 93 E. 7.2.2 S. 110 mit Hinweisen). Im Bericht über das Center B.________
vom 18. Februar 2010 ging Dr. med. D.________ explizit von einem unklaren
diagnostischen Bild aus und stellte keine definitiven Diagnosen. Dass sie im
Gutachten des Instituts C.________ diesbezüglich den Begriff
"Differenzialdiagnosen" verwendete, führt nicht zur Unverwertbarkeit der
Expertise, zumal die psychiatrische Expertin des Instituts C.________ zu ihrer
früheren Beurteilung des Centers B.________ detailliert Stellung nahm. Es ist
nicht ersichtlich, inwieweit sie versucht haben soll, diese ohne sachliche
Begründung zu relativieren. Im Rahmen der polydisziplinären Begutachtung des
Instituts C.________ war Dr. med. D.________ sodann lediglich eine von drei
medizinischen Experten, deren Beurteilung im Gesamtkonsens erfolgte. Die
Konstellation war insoweit eine grundlegend andere als beim Center B.________
vom 17. Februar 2010. Insgesamt liegen keine Umstände vor, die den Anschein der
Befangenheit objektiv zu begründen vermögen. Ob eine "Aufklärungspflicht" der
psychiatrischen Gutachterin des Instituts C.________ bestand, kann vor diesem
Hintergrund dahingestellt bleiben, zumal auch der Inhalt einer solchen Pflicht
nicht weiter substantiiert ist und dem Beschwerdeführer Dr. med. D.________
bereits vor der (persönlichen) Untersuchung anlässlich des Centers B.________
bekannt war.

4.

4.1. Die vorinstanzliche Feststellung, wonach der Versicherte der
psychiatrischen Gutachterin des Instituts C.________ gegenüber erklärt habe,
alle seine Beschwerden seien vollständig erfasst, stimmt mit den Akten überein.
Der Beschwerdeführer benennt diesbezüglich keine konkreten sachrelevanten
Missverständnisse zwischen ihm und der Gutachterin bzw. dem Dolmetscher, die
auf eine Unverwertbarkeit der psychiatrischen Exploration hindeuten oder die
Ausführungen des kantonalen Gerichts zu diesem Punkt sonst wie offensichtlich
unrichtig erscheinen lassen. Die Vorinstanz hat alsdann zu Recht erwogen, dass
auch eine eher kurz bemessene Explorationsdauer, die grundsätzlich im Ermessen
des medizinischen Experten liegt (vgl. Urteile 9C_246/2010 vom 11. Mai 2011 E.
2.2.2; 9C_664/2009 vom 6. November 2009 E. 3), am Aussagegehalt der
psychiatrischen Expertise des Instituts C.________ nichts ändert, zumal diese
inhaltlich den Beweiskriterien (vgl. BGE 125 V 351 E. 3a S. 352; 134 V 231 E.
5.1 S. 232) genügt. Die Dauer sämtlicher Untersuchungen des Instituts
C.________ war im Voraus auf zwei Stunden veranschlagt. Dass die psychiatrische
Exploration demgegenüber lediglich 15 Minuten angehalten haben soll, wie der
Beschwerdeführer geltend macht, erscheint angesichts der Ausführlichkeit von
(erfragter) Anamnese und (persönlicher) Untersuchung sowie aufgrund des
Umstands, dass die Angaben des Versicherten übersetzt werden mussten, nicht
überwiegend wahrscheinlich.

4.2.

4.2.1. Das kantonale Sozialversicherungsgericht hat sodann beweiswürdigend
festgestellt, wie dem Center B.________ vom 17. Februar 2010 sei auch den
übrigen psychiatrischen Berichten bezüglich der Arbeitsfähigkeit des
Versicherten nichts abzugewinnen. Dies gelte zum einen für die kaum bzw. nicht
begründeten Berichte des behandelnden Psychiaters Dr. med. E.________, zum
anderen sei in den Berichten der Klinik F.________ und der Klinik G.________
nebst anderem wohl eine somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert worden,
welche Diagnose aber von den Gutachtern des Instituts C.________ verworfen
worden sei.
In Bezug auf die retrospektive Beurteilung der Arbeitsfähigkeit hat die
Vorinstanz festgestellt, objektiv fassbare Gesichtspunkte, welche konkrete
Zweifel an der rückblickenden Beurteilung der Sachverständigen des Instituts
C.________ auslösen könnten und darauf hindeuteten, dass nach Ablauf der
einjährigen Wartezeit eine rentenbegründende Arbeits- bzw. Erwerbsunfähigkeit
vorgelegen hätte, seien nicht aktenkundig. Ferner sei auch keine relevante
Verschlechterung des beruflichen Leistungsvermögens des Versicherten seit der
Exploration im Institut C.________ am 26./27. September 2011 bis zum
Verfügungszeitpunkt am 31. Mai 2013 erstellt.

4.2.2. Einem Abstellen auf die Stellungnahmen des behandelnden Psychiaters Dr.
med. E.________ vom 12. Dezember 2009/10. Oktober 2010 steht - den Angaben der
psychiatrischen Expertin des Instituts C.________ entsprechend - in der Tat
entgegen, dass die Arbeitsfähigkeit darin nicht (Bericht vom 12. Dezember 2009)
oder nur in Bezug auf die bisherige Tätigkeit des Versicherten als Kranführer
(Bericht vom 10. Oktober 2010) beurteilt wurde. Die Vorinstanz hat sodann die
Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer in der Klinik F.________ und in der
Klinik G.________ in stationäre psychiatrische Behandlung begeben hat,
gewürdigt. Die im Rahmen dieser Hospitalisationen diagnostizierte depressive
Störung lag gemäss der psychiatrischen Gutachterin des Instituts C.________ -
wie die somatoforme Schmerzstörung - nicht (mehr) vor. Der hausärztliche
Bericht von Dr. med. H.________ vom 14. Februar 2010 stützt sich weitgehend auf
die subjektiven Angaben des Versicherten und enthält keine Beurteilung der
Arbeitsfähigkeit in angepasster Tätigkeit (zum Unterschied zwischen
Behandlungs- und Begutachtungsauftrag vgl. Urteile 8C_260/2011 vom 25. Juli
2011 E. 5.2 und 8C_567/2010 vom 19. November 2010 E. 3.2.2); auch diese
Stellungnahme hat das kantonale Gericht einbezogen . Die Vorinstanz durfte
demgemäss, ohne Bundesrecht zu verletzen (E. 1), zum Schluss gelangen, dass die
Berichte der behandelnden Ärzte die Beweiskraft des (psychiatrischen)
Gutachtens des Instituts C.________ (zum Beweiswert von gemäss Art. 44 ATSG
eingeholten Gutachten vgl. BGE 135 V 465 E. 4.4 S. 470; 125 V 351 E. 3b/bb S.
353) nicht in Zweifel zu ziehen vermögen.
In Bezug auf die Schlussfolgerung, dass retrospektiv keine rentenbegründende
Arbeits- bzw. Erwerbsunfähigkeit vorliegt, hat sich das kantonale
Sozialversicherungsgericht auf die relevanten Punkte gestützt. Was der
Beschwerdeführer - unter erneuter Berufung auf die Berichte seiner behandelnden
Ärzte - dagegen vorbringt, erschöpft sich im Wesentlichen in appellatorischer
Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung, was nicht genügt. Insbesondere
führt der Umstand, dass die Gutachter des Instituts C.________ die rückwirkende
Beurteilung der Arbeitsfähigkeit als schwierig bezeichneten, nicht zur
offensichtlichen Unrichtigkeit der diesbezüglichen Tatsachenfeststellungen
(vgl. E. 1).

4.3. Insgesamt legt der Versicherte nicht schlüssig dar, inwiefern die
Feststellungen des kantonalen Sozialversicherungsgerichts offensichtlich
unrichtig oder sonst wie bundesrechtswidrig sind (E. 1). Im vorinstanzlichen
Verzicht auf weitere Abklärungen liegt keine Verletzung des
Untersuchungsgrundsatzes (antizipierende Beweiswürdigung; BGE 136 I 229 E. 5.3
S. 236; 134 I 140 E. 5.3 S. 148; 124 V 90 E. 4b S. 94). Die übrigen Faktoren
der Invaliditätsbemessung werden nicht beanstandet und geben keinen Anlass zu
Weiterungen. Die Beschwerde ist unbegründet.

5. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer grundsätzlich
die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seinem Gesuch um Gewährung
der unentgeltlichen Rechtspflege kann jedoch entsprochen werden (Art. 64 BGG;
BGE 125 V 201 E. 4a S. 202). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4
BGG hingewiesen, wonach die begünstigte Partei der Bundesgerichtskasse Ersatz
zu leisten hat, wenn sie später dazu in der Lage ist.
 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren
wird gutgeheissen und es wird dem Beschwerdeführer Rechtsanwältin Dr. Barbara
Wyler als Rechtsbeiständin beigegeben.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.

4. 
Rechtsanwältin Dr. Barbara Wyler wird aus der Bundesgerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 12. Oktober 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Grünenfelder

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