Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 167/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_167/2015

Urteil vom 9. September 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterin Pfiffner, nebenamtlicher
Bundesrichter Weber,
Gerichtsschreiberin Dormann.

Verfahrensbeteiligte
 A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Rémy Wyssmann,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle Bern, Scheibenstrasse 70, 3014 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 28.
Januar 2015.

Sachverhalt:

A. 
Nachdem die IV-Stelle Bern dem 1983 geborenen A.________ Sonderschulmassnahmen
vom 1. August 1999 bis 31. Juli 2000 zugesprochen hatte, meldete er sich im
Januar 2013 erneut bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Mit
Vorbescheid vom 12. März 2014 stellte die IV-Stelle Bern die Verneinung des
Anspruches auf eine Rente in Aussicht, worauf A.________ um unentgeltliche
Verbeiständung im Vorbescheidverfahren ersuchte. Dieses Rechtsbegehren wies die
IV-Stelle mit Verfügung vom 3. Juni 2014 ab.

B. 
Dagegen liess A.________ Beschwerde führen. Das Verwaltungsgericht des Kantons
Bern wies das gleichzeitig gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für
das Beschwerdeverfahren mit Verfügung vom 16. September 2014 und das
Rechtsmittel mit Entscheid vom 28. Januar 2015 ab.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________
beantragen, unter Aufhebung der Verfügung vom 3. Juni 2014 und des Entscheids
vom 28. Januar 2015 sei ihm für das Verwaltungs- und das kantonale
Beschwerdeverfahren die unentgeltliche Rechtspflege unter Einsetzung seines
Rechtsvertreters zum unentgeltlichen Rechtsbeistand zu gewähren; eventualiter
sei die Sache zur weiteren Abklärung und erneuten Entscheidung an die IV-Stelle
und das kantonale Gericht zurückzuweisen. Ferner ersucht er auch für das
bundesgerichtliche Beschwerdeverfahren um unentgeltliche Rechtspflege.

Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf eine Stellungnahme. A.________ lässt eine
weitere Eingabe einreichen.

Erwägungen:

1.

1.1. Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die
Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29
Abs. 1 BGG; BGE 138 V 318 E. 6 S. 320; 135 III 1 E. 1.1 S. 3 mit Hinweisen; 141
II 113 E. 1 S. 116). Gleiches gilt in Bezug auf das vorinstanzliche Verfahren (
BGE 140 V 22 E. 4 S. 26; 136 V 7 E. 2 S. 9).

1.2. Der gesuchstellenden Person wird ein unentgeltlicher Rechtsbeistand
bewilligt, wo die Verhältnisse es für das Verwaltungsverfahren erfordern (Art.
37 Abs. 4 ATSG) resp. für das kantonale Beschwerdeverfahren rechtfertigen (Art.
61 lit. f ATSG; vgl. auch Art. 29 Abs. 3 BV).

1.3.

1.3.1. Der Entscheid, mit welchem das kantonale Versicherungsgericht - wie hier
- ausschliesslich über den Anspruch der versicherten Person auf einen
unentgeltlichen Rechtsbeistand im Verwaltungsverfahren eines
Sozialversicherungsträgers (Art. 37 Abs. 4 ATSG) befindet, ist kein End-,
sondern ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG (BGE 139 V 600; SVR 2014
IV Nr. 9 S. 36, 8C_328/2013 E. 3.1 mit Hinweisen).

1.3.2. In Anwendung von Art. 93 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde gegen
selbstständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide nur zulässig, wenn sie
einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (lit. a) oder wenn
die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit
einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges
Beweisverfahren ersparen würde (lit. b).

Wird in einem kantonalen Entscheid die erforderliche unentgeltliche
Verbeiständung für das Administrativverfahren verweigert, droht der
versicherten Person dadurch in aller Regel ein nicht wieder gutzumachender
Nachteil rechtlicher Natur (vgl. BGE 126 I 207 E. 2a S. 210), welcher auch mit
einem für die beschwerdeführende Partei günstigen Endentscheid nicht oder nicht
vollständig behebbar (vgl. BGE 133 V 645 E. 2.1 S. 647 mit Hinweisen) ist (vgl.
SVR 2015 IV Nr. 18 S. 53, 8C_557/2014 E. 2.4). Nach dem Gesagten ist auf die
Beschwerde in Bezug auf die unentgeltliche Verbeiständung im
Verwaltungsverfahren einzutreten.

1.4. Anders verhält es sich hinsichtlich des Antrags betreffend unentgeltliche
Rechtspflege für das vorinstanzliche Verfahren, auf den nicht eingetreten
werden kann: Der Beschwerdeführer begründet einen allfälligen Anspruch mit
keinem Wort (vgl. Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). Zudem bildete der entsprechende
Anspruch nicht Gegenstand des hier angefochtenen Zwischenentscheids (E. 1.3.1),
sondern der vorinstanzlichen Verfügung vom 16. September 2014(vgl. Art. 100
Abs. 1 BGG).

1.5. Der Beschwerdeführer verlegte seinen Wohnsitz auf den 1. Oktober 2014,
d.h. im Verlauf des vorinstanzlichen Verfahrens, vom Kanton Bern in den Kanton
Aargau. Das ändert nichts an der örtlichen Zuständigkeit der IV-Stelle Bern für
den Entscheid über die geltend gemachten Ansprüche (Art. 55 Abs. 1 Satz 1 IVG
in Verbindung mit Art. 40 Abs. 3 IVV [SR 831.201]; vgl. auch Urteil 9C_892/2014
vom 6. März 2015 E. 3.2 mit Hinweisen) und an derjenigen des
Verwaltungsgerichts des Kantons Bern für die Beurteilung der bei ihm erhobenen
Beschwerde (Art. 69 Abs. 1 lit. a IVG).

2.

2.1. Kumulative Voraussetzungen für die unentgeltliche Verbeiständung im Rahmen
von Art. 37 Abs. 4 ATSG sind Bedürftigkeit, Nichtaussichtslosigkeit der
Rechtsbegehren sowie sachliche Gebotenheit der Vertretung (BGE 132 V 200 E. 4.1
S. 200 f.). Das letzte - von der Vorinstanz nicht als gegeben erachtete -
Kriterium im Besonderen ist mit Blick darauf, dass im
sozialversicherungsrechtlichen Verwaltungsverfahren der Untersuchungsgrundsatz
gilt (Art. 43 ATSG), nur in Ausnahmefällen zu bejahen. Es müssen sich
schwierige Fragen rechtlicher oder tatsächlicher Natur stellen. Zu
berücksichtigen sind die Umstände des Einzelfalles sowie die Besonderheiten des
jeweiligen Verfahrens. Neben der Komplexität der Rechtsfragen und der
Unübersichtlichkeit des Sachverhalts fallen auch in der Person des oder der
Versicherten liegende Gründe in Betracht, wie etwa die Fähigkeit, sich im
Verfahren zurechtzufinden. Schliesslich muss eine gehörige Interessenwahrung
durch Dritte (Verbandsvertreter, Fürsorgestellen oder andere Fach- und
Vertrauensleute sozialer Institutionen) ausser Betracht fallen (BGE 125 V 32 E.
4b S. 35; SVR 2015 IV Nr. 18 S. 53, 8C_557/2014 E. 4.2 mit Hinweisen; Urteil
9C_52/2015 vom 3. Juli 2015 E. 4.1).

2.2. Die Frage nach der sachlichen Gebotenheit der anwaltlichen Verbeiständung
im Verwaltungsverfahren ist eine vom Bundesgericht frei überprüfbare
Rechtsfrage (Urteil 8C_572/2014 vom 28. Januar 2015 E. 4.1 mit Hinweis).

3.

3.1. Die Vorinstanz ist der Auffassung, dass der damals (vgl. E. 1.5) für den
Beschwerdeführer zuständige Sozialdienst, der ihn seit zehn Jahren unterstützt
habe, seine Vertretung im Vorbescheidverfahren hätte wahrnehmen können. Sie hat
dabei Bezug auf Art. 19 Abs. 1 lit. d des Gesetzes vom 11. Juni 2001 über die
öffentliche Sozialhilfe des Kantons Bern (Sozialhilfegesetz, SHG; BSG 850.1)
genommen und festgehalten, dass gestützt auf diese kantonale Gesetzesbestimmung
auch die Beratung und Betreuung zu den Pflichten der öffentlichen Sozialhilfe
gehöre.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers handelt es sich hierbei nicht um
eine unverbindliche Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz, sondern um die
Auslegung einer kantonalen Gesetzesbestimmung durch die Vorinstanz, die in
concreto massgebend ist für die Beurteilung, ob eine anwaltliche Vertretung im
Verwaltungsverfahren sachlich geboten war.

3.2. Mit dem kantonalen Recht hat sich das Bundesgericht unter Vorbehalt der in
Art. 95 lit. c bis e BGG genannten und hier nicht interessierenden Ausnahmen
grundsätzlich nicht zu befassen. Eine Bundesrechtsverletzung im Sinne von Art.
95 lit. a BGG liegt nur vor, wenn die Anwendung kantonalen Rechts, sei es wegen
seiner Ausgestaltung oder aufgrund des Ergebnisses im konkreten Fall, zu einer
Verfassungsverletzung führt (Urteil 8C_393/2008 vom 24. September 2008 E. 4.3).
Das Bundesgericht prüft die Rüge der Verletzung von Grundrechten und von
kantonalem Recht nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise vorgebracht
und begründet wird (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 135 V 309 E. 10 S. 318; 133 II 249
E. 1.4.2 S. 254, Urteil 9C_849/2010 vom 10. November 2010).

3.3.

3.3.1. Die Beschwerdeschrift enthält keine den Anforderungen entsprechende
Rügen. Indessen wird die vorinstanzliche Auslegung von Art. 19 Abs. 1 lit. d
SHG durch Art. 2 Abs. 1 sowie Abs. 2 lit. b und c der Verordnung vom 24.
Oktober 2001 über die öffentliche Sozialhilfe des Kantons Bern
(Sozialhilfeverordnung, SHV; BSG 866.111) gestützt. Danach haben die Gemeinden
die Organisation des Sozialdienstes zu regeln, und die gewählte
Organisationsform muss sicherstellen, dass die gesetzlich vorgeschriebenen
Leistungen nach den Grundsätzen professioneller Sozialarbeit erbracht werden
können und fachlich kompetentes Personal verfügbar ist.

3.3.2. Tatsächlich bevollmächtigte der Beschwerdeführer in der
Abtretungserklärung vom 28. März 2013 den damals zuständigen Sozialdienst,
gegenüber der verfügenden Behörde Einsprache zu führen und nötigenfalls beim
zuständigen Gericht Beschwerde zu erheben. Er behielt denn auch weit über den
massgebenden Zeitpunkt bei Erlass der Verfügung vom 3. Juni 2014 (BGE 132 V 215
E. 3.1.1 S. 220; 121 V 362 E. 1b S. 366; SVR 2012 ALV Nr. 5 S. 14, 8C_777/2010
E. 7; Urteil 8C_450/2014 vom 24.7.2014 E. 5) hinaus seinen Wohnsitz bei (E.
1.5). Die Erklärung des damals zuständigen Sozialdienstes vom 10. April 2014
wonach er in personeller, fachlicher und zeitlicher Hinsicht über keine
Ressourcen verfüge, um den Beschwerdeführer in Bezug auf den Vorbescheid der
IV-Stelle Bern vom 12. März 2014 rechtlich zu unterstützen bzw. zu vertreten,
lässt sich mit Art. 19 SHG kaum in Einklang bringen. Zudem steht sie in
inhaltlichem Widerspruch zur - vom Sozialdienst selber verfassten -
Abtretungserklärung vom 28. März 2013. Sodann erfolgte die Erklärung vom 10.
April 2014 erst, nachdem der Beschwerdeführer bereits am 30. März 2014 seinen
Rechtsvertreter bestellt hatte.

3.3.3. Es ist nicht ersichtlich und wird auch nicht geltend gemacht, dass der
Versicherte vor dem Beizug des Rechtsanwaltes zuerst vergeblich versucht haben
soll, eine Vertretung seiner Interessen durch den für ihn zuständigen
Sozialdienst zu erwirken. Damit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt
von jenem, der dem Entscheid I 115/07 zugrunde lag. Dort zog die Versicherte
erst, nachdem sie erfolglos eine soziale Institution kontaktiert hatte, einen
Anwalt bei (Urteil I 115/07 vom 19. April 2007 E. 6.1). Davon kann vorliegend
keine Rede sein. Vielmehr wäre es dem Beschwerdeführer ohne weiteres möglich
und zumutbar gewesen, sich durch den zuständigen Sozialdienst, der auch über
entsprechend geschultes Personal gemäss den Bestimmungen des SHG und der SHV
verfügen muss, vertreten zu lassen. Weil dies seit dem 28. März 2013 zutraf,
war die IV-Stelle auch nicht verpflichtet, den Versicherten auf die
grundsätzliche Subsidiarität der anwaltlichen Vertretung gegenüber der
Interessenwahrung durch andere fachkundige Dritte aufmerksam zu machen und
solche zu benennen (vgl. Art. 27 Abs. 2 ATSG; Urteile 9C_52/2015 vom 3. Juli
2015 E. 4.2.1; 9C_878/2012 vom 26. November 2012 E. 3.6.2). Die Verbeiständung
durch einen Rechtsanwalt war somit nicht sachlich geboten.

3.4.

3.4.1. Daran ändern die weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers nichts. Das
Argument, dass die IV-Stelle erst durch den Einwand des Rechtsvertreters
veranlasst worden sein soll, im Rahmen eines zweiten Vorbescheides ein
wesentlich höheres Valideneinkommen anzunehmen, betrifft das Kriterium der
Nichtaussichtslosigkeit, nicht jenes der Erforderlichkeit. Es ist eine blosse
Behauptung, dass nur ein Rechtsanwalt und nicht auch der vom Beschwerdeführer
ursprünglich beauftragte Sozialdienst (E. 3.3.2) in der Lage gewesen sein soll,
Art. 26 Abs. 1 IVV zu konsultieren und anzurufen. Es ist nicht nachvollziehbar,
inwiefern es sich dabei um eine "exotische und komplexe" Rechtsfrage handeln
soll. In Anbetracht, dass eine Vertretung des Beschwerdeführers im Rahmen der
Sozialhilfe ohne weiteres möglich war, ist auch nicht darüber zu befinden, ob
er persönlich in der Lage gewesen wäre, sich wirksam im Verwaltungsverfahren zu
äussern.

Auch die Frage, ob die laut Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter
veranlasste fachärztliche Abklärung zu einer zusätzlichen Anerkennung einer
Leistungseinschränkung geführt habe, beschlägt nur den - hier nicht
entscheidenden - Aspekt der Prozessaussichten.

3.4.2. Nachdem der Versicherte den Sozialdienst bevollmächtigt hatte, war die
IV-Stelle resp. die Vorinstanz auch nicht verpflichtet, abzuklären, ob er
selber über die notwendigen juristischen und medizinischen Kenntnisse verfügt.
Es liegt somit weder eine Verletzung von Art. 43 noch von Art. 61 lit. c ATSG
vor. Es ist auch nicht erkennbar, wo diesbezüglich eine Rechtsverweigerung oder
Beweisvereitelung gegeben sein könnte. Ebenso wenig ist ein Verstoss gegen Art.
6 EMRK ersichtlich: Die Ausgestaltung der Beteiligungsrechte der versicherten
Person im Abklärungsverfahren der IV-Stelle muss den verfahrensbezogenen
Garantien gemäss Art. 29 BV und Art. 6 Ziffer 1 ERMK genügen. Dabei ist die
Frage, ob die Schutzziele von Verfassung und Konvention bei der Abklärung des
anspruchserheblichen Sachverhalts durch die Mitwirkungsmöglichkeiten
hinreichend verwirklicht werden, anhand des konkreten Verfahrens und seiner
Zwecke zu beantworten (BGE 137 V 210 E. 3.4.2.2 S. 252). Art. 37 Abs. 4 ATSG
darf ohne weiteres so ausgelegt werden, dass es einem Versicherten zugemutet
werden darf, sich durch einen Sozialdienst mit entsprechend geschultem Personal
vertreten zu lassen.

Ausserdem besteht gerade auch bei einem auf wirtschaftliche Sozialhilfe
angewiesenen Versicherten - was auf den Beschwerdeführer zutrifft - ein
direktes Interesse der unterstützungspflichtigen Gemeinde, dass er die ihm
zustehenden Sozialversicherungsleistungen erhält, wird sie doch dadurch bei der
Zusprache von Sozialhilfeleistungen selber entlastet. In der
Abtretungserklärung vom 28. März 2013 wurde denn auch auf Art. 59 ATSG
verwiesen. Eine Kollision von Interessen der Gemeinde mit jenen des
Beschwerdeführers ist somit nicht auszumachen.

3.4.3. Es ist nicht erkennbar, dass die Vorinstanz eine Verbeiständung im
Vorbescheidverfahren durch einen Rechtsanwalt generell für nicht geboten hält.
Vielmehr hat sie diese im konkreten Anwendungsfall mangels Erforderlichkeit
verweigert. Ebenso ist nicht nachvollziehbar, welche Bedeutung im vorliegenden
Verfahren BGE 130 V 352, der ohnehin durch das zur Publikation bestimmte Urteil
9C_492/2014 vom 3. Juni 2014 eine Änderung erfuhr, haben soll. Beim
Beschwerdeführer steht nicht das Beschwerdebild einer anhaltenden somatoformen
Schmerzstörung oder ein vergleichbares psychosomatisches Leiden (vgl. Urteil
9C_492/2014 vom 3. Juni 2014 E. 4.2) zur Diskussion.

3.4.4. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers handelt es sich beim
Administrativverfahren der Invalidenversicherung nicht um ein
kontradiktorisches Verfahren wie vor einem Gericht. Vielmehr ist es als
Einparteienverfahren ausgestaltet, wobei die IV-Stelle bis zum Verfügungserlass
ein hoheitlich handelndes, an das Gesetz gebundenes und zum objektiven,
neutralen Vollzug verpflichtetes Durchführungsorgan der Versicherung ist (Meyer
/Reichmuth, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum IVG, 3. Aufl. 2014, N. 3 zu
Art. 53-57 IVG).

3.4.5. Das kantonale Versicherungsgericht hat volle Kognition (Art. 63 lit. c
ATSG). Sie wird durch den Umstand, dass für die Beurteilung der Zeitpunkt des
Verfügungserlasses massgebend ist (E. 3.3.2), nicht beschränkt. Vielmehr hat
ein Versicherter im Beschwerdeverfahren die Möglichkeit zur umfassenden Rüge
der von der Verwaltung erlassenen Verfügung. Dessen Rechte sind durch BGE 137 V
210 noch verstärkt worden. Es ist indessen nicht erkennbar, dass wegen diesem
Urteil das Kriterium der Notwendigkeit einer anwaltlichen Verbeiständung im
Verwaltungsverfahren (vgl. dazu Meyer/Reichmuth, a.a.O., N. 10 zu Art. 57a IVG)
gelockert werden sollte, gerade wenn - wie hier - dem Versicherten die
Möglichkeit der Vertretung durch einen Sozialdienst offensteht. Die Beschwerde
ist unbegründet.

4. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer grundsätzlich
die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seinem Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege kann jedoch entsprochen werden (Art. 64 BGG). Er
hat der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn er später dazu in der Lage ist
(Art. 64 Abs. 4 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und
Rechtsanwalt Rémy Wyssmann wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.

4. 
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Gerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 9. September 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Dormann

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