Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 154/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_154/2015

Urteil vom 8. Januar 2016

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Pfiffner, Moser-Szeless,
Gerichtsschreiber Grünenfelder.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Pensionskasse C.________,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, vom 26. Januar 2015.

Sachverhalt:

A. 
Der 1963 geborene A.________ zog sich 1998 bei einem Fahrradunfall eine
Commotio cerebri und eine HWS-Distorsion zu. Am 1. Januar 2001 trat er eine
Vollzeitstelle als Techniker bei der B.________ AG an und war bei der
Pensionskasse C.________ (nachfolgend: Pensionskasse) berufsvorsorgeversichert.
Ab 1. Mai 2004 wurde sein Pensum auf 80 % reduziert (Arbeitsvertragsänderung
vom 25. Mai 2004). Nachdem A.________ einen weiteren Unfall mit
HWS-Distorsionstrauma erlitten hatte, meldete er sich im Dezember 2005 bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach Abklärungen und Durchführung
des Vorbescheidverfahrens sprach ihm die IV-Stelle Bern ab 1. Juni 2005 bis 31.
August 2005 eine Viertelsrente (Invaliditätsgrad: 40 %) und ab 1. September
2005 eine halbe Invalidenrente (Invaliditätsgrad: 50 %) zu (Verfügung vom 24.
März 2009).
Ende April 2009 erhielt A.________ einen neuen Arbeitsvertrag mit einem
Beschäftigungsgrad von 50 %. Daraufhin teilte ihm die Pensionskasse mit, dass
er ab 1. Juli 2009 aus medizinischen Gründen zu 50 % pensioniert werde, und gab
ihm die Höhe der Rentenleistungen bekannt (Fr. 13'809.- pro Jahr bzw. Fr.
1'150.75 pro Monat); Basis des versicherten Verdienstes bildete ein
Arbeitspensum von 80 %.

B. 
Am 12. Juni 2014 erhob A.________ Klage gegen die Pensionskasse mit dem
sinngemässen Rechtsbegehren, die Rentenleistungen seien gemäss dem
Versicherungsverhältnis vom 30. April 2004, d.h. auf der Grundlage eines
Beschäftigungsgrads von 100 %, zu berechnen. Mit Entscheid vom 26. Januar 2015
wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern die Klage ab.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________,
der Entscheid vom 26. Januar 2015 sei aufzuheben und erneuert das
vorinstanzliche Klagebegehren.
Die Pensionskasse schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz wurde die Pensionskasse
ins Vorbescheidverfahren der Invalidenversicherung einbezogen und ihr wurde
eine Kopie der rentenzusprechenden Verfügung vom 24. März 2009 zugestellt.
Diese ist unangefochten in Rechtskraft erwachsen.
Sodann ist der Anspruch des Beschwerdeführers auf Rentenleistungen seitens der
Beschwerdegegnerin im Grundsatz unbestritten. Die vorinstanzliche Feststellung,
die Pensionskasse habe gestützt auf die Verfügung vom 24. März 2009 davon
ausgehen können, dass das Wartejahr am 23. Juni 2004 begonnen habe, ist nicht
willkürlich und für das Bundesgericht verbindlich (E. 1).

3. 
Das kantonale Gericht ist der Ansicht, dass die Reduktion des vollzeitlichen
Arbeitspensums auf 80 % am 1. Mai 2004 aus privaten bzw. invaliditätsfremden
Gründen erfolgte. Dem hält der Beschwerdeführer entgegen, dass er im fraglichen
Zeitpunkt aus medizinischer Sicht zu 20 % arbeitsunfähig war und verlangt die
Berechnung der Invalidenleistungen auf der Grundlage eines Vollzeitpensums
(Versicherungsausweis vom 30. April 2004).

3.1.

3.1.1. Ein Entscheid der IV-Stelle ist für eine Einrichtung der beruflichen
Vorsorge verbindlich, sofern sie in das invalidenversicherungsrechtliche
Verfahren einbezogen wurde, die konkrete Fragestellung für die Beurteilung des
Rentenanspruchs gegenüber der Invalidenversicherung entscheidend war und die
invalidenversicherungsrechtliche Betrachtungsweise aufgrund einer gesamthaften
Prüfung der Akten nicht als offensichtlich unhaltbar erscheint (BGE 133 V 67 E.
4.3.2 S. 69; 130 V 270 E. 3.1 S. 273). Diese Bindungswirkung findet ihre
positivrechtliche Grundlage in den Art. 23, 24 Abs. 1 und 26 Abs. 1 BVG, welche
an die Regelung des IVG anknüpfen oder diese übernehmen. Die Orientierung an
der Invalidenversicherung bezieht sich insbesondere auf die sachbezüglichen
Voraussetzungen des Rentenanspruchs, die Rentenhöhe und den Rentenbeginn (BGE
133 V 67 E. 4.3.2 S. 69), wozu auch die Festlegung der Höhe des
Invaliditätsgrads anhand des Validen- und Invalideneinkommens zählt (vgl.
Urteil 9C_403/2015 vom 23. September 2015 E. 5.1.1).

3.1.2. Ob eine allfällige Unhaltbarkeit offensichtlich ist und aus diesem Grund
die Bindungswirkung entfällt, ist eine frei überprüfbare Rechtsfrage (Urteil
9C_276/2010 vom 2. Juli 2010 E. 4.1).

3.2.

3.2.1. Die IV-Stelle hielt mit Verfügung vom 24. März 2009 explizit fest, der
Versicherte sei aus gesundheitlichen Gründen seit Jahren nicht mehr in der
Lage, seiner Erwerbstätigkeit bei der B.________ AG vollumfänglich nachzugehen.
Gestützt darauf führte sie einen Einkommensvergleich (Art. 16 ATSG) durch. Das
Valideneinkommen ermittelte sie anhand des (gesundheitlich) reduzierten
Beschäftigungsgrades von 80 % und zog hierfür den vom Beschwerdeführer
tatsächlich erzielten Lohn im Zeitpunkt des Rentenbeginns (Juni 2005) heran
(Fr. 68'120.- [Fr. 5'240.- x 13]; vgl. Fragebogen Arbeitgeber vom 21. Februar
2006). Dieses Erwerbseinkommen rechnete die IV-Stelle sodann auf ein
Vollzeitpensum hoch, woraus ein Valideneinkommen von Fr. 85'150.- resultierte.

3.2.2. Der Stellungnahme des Psychiaters Dr. med. D.________ vom Regionalen
Ärztlichen Dienst (nachfolgend: RAD), worauf das kantonale Gericht Bezug
genommen hat, ist zwar zu entnehmen, dass ein invalidisierender
Gesundheitsschaden durch lang dauernde psychische Krankheit erst ab Anfang 2005
ausgewiesen sei (Bericht vom 23. September 2008. Dies betrifft aber einzig den
Rentenbeginn aus Sicht der Invalidenversicherung, wofür eine durchschnittliche
Einschränkung der Arbeitsfähigkeit von 40 % relevant ist (vgl. aArt. 29 Abs. 1
lit. b IVG [seit 1. Januar 2008: Art. 28 Abs. 1 lit. b IVG]). Massgeblich ist
mit Blick auf die Bindung der Beschwerdegegnerin jedoch nicht die Frage nach
dem Moment der Invalidisierung des (psychischen) Gesundheitsschadens, sondern
diejenige, ob in Bezug auf die IV-Verfügung vom 24. März 2009, wonach die
strittige Pensumsreduktion von 20 % im Jahr 2004 gesundheitlich bedingt war,
eine offensichtliche Unhaltbarkeit vorliegt. Die Vorinstanz hat übersehen, dass
sich Dr. med. D.________ hierzu selber nicht äusserte; vielmehr verwies er für
den Zeitraum vor 2005 auf das psychiatrische Gutachten von Dr. med. E.________
vom 15. Dezember 2007. Daraus geht hervor, dass beim Beschwerdeführer bereits
ab 1998 eine medizinisch begründete Arbeitsunfähigkeit von 20 % bestand. Die
Psychiaterin pract. med. F.________, welche den Beschwerdeführer vom 27. April
bis 1. Juni 2004 behandelte, führte übereinstimmend aus, dem Patienten sei es
trotz aller Anstrengung und günstigen Konditionen bei der Pensumsgestaltung
nicht möglich gewesen, das Arbeitspensum über 80 % zu steigern (Bericht vom 10.
Juni 2005). Bei dieser Ausgangslage kann dahingestellt bleiben, ob die
(beweisrechtlichen) Einwände der Beschwerdegegnerin gegen letztere Einschätzung
(vgl. Vernehmlassung vom 16. Dezember 2015) gerechtfertigt sind; selbst wenn
dies der Fall wäre, läge in Anbetracht der Expertise von Dr. med. E.________,
deren Beweiswert (vgl. BGE 125 V 351 E. 3a S. 352; 134 V 231 E. 5.1 S. 232) im
Übrigen unbestritten ist, keine offensichtliche Unhaltbarkeit vor.
Der Neurologe Dr. med. G.________ attestierte dem Beschwerdeführer wohl eine
nur leicht herabgesetzte Arbeitsfähigkeit, die er jedoch nicht genauer
quantifizierte (vgl. Bericht vom 17. März 2004). Ausserdem erfolgte seine
Einschätzung aus neurologischem Blickwinkel, ohne Einbezug der über ein
chronifiziertes Schmerzsyndrom hinausgehenden weiteren psychischen Diagnosen
(u.a. schizoide Persönlichkeitsstörung), sodass von einer offensichtlich
unhaltbaren Auffassung der IV-Stelle keine Rede sein kann. Daran ändert auch
die Leistungseinstellung der Unfallversicherung (Verfügung vom 9. Dezember
2003) nichts; diese bezieht einzig die Folgen des Unfalles vom Juni 1998 mit
ein und lässt die nicht unfallkausalen, mehrheitlich psychischen
Einschränkungen des Versicherten ausser Betracht.

3.3. Insgesamt sind die Ausführungen der IV-Stelle, insbesondere mit Blick auf
die Bemessung des Valideneinkommens, nicht offensichtlich unhaltbar; sie sind
für die Pensionskasse verbindlich (E. 3.1). Letztere muss sich die
invalidenversicherungsrechtliche Betrachtungsweise entgegenhalten lassen,
wonach der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Pensumsreduktion am 1. Mai 2004
aus gesundheitlichen Gründen nur zu 80 % arbeitsfähig war. Der vorinstanzliche
Entscheid verletzt Bundesrecht (Art. 95 lit. a BGG). Die Beschwerde ist
begründet.

4. 
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden
Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der obsiegende
Beschwerdeführer hat keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 2
BGG), da er nicht anwaltlich vertreten ist und keine besonderen Verhältnisse
vorliegen, die eine Entschädigung für weitere Umtriebe rechtfertigen (Urteil
9C_1094/2009 vom 31. Mai 2010 E. 4 mit Hinweisen).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern vom 26. Januar 2015 wird aufgehoben. Die Klage vom 12. Juni 2014
wird gutgeheissen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteikosten des vorinstanzlichen
Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern zurückgewiesen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 8. Januar 2016
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Grünenfelder

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