Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 141/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_141/2015

Urteil vom 1. Mai 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Parrino, Bundesrichterin Moser-Szeless,
Gerichtsschreiber Schmutz.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas Brender,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 6. Januar 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. A.________ gelernter Industriespengler, war zuletzt bis 31. Oktober 1998
als Chefmonteur Lüftung in der B.________ AG angestellt. Danach war er als
Handwerk-Allrounder und Tauchlehrer selbstständig erwerbstätig. Am 27.
September 2002 meldete er sich unter Hinweis auf seit Mai 2001 bestehende
Gelenk- und Muskelschmerzen sowie auf Konzentrationsprobleme und Müdigkeit bei
der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nachdem die SUVA ihm zunächst
ein Taggeld ausgerichtet hatte, sprach sie A.________ infolge eines
Zeckenbisses ab 1. März 2006 eine Invalidenrente (Invaliditätsgrad von 71 %)
und eine Integritätsentschädigung zu (Verfügung vom 17. März und
Einspracheentscheid vom 22. November 2006). Mit Verfügung vom 12. Juli 2007
sprach ihm auch die IV-Stelle des Kantons Zürich ab dem 1. Mai 2002 eine ganze
Rente zu (Invaliditätsgrad von 71 %).

A.b. Im Rahmen einer 2010 eingeleiteten Überprüfung des Rentenanspruches holte
die IV-Stelle ein polydisziplinäres (allgemein-medizinisch/rheumatologisch/
neurologisch/psychiatrisches) Gutachten der MEDAS vom 31. Mai 2011 ein. Nach
Durchführung des Vorbescheidverfahrens hob sie die Verfügung vom 12. Juli 2007
am 31. Mai 2013 wiedererwägungsweise auf. Sie stellte die Rente auf das Ende
des der Zustellung der Verfügung folgenden Monats ein.

B. 
Die dagegen eingereichte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 6. Januar 2015 ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen.
Er beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zur
Neubeurteilung an das kantonale Gericht oder die IV-Stelle zurückzuweisen. Die
IV-Stelle sei zu verpflichten, die auf einem Invaliditätsgrad von 71 %
basierende Rente über den 30. Juni 2013 hinaus auszurichten.

Erwägungen:

1.

1.1. Nach Art. 53 Abs. 2 ATSG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 IVG kann die IV-Stelle auf
formell rechtskräftige Verfügungen zurückkommen, wenn sie zweifellos unrichtig
sind und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist. Unter diesen
Voraussetzungen kann sie eine Rentenverfügung auch dann abändern, wenn die
Revisionserfordernisse des Art. 17 Abs. 1 ATSG nicht erfüllt sind. Die
Wiedererwägung dient der Korrektur einer anfänglich unrichtigen Rechtsanwendung
einschliesslich unrichtiger Tatsachenfeststellung im Sinne der
Sachverhaltswürdigung ( ULRICH MEYER, Die Abänderung formell rechtskräftiger
Verwaltungsverfügungen in der Sozialversicherung, ZBl 95/1994, in: Ausgewählte
Schriften, 2013, S. 133 f.).

1.2. Das Erfordernis der zweifellosen Unrichtigkeit ist in der Regel erfüllt,
wenn eine Leistungszusprechung aufgrund falsch oder unzutreffend verstandener
Rechtsregeln erfolgt ist oder wenn massgebliche Bestimmungen nicht oder
unrichtig angewandt wurden. Anders verhält es sich, wenn der
Wiedererwägungsgrund im Bereich materieller Anspruchsvoraussetzungen liegt,
deren Beurteilung notwendigerweise Ermessenszüge aufweist. Erscheint die
Beurteilung einzelner Schritte bei der Feststellung solcher
Anspruchsvoraussetzungen (Invaliditätsbemessung, Arbeitsunfähigkeitsschätzung,
Beweiswürdigung, Zumutbarkeitsfragen) vor dem Hintergrund der Sach- und
Rechtslage, wie sie sich im Zeitpunkt der rechtskräftigen Leistungszusprechung
darbot, als vertretbar, scheidet die Annahme zweifelloser Unrichtigkeit aus.
Zweifellos ist die Unrichtigkeit, wenn kein vernünftiger Zweifel daran möglich
ist, dass die Verfügung unrichtig war. Es ist nur ein einziger Schluss -
derjenige auf die Unrichtigkeit der Verfügung - denkbar (SVR 2011 EL Nr. 5 S.
14, 9C_339/2010 E. 3; 2010 IV Nr. 5 S. 10, 8C_1012/2008 E. 2.2; Plädoyer 2011 1
S. 65, 9C_760/2010 E. 2).

2. 
Die Vorinstanz ist zum Schluss gekommen, mit Blick auf das Gutachten der MEDAS
vom 31. Mai 2011 sei von einer revisionsrechtlich unbeachtlichen Neubeurteilung
des gleichen Sachverhaltes und damit nicht von einer Verbesserung des
Gesundheitszustandes im relevanten Zeitraum und somit auch nicht von einer
revisionsrechtlich erheblichen Änderung der Verhältnisse auszugehen. Es bleibe
zu prüfen, ob die ursprüngliche Leistungszusprache vom 12. Juli 2007 zweifellos
unrichtig gewesen und die zugesprochene Invalidenrente wiedererwägungsweise
aufzuheben sei. In der Verfügung vom 12. Juli 2007 habe die IV-Stelle den von
der SUVA festgesetzten Invaliditätsgrad übernommen. In medizinischer Hinsicht
sei sie in erster Linie von der Einschätzung der Fachpersonen der Rehaklinik
C.________ vom 9. September 2005 ausgegangen. Im betreffenden Austrittsbericht
vom 9. September 2005 hätten die Diagnosen im Wesentlichen auf den Angaben des
behandelnden Arztes Dr. med. D.________, Facharzt für Innere Medizin FMH, und
des Beschwerdeführers beruht. In der Rehaklinik sei auf eine Diagnostik
verzichtet worden. Auch seien keine relevanten objektiven Befunde erhoben
worden. Insbesondere hätten die Ärzte ausgeführt, sie hätten zu keinem
Zeitpunkt während des Aufenthaltes Schwellungszeichen oder eine Überwärmung im
Bereiche der schmerzhaften Gelenke feststellen können. Die Arbeitsfähigkeit sei
in erster Linie gestützt auf die Angaben des Beschwerdeführers eingeschätzt
worden. Die Rehaklinik habe auch auf berufliche Abklärungen verzichtet. Weitere
Abklärungen in diagnostischer Hinsicht hätten vor allem auch in Anbetracht der
von Prof. Dr. med. E.________, Chefarzt des Kantonsspitals H.________,
geäusserten Zweifeln erfolgen sollen, der nach seiner Untersuchung am 4. April
2005 ausgeführt habe, er hätte keine pathologischen klinischen Befunde ausser
diskrete Psoriasisherde feststellen können, und insbesondere die Gelenke hätten
weder Deformationen noch aktuelle Entzündungszeichen gezeigt. Hüft- und
Kniegelenke seien funktionell unauffällig gewesen. Aufgrund des
polydisziplinären Gutachtens der MEDAS vom 31. Mai 2011 habe sich gezeigt, dass
die ursprüngliche Sachverhaltsabklärung unvollständig und unter Verletzung des
Untersuchungsgrundsatzes erfolgt sei. Da für alle Tätigkeiten eine volle
Arbeitsfähigkeit bestehe, sei die Rente pro futuro aufzuheben. Daran vermöchten
die Ausführungen des behandelnden Arztes Dr. med. D.________ in seinen
Berichten vom 20. April 2010 und 13. September 2011 nichts zu ändern, da sich
diese weitgehend in der Wiedergabe der subjektiven Beschwerden des Versicherten
erschöpften.

3. 
Der Beschwerdeführer erklärt, ein Grund für eine Wiedererwägung der
ursprünglichen Rentenverfügung vom 12. Juli 2007 sei nicht gegeben. Im
MEDAS-Gutachten sei lediglich eine andere Fachmeinung vertreten worden; es sei
aber keine Aussage darüber gemacht worden, dass die frühere Fachmeinung
offensichtlich oder zweifellos unrichtig gewesen sei. Aus der angefochtenen
Verfügung werde klar, dass sie sich inhaltlich und materiell nicht in erster
Linie auf eine Wiedererwägung der früheren Verfügung berufe, sondern das
MEDAS-Gutachten zum Anlass für eine Revision der Rente ex nunc nehme.
Sozialversicherungsgerichte seien nicht Versicherungsträger. Sie hätten in
erster Linie Verfügungen von Sozialversicherungen dort zu korrigieren, wo sich
solches zugunsten der Versicherten auswirke. Hingegen sei grundsätzlich
Zurückhaltung geboten, wenn Gerichte Gründe sehen würden, Verwaltungsakte
zulasten der Versicherten zu korrigieren. Auch sei es eine schwer wiegende
Anschuldigung, dem Versicherten vorzuhalten, er habe in den Jahren 2002 bis
2007 lediglich subjektive Symptome vorgetragen und so die Rente quasi
erschlichen. Damals sei der Sachverhalt ermessensweise gewürdigt worden. Eine
unzutreffende Ermessensbetätigung schliesse jedoch eine zweifellose
Unrichtigkeit als Voraussetzung einer Wiedererwägung klar aus.

4. 
Der Beschwerdeführer verkennt, dass im MEDAS-Gutachten wohl eine andere
Fachmeinung vertreten wurde, aber auch klar darauf hingewiesen worden ist, dass
die frühere Meinung offensichtlich unrichtig gewesen sei. Die Gutachter führten
ausdrücklich aus, zusammenfassend sei, "in Berücksichtigung vorliegender Akten,
anamnestischer Angaben sowie erhobener Befunde, dem Versicherten aus
versicherungsmedizinischer Sicht bei diesem ausschliesslich auf subjektiven
Beschwerden beruhenden Krankheitsbild" keine Einschränkung der zumutbaren
Arbeitsfähigkeit zu attestieren. Diese Einschätzung gelte "ab dem Datum der
jetzigen Rentenrevision - unterschiedliche Beurteilung eines im wesentlichen
unveränderten Gesundheitszustandes!". Damit wird unmissverständlich
ausgedrückt, dass der im Wesentlichen gleiche Gesundheitszustand früher anders
und unrichtig beurteilt worden sei. Ob die Verfügung ursprünglich zweifellos
unrichtig war, ist indessen nicht von den Medizinern zu beantworten, sondern im
Rahmen der Rechtsanwendung von Verwaltung und Gericht zu überprüfen. Dass sich
die Verwaltung inhaltlich nicht in erster Linie auf eine Wiedererwägung der
früheren Verfügung beruft, sondern das Gutachten zum Anlass für eine
Rentenrevision genommen hat, verschliesst die Möglichkeit einer Wiedererwägung
nicht (E. 1.1).
Die letztinstanzlich als Beweismittel eingelegten Belege bringen keine neuen
Erkenntnisse. Der SUVA-Bericht vom 27. Mai 2004, der Hausarztbericht vom 26.
Juli 2001 und das psychosomatische Konsilium der Rehaklinik C.________ vom 5.
August 2005 stellen unzulässige Noven dar (vgl. Art. 99 Abs. 1 BGG) und bleiben
von vornherein unbeachtlich.

Der Beschwerdeführer vermag die Schlussfolgerung der Vorinstanz, dass es unter
den damaligen rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen zu keiner
Rentenzusprache hätte kommen dürfen, nicht als bundesrechtswidrig erscheinen zu
lassen. Soweit er sich auf die "Begutachtung durch Dr. med. D.________ vom
02.07.2002", das "Gutachten Prof. G.________ vom 04.04.2005" und die
"Stationäre Abklärung der Arbeitsfähigkeit der Reha-Klinik C.________ gemäss
Austrittsbericht vom 09.09.2005" stützt, so setzt er sich mit den
diesbezüglichen Erwägungen der Vorinstanz nicht auseinander, sondern legt seine
eigene Sicht der Dinge dar.

Der Hinweis, Sozialversicherungsgerichte seien keine Versicherungsträger, sie
hätten in erster Linie Verfügungen dort zu korrigieren, wo sich dies zugunsten
der Versicherten auswirke, ist unbehelflich. Sozialversicherungsgerichte haben
grundsätzlich zu überprüfen, ob den rechtlichen Erfordernissen Genüge getan
wurde, unabhängig davon, zu welchen Gunsten resp. Lasten. Auch wird dem
Beschwerdeführer nicht vorgehalten, er habe die Rente in den Jahren 2002 bis
2007 erschlichen. Es wird lediglich zu Recht festgehalten, dass bei der
ursprünglichen Leistungszusprechung massgebliche Sachverhaltsabklärungen
unterblieben sind.

5. 
Die Beschwerde wird im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG
unter Verweis auf den angefochtenen Entscheid erledigt.

6. Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden
dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 65 Abs. 4 lit. a i.V.m.
Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 1. Mai 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Schmutz

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