Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 139/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_139/2015

Urteil vom 9. März 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Parrino, Bundesrichterin Moser-Szeless,
Gerichtsschreiber Schmutz.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Sozialversicherungsanstalt des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Ergänzungsleistung zur AHV/IV (Rückerstattung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom
13. Januar 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. A.________, geboren 1958, verheiratet, meldete sich am 14. November 2008
bei der Gemeindezweigstelle zum Bezug von Ergänzungsleistungen an. Mit
Verfügung vom 18. März 2009 bejahte die Ausgleichskasse der
Sozialversicherungsanstalt Aargau den Anspruch ab 1. Oktober 2008. Die
Leistungen wurden mit Verfügungen vom 11. August 2009, 29. September 2010, 11.
Oktober 2010, 4. Oktober 2012, 16. Oktober 2012, 7. Dezember 2012 sowie 8.
April 2013 an veränderte Verhältnisse angepasst.

A.b. Nachdem die Ausgleichskasse von der Versicherten über die nachträglich an
den Ehegatten ausgerichtete Rente der beruflichen Vorsorge informiert worden
war, forderte sie mit Verfügung vom 1. August 2013 Ergänzungsleistungen in der
Höhe von insgesamt Fr. 16'611.- (für die Zeit vom 1. Oktober 2008 bis 31.
August 2013) zurück. Das am 26. August 2013 gestellte Erlassgesuch wies sie mit
Verfügung vom 31. Oktober 2013 ab. Sie bestätigte dies mit Einspracheentscheid
vom 13. Januar 2014.

B. 
Die von A.________ eingereichte Beschwerde wies das Versicherungsgericht des
Kantons Aargau mit Entscheid vom 13. Januar 2015 ab, soweit es darauf eintrat.

C. 
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie
beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und das Erlassgesuch
gutzuheissen.

Erwägungen:

1. 
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es
ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an
die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem
anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit
einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen
(vgl. BGE 132 II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140).

2. 
Gemäss Art. 25 ATSG, der auch auf Ergänzungsleistungen Anwendung findet (Art. 2
ATSG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 ELG), sind unrechtmässig bezogene
Leistungen zurückzuerstatten. Wer Leistungen in gutem Glauben empfangen hat,
muss sie nicht zurückerstatten, wenn eine grosse Härte vorliegt (Abs. 1 Satz
2).

3. 
Wie es sich herausstellte, bezog die Beschwerdeführerin während Jahren eine zu
hohe Ergänzungsleistung, nachdem ihr Ehemann rückwirkend eine Rente aus
beruflicher Vorsorge zugesprochen erhielt (Art. 9 und 11 ELG). Den letzteren
Umstand meldete die Versicherte nach Bekanntwerden der Ausgleichskasse. Die
Neuberechnung der Ergänzungsleistungen ergab einen Rückerstattungsbetrag von
Fr. 16'611.- (Verfügung vom 1. August 2013). Die Nachzahlung der
Pensionskassenrente betrug Fr. 19'662.-. Davon wurden Fr. 15'000.- zur Tilgung
einer Schuld beim Bruder des Ehemannes verwendet. Der Rest wurde verbraucht.

4. 
Die Vorinstanz schützte die Ablehnung des Erlassgesuches aus Mangel an gutem
Glauben. Sie begründete dies damit, es müsse dem Ehepaar klar gewesen sein,
dass die nachträglich zugesprochene BVG-Rente eine Neuberechnung der
Ergänzungsleistungen und wahrscheinlich eine Rückforderung nach sich ziehen
werde. Man müsse sich auch bewusst gewesen sein, dass man aufgrund der
angespannten finanziellen Situation nicht in der Lage sein werde, einer
Rückforderung nachzukommen, wenn die Rentennachzahlung für andere Zwecke
vewendet werde. Indem innert kurzer Zeit ein Grossteil des Geldes ausgegeben
worden sei, habe man grobfahrlässig in Kauf genommen, dass später eine
Rückforderung nicht mehr erfolgen könne. Damit fehle es am guten Glauben.
Deshalb erübrige es sich, die Erlassvoraussetzung der grossen Härte zu prüfen.

5. 
Art. 25 Abs. 1 ATSG bezieht sich nicht auf die Gutgläubigkeit beim Empfang des
Rentennachzahlungsbetrags, sondern auf diejenige bei der
Ergänzungsleistungsausrichtung. Diesbezüglich kann der Beschwerdeführerin der
gute Glaube nicht abgesprochen werden. Damals herrschten keine (verlässlichen)
Kenntnisse über die spätere und rückwirkende Rentengewährung aus beruflicher
Vorsorge.

6. 
Die Vorinstanz hat letztlich weniger den guten Glauben im Sinne von Art. 25
Abs. 1 zweiter Satz ATSG verneint, als vielmehr die grosse Härte einer
Rückerstattung, weil das Ehepaar mit dem nachgeleisteten BVG-Rentenbetrag eine
unmittelbar zu erwartende Ergänzungsleistungsrückforderung hätte begleichen
müssen. Tatsächlich kann im Falle rückwirkend ausgerichteter
Rentennachzahlungen die Rückerstattung insoweit keine grosse Härte darstellen,
als die aus den entsprechenden Nachzahlungen stammenden Mittel im Zeitpunkt, in
dem die Rückzahlung erfolgen sollte, noch vorhanden sind. Diese Präzisierung
bezieht sich auf jene Fälle, in denen dem Versicherten im nachhinein
zusätzliche Leistungen aus Ansprüchen zufliessen, die sich bezüglich ihrer
zeitlichen Bestimmung mit dem vorangegangenen Ergänzungsleistungsbezug decken
(Urteil 8C_888/2008 vom 19. August 2009 E. 9.1). Dies muss auch für Fälle
gelten, in denen trotz Erwartung einer allfälligen Rückforderung von
Ergänzungsleistungen über Rentennachzahlungen anderweitig disponiert wird. Da
auch der Beschwerdeführerin 2010 rückwirkend eine BVG-Rente zugesprochen worden
war, was eine nachträgliche Neuberechnung sowie eine Rückforderung zu viel
bezogener Ergänzungsleistungen nach sich gezogen hatte, musste sie sich bewusst
sein, dass auch die rückwirkende BVG-Rentenausrichtung an den Ehemann eine
Neuberechnung und Rückforderung bei den Ergänzungsleistungen zur Folge haben
konnte.

7. 
Damit ist der vorinstanzliche Entscheid im Ergebnis zu bestätigen. Die
Beschwerde ist abzuweisen.

8. 
Auf die Erhebung von Gerichtskosten wird in Anwendung von Art. 66 Abs. 1 Satz 2
BGG umständehalber verzichtet.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 9. März 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Schmutz

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