Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 124/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_124/2015

Urteil vom 19. Oktober 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Pfiffner, Moser-Szeless,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

Verfahrensbeteiligte
Pensionskasse A.________,
vertreten durch Advokat Klaus Feger,
Beschwerdeführerin,

gegen

B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Schmid,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge,

Beschwerde gegen den Entscheid
des Kantonsgerichts Basel-Landschaft
vom 2. Oktober 2014.

Sachverhalt:

A.

A.a. Der 1964 geborene, in Deutschland, wohnhaft gewesene C.________ war ab 1.
März 1991 bei der Fabrik D.________ als Schichtmitarbeiter angestellt und im
Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses bei der Pensionskasse A.________ (im
Folgenden Pensionskasse) für die berufliche Vorsorge versichert. Am 1. Dezember
2000 erlitt er einen Arbeitsunfall. Die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) erbrachte erst Taggeld- und ab 1. September
2004 Rentenleistungen. Sie ging von einer Erwerbsunfähigkeit von 100 % aus. Per
30. Juni 2003 löste die Arbeitgeberfirma das Arbeitsverhältnis auf. Die
IV-Stelle für Versicherte im Ausland verfügte am 8. Dezember 2004 die
Zusprechung einer ganzen Invalidenrente (Invaliditätsgrad von 100 % ab 1.
Dezember 2001). In der Folge bejahte auch die Pensionskasse einen
Invalidenrentenanspruch ab 1. Juni 2003. Zusätzlich zahlte die Pensionskasse
C.________ per Ende Januar 2005 ein (Rest-) Invaliditätskapital gestützt auf
das Reglement der Schichtversicherung in Höhe von Fr. 19'372.- aus. Am 18.
Februar 2005 verheiratete sich C.________ mit B.________.
Nach Observationen stellten Unfallversicherer, Invalidenversicherung und
Pensionskasse die Rentenzahlungen ein. Mit Urteil 6B_636/2011 vom 25. Juni 2012
bestätigte das Bundesgericht die strafrechtliche Verurteilung von C.________
durch das Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, vom 19. April
2011 wegen gewerbsmässigem Betrug zu einer Freiheitsstrafe von 21 /2 Jahren.
Am ... 2012 beging C.________ in Deutschland Suizid. Das Notariat E.________,
Nachlassgericht, nahm am 8. November 2012 die Erbschaftsausschlagung von
B.________ entgegen.

A.b. Am 25. November 2012 und 1. Februar 2013 ersuchte B.________ die
Pensionskasse um Bestätigung ihres Anspruches auf das Freizügigkeitsguthaben
ihres verstorbenen Ehemannes und um Auszahlung des entsprechenden Betrages.
Nachdem die IV-Stelle am 23. Mai 2013 die Aufhebung der Invalidenrente per 31.
Dezember 2007 verfügt hatte, teilte die Pensionskasse B.________ am 29. Mai
2013 mit, es habe zu keiner Zeit Anspruch auf berufsvorsorgerechtliche
Invaliditätsleistungen bestanden, weshalb sie alle zu Unrecht ausbezahlten
Leistungen (Fr. 47'520.90 Renten seit 1. Juni 2003; Fr. 34'771.80
Kapitalleistung aus Schichtversicherung) zurückfordere. Nach Verrechnung mit
dem aufgezinsten Wert der Freizügigkeitsleistung per 31. Mai 2013 (Fr.
40'522.-) und den erhaltenen Rückzahlungen (Fr. 38'532.93) resultiere eine
Restforderung von Fr. 3'237.77, auf die sie unpräjudiziell und ohne Anerkennung
einer Rechtspflicht verzichte. Am 30. Dezember 2013 hielt die Pensionskasse an
ihrer Verrechnung fest.

B. 
Am 13. Februar 2014 liess B.________ gegen die Pensionskasse Klage erheben und
die Auszahlung des Freizügigkeitsguthabens ihres verstorbenen Ehemannes
beantragen. Das Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung
Sozialversicherungsrecht, hiess die Klage mit Entscheid vom 2. Oktober 2014 gut
und verpflichtete die Pensionskasse, B.________ das Freizügigkeitsguthaben in
Höhe von Fr. 40'522.- zuzüglich Zins auszubezahlen.

C. 
Die Pensionskasse erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides sowie die
vollumfängliche Abweisung der vorinstanzlichen Klage.
B.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen, soweit darauf
einzutreten sei.

Erwägungen:

1. 
Die II. sozialrechtliche Abteilung des Bundesgerichts ist letztinstanzlich
zuständig zum Entscheid darüber, ob das kantonale Gericht zu Recht die
Leistungspflicht der Beschwerdeführerin bejaht und die Zulässigkeit der
Verrechnung von - retrospektiv zu Unrecht erbrachten - Invaliditätsleistungen
mit der Freizügigkeitsleistung verneint hat (Art. 73 BVG und Art. 35 lit. e des
Reglements für das Bundesgericht vom 20. November 2006 [BgerR]; in BGE 134 V 20
nicht publizierte E. 1 des Urteils 9C_249/2007 vom 6. Dezember 2007). Da auch
die übrigen formellen Gültigkeitserfordernisse gegeben sind, ist auf die
Beschwerde einzutreten.

2. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem
die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat. Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes
wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf
einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2
BGG). Die Behebung des Mangels muss für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes
wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG).

3. 
Im Streit liegt der Anspruch der Beschwerdegegnerin auf das betraglich nicht
umstrittene Freizügigkeitsguthaben ihres verstorbenen Ehegatten (in Höhe von
Fr. 40'522.- per Ende Mai 2013).

3.1. Die Vorinstanz erwog, die Austrittsleistung des Verstorbenen könne nicht
als Barauszahlung nach Art. 5 Freizügigkeitsgesetz vom 17. Dezember 1993 (FZG;
SR 831.42) qualifiziert werden. Eine Barauszahlung vor Eintritt eines
Vorsorgefalles setze die Erfüllung der in Art. 5 FZG abschliessend aufgezählten
Tatbestände voraus. Daran fehle es, nachdem der Verstorbene keine
selbstständige Erwerbstätigkeit aufgenommen habe. Etwas anderes lasse sich auch
nicht dem bundesgerichtlichen Urteil 9C_65/2008 vom 29. Oktober 2008 entnehmen.
Namentlich seien die drei im Gesetz abschliessend normierten
Barauszahlungsgründe nicht durch Richterrecht um einen vierten Tatbestand
erweiterbar. Beim Austritt des Versicherten aus der Pensionskasse am 31. Mai
2003 sei der Vorsorgefall noch nicht eingetreten gewesen, weil eine Invalidität
nachweislich gefehlt und sich der Tod erst nach dem Austritt ereignet habe. Der
verstorbene Versicherte habe damit einen Anspruch auf Austrittsleistung
erworben (Art. 2 Abs. 1 FZG).
Da die Austrittsleistung beim Fehlen eines Barauszahlungsgrundes den
Vorsorgekreislauf der zweiten Säule nicht verlassen würden und die in Art. 15
der Freizügigkeitsverordnung vom 3. Oktober 1994 (FZV; SR 831.425) genannten
Begünstigten, auf welche sich der Vorsorgeschutz ebenfalls beziehe, auch bei
Ausschlagen der Erbschaft Anspruch auf das Freizügigkeitsguthaben hätten, habe
die Beschwerdegegnerin einen eigenen und direkten Anspruch auf die
Austrittsleistung erworben. Der unrechtmässige Leistungsbezug des Verstorbenen
ändere daran nichts. Anders als in der mit Urteil 9C_65/2008 beurteilten
Konstellation stehe es nicht in der Befugnis der Beschwerdegegnerin, über die
Verwendung des Freizügigkeitsguthabens im Sinne von Art. 3 oder 4 FZG zu
entscheiden und dieses dem Vorsorgekreislauf zu entziehen. Für eine Schmälerung
der prioritären Bedeutung der Erhaltung des Vorsorgeschutzes gegenüber
Rückforderungsansprüchen einer Vorsorgeeinrichtung aus Rechtsschutzgründen
bestehe keine Veranlassung.
Schliesslich sei die von der Beschwerdeführerin vorgenommene Verrechnung
unzulässig. Nicht nur bestehe für fällige Freizügigkeitsleistungen
grundsätzlich ein Verrechnungsverbot, ausser es seien die Voraussetzungen für
eine Barauszahlung erfüllt. Selbst wenn die streitige Freizügigkeitsleistung
nicht vom Verrechnungsverbot umfasst wäre, seien die
Verrechnungsvoraussetzungen nicht erfüllt. Schuldner der Verrechnungsforderung
sei infolge Erbausschlagung der Verstorbene (bzw. dessen Nachlass), weshalb es
an der Gegenseitigkeit der Forderungen fehle.

3.2. Die Beschwerde führende Pensionskasse beruft sich - wie schon vor der
Vorinstanz - auf das bundesgerichtliche Urteil 9C_65/2008 vom 28. Oktober 2008.
Sie argumentiert, allein entscheidend sei, dass den versicherten Personen in
jedem Fall und in jeder denkbaren Konstellation die Möglichkeit genommen werde,
zulasten der Vorsorgeeinrichtung von einem - retrospektiv betrachtet -
ungerechtfertigten Leistungsbezug zu profitieren. Das Vorsorgeinteresse
verdiene gestützt auf Art. 2 Abs. 2 ZGB in jeglichen Fällen unrechtmässigen
Leistungsbezugs prinzipiell keinen Rechtsschutz. Gemäss Urteil 9C_65/2008 sei
bei unrechtmässigem Leistungsbezug zwingend eine Barauszahlung anzunehmen, um
die für eine Verrechenbarkeit notwendige Fälligkeit zu erzeugen. Es gebe keinen
sachlichen Grund, nur denjenigen Personen den ungerechtfertigten Nutzen zu
entziehen, die zufälligerweise den Barauszahlungsgrund der Aufnahme einer
selbstständigen Erwerbstätigkeit gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. b FZG erfüllten. Der
Vorsorgeeinrichtung stehe bei jedem ungerechtfertigten Leistungsbezug über die
Annahme eines Barauszahlungstatbestandes samt Fälligkeit eine
Verrechnungsmöglichkeit zu.
Der Zweck der Barauszahlung gestützt auf Art. 5 Abs. 1 lit. b FZG und derjenige
bei ungerechtfertigtem Leistungsbezug schlössen sich gegenseitig aus, was
eindeutig zeige, dass der auf Art. 2 Abs. 2 ZGB abgestützte
Barauszahlungstatbestand ein vierter, gleichrangiger Tatbestand und entgegen
den vorinstanzlichen Erwägungen die Normierung in Art. 5 Abs. 1 FZG nicht
abschliessend sei. Im Übrigen wäre im konkreten Fall auch der
Barauszahlungsgrund von Art. 5 Abs. 1 lit. a FZG (in der vor dem 1. Juni 2007
massgebend gewesenen Form) erfüllt. Ein Weiterbestehen des Vorsorgezwecks bzw.
der Wahlmöglichkeit nach Art. 3 und 4 FZG würde das Guthaben der Verrechnung
entziehen mit der Folge, dass die Vorsorgeeinrichtung einseitig das Risiko der
Uneinbringlichkeit der Rückforderung zu tragen habe, während der Versicherte
(bzw. seine Hinterlassenen, welche die unrechtmässigen Leistungen bereits
mitgenossen hätten) vom unrechtmässigen Leistungsbezug - ein zweites Mal -
profitierten. Die Aufrechterhaltung des Vorsorgeschutzes habe bei
unrechtmässigem Leistungsbezug vor dem Schutz des Kapitals der
Vorsorgeeinrichtung zurückzutreten. Die Austrittsleistung sei somit im
Zeitpunkt der Beendigung des Vorsorgeverhältnisses am 31. Mai 2003 fällig
geworden und in das Vermögen bzw. zufolge Univeralsukzession in den Nachlass
des Verstorbenen gefallen. Die Beschwerdegegnerin habe weder einen derivativen
noch einen originären Anspruch erworben, weil sie die Erbschaft ausgeschlagen
habe.

3.3. Die Beschwerdegegnerin verneint eine Parallelität zum bundesgerichtlichen
Urteil 9C_65/2008. Die Barauszahlungsgründe seien in Art. 5 FZG abschliessend
normiert. Anders als im Urteil 9C_65/2008 fehle hier ein Barauszahlungsgrund,
weil der Verstorbene weder die Schweiz endgültig verlassen noch eine
selbstständige Tätigkeit aufgenommen habe. Entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführerin lasse sich dem zitierten Bundesgerichtsurteil keine
Erweiterung der Barauszahlungsgründe entnehmen. Eine Verrechnung falle ausser
Betracht, weil sie selbst infolge Erbausschlagung nicht Schuldnerin der
Rückforderung geworden und die Austrittsleistung im Kreislauf der
vorsorgerechtlichen Zwecksetzung verblieben sei, weshalb sie einen eigenen,
originären Anspruch auf die Austrittsleistung gestützt auf die Kaskadenordnung
von Art. 15 FZV erworben habe.

4.

4.1. Im Urteil 9C_65/2008 vom 28. Oktober 2008, das von der Beschwerdeführerin
zur Stützung ihres Standpunktes angerufen wird, erwog das Bundesgericht in E.
6.2.3 Folgendes:

"Der Versicherte hatte bei seinem Austritt aus der Vorsorgeeinrichtung - und
anschliessender Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit - zufolge
vermeintlichen Eintritts des Vorsorgefalles Invalidität keine Veranlassung,
eine Erklärung über die Verwendung seines Guthabens (Barauszahlung, Überweisung
an eine neue/ freiwillige Vorsorgeeinrichtung, Erhaltung des Vorsorgeschutzes
in anderer Form; vgl. Art. 3 und 4 FZG) abzugeben. Folglich wurde die
Barauszahlung auch nicht fällig (BGE 121 III 31 E. 2c S. 34) und der
Vorsorgezweck des Guthabens blieb nach dem Austritt des Beschwerdeführers aus
der Vorsorgeeinrichtung weiterhin bestehen. Grundsätzlich stünde dem
Versicherten somit nach wie vor das Wahlrecht gemäss Art. 3 und 4 FZG offen.
Spräche er sich indes für die Überweisung seines Guthabens an eine neue
Vorsorgeeinrichtung oder die Aufrechterhaltung des Vorsorgeschutzes in anderer
Form aus, wäre es in seinem Belieben, zufolge Weiterbestehens des
Vorsorgezwecks sein Guthaben der Verrechnung mit der Rückforderung der
Beschwerdegegnerin zu entziehen. Damit würde das nicht unerhebliche Risiko der
Uneinbringlichkeit dieser Forderung auf die Vorsorgeeinrichtung überwälzt,
während der Beschwerdeführer von seinem retrospektiv betrachtet
ungerechtfertigten Leistungsbezug profitierte. Sowohl das Begehren um
Überweisung der Austrittsleistung an eine neue Vorsorgeeinrichtung als auch
jenes um anderweitige Erhaltung des Vorsorgeschutzes verdienten damit keinen
Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 2 ZGB; BGE 131 V 97 E. 4.3.1 S. 102), so dass dem
Versicherten lediglich die Barauszahlung offen steht. Vor diesem Hintergrund
ist diese somit im rückblickend bei Austritt aus der Vorsorgeeinrichtung
eingetretenen Freizügigkeitsfall als fällig zu betrachten."
Nach den zutreffenden Erwägungen des kantonalen Gerichts unterscheidet sich die
hier zu beurteilende Konstellation erheblich vom Sachverhalt, der dem Urteil
9C_65/2008 zugrunde lag. Dort war der Versicherte vor Eintritt des
vermeintlichen Vorsorgefalles aus der Pensionskasse ausgetreten, hatte eine
selbstständige Erwerbstätigkeit aufgenommen und damit die Voraussetzungen für
eine Barauszahlung nach Art. 5 Abs. 1 lit. b FZG erfüllt. Im konkret zu
beurteilenden Fall hingegen war der Verstorbene bei Eintritt der scheinbaren
Invalidität weiterhin bei der Beschwerdeführerin versichert, ohne dass er -
nach den letztinstanzlich verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz - eine
selbstständige Erwerbstätigkeit hatte aufnehmen wollen. Ebenfalls fehlen
Anzeichen für ein endgültiges Verlassen der Schweiz, zumal - entgegen den
Vorbringen der Beschwerdeführerin - dafür unter der hier massgebenden
Rechtslage (vor Inkrafttreten von Art. 25f FZG am 1. Juni 2007) die zusätzliche
Anmeldung eines Grenzgängers zum Leistungsbezug bei der Sozialversicherung im
Wohnstaat jedenfalls für sich allein nicht genügte. Die Voraussetzungen für
eine Barauszahlung nach Art. 5 Abs. 1 FZG waren damit nicht erfüllt. Nachdem
retrospektiv zweifelsfrei feststeht, dass der Verstorbene nicht invalid war,
ereignete sich der Vorsorgefall erst mit dem Tod im September 2012.

4.2. Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, das Bundesgericht habe mit
Urteil 9C_65/2008 gestützt auf Art. 2 Abs. 2 ZGB einen neuen
Barauszahlungsgrund für alle Fälle unrechtmässigen Leistungsbezugs geschaffen,
kann ihr nicht gefolgt werden. Das Bundesgericht erwog im zitierten Urteil, die
Normierung der Barauszahlungsgründe mit der Folge, dass bei deren Vorliegen die
Zweckbindung der Vorsorgemittel preisgegeben werde, sei das Ergebnis der
gesetzgeberischen Abwägung zwischen Aufrechterhaltung und Beendigung des
Vorsorgeschutzes (BGer. a.a.O., E. 6.2.1). Einzig in der Konstellation
erfüllter Barauszahlungsvorausssetzungen nach Art. 5 Abs. 1 FZG erachtete es
das Weiterbestehen eines Wahlrechts des Versicherten gemäss Art. 3 und 4 FZG
als rechtsmissbräuchlich, weil es sonst trotz grundsätzlich erfüllter
Barauszahlungsvoraussetzungen gemäss Art. 5 Abs. 1 FZG - und damit verbundener
Preisgabe der Zweckbindung der Vorsorgemittel - im Belieben der unrechtmässigen
Leistungsbezüger stehen würde, ihr Guthaben zufolge Weiterbestehens des
Vorsorgezwecks der Verrechnung mit der Rückforderung der Pensionskasse zu
entziehen. Aus diesem Grund steht in solchen Konstellationen lediglich die
Barauszahlung zur Verfügung, welche im retrospektiv bei Austritt aus der
Vorsorgeeinrichtung eingetretenen Freizügigkeitsfall als fällig zu betrachten
ist (BGer. a.a.O., E. 6.2.3). Von der Schaffung eines neuen
Barauszahlungsgrundes, der nach den zutreffenden Erwägungen des kantonalen
Gerichts mit Blick auf die abschliessende Normierung in Art. 5 Abs. 1 FZG
allein in die Kompetenz des Gesetzgebers fiele, kann keine Rede sein.

4.3. Selbst wenn die Beschwerdegegnerin als Ehegattin des Verstorbenen von den
diesem unrechtmässig zugeflossenen Invaliditätsleistungen mitprofitiert hätte
und insoweit der Anspruch auf die Freizügigkeitsleistung für sie einen
"doppelten Nutzen" bewirken würde, wie die Beschwerdeführerin geltend macht,
rechtfertigt dieser Umstand eine dem Urteil 9C_65/2008 analoge
Betrachtungsweise auch deshalb nicht, weil das Bundesgericht nur, aber immerhin
dem dortigen Versicherten selbst die Möglichkeit entzog, von seinem
retrospektiv betrachtet ungerechtfertigten Leistungsbezug zu profitieren. Diese
Einschränkung ist nicht zuletzt deshalb sachgerecht, weil nach Eintritt des
Vorsorgefalles Tod die nach Art. 15 FZV begünstigten Hinterlassenen nicht über
die Verwendung einer Austrittsleistung nach den Art. 3 und 4 FZG befinden
können und sie es somit auch nicht in der Hand haben, den
Rückforderungsanspruch der Beschwerdeführerin nachträglich zu vereiteln, was im
Urteil 9C_56/2008 indes entscheidwesentlich war.

4.4. Nach dem Gesagten scheidet im konkreten Fall eine retrospektive Fälligkeit
der Austrittsleistung mangels eines Barauszahlungsgrundes aus. Anders als in
der mit Urteil 9C_65/2008 beurteilten Konstellation verblieb das
Freizügigkeitsguthaben somit im Vorsorgekreislauf. Mit Eintritt des
Vorsorgefalles im September 2012 erwarb die Beschwerdegegnerin nach den
zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz einen originären Anspruch auf die
Freizügigkeitsleistung (Art. 15 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 FZV), woran die
erbrechtliche Ausschlagung nichts ändert (vgl. BGE 129 III 305 E. 3.5 S. 314).
Das kantonale Gericht hat daher zu Recht einen (grundsätzlichen) Anspruch der
Beschwerdegegnerin auf die Freizügigkeitsleistung ihres verstorbenen Ehemannes
bejaht.

5. 
Bezüglich der Verrechnung erwog das kantonale Gericht korrekt, es sei nicht nur
das berufsvorsorgerechtliche Verrechnungsverbot zu beachten, wonach der einer
Verrechnung entgegen stehende Vorsorgezweck lediglich entfällt, wenn ein - hier
fehlender - Barauszahlungsgrund vorliegt. Richtig ist ausserdem, dass im
konkreten Fall eine Verrechnung an der Gegenseitigkeit scheitert (vgl. BGE 134
III 643 E. 5.5.1 S. 652). Nicht der Verstorbene als Destinatär, sondern die
Beschwerdegegnerin ist Adressatin des verrechnungsweise geltend gemachten
Rückforderungsanspruchs. Nichts anderes ergibt sich aus Art. 24 Abs. 3 des hier
massgeblichen Reglements der Beschwerdeführerin, gültig ab 1. Januar 1999, zu
dem sich weder die Parteien noch das kantonale Gericht geäussert haben. Nach
dieser Reglementsbestimmung werden unrechtmässig bezogene Leistungen der
Pensionskasse mit den künftigen Leistungsansprüchen gegenüber der Pensionskasse
verrechnet. Da eine Verrechnung mangels Gegenseitigkeit der Forderung ausser
Betracht fällt, hätte die Beschwerdeführerin aus der einschlägigen
Reglementsbestimmung ohnehin nichts zu ihren Gunsten ableiten können.

6. 
Damit bleibt es im Ergebnis beim kantonalen Entscheid. Der Anspruch der
Beschwerdegegnerin auf die Freizügigkeitsleistung des verstorbenen Versicherten
ist zu bejahen. Die Beschwerde ist unbegründet.

7. 
Die unterliegende Beschwerdeführerin trägt die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1
Satz 1 BGG). Sie hat der Beschwerdegegner überdies eine Parteientschädigung zu
bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'400.- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung
Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 19. Oktober 2015
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Bollinger Hammerle

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