Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 115/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_115/2015

Urteil vom 12. November 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Pfiffner, Moser-Szeless,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

Verfahrensbeteiligte
Pensionskasse SBB,
Zieglerstrasse 65, 3007 Bern,
vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Frey,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Advokat Daniel Tschopp,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Basel-Stadt vom 4. November 2014.

Sachverhalt:

A.

A.a. A.________, geboren 1961, war ab 1. Januar 2005 bei den Schweizerischen
Bundesbahnen SBB AG (nachfolgend: SBB) tätig und bei der Pensionskasse SBB
berufsvorsorgeversichert. Am 4. Juni 2009 meldete er sich unter Hinweis auf
eine Hüftoperation im Juni 2008, eine Rückenoperation im August 2008 und
Probleme mit dem Darm (Analfistel) seit Oktober 2008 bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle tätigte berufliche
und medizinische Abklärungen. Per Ende Mai 2010 lösten die SBB das
Arbeitsverhältnis auf. Am 31. August 2010 erging das von der IV-Stelle
veranlasste rheumatologische und psychiatrische Gutachten des Dr. med.
B.________, Facharzt FMH für Rheumatologie und Innere Medizin, sowie des PD Dr.
med. C.________, Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie. Nachdem
A.________ vom 1. bis 22. November 2010 stationär in der psychiatrischen Klinik
D.________ behandelt worden war, leitete die IV-Stelle eine erneute
psychiatrische Begutachtung bei PD Dr. med. C.________ in die Wege (Expertise
vom 11. Oktober 2011). Am 22. Mai 2012 verfügte sie, bis Ende August 2011
bestehe bei einem IV-Grad von 27 % kein Rentenanspruch. Unter Berücksichtigung
einer psychischen Verschlechterung stehe A.________ ab 1. September 2011 eine
halbe Rente zu (IV-Grad: 57 %).

A.b. Am 2. November 2012 teilte die Pensionskasse SBB A.________ mit, mangels
zeitlichem und sachlichem Zusammenhang zwischen dem während seiner Anstellung
bei den SBB bestandenen (somatischen) Problemen und der (psychischen)
Verschlechterung bestehe kein Anspruch auf wiederkehrende Invalidenleistungen
(wohl aber auf eine Austrittsleistung). Nach Einwänden des zwischenzeitlich
anwaltlich vertretenen A.________ (Schreiben vom 11. Dezember 2012) hielt die
Pensionskasse SBB am 1. Februar 2013 an ihrer rentenablehnenden Haltung fest.

B. 
In Gutheissung der Klage des A.________ verurteilte das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt die Pensionskasse SBB mit
Entscheid vom 4. November 2014, A.________ ab September 2011 eine halbe
Invalidenrente aus der weitergehenden beruflichen Vorsorge zu bezahlen (nebst
Zins seit 25. Februar 2014 bzw. ab Fälligkeit).

C. 
Die Pensionskasse SBB führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und
die Abweisung der vorinstanzlichen Klage. Eventualiter sei die Sache zur
weiteren Abklärung an die Vorinstanz zurückzuweisen bzw. es sei ein
Gerichtsgutachten erstellen zu lassen.
A.________ schliesst auf Abweisung der Beschwerde und Bestätigung des
angefochtenen Entscheids. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ersucht er um
Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Verbeiständung. Das Bundesamt
für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem
die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.

2.1. Nach den zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz werden Invalidenleistungen
der obligatorischen beruflichen Vorsorge von derjenigen Vorsorgeeinrichtung
geschuldet, durch welche die ansprechende Person bei Eintritt der
Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat, versichert war
(Art. 23 lit. a BVG; BGE 135 V 13 E. 2.6 S. 17). Dieser Grundsatz findet auch
in der weitergehenden Vorsorge Anwendung, wenn Reglement oder Statuten nichts
anderes vorsehen (BGE 136 V 65 E. 3.2 S. 69). Für die Bestimmung der
Leistungszuständigkeit ist eine erhebliche und dauerhafte Einbusse an
funktionellem Leistungsvermögen im bisherigen Beruf oder Aufgabenbereich
massgebend. Diese muss mindestens 20 % betragen (BGE 134 V 20 E. 3.2.2 S. 23;
Urteil 9C_569/2013 vom 18. Februar 2014 E. 1.1, in: SVR 2014 BVG Nr. 36 S. 134,
mit weiteren Hinweisen).

2.2. Der Anspruch auf Invalidenleistungen setzt zudem einen engen sachlichen
und zeitlichen Zusammenhang zwischen der während des Vorsorgeverhältnisses
(einschliesslich der einmonatigen Nachdeckungsfrist gemäss Art. 10 Abs. 3 BVG)
eingetretenen Arbeitsunfähigkeit und der späteren Invalidität voraus (z.B.
Urteil 9C_326/2014 vom 28. September 2014 E. 6.2, in: SVR 2015 BVG Nr. 29 S.
107). Der  sachliche Konnex ist gegeben, wenn der Gesundheitsschaden, welcher
zur Arbeitsunfähigkeit geführt hat, im Wesentlichen auch der Erwerbsunfähigkeit
zugrunde liegt (BGE 134 V 20 E. 3.2 S. 22). Der sachliche Zusammenhang kann
auch gegeben sein, wenn die bei noch bestehender Versicherungsdeckung
eingetretene Arbeitsunfähigkeit somatisch, die Anspruch auf eine Rente der
Invalidenversicherung begründende, allenfalls auch berufsvorsorgerechtliche
Leistungen auslösende Invalidität jedoch psychisch bedingt ist. Notwendige,
aber nicht hinreichende Bedingung hiefür ist, dass das psychische Leiden sich
schon während des Vorsorgeverhältnisses manifestierte und das
Krankheitsgeschehen erkennbar mitprägte (z.B. Urteil 9C_58/2015 vom 11. August
2015 E. 2.2 mit Hinweisen). Die Annahme eines engen  zeitlichen Zusammenhangs
setzt voraus, dass die versicherte Person nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit,
deren Ursache zur Invalidität geführt hat, nicht während längerer Zeit wieder
arbeitsfähig war. Eine nachhaltige, den zeitlichen Zusammenhang unterbrechende
Erholung liegt grundsätzlich nicht vor, solange eine Arbeitsfähigkeit (von über
80 % [vgl. vorangehende E. 2.1]) weniger als drei Monate gedauert hat (bereits
zitiertes Urteil 9C_569/2013 vom 18. Februar 2014 E. 1.2.2).

3.

3.1. Die Vorinstanz hielt einleitend fest, das Reglement der Beschwerdeführerin
verweise auf die Bestimmungen des IVG und des BVG. Es weiche weder bezüglich
der Definition des Invaliditätsbegriffs noch hinsichtlich des Eintritts der
invalidisierenden Arbeitsunfähigkeit von den Grundsätzen des Art. 23 lit. a BVG
ab. Nach Würdigung der ärztlichen Beurteilungen stellte das kantonale Gericht
fest, der (letztinstanzliche) Beschwerdegegner sei anfänglich
unbestrittenermassen aus somatischen Gründen arbeitsunfähig geschrieben worden
und habe sich deswegen bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug
angemeldet. Allerdings bestünden gewichtige Anhaltspunkte, wonach die
psychischen Beschwerden schon während der Dauer des Vorsorgeverhältnisses
(inklusive Nachdeckungsfrist bis Ende Juni 2010) erkennbar in Erscheinung
getreten seien. Namentlich habe Hausarzt Dr. med. E.________, Facharzt für
Allgemeinmedizin, am 21. Februar 2010 zunehmend eine depressive Entwicklung
vermutet und angekündigt, "bei Bedarf" eine psychiatrische Behandlung in
Betracht zu ziehen. Dr. med. F.________ (Oberärztin Rheumatologie am Spital
G.________) habe am 8. März 2010 den Verdacht auf eine Schmerzausweitung (bzw.
differenzialdiagnostisch auf eine somatoforme Schmerzstörung) geäussert sowie
eine entsprechende Therapieempfehlung abgegeben. Ebenfalls berücksichtigt hat
das kantonale Gericht den weiteren Verlauf des Krankheitsgeschehens,
insbesondere dass der psychiatrische Gutachter PD Dr. med. C.________ kurz nach
Beendigung des Vorsorgeverhältnisses seinen Verdacht auf eine anhaltende
somatoforme Schmerzstörung als Diagnose mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit
bezeichnet und eine Einschränkung von 20 % attestiert hatte. Das Gericht erwog,
das bereits während des Versicherungsverhältnisses mit der Beschwerdeführerin
in Erscheinung getretene, später zur Invalidität führende psychische Leiden sei
in Zusammenhang mit den somatischen Beschwerden aufgetreten, weshalb die
sachliche Konnexität gegeben sei. Offen gelassen werden könne, ob die - nicht
offensichtlich falsche - Verfügung der Invalidenversicherung für die
Leistungspflicht der Beschwerdeführerin bindend wäre. Zu bejahen sei auch der
zeitliche Zusammenhang, nachdem aufgrund der Akten erstellt sei, dass der
Beschwerdegegner zwischen 1. Juli 2010 und 31. August 2011 in seinem
Leistungsvermögen stets um mindestens 20 % eingeschränkt gewesen sei und weder
in der angestammten noch in einer alternativen Tätigkeit eine volle
Arbeitsfähigkeit erlangt habe.

3.2. Die Beschwerde führende Vorsorgeeinrichtung rügt, vor Ende des
Vorsorgeverhältnisses (inklusive Nachdeckungsfrist) sei in den medizinischen
Akten bloss von einer Vermutung (des Dr. med. E.________) und von einem
Verdacht (der Dr. med. F.________) die Rede. Eine echtzeitliche psychiatrische
Diagnose, jedenfalls eine solche von Krankheitswert, fehle. Soweit das
kantonale Gericht vor August 2010 von einer berufsvorsorgerechtlich relevanten
Arbeitsunfähigkeit ausgegangen sei, handle es sich um eine nachträgliche
Annahme und spekulative Überlegungen, welche den mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit zu erbringenden Nachweis nicht zu ersetzen vermöchten. Erst
anlässlich der Begutachtung durch PD Dr. med. C.________ vom 20. August 2010h
abe ab dem Untersuchungszeitpunkt eine psychiatrische Störung mit
Krankheitswert sicher festgestellt werden können. Die hievon abweichende
vorinstanzliche Beweiswürdigung sei willkürlich. Zumindest wären weitere
medizinische Abklärungen in die Wege zu leiten. Der Beschwerdegegner habe sich
erst am 17. August 2010 in psychiatrische Behandlung begeben, eine frühere
fachärztliche Stellungnahme als diejenige des PD Dr. med. C.________ vom 20.
August 2010 gebe es somit nicht.
Selbst eine während des Vorsorgeverhältnisses festgestellte leichte depressive
Episode hätte mit Blick auf deren Überwindbarkeit nicht zu einer Invalidität
führen können. Das kantonale Gericht argumentiere widersprüchlich, wenn es
einerseits die Beurteilung des PD Dr. med. C.________ mit Bezug auf die
sogenannten Förster-Kriterien als schlüssig erachte, anderseits entgegen dessen
Einschätzung annehme, die (psychisch bedingte) Arbeitsunfähigkeit sei bereits
während des Vorsorgeverhältnisses eingetreten. Der von der
Invalidenversicherung festgestellte Invaliditätsgrad von 27 % sei, da unter 40
% liegend, für die berufliche Vorsorge ohnehin nicht bindend.
Schliesslich sei der zeitliche Zusammenhang schon deshalb unterbrochen, weil
das Leiden des Beschwerdegegners in der fraglichen Zeit überwindbar und dieser
folglich uneingeschränkt arbeitsfähig gewesen sei. Selbst mit einer
Einschränkung von 20 % wäre ein rentenausschliessendes Einkommen zu erzielen
gewesen. Bis September 2011, mithin während über einem Jahr nach Ablauf der
Nachdeckungsfrist, habe eine mindestens 80%ige Arbeitsfähigkeit bestanden.

4.

4.1. Nach den zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz ist ein Entscheid der
IV-Stelle für eine Einrichtung der beruflichen Vorsorge unter den in BGE 133 V
67 E. 4.3.2 S. 69 dargelegten Voraussetzungen grundsätzlich verbindlich. Die
Bindungswirkung einer Verfügung der Invalidenversicherung für eine Einrichtung
der beruflichen Vorsorge vermag sich allerdings nicht auf Feststellungen zu
erstrecken, welche für die Festlegung des Anspruchs auf eine Rente der
Invalidenversicherung nicht entscheidend waren. So ist der von der IV-Stelle
ermittelte Invaliditätsgrad für die Vorsorgeeinrichtung nicht bindend, wenn er
die gesetzliche Mindestgrenze von 40 % (Art. 28 Abs. 1 und 2 IVG) nicht
erreicht, weil in diesem unterhalb der Erheblichkeitsschwelle liegenden Bereich
für die Organe der Invalidenversicherung keine Veranlassung besteht, eine
genaue Bestimmung des Invaliditätsgrades vorzunehmen (Urteil 9C_8/2009 vom 30.
März 2009 E. 3.2 mit Hinweisen).

4.2. Soweit die IV-Stelle in ihrer Verfügung vom 22. Mai 2012 einen
Rentenanspruch bis Ende August 2010 bei einem Invaliditätsgrad von 27 %,
ausgehend von einer psychisch bedingten Arbeitsunfähigkeit von 20 %, verneint
hatte, sind ihre diesbezüglichen Feststellungen für die Beschwerdeführerin
somit nicht verbindlich. Die Vorinstanz hat Höhe und Eintritt der relevanten
Arbeitsunfähigkeit denn auch umfassend geprüft.

5. 

5.1. Entscheiderhebliche Feststellungen der Vorinstanz zur Art des
Gesundheitsschadens und zur Arbeitsfähigkeit, die Ergebnis einer
Beweiswürdigung sind, binden das Bundesgericht, soweit sie nicht offensichtlich
unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen
(vorangehende E. 1; BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397). Dies gilt auch für den
Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität
geführt hat (Art. 23 lit. a BVG; Urteil 9C_182/2007 vom 7. Dezember 2007 E.
4.1.1 [SVR 2008 BVG Nr. 31 S. 126]). Frei zu prüfende Rechtsfrage ist dagegen,
nach welchen Gesichtspunkten die Entscheidung über den Zeitpunkt des Eintritts
einer rechtserheblichen Arbeitsunfähigkeit erfolgt (Urteil 9C_91/2013 vom 17.
Juni 2013 E. 4.3.2 mit Hinweisen [SVR 2013 BVG Nr. 49 S. 206]), und ob diese
Entscheidung auf einer genügenden Beweislage beruht (Urteil 9C_752/2008 vom 9.
April 2009 E. 1.2 und 2.3).

5.2. Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich
unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und
augenfällig unzutreffend ist (BGE 132 I 42 E. 3.1 S. 44). Eine offensichtlich
unrichtige Sachverhaltsfeststellung weist damit die Tragweite von Willkür auf.
Es liegt noch keine offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere
Lösung ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere
erschiene (Urteil 9C_570/2007 vom 5. März 2008 E. 4.2). Eine
Sachverhaltsfeststellung ist beispielsweise offensichtlich unrichtig, wenn das
kantonale Gericht den Sinn und die Tragweite eines Beweismittels offensichtlich
falsch eingeschätzt, ohne sachlichen Grund ein wichtiges und für den Ausgang
des Verfahrens entscheidendes Beweismittel nicht beachtet oder aus den
abgenommenen Beweisen unhaltbare Schlüsse gezogen hat (BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9;
Urteile 8C_5/2010 vom 24. März 2010 E. 1.2; 9C_368/2008 vom 11. September 2008
E. 4.2).

6.

6.1. Es steht fest, dass der Beschwerdegegner während seiner Anstellung bei den
SBB ab dem Jahr 2008 wiederholt an somatischen Gesundheitsproblemen gelitten
hatte, sich innert kurzer Zeit mehrerer operativer Eingriffen unterziehen
musste und wegen der organischen Beeinträchtigungen wiederholt krank
geschrieben worden war. Die von der Arbeitgeberfirma versuchte berufliche
Wiedereingliederung scheiterte namentlich an einer Rückenproblematik, weshalb
das Arbeitsverhältnis per Ende Mai 2010 "wegen mangelnder medizinischer
Tauglichkeit" aufgelöst wurde.

6.2. In somatischer Hinsicht stellte Gutachter Dr. med. H.________ in der
Expertise vom 31. August 2010 Hinweise auf eine "klare Aggravation" fest. Die
Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit - worunter auch die angestammte
Arbeit als Reiniger falle - sei nicht eingeschränkt. Gegen diese Beurteilung
hat der Beschwerdegegner keine Einwände erhoben und es sind auch sonst keine
Gründe ersichtlich, weshalb nicht darauf abzustellen wäre. Nachdem eine
somatische Veränderung bis zum Begutachtungszeitpunkt Ende August 2010 weder
geltend gemacht wurde noch sich entsprechende Hinweise in den Akten finden, ist
davon auszugehen, dass die organische Problematik zwar zur (auf Einschätzungen
der Werksärztin beruhenden) Auflösung des Arbeitsverhältnisses per Ende Mai
2010 führte, indes keine längerfristige Arbeitsunfähigkeit (in angepassten
Tätigkeiten) bewirkte.

6.3.

6.3.1. Was die psychische Problematik betrifft, vermutete Hausarzt Dr. med.
E.________ bereits in seinem Bericht vom 21. Februar 2010 zunehmend eine
depressive Entwicklung und hielt fest, "bei Bedarf" ziehe er eine
psychiatrische Behandlung in Betracht. Auch Dr. med. F.________ hegte im März
2010 den Verdacht, es bestehe eine Schmerzausweitung (bzw.
differenzialdiagnostisch eine somatoforme Schmerzstörung; Bericht vom 8. März
2010). Einer psychiatrischen Behandlung unterzog sich der Beschwerdegegner erst
ab August 2010, wobei aktenkundig ist, dass er sich bereits im Juni 2010 für
eine psychiatrische Behandlung bei Dr. med. I.________, Facharzt für
Psychiatrie und Psychotherapie (Schreiben vom 11. Dezember 2012), angemeldet
hatte. Die Vorinstanz kam namentlich in Würdigung der Einschätzungen der Dres.
med. E.________ und F.________ zum bereits erwähnten (vorangehende E. 3.1)
Schluss, die echtzeitlichen Aufzeichnungen enthielten gewichtige Anhaltspunkte,
wonach schon während der Dauer des Vorsorgeverhältnisses psychische
Beeinträchtigungen mit Auswirkungen auf das Krankheitsgeschehen bestanden
hätten. Dies werde durch den weiteren Krankheitsverlauf bestätigt. In der Tat
hielt PD Dr. med. C.________ im Gutachten vom 31. August 2010 fest, die
Arbeitsfähigkeit sei durch eine leichte depressive Episode (ICD-10 F32.0) um 20
% eingeschränkt. Darin enthalten seien die Limitierungen wegen einer
verdachtsweise zu diagnostizierenden somatoformen Schmerzstörung, die der
Beschwerdegegner willentlich nicht vollumfänglich überwinden könne.

6.3.2. Die vorinstanzlichen Erwägungen, wonach die psychischen Limitierungen
bereits vor dem 30. Juni 2010 erkennbar in Erscheinung getreten seien, sind
nachvollziehbar. Tatsächlich wäre nicht einsichtig, weshalb Hausarzt Dr. med.
E.________ bereits im Februar 2010 eine psychiatrische Behandlung ("bei
Bedarf") in Betracht zog und Dr. med. F.________ anfangs März 2010 - für den
Fall fehlender neuer Erkenntnisse auf neurologischem Gebiet - eine
schmerzdistanzierende Therapie mit Antidepressiva (Saroten/Tryziptol) sowie
eine Vorstellung beim Psychiater Dr. med. J.________ zum allfälligen
Einschleusen in eine Schmerzgruppe empfahl, wenn psychische Auffälligkeiten
nicht bereits damals augenfällig gewesen wären. Dass die Ärzte des Spitals
K.________ nur wenige Wochen nach Ende der Nachdeckungsfrist einen Verdacht auf
eine psychische Überlagerung geäussert hatten (Bericht vom 3. August 2010),
deutet ebenfalls auf bereits vor Ende Juni 2010 manifest gewordene psychische
Probleme hin. Nicht zuletzt hatte sich der Beschwerdegegner, wie erwähnt (E.
6.3.1 hievor), bereits im Juni 2010 bei Dr. med. I.________ in psychiatrische
Behandlung begeben wollen. Indes käme es nur dann auf die vorinstanzlich im
Rahmen des sachlichen Zusammenhangs geprüfte Manifestation psychischer
Beeinträchtigungen im Sinne der zitierten Rechtsprechung (Urteil 9C_772/2007
vom 26. Februar 2008 E. 3.2) an, wenn zunächst aus organischen Gründen eine
Arbeitsunfähigkeit (von mindestens 20 %) bestanden und sich nachfolgend eine
psychische Verschlechterung eingestellt hätte. Nach dem Gesagten (E. 6.2
hievor) trifft dies nicht zu.

6.4. Im Raum steht allein eine Arbeitsfähigkeit aus psychischen Gründen (die
schliesslich als mittelgradige depressive Episode [ICD-10 F32.1] und anhaltende
somatoforme Schmerzstörung [ICD-10 F45.4] in einen iv-rentenbegründenden
Gesundheitsschaden mündete). Nachdem ausschliesslich eine Verschlechterung der
bereits in den ersten Monaten des Jahres 2010 ärztlicherseits beobachteten
psychischen Problematik in Frage steht, ist eine enge sachliche Verknüpfung
zwischen den während des Vorsorgeverhältnisses (inklusive Nachdeckungsfrist)
manifest gewordenen Limitierungen und den die Zusprechung der Rente der
Invalidenversicherung ab 1. September 2011 auslösenden psychischen
Beeinträchtigungen offensichtlich gegeben (BGE 134 V 20 E. 3.2 S. 22; Urteile
9C_197/2015 vom 26. Oktober 2015 E. 1.2 und B 32/03 vom 21. Januar 2005 E.
5.2.3, zusammenfassend publiziert in: SZS 2005 S. 550). Indes hängt die
Leistungspflicht der Beschwerdeführerin davon ab, ob der Beschwerdegegner vor
dem 1. Juli 2010 - aus psychischen Gründen - zu mindestens 20 % arbeitsunfähig
gewesen war und die Arbeitsunfähigkeit nachfolgend nicht mehr anspruchshemmend
unterbrochen wurde. Beides ist ohne Bindung an den IV-Entscheid zu prüfen
(vorangehende E. 4.2).

7. 
Die Beschwerdeführerin wendet ein, selbst wenn die psychische Problematik vor
dem 1. Juli 2010 in Erscheinung getreten wäre, hätte es an einer
invalidisierenden Wirkung gefehlt, da die Störung überwindbar gewesen wäre
(vorangehende E. 3.2). Diese Rüge ist unbegründet. Eine depressive Störung, wie
sie beim Beschwerdegegner diagnostiziert wurde, gilt nur als "unklares
Beschwerdebild", das nach der sogenannten Schmerzrechtsprechung (nunmehr BGE
141 V 281) zu beurteilen ist - und für welches bis zur Praxisänderung vom 3.
Juni 2015 die Überwindbarkeitsvermutung galt -, wenn es sich dabei lediglich um
Begleiterscheinungen einer Schmerzfehlentwicklung handelt. Eine depressive
Störung als selbständiges, von der Schmerzstörung losgelöstes Leiden fällt
indessen nicht unter die unklaren Beschwerden (z.B. Urteil 9C_173/2015 vom 29.
Juni 2015 E. 4.2.2). Im konkreten Fall kam PD Dr. med. C.________ zum Schluss,
der Beschwerdegegner leide an einer leichten depressiven Episode (ICD-10
F32.0). Die anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD-10 F45.4) könne
lediglich als Verdachtsdiagnose gestellt werden (welche insbesondere durch
"nicht unerhebliche bewusstseinsnahe Mechanismen" in Frage gestellt werde, die
klar über eine Verdeutlichungstendenz hinausgingen ). Dieser Beurteilung kann
kein ausgewiesener Zusammenhang zwischen Schmerzproblematik und depressiver
Problematik entnommen werden, der die Annahme rechtfertigte, es handle sich bei
der Letzten lediglich um eine Begleiterscheinung des Schmerzgeschehens (vgl.
Urteil 8C_689/2014 vom 19. Januar 2015 E. 3.4). Die depressive Problematik ist
somit als eigenständiges Krankheitsbild aufzufassen, auf das zum vornherein
weder die nach alter Rechtsprechung einschlägig gewesenen "Förster-Kriterien"
noch die neue Praxis gemäss BGE 141 V 281 zur Anwendung gelangt. Soweit PD Dr.
med. C.________ die Überwindbarkeitskriterien gleichwohl kursorisch prüfte, ist
dies ohne Belang. Im Übrigen erachtete er allfällige qualitative
Funktionseinbussen wegen der Schmerzstörung ohnehin als in den Limitierungen
durch die Depressionsproblematik mitenthalten.

8. 
Die Vorinstanz hat aus den zur Verfügung stehenden Unterlagen geschlossen, die
Beurteilung des PD Dr. med. C.________ vom 31. August 2010, wonach die leichte
depressive Episode eine qualitative Funktionseinbusse von 20 % bewirke, habe
bereits während des Vorsorgeverhältnisses bei der Beschwerdeführerin bis Ende
Juni 2010 gegolten. Indes vermögen psychische Störungen der hier - zunächst,
d.h. vor der ausgewiesenen Verschlechterung im September 2011 -
diagnostizierten Art ( ICD-10 F32.0 [leichte depressive Episode])
rechtsprechungsgemäss keine Arbeitsunfähigkeit zu begründen (z.B. Urteil 9C_531
/2012 vom 5. März 2013 E. 4.2). Zu einer abweichenden Beurteilung besteht kein
Grund. Die Vorinstanz hat somit unter Berücksichtigung, dass das Reglement der
Beschwerdeführerin einen Gleichlauf mit der Invalidenversicherung statuiert
(vgl. E. 3.1 hievor), zu Unrecht den Eintritt einer relevanten
Arbeitsunfähigkeit bereits während der Versicherungsdauer bei der
Beschwerdeführerin bejaht. Weil somit bis Ende Juni 2010 keine Ansprüche
gegenüber der Pensionskasse auslösende - psychisch begründete -
Arbeitsunfähigkeit (von mindestens 20 %; E. 2.1 hievor) ausgewiesen ist, fällt
eine Leistungspflicht der Beschwerdeführerin ausser Betracht. Dies führt zur
Gutheissung der Beschwerde und zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids.

9. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdegegner grundsätzlich
die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seinem Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege kann jedoch entsprochen werden (Art. 64 BGG). Er
hat der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn er später dazu in der Lage
ist (Art. 64 Abs. 4 BGG). Der obsiegenden Beschwerdeführerin steht keine
Parteientschädigung zu (Art. 68 Abs. 3 BGG; Urteil 9C_920/2008 vom 16. April
2009 E. 7 mit Hinweisen, nicht publ. in: BGE 135 V 163, aber in: SVR 2009 BVG
Nr. 30 S. 109).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts
des Kantons Basel-Stadt vom 4. November 2014 wird aufgehoben. Die Klage vom 25.
Februar 2014 wird abgewiesen.
2.
Dem Beschwerdegegner wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Advokat
Daniel Tschopp wird als unentgeltlicher Rechtsvertreter bestellt.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt, indes
vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.
4.
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdegegners wird aus der Bundesgerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet.
5.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorinstanzlichen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Basel-Stadt zurückgewiesen.
6.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 12. November 2015
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Bollinger Hammerle

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