Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 10/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_10/2015

Urteil vom 26. Juni 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Parrino,
Gerichtsschreiber Fessler.

Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
vertreten durch B.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Gemeinde Maur,
Durchführungsstelle für Zusatzleistungen zur AHV/IV,
Zürichstrasse 8, 8124 Maur,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Ergänzungsleistung zur AHV/IV (Prozessvoraussetzung),

Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 11. November 2014.

Sachverhalt:

A. 
Mit Urteil 9C_396/2013 und 9C_398/2013 vom 15. Oktober 2013 hob das
Bundesgericht den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
vom 2. April 2013 sowie die Einspracheentscheide der Durchführungsstelle für
Zusatzleistungen zur AHV/IV der Gemeinde Maur vom 10. August und 17. Oktober
2011 betreffend den Anspruch des im ... verstorbenen B.A.________ und dessen
Ehefrau A.A.________ auf Ergänzungsleistungen im Sinne der Erwägungen auf und
wies die Sache an die Verwaltung zurück, damit sie nach Massgabe von E. 10 neu
verfüge. Mit Einsprache-Entscheid vom 27. Mai 2014 setzte die
Durchführungsstelle die Zusatzleistungen (Ergänzungsleistungen nach Bundesrecht
und Beihilfen nach kantonalem Recht) für die Zeit vom 1. Juni 2010 bis 30.
November 2011 neu fest.

B. 
Mit Entscheid vom 11. November 2014 trat das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich auf die Beschwerde von A.A.________ (Eingaben vom 27. Juni und
3. Juli 2014) nicht ein und überwies die Akten an die Durchführungsstelle,
damit sie diese als Einsprache behandle und darüber entscheide.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.A.________
zur Hauptsache, der Entscheid vom 11. November 2014 und der Einspracheentscheid
vom 27. Mai 2014 seien aufzuheben und die Durchführungsstelle sei anzuweisen,
einsprachefähige Verfügungen über den Anspruch auf Zusatzleistungen zur AHV für
die Zeit vom 1. Juni 2010 bis 30. November 2011 sowie ab 1. Dezember 2011 bis
31. Dezember 2013 und ab 1. Januar 2014 zu erlassen; eventualiter sei der
Entscheid vom 11. November 2014 aufzuheben, der Einspracheentscheid vom 27. Mai
2014 und die beigelegten Berechnungsblätter seien als Verfügungen zu
qualifizieren und die Durchführungsstelle sei anzuweisen, einen
Einspracheentscheid zu erlassen; subeventualiter sei der Entscheid vom 11.
November 2014 aufzuheben und die Sache an das kantonale
Sozialversicherungsgericht zur materiellen Behandlung zurückzuweisen.

Erwägungen:

1. 
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen die formellen Gültigkeitserfordernisse
des Verfahrens (BGE 139 V 42 E. 1 S. 44; 138 I 367 E. 1 S. 369), soweit die
Beschwerde zulässig ist, ebenso die richtige Behandlung der
Eintretensvoraussetzungen durch die Vorinstanz (BGE 136 II 23 E. 3 S. 25; 136 V
7 E. 2.1 S. 10).

2. 
Die Beschwerde ist u.a. zulässig gegen Entscheide, die das Verfahren
abschliessen (Art. 90 BGG), sowie gegen selbständig eröffnete Vor- und
Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren (Art. 92
Abs. 1 BGG) oder andere solche Entscheide, wenn sie einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG), was von
der Beschwerde führenden Partei darzulegen ist (BGE 134 III 426 E. 1.2 in fine
S. 429; Urteil 5A_780/2011 vom 23. Februar 2012 E. 1.1 in fine).

2.1. Die Vorinstanz ist auf die Beschwerde gegen den als solcher bezeichneten
Einsprache-Entscheid vom 27. Mai 2014 nicht eingetreten mit der Begründung, bei
diesem Verwaltungsakt handle es sich effektiv um eine Verfügung im Sinne von
Art. 49 Abs. 1 ATSG. Somit fehle es an einem Anfechtungsgegenstand, der einzig
ein Einspracheentscheid nach Art. 52 Abs. 1 ATSG sein könne (Urteil 9C_ 928/
2011 vom 9. Juli 2012 E. 1, in: SVR 2012 EL Nr. 16 S. 51 [nicht publ. in: BGE
138 III 548]), und damit an einer Sachurteilsvoraussetzung (BGE 125 V 413 E. 1a
S. 414). Sie hat die Akten an die Beschwerdegegnerin überwiesen, damit sie die
Beschwerde als Einsprache behandle und darüber entscheide.

2.2. Die Beschwerdeführerin bringt vor, es könne offenbleiben, ob ein
Endentscheid nach Art. 90 BGG vorliege, da der vorinstanzliche
Nichteintretensentscheid so oder anders selbständig anfechtbar sei. Zur
Begründung verweist sie u.a. auf BGE 139 V 170 E. 2.2 S. 172 und BGE 135 V 153
E. 1.3 S. 156. In diesen Fällen ging es indessen um die örtliche Zuständigkeit
nach Art. 58 ATSG, d.h. um die Frage, welches kantonale Versicherungsgericht
als einzige Instanz zur Beurteilung der Beschwerde gegen einen
Einspracheentscheid zuständig war (Art. 52 Abs. 2, Art. 56 Abs. 1 und Art. 57
ATSG), während hier die funktionelle Zuständigkeit streitig ist. Die Frage, wie
der angefochtene Entscheid nach Art. 90-93 BGG zu qualifizieren ist, braucht
nicht entschieden zu werden, da er so oder anderes selbständig anfechtbar ist
(vgl. immerhin BGE 138 III 558 E. 1.3 S. 559; Urteile 2C_161/2009 vom 14. Juli
2009 E. 3.1-4 und 8C_121/2009 vom 26. Juni 2009 E. 1.3).

3.

3.1. Die Beschwerdeführerin hatte im vorinstanzlichen Verfahren beantragt, die
Beschwerdegegnerin sei anzuweisen, einsprachefähige Verfügungen über den
Anspruch auf Zusatzleistungen zur AHV auch für die Zeit vom 1. Dezember 2011
bis 31. Dezember 2013 und ab 1. Januar 2014 zu erlassen. Dabei warf sie der
Durchführungsstelle Rechtsverweigerung (Art. 56 Abs. 2 ATSG) vor. Das kantonale
Sozialversicherungsgericht hat sich dazu nicht geäussert. Ebenso hat es die
weiteren Anträge der Beschwerdeführerin, es seien der Beschwerdegegnerin wegen
leichtsinniger oder mutwilliger Prozessführung eine Spruchgebühr und die
Verfahrenskosten aufzuerlegen, und es sei ihr eine Parteientschädigung von
1'770 Franken zuzusprechen, wobei sie in der Replik einen zusätzlichen
Zeitaufwand von 4,75 Stunden geltend machte, weder erwähnt noch dazu Stellung
genommen und darüber dispositivmässig entschieden. Es kann offenbleiben, ob die
Nichtbehandlung dieser prozesskonform vorgetragenen Begehren auf einem Versehen
beruht und ob darin eine Verletzung der Begründungspflicht nach Art. 112 Abs. 1
lit. a BGG zu erblicken ist, wie in der Beschwerde geltend gemacht wird.

3.2.

3.2.1. Die Beschwerdeführerin hatte nach ihren Vorbringen in mehreren Eingaben
per e-mail im April und Mai 2014 darum ersucht, dass über ihren Anspruch auch
für die Zeit ab 1. Dezember 2011 verfügt werde. Im Einsprache-Entscheid vom 27.
Mai 2014 setzte die Beschwerdegegnerin entsprechend der Anordnung im Urteil
9C_396/2013 vom 15. Oktober 2013 die Zusatzleistungen (Ergänzungsleistungen
nach Bundesrecht und Beihilfen nach kantonalem Recht) für die Zeit vom 1. Juni
2010 bis 30. November 2011 ... neu fest (vgl. Sachverhalt A). In diesem
Vorgehen kann keine Rechtsverweigerung erblickt werden im Sinne einer
ausdrücklichen Ablehnung, über den Anspruch auf Zusatzleistungen ab 1. Dezember
2011 zu verfügen (BGE 124 V 130 E. 4 S. 133; 107 Ib 160 E. 3b S. 164). Die
Durchführungsstelle wird jedoch mit der gebotenen Raschheit darüber befinden.
In Bezug auf den Antrag sodann, der Beschwerdegegnerin seien wegen
leichtsinniger oder mutwilliger Prozessführung eine Spruchgebühr und die
Verfahrenskosten aufzuerlegen, ist ein schutzwürdiges Interesse der
Beschwerdeführerin weder ersichtlich (Art. 59 ATSG und Art. 89 Abs. 1 lit. c
BGG; BGE 138 V 292 E. 3 S. 294) noch dargetan (Art. 42 Abs. 2 BGG).

3.2.2. Mit Bezug auf die in der vorinstanzlichen Beschwerde beantragte, jedoch
unbeurteilt gebliebene Parteientschädigung ist zu beachten, dass der als
solcher bezeichnete Einsprache-Entscheid vom 27. Mai 2014 gemäss
Rechtsmittelbelehrung mit Einsprache beim kantonalen Sozialversicherungsgericht
anfechtbar war. Das ist insofern unklar, als bei dieser Instanz lediglich
Beschwerde (gegen Einspracheentscheide oder Verfügungen, gegen welche eine
Einsprache ausgeschlossen ist, aus dem Bereich der Sozialversicherung) erhoben
werden kann (Art. 56 Abs. 1 und Art. 57 ATSG), während die Einsprache nur gegen
Verfügungen nach Art. 49 Abs. 1 ATSG zulässig ist (Art. 52 Abs. 1 ATSG).
Indessen hatte sich die Beschwerdegegnerin im Schreiben vom 12. Mai 2014 der
Beschwerdeführerin gegenüber in dem Sinne geäussert, "zur Umsetzung der
Entscheide des Bundesgerichts und des Sozialversicherungsgerichts" einen
Einspracheentscheid zu erlassen. "Das bedeutet, dass neu ein zweitinstanzlicher
Entscheid erstellt wird mit Beschwerdemöglichkeit an das kantonale
Sozialversicherungsgericht". Die Beschwerdeführerin durfte somit die
Rechtsmittelbelehrung im Einsprache-Entscheid vom 27. Mai 2014 in dem Sinne
verstehen, dass dagegen Beschwerde (und nicht Einsprache) zu erheben war.
Insoweit hat das vorinstanzliche Verfahren als von der Beschwerdegegnerin
verursacht zu gelten, was trotz (formellen) Obsiegens einen Anspruch der
Beschwerdeführerin auf Parteientschädigung begründet (Art. 61 lit. g ATSG;
Urteil 9C_1000/2009 vom E. 2.2, in: SVR 2010 IV Nr. 40 S. 126; Urteil 9C_670/
2013 vom 4. Februar 2014 E. 3.3.1).
Bei der Festsetzung der Parteientschädigung für das vorangegangene Verfahren
wird das kantonale Sozialversicherungsgericht zu beachten haben, dass lediglich
die verfahrensbezogenen Rügen in der Beschwerde (bemessungs-) relevant sind;
die materiellen Vorbringen hätte der rechtskundige Vertreter der
Beschwerdeführerin bei korrektem Verfahrensablauf auch in der Einsprache
vorgebracht (vgl. Urteil 9C_1000/2009 vom E. 3.2, in: SVR 2010 IV Nr. 40 S.
126).

4. 
Es rechtfertigt sich, die Gerichtskosten der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen
(Art. 66 Abs. 1 BGG); diese hat zudem der Beschwerdeführerin eine reduzierte
Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG; Art. 9 des Reglements vom
31. März 2006 über die Parteientschädigung und die Entschädigung für die
amtliche Vertretung im Verfahren vor dem Bundesgericht [SR 173.110.210.3]).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird mit Ausnahme der Parteientschädigung für das vorangegangene
Verfahren abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Sache wird an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
zurückgewiesen, damit es die Parteientschädigung für das vorangegangene
Verfahren im Sinne der Erwägungen festsetze.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

4. 
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 300.- zu entschädigen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 26. Juni 2015
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Fessler

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