Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Revision 8F.15/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8F_15/2015

Urteil vom 7. Dezember 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Frésard, Maillard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Durizzo.

Verfahrensbeteiligte
 A.________, vertreten durch Rechtsanwalt Philip Stolkin,
Gesuchstellerin,

gegen

IV-Stelle Bern, Scheibenstrasse 70, 3014 Bern,
Gesuchsgegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Revisionsgesuch gegen das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts 8C_426/2011
vom 29. September 2011.

Sachverhalt:

A. 
A.________, geboren 1971, klagte seit einem am 26. April 2004 erlittenen Unfall
über anhaltende Beschwerden. Beim Mutter/Kind (MuKi) -Turnen war ihr
dreijähriger Sohn beim Herunterklettern auf der Sprossenwand ausgerutscht und
der Mutter, welche ihn auffangen wollte, auf die rechte Schulter gefallen. Die
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) schloss den Fall per 30.
November 2006 folgenlos ab. Ihr Einspracheentscheid vom 9. August 2007 wurde
letztinstanzlich am 3. Februar 2009 bestätigt (Urteil 8C_792/2008). Die
IV-Stelle Bern lehnte den Anspruch auf Versicherungsleistungen mit Verfügung
vom 27. September 2007 ab. Das Bundesgericht wies die Sache mit Urteil vom 13.
März 2009 zu weiteren Abklärungen und zu neuer Verfügung über den Anspruch auf
eine Invalidenrente an die IV-Stelle zurück (8C_793/2008). Gestützt auf das
Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) vom 17. September 2009
lehnte die IV-Stelle den Anspruch auf eine Invalidenrente mit Verfügung vom 26.
Februar 2010 erneut ab. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern bestätigte die
Verfügung mit Entscheid vom 7. April 2011, und auch das Bundesgericht wies die
dagegen erhobene Beschwerde mit Urteil 8C_426/2011 vom 29. September 2011 ab.

B. 
Mit Eingabe vom 2. September 2015 lässt A.________ gestützt auf ein Gutachten
des PD Dr. med. B.________, Facharzt für Psychosomatische Medizin und
Psychotherapie, Universität C.________, vom 14. August 2015 um Revision des
Urteils des Bundesgerichts vom 29. September 2011 ersuchen und die rückwirkende
Zusprechung einer Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 100 Prozent ab
dem 26. April 2005 beantragen.

Das Bundesgericht verzichtet auf einen Schriftenwechsel.

Erwägungen:

1.

1.1. Urteile des Bundesgerichts erwachsen am Tag ihrer Ausfällung in
Rechtskraft (Art. 61 BGG). Eine nochmalige Überprüfung der einem Urteil des
Bundesgerichts zu Grunde liegenden Streitsache ist grundsätzlich
ausgeschlossen. Das Gericht kann auf seine Urteile nur zurückkommen, wenn einer
der in den Art. 121 ff. BGG abschliessend aufgeführten Revisionsgründe
vorliegt. Ein solcher Revisionsgrund ist ausdrücklich geltend zu machen, wobei
es nicht genügt, dessen Vorliegen zu behaupten. Der geltend gemachte
Revisionsgrund ist im Revisionsgesuch unter Angabe der Beweismittel anzugeben
und es ist aufzuzeigen, weshalb er gegeben und inwiefern deswegen das
Dispositiv des früheren Urteils abzuändern sein soll (SVR 2014 UV Nr. 22 S. 70,
Urteil 8F_14/2013 vom 11. Februar 2014 E. 1.1).

1.2. Nach Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG kann die Revision in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten verlangt werden, wenn die ersuchende
Partei nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende
Beweismittel auffindet, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnte,
unter Ausschluss der Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Entscheid -
mithin dem Urteil, um dessen Revision ersucht wird - entstanden sind.

1.3. Neue Tatsachen sind solche, die sich bis zum Zeitpunkt, da im
Hauptverfahren noch tatsächliche Vorbringen prozessual zulässig waren,
verwirklicht haben, jedoch dem Revisionsgesuchsteller trotz hinreichender
Sorgfalt nicht bekannt waren; es handelt sich somit um unechte Noven. Die
Geltendmachung echter Noven, also von Tatsachen, die sich erst nach Ausfällung
des Urteils, das revidiert werden soll, zugetragen haben, ist ausgeschlossen.
Die neuen Tatsachen müssen ferner erheblich sein, das heisst, sie müssen
geeignet sein, die tatbeständliche Grundlage des angefochtenen Urteils zu
verändern und bei zutreffender rechtlicher Würdigung zu einer andern
Entscheidung zu führen (SVR 2014 UV Nr. 22 S. 70, Urteil 8F_14/2013 E. 1.2;
Urteil 9F_7/2008 vom 9. September 2008 E. 2.2; Seiler/von Werdt/Güngerich,
Bundesgerichtsgesetz, Bern 2007, N 7 zu Art. 123).

1.4. Neue Beweismittel haben entweder dem Beweis der die Revision begründenden
neuen erheblichen Tatsachen oder dem Beweis von Tatsachen zu dienen, die zwar
im früheren Verfahren bekannt gewesen, aber zum Nachteil des Gesuchstellers
unbewiesen geblieben sind. Erheblich ist ein Beweismittel, wenn anzunehmen ist,
es hätte zu einem anderen Urteil geführt, falls das Gericht im Hauptverfahren
davon Kenntnis gehabt hätte. Ausschlaggebend ist, dass das Beweismittel nicht
bloss der Sachverhaltswürdigung, sondern der Sachverhaltsermittlung dient (zum
analogen Art. 137 lit. b OG ergangene, gemäss BGE 134 III 45 E. 2.1 S. 47
weiterhin gültige Rechtsprechung: BGE 110 V 138 E. 2 S. 141; 108 V 170 E. 1 S.
171 f.; 99 V 189 E. 1 S. 191; in BGE 134 III 286 nicht publizierte E. 4.1 des
Urteils 4A_42/2008 vom 14. März 2008; SVR 2014 UV Nr. 22 S. 70, Urteil 8F_14/
2013 E. 1.2; Urteil 8C_797/2011 vom 15. Februar 2012 E. 3.2).

2. 
Bei dem ins Recht gelegten Gutachten der Universität C.________ vom 14. August
2015 handelt es sich um ein echtes Novum. Eine Revision gestützt darauf ist
ausgeschlossen. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass schon zum Zeitpunkt
des bundesgerichtlichen Urteils vom 29. September 2011, um dessen Revision
ersucht wird, eine Arbeitsunfähigkeit bestanden habe, welche jedoch erst mit
dem neuen Gutachten und nach der Praxisänderung gemäss BGE 141 V 281 zu
beweisen sei. Das neue Gutachten erschöpft sich jedoch in einer anderen
Beurteilung der Beschwerden, es bezieht sich daher einzig auf die
Sachverhaltswürdigung des Hauptverfahrens. Diese könnte indessen selbst durch
ein an sich zulässiges neues Beweismittel nicht in Frage gestellt werden.
Vielmehr müsste dieses die Sachverhaltsermittlung betreffen. Konkret müssten
(damals allein in Betracht fallende) unfallkausale, im Hauptverfahren
unerkannte und unerkennbare gesundheitliche, somit andere als die damals
berücksichtigten Beeinträchtigungen und deren Auswirkungen auf die
Arbeitsfähigkeit nachgewiesen werden. Das ist hier nicht der Fall. Es wird
insbesondere nicht geltend gemacht, dass andere, neu entdeckte Beschwerden zu
beurteilen wären. Vielmehr soll das neue Beweismittel zu einer neuen
Beurteilung der nach wie vor gleichen Beschwerden und damit zu einer neuen,
anderen Sachverhaltswürdigung herangezogen werden, was revisionsweise nicht
zulässig ist. Die Berufung darauf, dass die Leistungsfähigkeit bei
unverändertem Beschwerdebild mit dem neuen Gutachten anders zu beurteilen wäre,
vermag zur Begründung des Revisionsgesuchs nicht zu genügen (vgl. auch Urteil
8C_590/2015 vom 24. November 2015, wonach die neue Rechtsprechung zu den
somatoformen Schmerzstörungen für sich allein keinen Neuanmeldungs-
beziehungsweise Revisionsgrund im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG darstellt).

3. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der
unterliegenden Gesuchstellerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Das Revisionsgesuch wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Gesuchstellerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 7. Dezember 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Durizzo

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