Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Revision 8F.11/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8F_11/2015

Urteil vom 15. Oktober 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Schüpfer.

Verfahrensbeteiligte
 A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Petra Ducksch,
Gesuchsteller,

gegen

 Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft AG, Richtiplatz 1, 8304 Wallisellen,
Gesuchsgegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Revisionsgesuch gegen das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts 8C_917/2014
vom 5. Mai 2015.

Sachverhalt:

A. 
Mit Verfügung vom 9. Oktober 2009 - bestätigt durch Einspracheentscheid vom 13.
Januar 2010 - stellte die Allianz Suisse Versicherungsgesellschaft
(nachfolgend: Allianz) ihre Leistungen für einen von A.________, geboren 1957,
am 17. Mai 2001 erlittenen Unfall mit der Begründung ein, es bestehe zwischen
den weiterhin geklagten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und dem
versicherten Ereignis kein natürlicher Kausalzusammenhang mehr. Das wurde auf
eine von A.________ eingereichte Beschwerde hin mit Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 29. Dezember 2011 bestätigt.
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten hiess das Bundesgericht mit Urteil vom 9. Januar 2013 dahin
gehend teilweise gut, als es die Sache zu weiterer Sachverhaltsabklärung und
neuem Entscheid an das kantonale Gericht zurückwies (8C_155/2012). Nach
Einholung eines Gerichtsgutachtens vom 30. Juni 2014 wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde hinsichtlich der
Einstellung der Versicherungsleistungen mit Entscheid vom 29. November 2014
wiederum ab. Mit Urteil vom 5. Mai 2015 (8C_917/2014) wies das Bundesgericht
die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten ab.

B. 
Mit Eingabe vom 14. Juli 2015 lässt A.________ ein Revisionsgesuch stellen. In
Aufhebung des genannten Urteils und des Entscheides des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 29. November 2014 sei die
Allianz zu verpflichten, ihm ab dem 2. Mai 2009 weiterhin die gesetzlichen
Leistungen auszurichten; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die
Vorinstanz oder die Unfallversicherung zurückzuweisen.
Es wird kein Schriftenwechsel durchgeführt.

Erwägungen:

1.

1.1. Urteile des Bundesgerichts erwachsen am Tag ihrer Ausfällung in
Rechtskraft (Art. 61 BGG). Eine nochmalige Überprüfung der einem Urteil des
Bundesgerichts zugrunde liegenden Streitsache ist grundsätzlich ausgeschlossen.
Rechtskräftige Entscheide können - mit einer hier nicht interessierenden
Ausnahme - einzig auf dem Weg der Revision im Sinne von Art. 121 ff. BGG
aufgehoben werden (Urteil 8F_8/2014 vom 30. April 2015 E. 1 mit Hinweis auf:
ELISABETH ESCHER, Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 1
zu Art. 121 BGG). Ein solcher Revisionsgrund ist ausdrücklich geltend zu
machen, wobei es nicht genügt, das Vorliegen eines solchen zu behaupten. Der
geltend gemachte Revisionsgrund ist im Revisionsgesuch unter Angabe der
Beweismittel anzugeben, wobei aufzuzeigen ist, weshalb er gegeben und inwiefern
das Dispositiv des früheren Urteils abzuändern ist (Urteil 9F_7/2015 vom 27.
Juli 2015 E. 1 mit Hinweis).

1.2. 

1.2.1. Gemäss Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG kann die Revision in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten verlangt werden, wenn die ersuchende
Partei nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende
Beweismittel auffindet, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnte,
unter Ausschluss der Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Entscheid -
mithin dem Urteil, um dessen Revision ersucht wird - entstanden sind. Nach der
zum analogen Art. 137 lit. b OG ergangenen, gemäss BGE 134 III 45 E. 2.1 S. 47
weiterhin gültigen Rechtsprechung sind "neue" Tatsachen solche, die sich bis
zum Zeitpunkt, da im Hauptverfahren noch tatsächliche Vorbringen prozessual
zulässig waren, verwirklicht haben, jedoch dem Revisionsgesuchsteller trotz
hinreichender Sorgfalt nicht bekannt waren; es handelt sich somit um unechte
Noven. Die Geltendmachung echter Noven, also von Tatsachen, die sich erst nach
Ausfällung des Urteils, das revidiert werden soll, zugetragen haben, ist
ausgeschlossen. Die neuen Tatsachen müssen ferner erheblich sein, d.h., sie
müssen geeignet sein, die tatbeständliche Grundlage des angefochtenen Urteils
zu verändern und bei zutreffender rechtlicher Würdigung zu einer andern
Entscheidung zu führen. Neue Beweismittel haben entweder dem Beweis der die
Revision begründenden neuen erheblichen Tatsachen oder dem Beweis von Tatsachen
zu dienen, die zwar im früheren Verfahren bekannt gewesen, aber zum Nachteil
des Gesuchstellers unbewiesen geblieben sind. Erheblich ist ein Beweismittel,
wenn anzunehmen ist, es hätte zu einem anderen Urteil geführt, falls das
Gericht im Hauptverfahren davon Kenntnis gehabt hätte. Ausschlaggebend ist,
dass das Beweismittel nicht bloss der Sachverhaltswürdigung, sondern der
Sachverhaltsermittlung dient (BGE 110 V 138 E. 2 S. 141; 108 V 170 E. 1 S. 171;
ferner: in BGE 134 III 286 nicht publizierte E. 4.1 des bundesgerichtlichen
Urteils 4A_42/2008 vom 14. März 2008).

1.2.2. Betrifft der Revisionsgrund eine materielle Anspruchsvoraussetzung,
deren Beurteilung massgeblich auf Schätzung oder Beweiswürdigung beruht, auf
Elementen also, die notwendigerweise Ermessenszüge aufweisen, so ist eine
vorgebrachte neue Tatsache als solche in der Regel nicht erheblich. Ein
Revisionsgrund fällt demnach überhaupt nur in Betracht, wenn bereits im
ursprünglichen Verfahren der untersuchende Arzt und die entscheidende Behörde
das Ermessen wegen eines neu erhobenen Befundes zwingend anders hätten ausüben
und infolgedessen zu einem anderen Ergebnis hätten gelangen müssen (Urteil 8F_9
/2015 vom 18. August 2015; vgl. auch: BGE 127 V 353 E. 5b S. 358; Urteile
9C_955/2012 vom 13. Februar 2013 E. 3.3.1, 6B_404/2011 vom 2. März 2012 E.
2.2.2; 6B_539/2008 vom 8. Oktober 2008 E. 1.3; U 561/06 vom 28. Mai 2007 E. 6.2
[in SZS 2008 S. 159]; je mit Hinweisen).

2. 

2.1. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 29.
November 2014 und das Urteil des Bundesgerichts vom 5. Mai 2015 beruhen im
Wesentlichen auf dem Gerichtsgutachten des Dr. med. B.________, Facharzt FMH
für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, Leitender
Arzt an der Klinik C.________, vom 30. Juni 2014. Danach stehen die im
Zeitpunkt des Fallabschlusses vom 12. Mai 2009 weiterhin geltend gemachten
gesundheitlichen Beschwerden nicht mehr in einem rechtsgenüglichen natürlichen
Kausalzusammenhang mit dem versicherten Unfall vom 17. Mai 2001.

2.2. Der Gesuchsteller macht in seiner Eingabe vom 14. Juli 2015 den
Revisionsgrund von Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG geltend. Er bringt vor, mit einer
am 18. April 2015 erfolgten Operation und dem darauf beruhenden ärztlichen
Bericht samt Bilddokumentation des Dr. med. D.________, Facharzt für
Orthopädische Chirurgie, vom 2. Juni 2015 könne nunmehr ein natürlicher
Kausalzusammenhang zwischen den weiterhin bestehenden Beschwerden und dem
versicherten Ereignis nachgewiesen werden.

2.3. Die Vorbringen des Gesuchstellers zielen dahin, auf Grund des Berichts vom
2. Juni 2015 sei nunmehr bewiesen, dass eine Pseudarthrose
(Knochenknorpelexzisate L5 rechts mit schweren arthrotischen und
pseudoarthrotischen Veränderungen) vorliege. Diese sei auf den versicherten
Unfall vom 17. Mai 2001 zurückzuführen und erkläre seine gesundheitlichen
Beschwerden.

2.3.1. Aus dem umfangreichen Gutachten des Dr. med. B.________ vom 30. Juni
2014 ergibt sich, dass das Vorliegen einer Pseudarthrose während der ganzen
hier relevanten Krankengeschichte des Gesuchstellers thematisiert wurde. Daraus
zeigt sich, dass eine Pseudarthrose bereits vor dem Unfall vom 17. Mai 2001
vorgelegen hatte (vgl. bspw. Gutachten der medizinischen Gutachterstelle
E.________ vom 12. September 2006). Entgegen der Darstellung des Dr. med.
D.________ kann daher mit dem von ihm anlässlich des Eingriffs vom 18. April
2015 gefundenen Knochenfragment der Beweis, dass der hier relevante Unfall vom
Jahre 2001 zu einer Pseudarthrose geführt hat, nicht erbracht werden.

2.3.2. Dr. med. D.________ begründet seine Kausalitätsbeurteilung weitgehend
mit der seit dem Unfall eingetretenen Verschlechterung des Gesundheitszustandes
und des Allgemeinbefindens ("ein Sturz mit fatalen beruflichen Folgen.
...Dieses [Unfall-]Datum führt zu einer richtungsweisenden und bis heute
bestehenden massiven Beeinträchtigung seiner Arbeitsfähigkeit, seines
beruflichen Einkommens und seiner Lebensqualität"). Ein Kausalzusammenhang wird
damit vor allem aufgrund der unzulässigen und daher nicht zu beachtenden
Beweisregel "post hoc ergo propter hoc" bejaht. Wie im Bericht vom 2. Juni 2015
verdeutlicht, konnte das nunmehr entfernte Knochenfragment bisher bildgebend
nicht gefunden werden. Dr. med. B.________ zeigte in seinem Gutachten auf, dass
auch mit Hilfe der Unterlagen, die unmittelbar nach dem Unfall erstellt wurden,
unklar ist, welcher Unfallmechanismus tatsächlich angenommen werden kann
(Expertise S. 61). Es ist also angesichts des unstreitigen Vorzustandes heute
nicht mehr möglich festzustellen, ob dieses tatsächlich durch den Sturz
abgebrochen wurde oder ob dieser Sachverhaltsverlauf lediglich "möglich" oder
"denkbar" (so auch Dr. med. D.________ auf S. 7 seiner Ausführungen) ist.

2.3.3. Aus dem Dargestellten ergibt sich, dass auch nach der Entfernung eines
Knochenstücks aus dem Bereiche der unteren Wirbelsäule des Gesuchstellers für
die Kausalitätsbeurteilung eine Beweiswürdigung vorzunehmen ist. Da diese
notwendigerweise Ermessenszüge aufweist, fällt sie als Revisionsgrund nicht in
Betracht (E. 1.2.2).

2.3.4. Schliesslich bleibt zu erwähnen, dass bei der Würdigung des Berichts des
Dr. med. D.________ vom 2. Juni 2015 auch dem Unterschied zwischen Behandlungs-
und Begutachtungsauftrag Rechnung zu tragen ist. Behandelnde Ärzte sagen im
Zweifelsfall eher zugunsten ihrer Patienten aus (vgl. BGE 125 V 351 E. 3b/cc S.
353). Dies zeigt sich bei Dr. med. D.________ exemplarisch, fühlt er sich doch
geradezu "anwaltlich" dazu berufen, den Ausführungen im Gerichtsgutachten des
Dr. med. B.________ entgegenzutreten ("Dagegen gilt es nun  Einspruch zu
erheben").

2.4. Näherer Betrachtung bedürfte grundsätzlich auch, ob der neu aufgelegte
Arztbericht nach dem Wortlaut von Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG überhaupt als
zulässig zu betrachten wäre. Das kann aber offen bleiben, da das
Revisionsgesuch schon nach dem zuvor Gesagten als unbegründet abzuweisen ist.

3. 
Das Revisionsgesuch ist ohne Durchführung eines Schriftenwechsels (vgl. Art.
127 BGG) abzuweisen. Der Gesuchsteller trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1
BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Das Revisionsgesuch wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Gesuchsteller auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bundesamt für Gesundheit und dem
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 15. Oktober 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Schüpfer

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